Krimis & Thriller
Eduard (Kap 1)

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"Eduard (Kap 1)"
Veröffentlicht am 15. November 2012, 18 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
© Umschlag Bildmaterial: Thommy Weiss/ pixelio.de
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

In einer Zeit, in der sich jeder profiliert, ist Einfaches außergewöhnlich....ich arbeite derzeit in der Pflege. Zeit ist Gold....aber irgendwann finde ich etwas. Meist, wenn mal wieder Herzschmerz mich quält. Naja....gerade tut es das......was für eine prickelnde Folter. Bin hier Mitglied seit Februar 2011...und bereue es nicht.
Eduard (Kap 1)

Eduard (Kap 1)

Kapitel 1

Sechs Jahre war es her. Und noch immer schien der Schmerz so stechend wie am Tag, als sie ihn anschrie.
Warum hast du mich nicht gefickt? Warum hast du nicht auf ihn gehört?
Wie ein Brummkreisel trieselten die Worte im Kopf herum.
Warum hast du mich nicht gefickt?
Lilli hatte doch keine Ahnung, was sie da sagte.
Die Worte hatten sich eintätowiert. Wie Maden zerfraßen sie sein Gehirn. Tausend Mal spielten sich die grausamen Szenen vor seinem inneren Auge ab. Immer wieder die gleichen

Bilder. Erst Lilli in ihrem roten Mantel, wie sie die Tür schloss und rüber zu Marie lief. Dann der Alte, wie er versuchte, aufzustehen. Eine jämmerliche Darbietung. Eduards Faust verkrampfte sich, bis das Weiß der Knochen zu sehen war. Zu allem wäre er bereit gewesen damals vor sechs Jahren.
Nun saß er in seiner Hütte, weit weg von allem und starrte auf Lillis Foto. Mit der viel zu großen Zuckertüte im Arm lächelte sie ihn an. Die Haare hatte er ihr zu zwei Zöpfen geflochten. Das pinke Kleid zierte ein blaues Band, das sie um die schmalen Hüften trug.
Er liebte es, wenn sie dieses Kleid an

hatte. Sie tanzte dann immer für ihn und drehte sich im Kreis, bis sie umfiel.
Es war spät. Eduard legte das Foto beiseite und wischte sich die Tränen ab. Dann sprang er auf und boxte ein paar Mal gegen die Wand. Dabei schoben sich einige Holzspäne  unter seine Haut und ließen ihn spüren, noch am Leben zu sein. Als hätte man ihm eine Droge verabreicht, stöhnte er erleichtert. Sein Körper war angespannt. Der Brustkorb bebte bei jedem Atemzug. Seine Augen waren gefüllt mit schmerzlichen Erinnerungen.
Hastig nahm er seine Jacke und lief in den Wald.
Es war Neumond. Eduard scherte das

nicht. Er kannte den Weg ins Dorf. Nach dreißig Minuten erblickte er die Reklamelichter der einzigen Kneipe in Wieck, die noch geöffnet hatte. Kurz sammelte er sich, bevor er den Gastraum betrat. Die Tische waren alle unbesetzt. Nur zwei ältere Herren saßen an der Theke, hinter der der Wirt müde seine Gläser polierte.
Eduard setzte sich auf einen der Barhocker und bestellte ein Bier. Mürrisch schaute der Wirt zur Uhr an der Wand, die bereits alle Stunden des vergangenen Tages gezählt hatte und nun von Neuem begann.
Die beiden Herren neben ihn unterhielten sich angeregt über lang zurückliegende

Zeiten auf See. Einer der beiden musste mal ein hohes Tier gewesen sein. Der Wirt sprach ihn mit Leutnant an. Sein Kumpel, der Dickere von beiden, schien es nicht so weit gebracht zu haben, denn der Wirt zog ihn ständig damit auf.
"Hättste in der Schule besser aufgepasst", nuschelte der Mann hinter der Theke in seinen Bart.
"Ja, ja. Kann ja nicht jeder oben aus'm Fenster gucken. Paar Leutchen müssen auch die Kohlen schippen. Sonst wär'n wir nicht vorwärts gekommen", konterte der Dicke.
Eduard konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Er mochte den Kerl. Der andere hingegen war ihm zuwider.

Dessen Befehlston erinnerte ihn zu sehr an seinem Vater. Um so mehr er in das Gesicht des Leutnants schaute, je mehr wandelten sich dessen Züge in die seines Alten.
Er war nah dran, einfach aufzustehen und dem Sack eine reinzuzieh'n. Doch dann nahm das Gespräch der zwei Herren eine sehr interessante Wende. Eduards Herz begann so stark zu klopfen, dass er glaubte, jedermann im Raum könne es hören.
"Letztes Wochenende hatte ich meine Enkeltochter bei mir", schwärmte der Leutnant.
"Die ist echt süß", leckte sich der Dicke den Mund.

"Warte erst ein paar Jahre ab", flüsterte der Oberschiffer.
Eduard konnte sich kaum noch unter Kontrolle halten. Hastig kippte er das Bier hinter und bestellte mit einem Wink ein Zweites.
"Dann ist sie reif, he?", grinste der Dicke.
Eduards Hand drückte sich um das Glas. Der Leutnant lächelte dem Dicken zu und bejahte unauffällig.
"Reifen kann sie noch. Aber hin und wieder pflücke ich mir schon mal einen Apfel, wenn du verstehst", flüsterte er so leis es ging. Die Geilheit war ihm förmlich auf die Stirn geschrieben.
"Ich hab's mir anders überlegt.Ich muss

noch wo hin. Zahlen bitte!"
Der Wirt protestierte mit dem gerade frisch gezapften Bier in der Hand.
Eduard legte fünf Euro auf den Tresen, sprang vom Barhocker auf  und verließ die Kneipe, ohne sich auch nur in irgendeiner Weise zu verabschieden.
Die Herren schauten sich an und schüttelten dann gemeinschaftlich den Kopf.
"Meinst du, der Typ hat zugehört?", fragte der Dicke.
"Quatsch! Außerdem haben wir nichts weiter gesagt, oder?", überlegte der Leutnant.
Der Wirt polierte weiter seine Gläser, während die letzten zwei Gäste dieses

Abends ihr Bier leerten und endlich das Lokal verließen. Mittlerweile war es nach ein Uhr. Gähnend schloss er die Tür und kippte alle Schalter seines Sicherungskastens nach unten. Nach und nach erlosch alle Beleuchtung und gewährte der Dunkelheit den verdienten Einzug ins Dorf. Die wenigen Strassenlaternen, die nur einige Wege des Ortes zierten, streuten ihr Licht  dürftig auf die unebenen Sandwege, die den Leutnant nach Hause führten. Der Dicke war bereits an der Hauptstrasse abgebogen und schwankte marionettenhaft Richtung heimwärts.
"Man, wofür zahle ich eigentlich Steuern?", schimpfte der Seemann vor

sich hin, während er durch die vielen Pfützen stolperte.
Seine ganze Konzentration galt seinen Füßen und den Schritten, die sie taten, bis er etwas hinter sich zu hören schien.
Seine Augen suchten in der Dunkelheit nach der Ursache des Raschelns. Vielleicht war es auch ein Räuspern. War irgend jemand noch hier?
"Hallo?",rief er noch unbekümmert.
Niemand antwortete ihm.
"Hallo? Ist da wer?"
Keine Reaktion. Die Dunkelheit gab nichts und niemanden preis. Doch immer wenn der Leutnant ein paar Schritte tat, ertönte wieder dieses Räuspern. Jetzt schwor er, jemanden

hinter sich wahrzunehmen. Ein Gefühl nur, doch ein sehr bedrohliches. Erschrocken drehte er sich im Kreis. Niemand war dort, nur sein schwankender Körper, der panisch in Richtung nächste Laterne lief. Seine Schuhe ertranken in jeder Pfütze auf's neue, aber das  kümmerte ihn nicht.
"Wer ist da?", flehte er um Antwort.
Schnell und kurz ging sein Atem. Er spürte die andere Person, wenn er sie auch nicht sehen konnte. Die Wirkung des Bieres war längst verflossen. Wie sehr wünschte er sich jetzt den kleinen Flachmann her, den ihm seine Frau letzten Herrentag schenkte. Nur einen Schluck Pommern Korn, dann könne er

wieder klar denken. Sein Hirn spielte ihm nur einen Streich. Die Dunkelheit tat den Rest.
Er wollte sich zusammenreißen. Schließlich war er ein Kerl. Was würde der Dicke dazu sagen, wenn er sehen würde, wie er winselnd vor Angst durch die Strassen schleicht?
"Ich hab' keine Angst."
Wieder war Stille das einzige, was seinem Gespräch mit sich selbst beiwohnte.
Schneller ging er nun. Schneller, so konnte ihm niemand folgen, außer der jemand rannte. Und dann müsste er sich zeigen, könnte nicht mehr um ihn herumschleichen wie eine Katze.

Nur noch hundert Meter bis zum Haus. Gleich geschafft. Hecktisch buddelte er in seiner Jackentasche nach dem Schlüssel.
Es klapperte in seiner Hand. Erleichterung. Sein Blick schweifte unentwegt durch die dunklen Winkel zwischen den Häusern, Schuppen und Zäunen der Nachbargrundstücke. Keine Menschenseele war zu sehen. Schnell und gezielt glitt der Schlüssel ins Schloss und drehte sich praktisch von selbst um. Das Scharnier durstete nach etwas Öl, doch wurde es durch das heftiges Zufeuern der Tür ignoriert. Erneut Stille. Allerdings war es die Heimische und verwies alle Angst des

Raumes.
"Man, das hat mich gerade zwanzig Jahre meines Lebens gekostet", lachte der Leutnant.
Müde legte er seine Jacke ab und ging in die Küche, wo er den ersehnten Pommern Korn im Kühlschrank stehen hatte.
"Der erste Schluck für's Herz, der Zweite für mich. Prost!"
Wie er die Flasche zum Hals führte, fiel sein Blick auf die offene Hintertür. Sein Körper erstarrte augenblicklich. Die Klinge, die er jetzt am Hals spürte, ließ ihn das Blut in den Adern gefrieren.
"Na, hast du dir schon eingepisst, Drecksack?"

"Was?", kam es fast lautlos über seine farblosen Lippen.
"Ich will wissen, ob du deinen winzigen, schrumpeligen Kollegen da unten noch unter Kontrolle hast?"
"Bitte tun sie mir nicht weh!", flehte der Leutnant.
"Oh, den Satz hast du sicher von deiner Enkeltochter übernommen: Bitte tu mir nicht weh,Opi!"
Die Klinge drückte sich allmählich ins Fleisch.
"Um Gottes Willen. Was reden sie da?", jammerte der alte Seemann.
"Bitte tu mir da unten nicht weh! Sind das ihre Worte, wenn du sie vögelst?"
"Sie sind verrückt!"

"Sicher doch. Und du bist gleich Madenfutter. Aber vorher wollen wir noch etwas Spaß haben", lachte die dunkle Gestalt, die ihm das Messer an die Kehle hielt.



(c) Shirley

2013

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Hörbuch

Über den Autor

shirley
In einer Zeit, in der sich jeder profiliert, ist Einfaches außergewöhnlich....ich arbeite derzeit in der Pflege. Zeit ist Gold....aber irgendwann finde ich etwas. Meist, wenn mal wieder Herzschmerz mich quält. Naja....gerade tut es das......was für eine prickelnde Folter.

Bin hier Mitglied seit Februar 2011...und bereue es nicht.

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shirley Re: -
Zitat: (Original von Windgedanken am 06.06.2013 - 19:45 Uhr) Mir stockte beim Lesen der Atem.... alle Achtung.... bin schon sehr gespannt wie es weitergeht :-)

LG
Mia

Danke dir, ja hier geht es tief in die Seele. Es ist eine nette Herausforderung, mal so richtig die Sau rauszulassen.
Bin aber erst bei Kap 5 oder 6. Im Sommer ruft bei mir verstärkt die Arbeit. Da muss ich erst wieder meinen Tagesablauf in den Griff bekommen.
LG shirley
Vor langer Zeit - Antworten
Windgedanken Mir stockte beim Lesen der Atem.... alle Achtung.... bin schon sehr gespannt wie es weitergeht :-)

LG
Mia
Vor langer Zeit - Antworten
shirley Re: Leider ein sehr aktuelles Thema ... -
Zitat: (Original von MarieLue am 18.01.2013 - 21:01 Uhr) ... du lässt den Leser unmittelbar daran teilhaben.

Herzliche Grüße
Marie Lue

SEHR aktuell....danke.

LG Shirley
Vor langer Zeit - Antworten
MarieLue Leider ein sehr aktuelles Thema ... - ... du lässt den Leser unmittelbar daran teilhaben.

Herzliche Grüße
Marie Lue
Vor langer Zeit - Antworten
shirley Re: Wird jetzt das Opfer zum Täter? -
Zitat: (Original von MerleSchreiber am 19.11.2012 - 13:32 Uhr) Du beschreibst erstaunlich oder sollte ich sagen erschreckend realitätsnah......!!!

Wann kommt der nächste Teil?
Liebe Grüße
Merle

Ich habe das dritte Kapitel heute fertig geschrieben. Muss es morgen früh nochmal lesen, dann stelle ich es ein.
Arbeitest du mit Kindern zusammen, wie du es im vorhergehenden Kommi erwähnt hast?
Dir dann gerecht zu werden, wird echt schwer.
Freue mich über deinen Besuch.

LG shirley
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Wird jetzt das Opfer zum Täter? - Du beschreibst erstaunlich oder sollte ich sagen erschreckend realitätsnah......!!!

Wann kommt der nächste Teil?
Liebe Grüße
Merle
Vor langer Zeit - Antworten
shirley Re: Re: Re: was macht er mit ihm -
Zitat: (Original von FLEURdelaCOEUR am 19.11.2012 - 12:02 Uhr)
Zitat: (Original von shirley am 16.11.2012 - 05:07 Uhr)
Zitat: (Original von Feedre am 15.11.2012 - 23:57 Uhr) bekommt er jetzt sein Fett ab?
Oder....grübel grübel.....hoffentlich raubt mir das jetzt nicht die Nachtruhe.....oder redet er ihm nur ins Gewissen.....jagt er ihm nur einen Schreck ein....oder wirds blutig....ich finde es klasse, ein oder zwei Wortteufelchen, aber weiß ich jetzt auch nicht mehr auf welcher Seite, weil es so spannend war.
In freudiger Erwartung auf Neues....
Feedre

...nur ins Gewssen reden -tze. Das wär ja wohl zu einfach, grins.
Schreibfehler- eine alte Krankheit. Bei manchen dingen muss ich echt nachschauen. ZB. preisgeben - laut Google kleingeschrieben, aber trenne ich es - ich gebe etwas preis - wird es dann immer noch klein geschrieben? Das sind so meine Probleme.
Danke für deine treues Lesen.
LG Shirley


Ich gebe etwas preis - würde ich klein schreiben.

Danke, hatte es, glaube ich, auch so geschrieben. finde es nur gerade nicht.
Vor langer Zeit - Antworten
shirley Re: Oh ja, -
Zitat: (Original von FLEURdelaCOEUR am 19.11.2012 - 11:54 Uhr) der soll ruhig noch ein bisschen zappeln und sich einpinkeln vor Angst,
der Scweinehund hat's nicht anders verdient!

Du schreibst das in genau passendem Stil, gefällt mir sehr!

Marionettenhaft würde ich klein schreiben, sonst ist mir nichts aufgefallen ... oder? Es war so spannend, da habe ich nicht drauf geachtet.
Doch .... Lillie, am Anfang Lilie, war im Prolog noch Lilli, die übliche Schreibweise .....

Am 15. muss ich dieses Kapitel übersehen haben, dachte wohl, es sei noch mal der Prolog .... Bin jedenfalls weiter dabei!

LG fleur

Danke für die Tipihinweise.
Ich schau gleich mal.

Schön, dass du dabei bist. Versuche die Kapitel kurz zu halten. So kann jeder, wenn er denn will, schnell mal lesen.

Lg Shirley
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Re: Re: was macht er mit ihm -
Zitat: (Original von shirley am 16.11.2012 - 05:07 Uhr)
Zitat: (Original von Feedre am 15.11.2012 - 23:57 Uhr) bekommt er jetzt sein Fett ab?
Oder....grübel grübel.....hoffentlich raubt mir das jetzt nicht die Nachtruhe.....oder redet er ihm nur ins Gewissen.....jagt er ihm nur einen Schreck ein....oder wirds blutig....ich finde es klasse, ein oder zwei Wortteufelchen, aber weiß ich jetzt auch nicht mehr auf welcher Seite, weil es so spannend war.
In freudiger Erwartung auf Neues....
Feedre

...nur ins Gewssen reden -tze. Das wär ja wohl zu einfach, grins.
Schreibfehler- eine alte Krankheit. Bei manchen dingen muss ich echt nachschauen. ZB. preisgeben - laut Google kleingeschrieben, aber trenne ich es - ich gebe etwas preis - wird es dann immer noch klein geschrieben? Das sind so meine Probleme.
Danke für deine treues Lesen.
LG Shirley


Ich gebe etwas preis - würde ich klein schreiben.
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Oh ja, - der soll ruhig noch ein bisschen zappeln und sich einpinkeln vor Angst,
der Scweinehund hat's nicht anders verdient!

Du schreibst das in genau passendem Stil, gefällt mir sehr!

Marionettenhaft würde ich klein schreiben, sonst ist mir nichts aufgefallen ... oder? Es war so spannend, da habe ich nicht drauf geachtet.
Doch .... Lillie, am Anfang Lilie, war im Prolog noch Lilli, die übliche Schreibweise .....

Am 15. muss ich dieses Kapitel übersehen haben, dachte wohl, es sei noch mal der Prolog .... Bin jedenfalls weiter dabei!

LG fleur
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