Kurzgeschichte
Das Glück der Waage - Storyballe No. 20

Storybattle No. 20

- Adler

- Fuhrmann

- Giraffe
- Halbmond
- Meteor
- Pluto
- Schwan
- Steinbock
- Waage
- Zwillinge

Joker: Weihnachtsstern

Das Glück der Waage

Es war einmal ein Adler, der hatte das Spähen aus des Himmels Lüften bis zum krummen Schnabel hin satt. Ja, er hatte scharfe Augen und konnte ein Mäuschen hinter einem Grashalm sich verstecken sehen. Ja! Doch viel lieber wäre es ihm, ein strahlend weißer Schwan zu sein und der Herr über einen kleinen Teich im östlichen Holstein. So flog er eines Tages hinter den schlanken Halbmond, wo der große Fuhrmann, der als Herr über jeden Meteor, und gar über Pluto, seinen Sitz auf einer universellen Waage innehatte. Der große Fuhrmann hielt sich zu seiner persönlichen Sicherheit Zwillinge, die ihm wie ein Weihnachtsstern dem anderen ähnlich sahen.

Der große Fuhrmann ließ eine Giraffe, die bestens mit allen Sicherheitsvorkehrungen seiner Waage vertraut war, über einen der Zwillinge hinweg schauen. Die Giraffe traute dem Adler nicht sofort und ließ zur Prüfung seinen stärksten und klügsten Kämpfer, Fritz den Steinbock, intimste Fragen nach der Flughöhe, der Augenschärfe, der Spannweite der Flügel, der Krallenschärfe und der Länge des geschärft gebogenen Schnabels eines in der Brunft befindlichen Adlers stellen.

Der Adler konnte alle diese Fragen auf das Komma und drei Stellen dahinter genauestens beantworten, bis auf die letzte Frage. Sie galt dem Verhältnis der Schwerkraft in Bezug auf die Sturzgeschwindigkeit bei leichtem, warmen Südwestwind, aus Bodennebel berechnet, auf die Spurtgeschwindigkeit eines trächtigen Karnickelweibchens.

Um auf das Errechnen des Ergebnisses sich konzentrieren zu können, sollte der Adler beide Augen fest geschlossen halten, denn von Zeit zu Zeit flog ein grell bunt leuchtender Meteor an der Waage vorbei, dessen Lichtspiele die Rechenschritte zu der so entscheidenden Lösung nicht unwesentlich beeinflusst hätten. Ausgerechnet zu dieser Fachstunde hatte der schwanensüchtige Adler in der Berufsschule gefehlt, weil er als angehender König der Lüfte die Jagd auf die zarte Sophie für staatstragender gehalten hatte.

Der Steinbock meldete gehorsamst diese Wissenslücke an die federführende, wachhabende Giraffe, die unverzüglich an den Zwillingen vorbei dem großen Fuhrmann direkt flüsterte. Dieser war selbstverständlich dank seiner natürlichen Stellung auf das Höchste empört.

Verschwieg aber, im Schatten eines Meteorrückens errötend, dass auch ihm, dem Allwissenden, zum Berechnen zwei Finger fehlten, die er im Rahmen seiner selbst gesteuerten Evolution verloren hatte.

Der Adler wurde ebenso selbstverständlich unverzüglich in Schande verdammt abgewiesen … und der Schwan auf dem Holsteiner Teich, der von dem allen nichts verspürt haben sollte, zog in seinem strahlenden Weiß auf dem Nass seine ruhigen, weiten Kreise. Wie konnte er ahnen, dass der Adler sozusagen auf die Fürsprache „schiss“ und bar der Genehmigung durch Halbmond, Giraffe, Fuhrmann und Co. diesen Wind als Rückstoß, gleich einem Meteor, durch die Schwanzfedern fliegen ließ, zu Teiche stürzte und ihm, dem leuchtend weißen Schwan, mit seinen messerscharfen Krallen den blutroten Garaus machte.

Nach wohlschmeckendem Mahl, die Federn des scheinbar unbedarften Schwanes bedeckten noch große Teile des Teiches, übte sich der Adler im Schwimmen auf diesem. Er hatte allerdings nicht mit dem für alle Ewigkeiten gerechten Pluto gerechnet, der sich ihm in der Tarnung eines Strudels, den ein Meteor des großen Fuhrmannes aufgewirbelt hatte, näherte und ihm, dem nun schwänlichen Adler, die Seele aus dem widerstrebenden Leibe wässerte.

Nach diesem tödlichen Bad stand der Adler nun unvermittelt direkt vor dem großen Fuhrmann und seinen WeihnachtssternZwillingen, also vor der Troika des höchsten Gerichtes. Das Urteil wurde mit kurzem Bedacht im Sinne der Anklage gefällt.

Die Strafe konnte nicht angemessener ausfallen. Der Schwan hatte sich eine Heirat „Ganz in Weiß“ ausbedungen. Und so lebten Adler und Schwan im Schutze der Waage glücklich bis an das Ende dieses Berichtes und vermutlich noch länger.

Und die Moral von der Geschichte:

Das Glück der Waage pendelt stets im Gleichgewicht … oder … während Du noch hoffst und wünscht, hängst Du längst in den Fängen Deiner Sehnsucht ... *lächel* …

Copyright by Rattenfänger

25. November 2012