Meine kleine Hausgemeinschaft
„ Na, Frau Brinkmann, wie geht es denn heute ?“
Meine beiden älteren Nachbarinnen Frau Meyerdierks,(83) und Frau Brinkmann (93) betraten gerade meine Wohnung, in der schon das Mittagessen auf sie wartete.
„Ach, hören Sie bloß auf, schon wieder 2 Tage lang Verstopfung !!“
„Wie wärs denn, wenn Sie einfach mal ein großes Glas heißes Wasser trinken. Unser Altbürgermeister Henning Scherf schwört darauf, wie er einmal sagte.“
„Ach, der sagt auch viel. Es hilft doch alles nichts. „
Auf dem Tisch dampften die Kartoffeln, die grünen Bohnen hatten einen buttrigen Glanz, und die Frikadellen dufteten knusprig gebraten auf der Platte.
„Na, das tut ja wieder gut aussehen.“ Frau Meyerdierks setzte sich an den Tisch in ihren Sessel. Beide hatten ihre angestammten Plätze. Seit einem halben Jahr koche ich einmal in der Woche für uns Drei. Zum ersten macht es mir Spaß für andere zu kochen und zweitens ist es rentabler. Sie zahlen mir jeder 5.- Euro pro Essen. So sind wir alle zufrieden. Und der alltägliche Klatsch, sei es Querelen im Haus, das Fernsehprogramm,oder die Prominenten aus den Klatschblättern blühte bei uns am Tisch. Ich muss bekennen, dass ich, in mich hineingrinsend, ihnen gern zuhörte.
Wacker langten sie zu. „ Die Frikadellen sind ja heute wieder besonders gut. „Emmi, Tust Du heute Abend wieder Dein Tanzen gucken ?“ Frau Meyerdierks schaute erwartungsvoll Frau Brinkmann an. „Ja, das muss ich doch sehen. Der Lange ist ja schon raus geflogen. Aber heute ist wahrscheinlich die Stefanie fällig.“
Es dauerte etwas, eh ich registrierte, das von der Sendung“ Lets dance“ die Rede war. „Welche Stefanie denn, ?“ wagte ich zu fragen. Beide Damen schauten mich mit aufgerissenen Augen an. „Na, Frau Homann, die Stefanie Hertl, kennen sie die nicht?“ ereiferte sich Frau Dreier. „Aha,“ dachte ich, - Bildungslücke „ „. Das ist doch die mit dem Stefan Mross. Die ist doch gerade geschieden. Die war ja gerade 18, als sie geheiratet hat. Das konnte ja nicht gut gehen. Und neulich hatte die ja nen Rock an !! Der war so kurz, dass man fast ins Innerste sehen konnte ! Das tut sich doch wirklich nicht gehören ! Und dann sollten sie Tango tanzen. Also Tango war das wirklich nicht. Ich habe in meinem Leben schon so oft Tango getanzt. Das können Sie mir glauben. I c h w e i ß, w i e d e r g e h t !!“
„Aber Frau Meyerdierks“, wagte ich ein zuwerfen, „der Tango, den sie gelernt haben, ist sicher nicht der Standarttanz, der dort gefordert wird .“
Frau Meyerdierks hatte schon vor Erregung ganz glühende Wangen. „Ach hören Sie doch auf. Mir brauchen Sie nichts zu erzählen. Das war kein Tango !!“
„Na, dachte ich, besser – Themenwechsel. „Möchten Sie sich vielleicht noch eine Frikadelle mit mir teilen ? fragte ich Frau Meyerdierks. Flugs ging ihr Blick zur Platte. Da lagen noch 3 Exemplare einladend darauf. „ Ach nein , danke.“ „Frau Brinkmann vielleicht?“ „ O ja, Frau Homann, eine halbe geht wohl noch.“ Eifrig widmeten sie sich wieder ihrem Essen. „ Der Roberto Blanco, das ist ja auch so einer. Der alte Knacker hat doch glatt wieder geheiratet, obwohl er noch verheiratet sein tut. Das kann doch nicht gut gehen. Die ist doch noch so jung. Die will doch nur an sein Geld.
Emmi, hast Du gestern - Rote Rosen - gesehen? Na, das war ja wieder ein schöner Mist.“ „Aber , warum gucken sie sich das dann an ?“ fragte ich schüchtern. „Na was soll man denn sonst gucken. Es tut ja doch nur Mist im Fernsehen sein. Und Emmi, hast Du gesehen, wie die Blonde ihren Freund , den Arzt immer wieder auf Handy angerufen hat. Der war gerade auf Visite. Das müsste verboten werden. Da tut der sein Handy mit rumschleppen, wenn er auf Visite geht.“ „Aber es ist doch nur ein Film, Frau Meyerdierks“ warf ich ein. „ Ach“ meldete sich nun auch Frau Brinkmann zu Wort, „heutzutage reißen sie sich in jedem Film immer gleich die Klamotten vom Leib und gehen miteinander ins Bett. Das ist ja bald nicht mehr auszuhalten.“
Der Blick Frau Meyerdierks ging wieder zur Fleischplatte „So, ich tu mir noch eine nehmen“ Frau Meyerdierks spießte eine neue Frikadelle auf ihre Gabel. „Die tut mich so angucken.“ Ich konnte mich des Eindruckes nicht erwehren, das sie das vorher schon geplant hatte, Eine halbe war ihr wohl doch zu wenig gewesen, obwohl sie wirklich eine ansehnliche Größe hatten,
„Ja, das mit dem Sex ist ganz unmöglich. Da treibts ja jeder mit jedem. Das hat es bei uns früher nicht gegeben. „ Frau Meyerdierks kämpfte sichtlich mit ihrer Frikadelle. „Übrigens habe ich heute die kleine Türkin von oben angehalten. Die war mit der Treppe dran und hat sie wieder nicht gemacht. Ewig muss ich sie das sagen. Sie tut sichs nicht merken. Wo soll das hinführen, wenn das jeder machen würde. Sie hat mir übrigens erzählt, dass man ihre Schuhe vor ihrer Tür geklaut hat. Ich hab ihr gleich gesagt: „Warum tust Du denn auch Deine Schuhe vor die Tür stellen. Das tut doch von uns keiner machen.“
Nun mußte ich mich doch wieder einmischen. „Vielleicht ist das in der Türkei so üblich“ Da hatte ich aber etwas gesagt !! „Die soll, wenn sie hier wohnt, sich daran gewöhnen, was hier üblich ist, und überhaupt – haben Sie gesehen, dass sie neuerdings wieder Kopftuch trägt ? Ihre Mutter hat mir neulich erzählt, dass sie unbedingt heiraten will. Aber es soll ein türkischer Mann sein. Dabei ist sie doch Stewardess!!“ Mit diesen Worten beendete Frau Meyerdierks ihr Essen. Eine halbe Frikadelle lag noch auf ihrem Teller. „Tun sie mir die bitte einpacken, dann esse ich sie heute abend auf Brot.“ Sie erhob sich von ihrem Sessel. Nur allzu gern kam ich ihrer Bitte nach. Das Gespräch hatte mich doch ganz schön erschöpft.
Erleichtert verabschiedete ich die Beiden an der Tür und wünschte ihnen noch einen besonders schönen Tag.