Kurzgeschichte
Die Schuhe - Wer wird sie wohl als nächstes tragen?

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"Die Schuhe - Wer wird sie wohl als nächstes tragen?"
Veröffentlicht am 10. November 2012, 6 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Autorenhomepage: www.kleiner-falke.de
Die Schuhe - Wer wird sie wohl als nächstes tragen?

Die Schuhe - Wer wird sie wohl als nächstes tragen?

Kälte und Einsamkeit, überall. Es ist nicht mehr viel übrig aus der Zeit davor. Aus der Stadt, die einst so prachtvoll in den Himmel ragte, blieb nur eine kleine steinige Insel übrig. Drum herum Wasser, Wasser soweit das Auge reicht.

Ich habe Hunger. Ich wandle am Ufer und suche nach etwas Essbarem. So wie alle es tun, die überlebt haben. Viele sind es nicht. Und von Tag zu Tag werden es weniger. Zu groß ist das Verlangen nach Nahrung. Nicht selten wird jemand dafür getötet. Und sei es nur eine Ratte, die sich fälschlicherweise in die Richtung eines knurrenden Magens begeben hat.

Ich stöbere zwischen den zahlreichen Steinen, drehe beinahe jeden von ihnen um, in der Hoffnung, auch nur den kleinsten Fisch zu finden. Doch außer Schutt und Schlamm ist hier kaum etwas Brauchbares. Ich kaue auf einem Stück Rinde. Sie hinterlässt in meinem Mund einen bitteren Geschmack, und ich bilde mir ein, meinen Hunger dadurch wenigstens ein bisschen zu betäuben. Der Himmel ist grau, schon seit Wochen. Nicht ein bisschen Sonne, die das Gemüt ein wenig erhellt, ist zu sehen. Zum Hunger kommt die unendliche Trauer hinzu. Und die Wut. Die Wut auf diese unsagbare Welle, die das ganze Leben von Grund auf veränderte. Nicht nur meins, nein, alles Leben. Pflanzen gibt es kaum noch. Und die paar Tiere, die es auf diese Insel noch geschafft haben, existieren nur, weil sie bisher nicht verschlungen wurden. Verschlungen von dem bisschen Menschheit. Zivilisation gibt es nicht mehr. Jeder versucht zu überleben. Egal wie.

Die Schuld ist verteilt. Wir tragen sie. Sonst niemand. Die Gier nach Geld, Macht und unendlichem Egoismus haben uns das Wasser gebracht. Doch wen kann man jetzt noch dafür verurteilen? Mich? Nein, die anderen. Ja, natürlich, nur die anderen. Ich habe das doch nicht gewollt. Mich hat keiner nach meiner Meinung gefragt.

Aus dem Meer steigt ein fürchterlicher Gestank in den Himmel. Es riecht nach Verwesung, nach Abfällen und nach Öl. Die Plattform war die erste, die es erwischte. Natürlich sollte man keinen Fisch oder andere Meeresfrüchte mehr zu sich nehmen. Doch was hilft es, wenn es sonst kaum etwas gibt? Ob es schlimmer ist an einer Vergiftung zu sterben oder von jemandem wegen einer Ratte erschlagen zu werden? Das ist wohl die einzige Wahl, die man noch hat.

Ich bin alleine. Keiner schenkt einem anderen auch nur einen Funken Vertrauen. Der Futterneid ist groß und jeder bewacht seine armseligen Habseligkeiten mit seinem Leben. Meine Schuhe sind geklaut, von einem Toten. Und auch wenn sie an sämtlichen Stellen Löcher haben, würde ich für sie Blut vergießen. Die Hose ist zu klein, und mein Pullover hat nur noch einen Ärmel. Tag für Tag lebe ich in Kälte. Der Wind, der sich oft zu einem Sturm entwickelt, ist erbarmungslos.

Aus der Ferne entdecke ich etwas im Wasser treiben. Es ist nicht besonders groß. Und ohne, dass ich mich ins Wasser begeben muss nicht zu erreichen. Meine Herzfrequenz steigt. Ich bin neugierig und voller Hoffnung. Sollte dieses etwas endlich meinen Magen füllen? Mit schnellen Schritten bewege ich mich auf das nicht Erkennbare zu. Ich laufe, ich hoffe, ich bete. Und schließlich erkenne ich es: ein Fisch. Es ist tatsächlich ein Fisch, der mit dem Bauch nach oben auf der Oberfläche treibt. Mit Sicherheit ist er vollgepumpt mit diversen Bakterien und anderen Giften. Doch das ist mir egal. Ich laufe in das Wasser und versuche die Wassermassen von mir wegzuschieben um schneller zu ihm zu kommen. Ich stelle mir vor wie es wäre endlich einmal keinen knurrenden Magen zu haben.

Nach ein paar Schritten halte ich ihn in meinen Händen. Die Schwanzflosse ist angenagt und die milchigen Augen starren mich ausdrucklos an. Ich bin glücklich. So einen Fund habe ich seit Tagen nicht mehr gemacht. So schnell wie möglich bemühe ich mich wieder aus dem Wasser zu kommen. Der Wind gönnt sich keine Pause und ich zittere vor Kälte am ganzen Körper. Mit dem Kadaver in der Hand beeile ich mich in meinen Unterschlupf zu kommen. Dort werde ich ihn aufs offene Feuer legen und beten, dass er mich nicht sofort umbringt, wenn er in meinen Magen wandert.

In der ganzen Aufregung um ein paar Happen bemerke ich nicht, dass ich verfolgt werde. Nicht den leisesten Schritt habe ich gehört, nicht den kleinsten Schatten gesehen. Doch dann, ein Rascheln, hastige dumpfe Schritte, die immer schneller werden. Plötzlich höre ich kurz einen dumpfen Knall und verspüre unendliche Schmerzen an meinem Kopf. Ich bin tot.

Die durchlöcherten Schuhe trägt seither mein Mörder.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Brigitte Sehr spannend geschrieben, es ist nicht gerade die Bettlektüre die ich jetzt um diese Zeit brauche. Hoffentlich habe ich keine Albträume. Aber wie wahr ist das alles. Für meine Nachkommen wünsche ich mir eine bessere Welt. Aber was sind Wünsche schon. Jedenfalls gratuliere ich Dir zu diesem Buch und wünsche Dir ein friedvolles und gesundes Neues Jahr. Liebe Grüße Brigitte
Vor langer Zeit - Antworten
Carolyn2 ****** - Hoffentlich wird das nicht bald Realität ... sehr packend geschrieben.

LG

Dörte
Vor langer Zeit - Antworten
KleinerFalke Re: Das Ende kam zu schnell -
Zitat: (Original von MarieLue am 12.11.2012 - 16:52 Uhr) Du hast die Spannung ganz gut aufgebaut, doch dann kam das abrupte Ende. Hat mich etwas erschlagen. Vielleicht schmückst du es noch ein bißchen aus? Ansonsten fand ich die Idee klasse!

Herzliche Grüße
Marie Lue

Hm, danke für deinen Einwand. Habe eine Weile darüber nachgedacht. Es ist zwar "nur" eine Story, aber ich glaube, im wahren Leben würde auch niemand die Situation "ausschmücken".

In diesem Sinne nochmal Dank

LG
Kleiner Falke
Vor langer Zeit - Antworten
MarieLue Das Ende kam zu schnell - Du hast die Spannung ganz gut aufgebaut, doch dann kam das abrupte Ende. Hat mich etwas erschlagen. Vielleicht schmückst du es noch ein bißchen aus? Ansonsten fand ich die Idee klasse!

Herzliche Grüße
Marie Lue
Vor langer Zeit - Antworten
KleinerFalke Wenn jeder seinen nächsten nur ein bisschen lieben würde, wäre der Welt schon geholfen.
Vor langer Zeit - Antworten
KleinerFalke Re: Man denkt, das kann nur Fiktion sein! -
Zitat: (Original von kullerchen am 10.11.2012 - 11:25 Uhr) Aber andererseits sind da die Fakten. Es gibt Länder, da ist der Hunger so groß, dass für ein bisschen Essbares getötet wird. Überall herschen Umweltverschmutzeungen, werden Wälder abgeholzt, Tiere verlieren ihre Lebensräume, sterben aus, oder werden zuvor noch abgeschlachte, damit nichts nachhaltig nachgeboren werden kann.

Fakt ist auch, es passiert aus Gier, des Menschen unersättlichem Bedürfnisses nach MEHR, egal wovon.

Oh, da gibts noch so viel Fakten, die ich auf Grund deiner Geschichte hinzufügen könnte, aber sie untermalen immer nur ein und die selbe Situation - die Zukunft-

Irgendwann einmal gibt es einen letzten Menschen der diese Paar Schuhe tragen wird. Doch bis dahin rottet er aus, was er hatte!

Toll geschrieben und völlig unverständlich, warum darauf nicht kommentiert wurde. Kommt bestimmt noch!

Also Hut ab für diese Beschreibung einer Zukunft, die kommen wird, wenn sich nix ändert!

LG Kullerchen!


Ach Kullerchen,
wie immer hast du recht :-)
Wir zerstören uns selbst, jammern auf hohem Niveau und können nicht genug von all dem Luxus haben, der uns umgibt. Und die meisten sehen leider nicht nach rechts oder links. Es gibt leider nicht viele, die bereit sind anderen zu helfen. Es aber als selbstverständlich erachten, das einem selbst geholfen wird.

Hoffen wir, dass diese Zukunft noch weit, weit von uns entfernt ist.

Ein schönes Wochenende und liebe Grüße ans Kullerchen

Kleiner Falke
Vor langer Zeit - Antworten
KleinerFalke Re: Hoffnung auf Vernunft -
Zitat: (Original von petjula007 am 10.11.2012 - 12:08 Uhr) Hallo KleinerFalke,

Gänsehaut pur !!!
Schaut man sich auf der Welt um, sieht man genug Länder, in denen der Hunger regiert. Es gibt kein sauberes Wasser, keine Ärzte und Frauen müssen zusehen, wie ihre Kinder langsam sterben, ohne ds sie Ihnen helfen können. Auf der anderen Seite gibt es nicht wenig Menschen, die in Saus und Braus leben und gierig alles verschlingen, was sie kriegen können. Es wird Zeit, das die Menschen erkennen, daß jeder dazu beitragen muß, diese Welt zu erhalten. Ein Reicher lebt vielleicht etwas länger unter Verhältnissen, wie Du sie beschreibst, aber auf lange Sicht ist auch er ein Anwärter auf das letzte Paar Schuhe dieser Welt. Aber was dann?

Liebe Grüße
Petjula007


Ich bin mir leider ziemlich sicher, dass wir uns eines Tages völlig selbst zerstören. Bedauerlicherweise sind wir ja auf dem besten Weg dort hin.

Vielen Dank

LG
Kleiner Falke
Vor langer Zeit - Antworten
KleinerFalke Re: Traurig aber wahr..... -
Zitat: (Original von Silvi03 am 10.11.2012 - 13:58 Uhr) Ja, kleiner Falke, Dein Buch beschreibt exakt die Situation, die in dieser Welt herrscht, aber so viele Menschen die Augen und die Ohren zumachen, weil sie meinen, es geht sie nichts an.........
Jeder könnte etwas tun und auch helfen, wenn doch jeder nur ein "klein bisschen" tun und helfen würde, nur ein "klein bisschen" von dem, was man hat geben, ein "klein bisschen" schaun und ein "klein bisschen" mehr an andere und die Welt der Allgemeinheit denken........
Das sind die wirklichen Probleme!

LG Silvi

Ja, das sehe ich auch so. Wir leben im Grunde doch in Saus und Braus und lammern doch auf hohem Niveau. Leider erkennt man dieses erst, wenn es zu spät ist.

Vielen Dank

LG
Kleiner Falke
Vor langer Zeit - Antworten
KleinerFalke Re: -
Zitat: (Original von Sandelholz am 10.11.2012 - 13:53 Uhr) Hallo kleinerFalke!

Sehr packend und mitnehmend,
danke das du die Geschichte mir uns teilst.

Anmerken möchte ich noch, das ich es schön fände einen anderen Untertitel zu lesen! Etwas was mehr basismässig mit der Geschichte zu tun hat (auf die Schuhe und ihre Löcher bezogen) oder so.

Einen wundervollen Samstag wünscht dir,
San.

Mir ergeht es genau so wie dir. Der Untertitel ist auch mir zu plump. Doch in dem Moment ist mir leider nicht s anderes eingefallen. Ich habe es jetzt einmal geändert, mal sehen ob ich dabei bleibe.

Vielen Dank fürs Lesen und deinen Hinweis.

LG
Kleiner Falke
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