Romane & Erzählungen
Die Bank im Park 5 Seiten - Bunter Haufen

Die Bank im Park

 Bunter Haufen

 

 

Es treibt Gevatter Herbst sein Unwesen und er scheint Spaß zu haben dabei. Leise setzt er sich unter Berge von buntem, aber schon trockenem Laub und wartet. Nicht lange, da kommt eine junge Frau vorbei. Der Herbst lugt vorsichtig zwischen den Blättern hervor und was er sieht, es gefällt ihm. Lange schlanke Beine in hohen Pumps. Eine sorgfältige Garderobe, die die schlanke Form betont und eine Frisur, hübsch ordentlich aufgesteckt.

 

Ja, Gevatter Herbst war recht angetan und wollt nun noch in des Mädchens Antlitz schauen. So scheuchte er einen Teil der Blätter zwischen ihre schlanken Fesseln. Die Ärmste, sie war so in Gedanken, dass sie einen tüchtigen Schreck bekam und hinfiel. Oh, das wollte der Herbst nicht, und gerade als er ihr seine Hilfe anbieten wollte, stand dort statt seiner, ein junger Mann.

 

„Darf ich ihnen aufhelfen?“, fragte dieser die gefallene Schönheit. Doch noch, ehe sie antworten konnte, griff er bereits beherzt zu. „Autsch!“, sagte das junge Ding, als sie versuchte auf die Beine zu kommen. „Ich hab mir wohl doch wehgetan!“, rechtfertigte sie sich gleich darauf. „Kommen sie, ich bring sie zur Bank, gleich dort!“, erwiderte der Helfer und zeigte auf eine hübsche Parkbank.

 

Während die beiden auf die Bank zuhielten, schnaubte Gevatter Herbst ein wenig abfällig, aber durchaus schuldbewusst. Naja, er hätte die junge Frau gern geleitet. Was er nicht wollte, war sie zu verletzten. So blieb er ein Zaungast im Blätterhaufen.

 

Die jungen Leute hatten sich auf die Bank gesetzt und begannen ein Gespräch. Sie lernten sich kennen, wie es üblich war und er, er war sehr besorgt um ihren Knöchel. Da sie nun zwangsweise ausruhen musste, bemerkte man, dass man sich mochte. Eben noch stand die Sonne hoch und wärmte sogar ein wenig, nun war die Zeit so schnell vergangen, dass es fast dunkel war. Es war nicht spät, aber dunkel und dieses zauberhafte Pärchen zog sich zurück in ein Café, ganz in der Nähe des Parks.

 

Dem Herbst waren unter dem Blätterhaufen die alten Knochen eingeschlafen. So versuchte er sich gerade zu erheben als ausgelassenes Gelächter immer näher kam. Zwei Jungen, mit ihren Drachen liefen genau auf ihn, das heißt auf den Haufen mit Blättern zu. „Schade, es sollte doch im Herbst genügend windig sein, damit man die Drachen steigen lassen kann. Aber es kam kein einziger Windhauch auf, geschweige denn eine richtige Bö. Komischer Herbst!“, sagt Jo, der eigentlich Johannes hieß, zu seinem Kumpel. Der nickte nur.

 

Doch dann erblickten die beiden Lausbuben im selben Moment einen riesigen Laubberg. Es brauchte keiner Worte und mit einem lauten „Juchu!“ stürzten sich die beiden in den Selbigen.

Sie strampelten und wühlten und warfen das trockene Laub übereinander, bis nicht mehr ein Zipfel von ihnen zu sehen war. Ja, das war ein Spaß und vor allem eine kleine Entschädigung fürs lange Warten auf den Herbstwind. Völlig außer Atem vom Toben und Lachen zogen die Jungen nach Hause.

 

Der Herbst hatte eine Menge Knuffe abbekommen, sogar Tritte und welch eine Frechheit, man warf tatsächlich Laub nach ihm. Nach dem Abputzen seiner Kleidung setzte er sich zum Ausruhen auf die Bank. Man war schließlich nicht mehr der Jüngste. Dann, im Schein der Gaslaterne, die gleich neben der Bank im Park stand, fing der betagte Mann an zu lachen.

 

 Er lachte so herzlich, so befreiend, so laut, dass dieses Lachen durch den Park zog und mit ihm ein einmaliger Duft, nach Laub, Moos und Erde. Die Bäume erzitterten freudig unter dem Lachen und warfen ihr letztes Laub ab. Die Menschen, die sein Lachen hörten, zogen sich ihre Jacken und Mäntel enger um den Leib, in der Ahnung, dass bald nun der Winter käme.

 

Die Jungen, die gerade ihr Heim betreten wollten, bemerkten den Wind, wie er kräftiger und kräftiger wurde. Morgen, gleich morgen früh, wollten sie ihre Drachen in die Lüfte jagen, denn dieser Wind würde sich halten, ganz bestimmt.

 

Während die Menschen vor den Türen nach Hause eilten, weil es plötzlich, scheinbar mit einem Male Herbst wurde und kühl, saß ein junges Paar in einem Café. Die beiden konnten weder Hände noch Blicke voneinander lassen. Der Herbst, in einem Anfall von jugendlichem Unfug, hatte die beiden zusammengebracht, vor über fünfzig Jahren nun. Nichts konnte die beiden seitdem trennen.

 

Immer am fünften November, jeden Jahres besuchten sie als Paar die Bank im Park und der Herbst war ihre liebste Jahreszeit geworden. Kein Wunder, nicht wahr!

 

© Simone Scheuing 2012