Beschreibung
Mein Beitrag für Storybattle 20.
Ich fürchte allerdings, die von mir gewählte Thematik passt kaum in den Rahmen einer Kurzgeschichte. Ich bitte daher darum mir, ein paar politische Ungereimtheiten zu verzeihen.
Der Begriff "Steinbock" wurde ausgelassen, stattdessen der Joker verwendet.
Die Jeepkolonne preschte durch die Savanne, wobei sie einen Tornado von Staub hinter sich herzog. Durch die blechernen Innenräume heulte das Dröhnen der Motoren und bei jeder Bodenwelle prallte Cathrines Rücken gegen ungepolsterte Sitzbank, während die Schnüre, die ihre Handgelenke fesselten, sich langsam in ihr Fleisch gruben, dass sie spürte, wie ein Rinnsal warmen Blutes über ihre Haut lief. Aus dem Radio tönte blechern irgendeine afrikanische Folklore, und als sie aus dem staubbedeckten Fenster blickte, über das sich so mancher Sprung rankte, entdeckte sie in der Ferne einige GIRAFFEN, die ihre Hälse über die Bäume reckten. Fast vergas sie, die Situation, in der sie sich befand, vergas die Fesseln und die mahnende Zukunft, wähnte sich für einen flüchtigen Augenblick als einfache Touristin auf Safari.
Dann bremste der Jeep rapide ab, schmetterte sie erneut in das Metall der Sitzbank, ließ die Fesseln durch ihre Haut schneiden. Der Wagen kam zum Stehen, die Folklore verstummte und überließ die
Bühne den gutturalen Rufen der Soldaten, die aus den anderen Fahrzeugen strömten.
Durch das Fenster erkannte sie eine Dreiergruppe, die sich zielstrebig auf ihr Gefängnis zubewegte. Der dunkelhäutige Fahrer ihres Wagens schenkte ihr durch die Trennscheibe ein lückenhaftes Lächeln, das jedoch funkelte wie ein WEIHNACHTSSTERN, bevor er ausstieg und sie allein im Jeep zurückließ. Sekunden später hatte die Dreiergruppe die hintere Tür erreicht.
Sie hätte gar nicht hinsehen müssen, um zu wissen, wer den Männern vorstand: Quentin Trent, ein Name der sich schon seit Jahren durch die finstersten Ecken und Enden der Welt rankte.
Er nahm sich unter den grobschlächtigen, dunkelhäutigen Soldaten allein schon durch seine hagere Statur und seine papierblasse Haut wie ein SCHWAN unter Gänsen aus, ein Schwan, der das Gesicht eines ADLERS besaß, scharf und gnadenlos. Obgleich er nicht klein war, schrumpfte er zwischen den hünenhaften, dunkelhäutigen ZWILLINGEN, die ihn flankierten, zu einem Zwerg.
Während seine Wachen tarngemusterte Uniformen und Macheten an ihren Gürteln trugen, legte er in seinem khakifarbenen Anzug und der dazu passenden Weste ein wesentlich zivilisiertes Auftreten an den Tag. Mit einem Handwink befahl er dem Gefolge, stehen zu bleiben, bevor er die Tür öffnete und zu Cathrine in den Jeep stieg, wo er zunächst die Tür wieder verschloss und sich dann auf der Sitzbank ihr gegenüber niederließ. Als er lächelte, erkannte sie, dass die pure Verachtung, die sie für ihn empfand, ihr geradewegs aus dem Gesicht starren musste. Zögerlich verhärtete sie ihre Miene und senkte ihren Blick auf die silberpolierte Brosche, welche an Quentins Revers prangte.„Eine WAAGE“, rann es spöttisch durch ihre Gedanken, „Wie vermessen kann man sein?“
„Warum halten wir?“, blaffte sie, nachdem er sie eine Weile schweigend angestarrt hatte.
„Wir werden den Rest zu Fuß gehen“, offenbarte er, wobei er seine spinnengleichen Hände faltete, „Es wäre doch eine Schande, wenn ich dich vor den versammelten UN-Beobachtern aus diesem Wagen zerren müssten.
Das würde ein schlechtes Licht auf die gute Behandlung werfen, die wir unseren Gästen für gewöhnlich zukommen lassen.“
Als Antwort spuckte sie ihm vor die braunen Lacklederschuhe, was ihm ein erneutes Lachen entlockte. Als er seine spindeldünnen Finger ausstreckte, um ihr eine Strähne aus der verschwitzten Stirn zu streichen, stieß der bittere Geschmack von Galle ihre Kehle hinauf.
„Ich hoffe doch“, fuhr er fort, „dass du dich an unsere…Abmachung halten wirst.“
Sie nickte trocken, worauf er ein kurzes Messer zog, das im Licht der sengenden Sonne funkelte. Doch es war nicht die Hitze, sondern die Angst, die den Schweiß aus einer jeden Pore quellen ließ.
„Sag es!“, forderte er.
„Ich…“, sie brachte nur ein Keuchen zustande, schien doch ihr ganzer Körper zu brennen. Dennoch gelang es ihr, die Beherrschung zurückzugewinnen und ihm die gewünschte Antwort entgegen zu spucken, „Ich werde ihnen sagen, was sie hören wollen. Ich werde ihnen die Friedfertigkeit und Rechtschaffenheit des Generals
bestätigen, damit die NATO ihre Truppen wieder abzieht…und der General wird dafür meine Begleiter freilassen.
“Ein letztes Mal beäugte Quentin sie so eingehend, dass sie unter seinem Blick fröstelte. Dann nickte er, führte sein Messer um sie herum und durchtrennte ihre Fesseln. Sofort brannte das gellende Verlangen in ihren Händen, ihm eine schallende Ohrfeige zu verpassen. Doch stattdessen presste sie nur ihre Fingernägel in die eigenen Handflächen und schnaubte verächtlich.
„Auf einen kleinen Spaziergang“, lachte Trent, wobei er ihr gebot, auszusteigen, was sie widerwillig tat. Anschließend schlenderte sie an seiner Seite durch die Savanne, umringt vom Kreis der Soldaten, welche die Umgebung durchkämmten.
Schnell kam ihr Ziel in Sicht, ein kleines Lager aus dunklen Zelten, die sich hinter provisorischen Barrikaden und militärischen Panzerfahrzeugen erhoben. Als sie sich näherten, stürmte ihnen bereits ein Zug blaubehelmter Soldaten entgegen, die sofort ihre Maschienengewehre
auf sie anlegten, bis Quentin gelassen mit seinem Spazierstock wedelte, an den er ein weißes Tuch gebunden hatte. Mit stählernen Mienen und verachtungsgeschwollenen Zungen spuckte man ein paar Worte hin und her, bevor die Soldaten sich bereit erklärten, Quentin, Cathrine und zwei der Macheten bewehrten Milizen einzulassen.
Wenig später fand sie sich, von ihren Bewachern getrennt, in einem Zelt wieder, wo sie an einem Klapptisch saß, Becher um Becher kühlen Wassers in sich hineingoss und auf ihren Gesprächspartner wartete. Für den Moment jauchzte ein Hochgefühl der Freiheit in ihr, das seit Wochen hinter den Gittern der Angst und des Hasses eingekerkert gewesen war. Doch sie wusste, dass sie Freiheit sie trog. Quentins Ketten schnürten sich immer noch um ihre Kehle, auch wenn er irgendwo außerhalb des Zeltes wartete. Doch Zeit, sich in der Kontroverse ihrer Emotionen zu suhlen, blieb ihr nicht, denn unvermittelt platzten jene Personen in das Zelt, auf die sie wartete. Der Oberbefehlshaber der Friedenstruppen Major Jakob FUHRMANN sowie die Vorsitzenden des Komitees
der Beobachtungsmission.
„Cathrine!“, ächzte Fuhrmann, wobei er sein blaues Barett auf dem kahlen Schädel zurechtrückte, „Wir hatten dich schon abgeschrieben. Wo sind Peters und Cage?“
„Sie sind…“, begann Cathrine, wobei die Schlinge, die Quentin Trent um ihren Hals gezogen hatte, sich zuzog. Vor etwa einem Monate war sie mit ihren Begleitern Wayne Cage und Tom Peters als UN-Beobachterin in die Stadt gereist, über die ein Warlord herrschte, der sich schlicht "Der General" nannte. Dort jedoch waren sie von dessen Schoßhund, Quentin Trent, gefangengenommen und verhört worden.
Schließlich hatte er Cathrin befreit und sie hierher zurückeskortiert, damit sie ihre Vorgesetzten über die Zustände unter der Herrschaft des Generals belügen konnte, während Cage und Peters in irgendeinem verdreckten Kellerloch warteten, auf ihre Hinrichtung, im Falle von Cathrines Versagen.
Ihr Herz sagte ihr, dass sie keine andere Wahl hatte, als den lügenhaften Abgesang, den Quentin für sie erdichtet hatte, herunterzubeten.
„In einer Klinik unter der Aufsicht des Generals“, presste sie durch ihre Lippen.
„Klinik?“, blaffte der Major, „Was hat man ihnen angetan.“
„Sie geschlagen, in ein Loch gesperrt vermutlich gefoltert“, dachte sie, doch ihre Zunge sagte:
„Nichts sie…sie haben sich mit Malaria infiziert. Der General sorgt…gut für sie und wird sie zu den NATO-Streitkräften zurückbringen, sobald sich ihr Zustand verbessert hat.“
„Dann stimmt es nicht, was man über den General so hört?“, eine ältere Dame, Vorsitzende des Beobachtungskomitees, schürzte stutzig die Lippen.
„Keinesfalls. Der General ist ein rechtschaffener“, Galle sprudelte ihren Rachen hinauf, als sie das Wort in den Mund nahm, doch sie entsann sich der beiden Gefangenen, dem bitteren Funkeln in ihren glasigen Augen, als man sie von ihnen getrennt hatte, und spülte die Bitterkeit mit einem weiteren Becher Wasser hinfort, „…ein rechtschaffener Mann. Er kümmert sich um die Kinder, holt sie von der Straße und baut Schulen für sie.“
Ihre Hände zitterten, als sie die Baracken beschönigte, die man errichtet hatte, um Kinder darin zu fanatischen Soldaten auszubilden. Dennoch sprach sie weiter, spuckte ein jedes ekelhaftes Wort heraus, das Quentin ihr vorgedichtet hatte.
„Er sorgt für die Kranken und bekämpft die Seuchen.“
„Indem er jene enthauptet und verbrennt, die er für krank hält“, echote es durch ihren Geist, ebenfalls Worte, die Trent ihr gegenüber verloren hatte, natürlich unter dem ausdrücklichen Vermerk sie niemals vor den Beobachtern zu erwähnen.
„Außerdem“, fuhr sie fort, „hat er ein großes Herz für Tiere. Er versucht, so viele Straßenhunde zu retten, wie er kann, und die, die nicht zu retten sind, werden auf humane Weise eingeschläfert.“
Tatsächlich veranstaltete er Hundekämpfe, um seine blutrünstigen Soldaten zu belustigen, oder er ließ Hunde gegen seine Kindersoldaten kämpfen.
„Nur die Starken überleben“, hatte Quentin gesagt, bevor er ihr zeigte, was mit den tierischen und menschlichen Überresten der Verlierer geschah.
Der General pflegte sie an seine domestizierte Hyäne zu verfüttern, eine Monstrosität, die er zu allem Überfluss auf den Namen PLUTO getauft hatte.
Als sie sich entsann, wie sich das Ungetüm an der zerfetzten Leiche eines Kindes gelabt hatte, sprudelten die Tränen in ihre Augen.„Wird er Wayne und Tom auch an seine Hunde verfüttern, wenn ich versage?“, fragte sie sich, bevor sie den Blick hob und sehen musste, dass ihre emotionale Reaktion wie ein METEOR eingeschlagen war.
Major Fuhrmann stampfte hinter dem Tisch durch das Zelt und seine zitternden Mundwinkel verrieten, dass er kurz davor stand, seinen Unmut den Leinwänden entgegenzuschreien. Die Komiteevorsitzende verschränkte unterdessen ihre knochigen Finger und starrte Cathrine durchdringend an.
„Habe ich nicht schon versagt?“
„Sie weinen, Frau Welsh?“, fragte die ältliche Dame.
„Ich…nein, das ist nur die Erschöpfung von der langen Reise“, stammelte sie,
„Ich wollte noch…der General ist gerecht. Jedermann, der eines Verbrechens angeklagt wird, bekommt einen fairen Prozess…“
„Wer dem General querkommt, wird abgeschlachtet und an die Hunde verfüttert.“
„Zudem…“, wollte sie fortfahren, doch Fuhrmann schmetterte ihre Worte nieder.„Das reicht, wir haben genug gehört. Wenn Sie bitte draußen warten würde, Frau Welsh.“
„Ich, aber…“, jähe Ernüchterung überkam sie wie eine Sturmflut, „...natürlich.“
Sie wankte nah draußen.
Mittlerweile war es dunkel geworden und der HALBMOND schenkte der Savanne sein fahles Licht. Hastig stürmte sie durch die Reihe der Zelte, an den Panzerwagen vorbei bis zum Zaun, wo sie sich erbrach. Obgleich sie nur Wasser und Galle hervorwürgte, biss letztere doch bitter in ihren Rachen. Erschöpft klammerte sie sich um den Draht, während der Abgrund der Verzweiflung unter ihr aufbrach.
„Sie werden mir nicht glauben. Sie werden die Truppen nicht abziehen. Der General wird Tom und Wayne töten, wird sie an seine ekelhafte Hyäne verfüttern“, wie tausend Nadelstiche drang die Erkenntnis in ihr Herz, dass sie auf die Knie nieder sinken musste.
Ein leises Lachen ertönte hinter ihr. Quentin!
Sie schnellte herum, sprang auf und verpasst ihm eine schallende Ohrfeige, die jedoch mitnichten das Lächeln aus seinem raubvogelartigen Gesicht wischte.
„Sie werden mir niemals glauben!“, schrie sie, „Du und dein elender General, ihr werdet beide untergehen!“
„Natürlich werden sie diese erbärmliche Scharade durchschauen, die der General entsann“, Trent zuckte gleichgültig mit den Achseln, „Ebenso wie es angedacht war.“
„Angedacht?“, ächzte sie durch den Schleier von Tränen und Galle.
„In der Tat. Ich war es, der dem General vorschlug, dich seine Lügengeschichte erzählen zu lassen“, er tippte mit seinem Spazierstock auf den staubigen
Boden, „Peters oder Cage hätten sie diese Ränkespiel vielleicht sogar abgekauft, aber dir…nein, du bist, verzeih, eine grottenschlechte Lügnerin.“
„Du wolltest, dass der Plan fehlschlägt?“, ihre Tränen trockneten schlagartig, „Der General wird Peter und Cage umbringen.“
„Ein bedauernswerter Schaden“, murmelte Trent, „Ich fürchte jedoch, dass das Opfer einiger Bauern für den Sieg manchmal unvermeidbar ist.“
Obgleich ihre Hand mit einer weiteren Ohrfeige antworten wollte, gelang es ihr, eingehüllt in die Schlingen ihrer eigenen Verwirrtheit, nur ein Wort auszusprechen:
„Warum?“
„Du verstehst es immer noch nicht, oder?“, ein spöttische Lächeln rankte sich über seine Lippen, „Wir sind zwei Seiten derselben Medaille. Wir arbeiten für dieselben Personen“, seine filigranen Finger strichen über die Waage an seinem Revers,
„Ich arbeite für einen Geheimdienst, der im wesentlichen dieselben Ziele verfolgt wie ihr, nur ohne die lästige Bürokratie. Wäre dem General seine Scharade gelungen, hätte er sein Treiben noch einige Jährchen fortführen können. Ich aber habe Gründe geliefert, die die NATO zu einem sofortigen Eingreifen zwingt.“
„Das ist so falsch“, wimmerte sie, und obgleich sich ihr soeben das ganze Ausmaß von Quentins Verschlagenheit offenbart hatte, ruhten ihre Gedanken bei Peter und Cage und der Hyäne, die hungrig ihre Zähne fletschte.
„Willkommen in der Welt der Grautöne“, Trent verneigte sich linkisch, „wo die wahrlich Bösen nur die sind, die einem auch als solches ins Gesicht starren.“
„Nein“, flüsterte sie beinahe unhörbar, während er durch den Mondschein davonschlenderte, „Das wahrhaft Böse flaniert vor jedermanns Augen unerkannt unter der Maske der Rechtschaffenheit.“
Dann übergab sie sich ein zweites Mal.