Da saß er also, gelangweilt im dreckigen Zugabteil des Trainitalia Richtung Mailand. Die weißen Spitzen seiner fettigen Haare schauten unter seiner grünen, etwas aufgefetzten Wollmütze hervor. Verrückt wie er war, hatte er sich ein paar gut gesalzene Maiskolben in die innere Tasche seines langen schwarzen Mantels gesteckt. Die Zeit schien eingefroren, eingefroren wie ein idyllischer kleiner Teich mitten im Wald weit weg von Häusern, weit weg von Straßen und weit weg von Menschen – eigentlich der perfekte Ort ein Verbrechen ungeschehen zu machen.
Stunden lang saß er schon dort, im Zug. Er bewegte sich nicht viel, lediglich seine Augen musterten das Muster der alten Stoff-Sitzbezüge. Immer wieder sank sein Kopf schlagartig, das war ihm peinlich, wollte nicht die Aufmerksamkeit des wunderhübschen, blonde Mädchen mit den riesengroßen runden Augen erregen, eher war es umgekehrt, das Mädchen erregte ihn.
Nie wieder dürfte so etwas passieren dachte er, nie wieder, er konnte noch immer nicht glauben was passiert war, was er getan hatte, nie würde es jemand erfahren, wenn er erst mal in Mailand ist, würde ihn jeder vergessen ihn und das was er getan hatte!
ER wurde etwas nervös und nahm sich einen Maiskoben aus seiner Tasche, er hatte keinen Hunger, er war sogar satt, er wollte jedoch seinen Händen einen Sinn geben, einen Sinn der ihn nicht nächtlich in seinen Träumen heimsucht, der ihn nicht in seinem Schweiß baden lässt, der ihm nicht Angst vor seinem Spiegelbild macht.
Er hat nicht mehr richtig schlafen können, schon seit letzten Montag, er war müde und bekam immer wieder Angst, doch das würde alles besser werden ist er erst mal weg von Zuhause, nein, nicht von Zuhause, es gibt kein Zuhause, nicht mehr.
Er konnte einfach nicht wiederstehen, noch nie, wirklich noch nie in seinem traurigem Leben wurde er geliebt, so fühlte er sich zumindest.
Einmal wollt er es fühlen, fühlen wie es sich anfühlt geliebt zu werden, wie es sich anfühlt von einer Frau umarmt zu werden, ihren Atem im Genick zu spüren, zu fühlen wie sie mit ihren zarten Händen über seinen Körper streicht, wie seine Hände von ihrer Hüfte, über ihre perfekt geformten prallen Brüste, zu ihren weichen Wangen streichen, nur einmal. Er wollte nicht so weit gehen, wirklich nicht, er konnte nichts dafür, er wollte nicht, dass sie sich währt. Es brach ihm sein kleines sprödes Herz, sie sollte ihn doch nur liebevoll umarmen.
Er kannte sie gut, sehr gut sogar, er beobachtete sie schon lange. Sie kannte ihn nicht, doch darin sah er kein Problem, er kannte sie ja.
Sie war wunderschön! Lange, blonde, lockige Haare, nicht sehr groß, eher klein. Genau wie es ihm gefiel. Seine Hände waren kalt und grob, sie schrie, er wollte ihr nicht weh tun, er war verzweifelt, seine Pläne, seine Welt brach zusammen, er war sich sicher sie würde ihn sofort lieben, so plante er es doch, so sah er es schon Wochen vorher vor seinem inneren Auge. Er wusste nicht warum sie aufhörte zu atmen, so lang drückte er doch garnicht. Es war Winter, er wollte sie zu dem romantischsten Ort nehmen, den er je sah, doch dafür war es zu spät, nie wird sie mit ihm dort sein, auch nicht ohne ihn, er wollte doch nur das sie still ist.
Wo hin mit ihr?
Er nahm sie mit, mit zu seinem Ort, dort ist sie sicher, sicher vor Entdeckern, sicher vor allem, nie würde es jemand erfahren.
Weit weg von Häusern, weit weg von Straßen, weit weg von allen Menschen, nur er und ein paar Vögel, die ihn von den Birkenästen am Rande des kleinen Teiches mitten im Wald saßen, wussten was er tat.
Er konnte an nichts anderes denken, wie in Stein gemeißelt sind seine Erinnerungen.
Doch das Ende, das Ende denkt er, das Ende einer Geschichte ist das was zählt, das was in uns als Erinnerung bleibt. Und nur er hat jetzt in der Hand, der Geschichte ein Ende zu geben.