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Die Gebrochene Welt, Band II (Kapitel 3; Teil 2/6) - Der Fall Fiondrals

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"Die Gebrochene Welt, Band II (Kapitel 3; Teil 2/6) - Der Fall Fiondrals"
Veröffentlicht am 29. November 2012, 28 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Wer wäre ich hier, wenn nicht jemand, der seinen Visionen ein Zuhause geben will? Tue ich das gerade nicht, studiere ich Rechtswissenschaften und bemühe mich, nicht gleich jedes damit verbundene Klischee zu erfüllen (letzteres womöglich nur mit mittelmäßigem Erfolg), oder fröne in irgendeinem Pub meinen Lastern.
Die Gebrochene Welt, Band II (Kapitel 3; Teil 2/6) - Der Fall Fiondrals

Die Gebrochene Welt, Band II (Kapitel 3; Teil 2/6) - Der Fall Fiondrals

Beschreibung

Die Stadt Galor ragt als letzte Festung aus dem Trümmerfeld auf, in das die Invasion der Orks den Kontinent Fiondral verwandelt hat. Flüchtlinge aus allen Ecken und Enden des Landes suchen Zuflucht hinter den dicken Mauern. Doch während sich die feindlichen Heerscharen unter den hohen Zinnen sammeln, zerfressen Zwietracht und Hass die Reihen der Verteidiger, bis es schließlich an wenigen wackeren Streitern liegt, das Schicksal aller zu bestimmen. (Weitere Kapitel folgen in Kürze)

Wintereinbruch (Teil II)

Der General fand sich unterdessen in der Kammer Vigards ein, wo dieser vor der Kommode saß und die zersplitterten Überreste seines Schreibtisches betrachtete, die immer noch den kunstvoll bestickten Teppich verunzierten.
„Herr General! Wart Ihr zuvor beim Herzog?“, erkundigte sich der Leutnant nach kurzer Begrüßung, „Wie steht es um ihn?“
„Es geht ihm unverändert schlecht“, berichtete Toulessé.
„Verdammt ich…ich traue mich einfach nicht, dort aufzukreuzen. Ich fürchte, er hasst mich, für all das, was ich getan habe, bevor er…aber ich tat das Richtige, oder?“, stammelte Vigard.
„Ja, das habt Ihr“, bestätigte der General, „Aber die Bosheit der Menschen vermag, alles zu korrumpieren.“
„Wohl wahr“, seufzte der Leutnant, „Montierre, er war kein schlechter Mensch…zumindest nicht bevor diese Hexe ihn umgarnt und vollkommen eingesponnen hat.“
„Filiana?“
„Ja, genau die…ich, ach ich sollte davon aufhören, sonst vergesse ich mich noch“, fluchte Vigard, wobei er sich der weißen Wand hinter seinem zertrümmerten Schreibtisch zuwandte, „Weshalb seid Ihr hergekommen, Herr General?“
„Ich habe eine Aufgabe, mit der ich Euch zu betrauen gedenke“, erklärte Toulessé, bevor er auf das neue Abzeichen an seinem Wappenrock deutete, „Wie Ihr seht bin ich nun Hochgeneral Galors und habe als solcher den Oberbefehl über alle Streitkräfte der Stadt. Was ich nun brauche, sind Unteroffiziere, denen ich vertraue, um einige wichtige Aufgaben in der Stadt zu übernehmen. Euch, Vigard, betraue ich mit der Verteidigung wie dem Wachbefehl am Haupttor und dem gesamten Außenwall.“
„Der Außenwall, Herr General?“, keuchte der Leutnant, „Das ist eine gewaltige Verantwortung.“
„Der Ihr, wie ich meine, gewachsen seid.“
„Ja…natürlich, Herr General!“, gelobte Vigard.
„Sehr gut, Leutnant. Es wurde bereits ein Quartier im Haupttor für Euch eingerichtet. Ihr könnt sofort umziehen, wenn Ihr wollt“, sagte Toulessé, wobei er seinem Gegenüber noch brüderlich auf die Schulter klopfte, bevor er die Kammer verließ.

Während der Bug des Schiffes sanft durch die ruhige See glitt, funkelten über ihm die Sterne wie glitzernde Diamanten aus dem klaren, dunklen Nachthimmel herab, in den Ariona seit Stunden starrte. Dabei lauschte sie zuweilen dem Rauschen der Wellen oder den Gesprächsfetzten, die der Wind vom Bug zu ihr trug, wo Slemov und Baraj in die Ferne glotzten und sich dabei über die vergangenen Ereignisse unterhielten. Doch obwohl die Novizin eigentlich nichts tat, dröhnte ihr Schädel, denn es gab keine Ruhe, keine Entspannung, während die Fragen, die im Tumult der vergangenen Wochen untergegangen waren, auf ihren Geist einhämmerten. Dort erhoben sich die Wogen der Merkwürdigkeiten, die wie eine Sturmflut über alles hinwegbrachen und eine Wüste der Ratlosigkeit hinterließen.
„Wenn Janus Kelrayass ist, warum hat er mich dann in der Villa gerettet? Diese schwarzmagischen Waffen, warum zerstören sie sich, wenn sie mich berühren? Was passiert dann? Was habe ich gesehen? Ist das überhaupt alles wahr?“, gellte es in ihrem Kopf, seit die Schiffe ausgelaufen waren, dass sie kaum noch schlafen konnte und fast jede Nacht an Deck lag, ohne Ruhe zu finden. Aber Antworten waren ihr verwehrt geblieben, denn niemanden gab es, der im Stande gewesen wäre, sie ihr zu geben. In welche Miene sie auch blickte, starrte ihr die verständnislose Euphorie entgegen, vor der ihre Probleme verblassen mussten. Wo sie hinhörte, sprach man nur noch vom Sieg Galors und dass man die Stadt retten würde.
„Woher wissen sie, dass wir nicht nur Ruinen vorfinden, wenn wir dort sind?“, fragte sie sich, wobei ihr Blick erneut im Firmament versank, das sich wie eine Perlenkette durch die Schwärze der Nacht zog.
„Ich hatte nicht geglaubt, dass er Recht hat“, murmelte jemand neben ihr, worauf sie sich sofort von den Sternen abwandte und Ferren ansah, der soeben an ihre Seite getreten war.
Verwundert starrte sie ihn an.
„Wo von redest du?“
„Von dem Elipfer am Steuerrad“, antwortete der Leutnant, „Er sagte, du wärst hier. Willst du nicht schlafen?“
„Du offenbar nicht“, entgegnete sie.
„Tja, das stimmt allerdings“, gab er zurück, wobei er sich neben ihr auf den Planken niederließ, „Ich schulde dir noch eine Erklärung, denke ich.“
„So?“, raunte sie.
„Ja, du erinnerst dich an das Gespräch, das wir im Lager hatten, bevor wir zum Orkhafen aufgebrochen sind?“
„Wie könnte ich das nicht?“, murrte sie.
„Ja…wie gesagt, ich wollte es dir erklären…“
„Ich bin gespannt…“
„Also gut“, seufzte er, „Ich bin verheiratet.“
In Arionas Kopf standen die Hämmer der Fragen von einer Sekunde auf die andere still, selbst die Wellen schienen zu schweigen, am Nachthimmel verblassten die Sterne und der eisige Winterwind schlug seine letzte Böe. Sie konnte den Mund aufreißen, aber nicht sprechen. War unfähig, etwas anderes zu tun, als ihn anzustarren.
„Das heißt“, fuhr Ferren hastig fort, nachdem er ihren schockierten Gesichtsausdruck erkannt hatte, „ich war es. Sie…sie ist…tot.“
„Tot?“, keuchte Ariona.
„Ja, das ist eine lange und ziemlich weit zurückliegende Geschichte. Schon ewig her. Du glaubst sicher, sie sei hier auf Fiondral gestorben, aber nein. Das war noch in Skatria, während der Besetzung.“
„Du warst während der Besetzung in Skatria? Ich dachte immer, du wärst erst danach dort hingegangen.“
„Nein, weißt du, nach der Revolution in Delion standen die Häuser, die die Monarchie unterstützt hatten, nicht allzu gut da. Meine Eltern blieben zwar, aber meine Schwester und ich flohen. Sie kehrte zwar später zurück, aber ich, ich habe meine Eltern seit dem Tag meiner Abreise aus Delion nicht mehr gesehen. Nun wie gesagt, da die Alten Königreiche keine Flüchtlinge aus Delion aufnahmen, zumindest keine ohne Titel, ging ich nach Skatria und arbeitete für die Minengesellschaft, die von der ledrianischen Zentralverwaltung konfisziert und übernommen worden war. Dort lernte ich dann sie kennen, Lenique. Sie war ebenfalls aus Delion geflohen und arbeitete genau wie ich als Botin für die Gesellschaft.
Wir kamen uns recht schnell näher, bezogen bald sogar ein gemeinsames Haus. Nun ja, es war eigentlich eine Hütte, aber wir…wir haben uns wirklich geliebt“, er machte eine betretene Pause und schluckte schwer, bevor er schließlich fortfuhr, „Nur war da noch dieser ledrianische Chevalier, der in etwa dasselbe für sie empfand wie ich. Er…er hatte bereits einen Verlobungsring anfertigen lassen, ein wunderschönes Stück mit einem Diamanten so groß und hell wie die Sterne dort oben, aber sie…sie wollte ihn nicht, verstehst du. Sie wollte lieber das einfache Leben an meiner Seite, als all den Prunk, den er ihr bieten konnte, und sie hat…ihm den Ring einfach zurückgegeben.“
„Das ist…schön. Ehrlich“, kommentierte Ariona.
„Ja, aber leider nicht das Ende. Der Chevalier, er war wie besessen von ihr. Und…und nachdem wir geheiratet hatten, da dachte er sich wohl, dass, wenn er sie nicht haben kann, keiner sie haben soll. Er, er hat ihr irgendetwas angehängt und sie…er hat sie zum Tode verurteilen lassen. Sie haben ihr…den Kopf…sie…sie wurde enthauptet.“
„Ferren, das…“, ächzte Ariona, „Warum hast du nie…etwas gesagt?“
„Ich dachte immer, ich könnte die Vergangenheit einfach vergessen, aber das ging nicht und es wäre auch nicht fair gewesen…ihr gegenüber“, seufzte der Leutnant, „Das Ganze ist eine Ewigkeit her, aber doch denke ich jeden Tag an sie und ich konnte nicht loslassen. Es fühlte sich an, als würde ich sie verraten; so falsch…“
„Ferren, ich…“, stammelte sie, „Es tut mir leid. Ich hätte dich niemals gedrängt, wenn ich gewusst hätte…“
„Keine Sorge. Nichts muss dir leid tun“, entgegnete er, wobei er eine vereinzelte Träne aus dem gegerbten Gesicht wischte, „Ich habe bisher mit niemandem darüber geredet. Niemand wusste davon, bis du mir gezeigt hast, dass ich mich nicht ewig in der Vergangenheit einkerkern kann. Ich fürchte, ich brauche nur noch ein wenig Zeit, um…um auch die letzten Ketten abzuwerfen.“
„Wir haben alle Zeit der Welt, Ferren“, lächelte sie, „De Nord hat es geschafft und wir werden nach Kalatar zurückkehren. Der Tod starrt uns nicht mehr ins Gesicht. Er ist fort.“
„Ja, fort…“, bestätigte der Leutnant, wobei er sie in die Arme schloss und alle Fragen in ihrem Kopf verhallten. So verharrten sie unter den turmhohen Segeln und dem diamantenen Sternenzelt, während der Schlaf sie sanft wie die Wogen der See in die Traumwelt gleiten ließ.

Manche Männer hatten einen Ehrenkodex, Ves, der letzte im Bunde der drei Assassinen, besaß eine Klinge und eine Aufgabe.
Während er sich zwischen den Zelten hindurch schlug, zurrte er die blutrote Stoffbinde an seinem Oberarm fest.
„Bald bin ich das verdammte Ding endlich los!“, zischte er in Gedanken, wobei er Blicke voller Verachtung auf die übrigen Verräter warf, die in der tiefen Dunkelheit des nächtlichen Waldes wie Ameisen umherwuselten.
Seine Schritte beschleunigten sich, als er das Offizierszelt erkannte, dessen schmutziges Leinen sich vor ihm zwischen den Baumstämmen erhob. Mit einem Blick über die Schulter stellte er fest, dass sein Bewohner gerade laut grölend mit einem Bierhumpen in der rechten Pranke im Kreis seiner Kameraden saß, der sich um das knisternde Lagerfeuer schloss.
Umhüllt von der Dunkelheit schlich der elipfische Assassine durch das Dickicht, bis er schließlich genau vor dem Zelt stand. Ein letztes Mal versicherte er sich, dass ihn niemand beobachtete, bevor er hineinschlüpfte und sich im Schein einiger Wachskerzen widerfand, die ein spärliches Chaos aus Lumpen sowie primitiven Möbeln beleuchteten. Zielsicher trat er an den kleinen hölzernen Tisch heran, auf dem sich etliche Pergamente stapelten, die er sofort zu durchwühlen begann.
Er zog eine strategische Karte sowie mehrere Pläne über Truppenaufstellungen heraus, stopfte alles so wirsch in seine Taschen, dass es vollkommen zerknittere, und wandte sich zum Gehen.
Als er sich umdrehte, starrte er in die überraschte Miene eines jungen Mannes, der ebenfalls eine blutrote Armbinde trug.
„Was machst du da, Ves?“, fragte er, worauf der Assassine kurz zwinkerte. Dann zog er in einer kaum sichtbaren Reaktion seinen gekrümmten Dolch und stieß ihn in den Unterleib des Verräters. Sofort presste er seine Hand auf dessen Mund, konnte aber nicht vermeiden, dass seinen Lippen ein Schrei entwisch. Unverzüglich nahm Ves das schartige Schwert des Toten, legte es in dessen Hand und zog dann den gesamten Leichnam vor den Tisch. Zuletzt nahm er sein eigenes Insignie und steckte es dem Toten zu.
Als die übrigen Soldaten des Trupps eintrafen stellte sich ihnen das genaue Gegenteil dessen dar, was eigentlich geschehen war.
„Er hat in Euren Dokumenten herumgeschnüffelt“, wandte sich Ves an den Hauptmann des Trupps, „Als er mich sah, griff er mich an.“
„Warum sollte er das tun?“, erkundigte sich der Offizier.
„Seht nur“, antwortete der Assassine, wobei er auf das Insignie deutete, welches er so platziert hatte, als sei es dem Toten beim Sturz aus der Tasche gerutscht.
„Was soll das sein?“, fragte einer der Verräter.
„Sieht für mich wie ein Abzeichen aus Galor aus“, sagte Ves, „Vielleicht war er einer dieser Assassinen, vor denen man uns warnte.“
„Nein“, erwiderte ein anderer, „Ich kenne den Typen schon seit ich in Fiondral bin. Der war nie in Galor. Irgendetwas stimmt hier nicht.“
„Leere deine Taschen!“, befahl der Hauptmann, wobei er mit seinem Zeigefinger wie mit einem Schwert auf den Elipfer deutete.
„Nein“, entgegnete dieser matt, worauf sie allesamt ihre Schwerter zogen.
„Der Kerl war mir schon von Anfang an nicht geheuer“, knurrte irgendwer.
„Leg deine Waffe weg! Du kannst uns nicht alle besiegen“, blaffte der Offizier.
„Das habe ich schon“, lachte Ves, „Euer Abendbrot war vergiftet.“
„Weidet den Bastard aus!“, brüllte ein Verräter, der gleich vor ihm stand, wobei er sich auf ihn stürzte.
Ves versetzte ihm einen Tritt seitlich gegen das Knie, worauf er strauchelte. Anschließend stieß er ihn in die Reihen seiner Kameraden, wandte sich blitzschnell ab, hob beiläufig sein Abzeichen wieder auf und eilte zur rückwärtigen Zeltwand, die er mit seinem Dolch zerteilte, sodass er hindurchschlüpfen konnte.
Ihm folgten Schreie, Flüche und hastige Schritte, als er im Bogen um das Zelt eilte. Während ein Teil seiner Verfolger sich durch den Schlitz in der Zeltwand zwängte, eilte der andere bereits aus dessen Eingang und war somit dabei, ihm den Weg abzuschneiden.
Eilig ließ er sich mit den Füßen voran ins Dickicht gleiten, wobei sein Rücken hart auf den morastigen Boden schlug. Während die Rufe seiner Verfolger über ihn hinweg flogen, robbte er zwischen Büschen und Ranken hindurch zu den Pferden hinüber, wo er wieder aus der Vegetation brach.
Sofort hatten ihn seine Feinde entdeckt. Ein Pfeil zischte an seinem Ohr vorbei, verfehlte ihn knapp und traf stattdessen eines der Rösser hinter ihm. Sein schmerzerfülltes Wiehern biss jedem, der es hörte, ins Mark, als es sich hoch aufbäumte und dabei fast den Pfahl aus der Erde riss, an dem es festgebunden war.
Ves eilte unbeeindruckt an dem sterbenden Gaul vorbei, rammte seinen Dolch bis zum Anschlag in den Hals des nächsten, durchtrennte die Leine, mit dem der Dritte angebunden war, sprang flink auf dessen Rücken und gab ihm die Sporen. Das Pferd preschte durch die Reihen seiner Feinde hindurch, während seinem Reiter eine Flut aus Flüchen entgegenpeitschte. Einer der Verräter stieß seinen hölzernen Speer nach ihm, sodass er sich seitlich wegducken musste und dabei fast mit dem Oberkörper in ein Zelt prallte.
„Tötet das Pferd!“, brüllte irgendwer, kurz bevor sich Ves‘ Ross aufbäumte und markerschütternd wieherte. Fast stürzte er vom Rücken, konnte sich gerade noch halten, während sein Reittier nun ungezügelt durch das Lager stampfte. Einer seiner Feinde hatte dem Tier ein Beil in das rechte Hinterbein geschlagen. Zugleich hatte jemand Ves‘ Fuß gepackt und versuchte, ihn von seinem Ross herunter zu zerren.
Gnadenlos hämmerte der Assassine seinen Dolch durch die Schädeldecke des Angreifers, bevor er ihn von sich wegtrat und gerade noch des Reiters gewahr wurde, der mit erhobener Streitaxt auf ihn zu preschte. Er duckte sich unter dem Hieb hinweg, sprang zugleich von seinem Pferd, wobei er genau gegen feindlichen Reiter prallte, der ebenfalls von seinem Ross gerissen wurde, sodass sie gemeinsam zu Boden stürzten.
Ves sah, wie die Streitaxt aus der Hand des hünenhaften Mannes glitt, beendete dessen Leben mit einem Stich ins Herz, raffte sich wieder auf und eilte weiter. Zwischen zwei weiteren Zelten schnitten ihm drei Verräter den Weg ab, sodass er sich gezwungen sah, in eines der Quartiere hineinzueilen. Seine drei Gegner stürzten sich darauf vereint in das Leinen, um es gänzlich einzureißen.
Dies hatte Ves jedoch bereit geahnt, weshalb er sofort wieder aus dem Zelt herausgesprungen war und an den Verrätern vorbeieilte, während diese sich noch mit dem Leinen herumschlugen.
Der Assassine stürmte weiter, wobei er fast den Atem seiner Verfolger im Nacken spüren konnte. Wissend, dass es auf der anderen Seite des Lagers noch mehr Pferde gab, wandte er sich dort hin, erstach auf dem Weg zwei weitere Verräter und erreichte endlich einen Pfahl an dem sechs Rösser angebunden waren. Er schnitt das erste los, sah sich dann einem Schwertkämpfer gegenüber, den er jedoch ausschaltete, indem er ihm eine Fackel entgegenwarf. Während der Verräter noch versuchte, dem brennenden Geschoss zu entkommen, sprang Ves auf das Pferd und ritt los.
Als er an dem Kämpfer vorbei kam, trat er ihn zu Boden und lenkte sein Ross anschließend in den Wald, wobei er noch wahrnahm, dass hinter ihm fünf weitere Verräter aufsattelten, um ihm zu folgen. Auch der Hauptmann befand sich unter ihnen.
Der Wald schloss sich als ein tödliches Labyrinth um ihn, in dem immer wieder Äste und Ranken so kurz vor seiner Nase auftauchten, dass er kaum noch ausweichen konnte. Einer seiner Verfolger wurde alsbald von seiner Unachtsamkeit ausgebremst, als er einen Ast übersah, mit der Brust gegen diesen ritt und vom Rücken seines Pferdes gefegt wurde, das ohne ihn weiter galoppierte. Den übrigen vier gelang es jedoch, zu Ves aufzuschließen, den sie sodann mit ihren Kurzbögen ins Visier nahmen.
Der Assassine ließ sein Pferd darauf harte Haken schlagen und lenkte es in halsbrecherischen Manövern um die Bäume, während Geäst und Pfeile zu beiden Seiten an ihm vorbeizischten. Brennend biss sich das Verlangen, einen Blick über die Schultern zu werfen, in seine Halsmuskeln und doch wagte er es nicht, sich von dem abzuwenden, das vor ihm lag. Viel zu groß war die Angst, ebenfalls von einem Ast erwischt und vom Pferd geschleudert zu werden. Es reichte ihm, das laute Knacken des Dickichts hinter ihm zu hören, um zu wissen, dass er seine Verfolger noch nicht abgeschüttelt hatte. Er sah nach vorne, hob den Blick kurz und entdeckte jäh jene Linie, wo die Bäume endeten, wo der Wald in die weite, freie Ebene vor Galor mündete.
Das Licht des Mondes brach dort durch das Geäst und strahlte ihm hell entgegen. Nur wenige Meter waren es noch. Doch ein diabolisches Zischen holte ihn ein, ein Zischen, das alleine reichte, um seine Muskeln verkrampfen zu lassen. Nur eine Sekunde später brach der Schmerz in seinen linken Oberarm, aus dem nun das gefiederte Ende eines hölzernen Pfeils ragte.
Verbissen presste Ves seine Zähne aufeinander, krallte sich in die Zügel, stemmte sich mit aller Macht gegen den Schmerz.
„Du hast schon schlimmeres durchgestanden“, lachte er bitter, bevor er durch den Wall des Waldes brach und die Ebene erreichte. Jetzt endlich konnte er zurückblicken und erkennen, dass seine Verfolger ihm immer noch dicht an den Fersen klebten. Dem Wald entkommen hatten sie nun freies Schussfeld, und während Ves die hohen Mauern Galors vor dem Horizont aufragen sah, wurde ihm gewiss, dass der härteste Teil seiner Flucht ihm erst noch bevorstehen sollte. Panisch sah er zurück, starrte auf blitzenden Pfeilspitzen und gespannten Sehnen.
Das Zischen des Todes fauchte ihm entgegen, als sie losgelassen wurden. Sofort ließ er sein Pferd einen Haken nach links schlagen, womit er den Geschossen knapp entging. Zugleich nahm er jedoch wahr, wie sich die Mienen seiner Verfolger verkrampften und sich einer bereits mit schmerzverzerrtem Gesicht den Magen hielt.
„Das Gift wirkt“, wurde ihm klar, wobei sich ein Lächeln auf seinen rauen Lippen ausbreitete.
Dann jedoch drang erneut das Zischen zu ihm und der Schmerz fegte jede Freude hinweg, als ein weiterer Pfeil in seine linke Schulter einschlug. Er durchbohrte ihn gänzlich, dass die blute Spitze vorne wieder aus seinem dunklen Lederharnisch austrat, wo sie im Mondlicht fahl glänzte.
Ves brach sie ab, schleuderte die Überreste von sich, packte anschließend seinen Dolch an der Klinge und warf in unter einem Wutschrei auf den Schützen, der ihn getroffen hatte. Das Silber der gekrümmten Klinge schmetterte geradewegs in die Kehle des Verfolgers, worauf dieser blutgurgelnd von seinem Ross stürzte. Auch jener, der sich heulend den Magen rieb, kippt langsam von seinem Gaul, sodass nur noch zwei Verfolger verbleiben, der Hauptmann und ein weiterer Verräter, der gerade erneut auf den Assassinen angelegt hatte.
Die Sehne katapultierte das Geschoss heraus, welches sogleich auf Ves zu raste, der einen neuen Haken schlug. Diesmal war er jedoch zu langsam. Er selbst entging zwar dem Geschoss, doch sein Pferd wurde ins linke Hinterbein getroffen, worauf es strauchelte und ihn fast abwarf.
Der Schmerz in seiner Schulter biss bestialisch und während es versuchte, sein Pferd zu beruhigen, schloss der Hauptmann mit gezogenem Schwert zu ihm auf. Seine schmerzverzerrte Miene kündete davon, dass auch an ihm bereits das Gift nagte. Ves trieb sein Ross weiter, hoffte, seinem Verfolger nur noch ein kurzes Stück entgehen zu können. Er stemmte sich nach vorne, zog unter Krämpfen mit seiner Linken sein Abzeichen hervor und streckte es zum Himmel, dass es im Mondlicht glitzerte.
Er war dem Hauptmann bereits zehn Sekunden lang entronnen, indem er immer wieder Haken schlug und vor seiner Nase wie eine Fliege manövrierte, als ihn der verbliebene Verräter erneut ins Visier nahm, wobei er jedoch bewusst auf das Pferd zielte.
Sein Geschoss traf es genau in die Flanke, es wieherte erneut, bäumte sich auf und warf Ves, der noch verbittert versuchte, sich mit der Rechten zu halten, von seinem Rücken ab. Das Insignie glitt ihm aus der Hand.
Schmerzhaft prallte er  in die gefrorenen Grashalme und konnte sich gerade noch abrollen, um nicht von seinem stürzenden Pferd begraben zu werden. Das Ross des Hauptmanns segelt über ihn hinweg.
„Nicht aufgeben! Nicht aufgeben!“, harschte er sich an, „Steh auf!“
Unter einem Schmerzensschrei raffte er seinen zerrütten Körper auf. Die Pfeile hatten beim Sturz seine linke Schulter geradezu zerfetzt, dass das Blut in Wellen heraussprudelte und der Schmerz selbst durch den Mantel des Adrenalins wie das Inferno brannte.
„Na komm doch“, bellte Ves dem Verräter entgegen, der sich mit gespanntem Bogen auf ihn zu preschte.
Dann als er nah genug war, zog er die Überreste seiner zersplitterten, leeren Giftphiole aus der Tasche und schleuderte sie gegen den Angreifer, der zugleich die Sehne losließ.
Der Assassine sah nicht mehr, dass die grüne Glasscherbe aus dem Hals der Verräters ragte, als dessen Pferd an ihm vorbei zog, denn der Pfeil hatte ihn in den Unterleib getroffen und zurück auf den Boden geschickt.
Warmes Blut benetzte seinen ganzen Körper, während der Hauptmann mit erhobener Klinge und einem tödlichen Lächeln auf seinem verkrampften Gesicht auf ihn zukam.
Es war ihm als würde der ganze Boden vibrieren und jede Welle des Bebens jagte unerträgliche Schmerzen durch seinen Körper. Dass er tot war, wusste er und die letzte Frage, die sich ihm stellte, war, ob er versagen würde oder nicht. Das Beben wurde immer stärker, seine Quelle schien näher zu kommen. Er wusste nicht, ob es überhaupt wirklich war oder die Todesangst ihm nur einen Streich spielte.
„Hast dich von einem Haufen Dilettanten umbringen lassen“, verspottete er sich noch selbst, während sich das Mondlicht in der schartigen Klinge des Hauptmanns aufblitzte.
Das Beben fauchte, wurde unerträglich, das Ende näherte sich wie eine Sturmflut, die alle Dämme zu brechen drohte. Hufe knallten, Blut spritzte, Pferde brachen über ihn hinweg.
Das Beben wurde schwächer.
Er konnte kaum noch die Augen offenhalten, als der abgetrennte Kopf des Hauptmanns vor ihm in das Gras fiel.  Er hörte das Klappern einer schweren Rüstung hinter sich, spürte, wie sich jemand näherte, drehte unter unmenschlichen Anstrengungen seinen Kopf und erkannte einen Offizier in strahlender Rüstung und ledrianischem Wappenrock.
Als dieser ihn erreichte war Ves kaum noch im Stande, zu sprechen. Schwach deutete er auf sein Insignie, die ein paar Meter entfernt im zwischen den gefrorenen Grashalmen glitzerte, und auf die zerknitterten Pläne, die aus seiner Tasche quollen, bevor er ansetzte, seine letzten Worte zu sprechen:
„Die Orks sie…kommen…Der Angriff, er…nicht mehr lange…“, ächzte er noch, bevor jedes Leben aus seinem Körper wich.
Seine Augen erstarrten, während jener letzte Gedanke durch seinen Geist huschte:
„Ich habe nicht versagt.“

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