Kämpfe
Ich bin zu einer neuen Erkenntnis gelangt, einer Erkenntnis die mein ganzes Leben beeinflussen wird, und dank dieser Erkenntnis habe ich eine Entscheidung getroffen die mein Leben jetzt vielleicht schon beenden wird.
Aber es ist gut so.
Ich liebe Lave. Ich kenne ihn erst kurze Zeit, ein paar wenige Tage in denen er mich schon unzählige Male gerettet hat, aber dennoch weiß ich dass ich ihn liebe. Ich spüre es, tief in meinem Elfenherzen drin.
Und genau deswegen weiß ich: Ich kann jetzt davonlaufen, nicht von diesem Alptraum der uns angefallen hat zerfleischt werden und weiter mein trauriges Dasein fristen, aber Leben werde ich nicht mehr. Ohne Lave kann ich nicht mehr leben.
Deswegen werde ich alles geben um ihn zu retten, selbst mein Leben.
Mit einem lauten, entschlossenen Schrei pralle ich gegen den großen, wolfsartigen Alptraum und schubse ihn mit aller Kraft die in meinem mageren Körper steckt von Lave herunter. Der Elf bleibt regungslos liegen, er sieht mehr wie ein kaputter Fleischhaufen als wie ein Lebewesen aus; Blut sickert nicht nur aus seiner zerstörten Brust, er wird ganz damit bedeckt. Von seinem Hemd sind nur noch Fetzen übrig.
Ein Knurren vor mir reißt mich aus meinen Betrachtungen Laves. Der Alptraum steht noch immer da, und wie es scheint hat er irgendetwas im Maul. Vielleicht etwas das er von Lave geklaut hat?
Ich bücke mich und hebe seinen fallengelassenen Dolch auf, wobei ich natürlich genauestens darauf achte ihn nicht an der Klinge zu berühren. Dann fixiere ich wieder den Alptraum vor mir, dessen Gesicht im flackernden Feuerschein noch verzerrten und fratzenhafter wirkt als ohnehin schon. Apropos Feuer: Warum scheut dieses Ding eigentlich das Licht nicht, wie Lave es mir versprochen hat?
Ich habe leider keine Zeit, mir wieder darüber Gedanken zu machen, denn in diesem Moment macht der Wolf einen Satz nach vorne um mich anzuspringen wie er es bei Lave getan hat. Ich schaffe es zur Seite zu taumeln um ihn auszuweichen, doch leider gerate ich selbst dabei ins Straucheln während der schwarze Wolf sich in Sekundenschnelle wieder zu mir umwendet und mich ein zweites Mal anspringt. Panisch reiße ich den Dolch hoch und erwische ihn an einer Pfote, jener Pfote die mich im nächsten Moment niederschlägt. Prompt falle ich zu Boden und rolle noch einen Meter in Richtung Feuer bevor ich wackelig wieder auf die Beine komme. Der Alptraum setzt mir bereits nach und schnappt nach mir, ich weiche aus und steche ein paarmal ungeschickt nach ihm bevor er sich mit einem Satz nach hinten wieder aus meiner Reichweite bringt. Dort steht er kurz still, zieht die Lechzen nach hinten und knurrt mich so hasserfüllt an, dass mir eiskalte Schauer den Rücken hinunter laufen. Ich umklammere den Dolch ein wenig fester damit er mir nicht aus meiner schwitzigen Hand rutscht und überlege fieberhaft was ich jetzt tun könnte.
Der Alptraum nimmt mir diese Entscheidung jedoch ab indem er sich wiederauf mich stürzt und mich, obwohl ich halb – eben nur halb – ausweichen kann, umreißt. Ich stürze zu Boden und der Dolch fällt zeitgleich aus meiner feuchten Hand. Im nächsten Moment ist das Ding auch schon über mir, und alles was ich denken kann ist: Jetzt ist es aus.
Jetzt werde ich genauso schmerzhaft sterben wie Lave, zerfleischt von diesem Monster. Wäre ich doch bloß bei meinem Vater geblieben!
Ich lege hilflos am Rücken, der Wolf über mir, mit seinen gnadenlosen schwarzen Augen auf mich herabblickend, seine beiden Pfoten jeweils auf meinen Handgelenken ruhend damit ich diese nicht bewegen kann, seinen restlichen schweren Körper auf meine Oberschenkel stützend. Aus dem aufgerissenen Maul funkeln mir rasiermesserscharfe Zähne entgegen. Außerdem baumel eine Art Kette mit einem schwarzen Anhänger aus seinem Maul. Der schwarze Stein leuchtet im Feuerschein und dreht sich langsam, auf eine fast hypnotische Weise, um die eigene Achse.
Habe ich dieses Amulett nicht schon einmal bei Lave gesehen…?
Ist es das was der Alptraum von uns wollte? Aber warum verschwindet er dann nicht einfach?
Warmer, nach verwenden stinkender Atem schlägt mir entgegen und ich muss alle meine Kraft zusammen nehmen um nicht einfach in Ohnmacht zu fallen. Aber zumindest die letzten paar Sekunden meines Lebens möchte ich Herrin über meinen eigenen Körper sein, wie es mir mein Leben lang nicht vergönnt war. Langsam drehe ich den Kopf um zu Lave hinzusehen, aber dummerweise versperrt mir das ganz in der Nähe flackernde Feuer die Sicht.
Einige Sekunden lang starre ich einfach nur das Feuer an während mir der Atem des Alptraums ins Gesicht schlägt, dann senkt der riesige Wolf den Kopf er reißt eine riesige Wunde in meinen Bauch. Sofort quillt Blut heraus und ich schreie voll von Pein und Schmerz auf. Jetzt gleich werde ich Lave Gesellschaft leisten.
Der Alptraum will ein zweites Mal zuschnappen und im selben Moment nehme ich neben mir ein warmes Leuchten, wohl eine Illusion vom Schmerz, wahr, dann geht plötzlich alles ganz schnell. Der Alptraum wird von mir herunter geschleudert und im selben Moment greift das Leuchten regelrecht auf ihn über. Und ehe ich mich versehe, oder ganz begreife, was eigentlich passiert, verwandelt der schreckliche, schwarze Alptraum sich in einer lichterloh brennende Feuersäule und stürmt jaulend und kreischend davon.
Ich schaffe es gerade noch mich auf die Knie zu hieven und entdecke seltsamerweise eine brennende Fackel in meiner linken Hand. Mit einem erschrockenen Aufschrei werfe ich sie so schnell wie möglich von mir, damit ich mich nicht selbst verbrenne. Dann blicke ich der sich entfernenden Feuersäule des Alptraums hinterher. War ich das etwa?
Aber wie? Meine Hand war unter seiner gewaltigen Tatze gefangen. Und selbst wenn es mir irgendwie gelungen ist sie zu befreien… sollte ich mich dann nicht eigentlich an das was ich getan habe erinnern? Selbst früher, als meine Handlungen noch ohne meinen Willen stattgefunden haben, so wusste ich zumindest dass sie stattgefunden haben. Jetzt ist da nichts, bloß der Alptraum der plötzlich Feuer fängt. Ich will zu Lave hinüber kriechen, aber ich kann nicht mich mehr bewegen. Erschöpfung breitet sich durch meinen ganzen Körper aus und zum ersten Mal fällt mir mein Buch aus dem noch immer Blut strömt ein. Ich blicke an mir herunter.
Wenn ich nicht bald was unternehme werde ich ganz bestimmt verbluten…
Aber es ist zu spät, ehe ich mich versehe kippe ich schon vornüber und verliere das Bewusstsein.