- Kapitel 1 -
„Grace bist du endlich fertig?“ schrie eine schrille Stimme, die ich sofort wieder erkannte.
Miss With.
Mit wenig Elan wischte ich weiter.
Schon seit über einer Stunde versuchte ich den Schmutz vom Boden meines
Zimmers zu entfernen. Miss With hatte sich nie darum gekümmert, wie mein Zimmer aussah und war eigentlich auch nie hier drinnen gewesen, doch jetzt war sie der Meinung, dass ich es auf Hochglanz bringen müsste.
Doch um zehn Jahre Schmutz weg zu bekommen, reichte es nicht, auf die schnelle mit einem Lappen durch das Zimmer zu wischen. Mir war klar, der einzige Grund dafür, dass Miss With so auf einem sauberen Zimmer bestand, war der, dass ich Besuch bekommen würde.
Besuch bekam ich normalerweise nicht, weil es niemand gab der einen Grund
hatte, mich hier in meinen winzigen Zimmer, in diesem winzigen Waisenhaus zu besuchen.
Diese Hoffnung hatte ich schon lange aufgegeben und doch viel mir in diesem Moment, während ich kniend den Dreck unter dem Bett wegwischte nichts anderes ein.
Wieder hörte ich das energische Klopfen meiner Aufseherin und ich stand auf, klopfte mir den Staub von der Jeans, die ihre besten Tage ebenfalls schon hinter sich hatte und öffnete ihr die Tür.
Als ich das tat, sah ich eine gehetzte
Miss With, deren kleine Augen nervös durch das Zimmer huschten.
„Komm, Kind“ sagte sie zischend.
Ihr sonst so straffer Haarknoten hing locker herunter.
Das war schlecht.
Sehr schlecht.
Miss With trug ihr Haare immer in einem festen Knoten und wenn nicht musste etwas wirklich schlimmes passiert sein.
Sie packte meine Hand und zerrte mich aus meinem Zimmer hinaus in den Flur,
wo die jüngeren Kinder mich mit grossen Augen anstarrten.
Wir liefen den Flur entlang und bogen einige Male ab. Irgendwann wusste ich nicht mehr genau wo wir waren, bis wir zu einem Gang gelangten, in denen die Aufseher wohnten. Bis jetzt war ich jedoch noch nie hier gewesen. Hatte ich etwas verbrochen?
Da Miss With mir nichts sagte, wurde ich langsam aber sicher immer nervöser.
Endlich waren wir angekommen. Miss With öffnete mit einem Schüssel eines der Zimmer und schubste mich hinein.
Der Raum in dem wir standen war um einiges grösser als mein eigenes Zimmer und die Wände waren in einem angenehmen Weiß gestrichen.
Innen befand sich ein Tisch mit Bürostuhl, sowie eine bequeme Couch in einfachen Brauntönen. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich bis dahin gedacht hatte, Miss With's Zimmer bestünde nur aus einem Tisch und einem Bett.
„Setz dich.“ befahl sie mir streng und deutete auf die Couch.
Ihrem Befehl folgend setzte ich mich und
seufzte. Die Couch war weich und ich vergrub mich genießerisch tiefer darin.
Dann aber erinnerte ich, dass ich nicht allein war.
„Weisst du warum du hier bist?“ fragt sie, inzwischen in ihrem Sessel sitzend.
Ich überlegte.
Vielleicht wusste sie ja, dass ich einmal von der Cafeteria eine Süssigkeit zusätzlich geklaut hatte?
„Nein, Miss With“ antwortete ich artig.
Miss With verzog ärgerlich ihre
Stirn.
Hatte ich schon gesagt das sie mich nicht leiden konnte?
„Nun, jemand will die besuchen und dich mitnehmen.“ erklärte sie und sah dabei so aus, als wäre das etwas unmögliches und das war es ja auch irgendwie.
„Was?“ fragte ich verwirrt.
Ich hatte keine Verwandten die mich besuchen würden, denn meine Eltern waren beide bei einem Flugzeugabsturz gestorben und da sie beide Einzelkinder gewesen waren, hatte ich auch sonst
keinen, der mich besuchte.
„Du hast richtig gehört“ zischte Miss With und wirkte verachtend „Und aus genau diesem Grunde wirst du dich ordentlich benehmen, verstanden?“
Noch immer überwältigt von der Vorstellung endlich hier herauszukommen nickte ich hastig.
„Das heisst leider auch, dass wir dich wenigstens etwas auf Vordermann bringen müssen.“
Sie sah aus als würde sie es wirklich bedauern, dann erhob sie sich und
schritt elegant zu einem Schrank hinter ihr, öffnete ihn und wühlte in ihm herum.
All das nahm ich jedoch nicht wirklich wahr.
Wer immer es war, der mich hier raus brachte, hatte vermutlich meine Eltern gekannt ! Dann hatte ich die Möglichkeit mehr von ihnen zu erfahren und vielleicht konnte ich dann endlich mein Leben wie jedes andere zwölfjährige Mädchen auch leben.
„So, ich glaube das hier könnte
passen.“
Miss With hatte eine blaues T-Shirt sowie eine Jeans herausgeholt und reichte sie mir.
„Der Mann wird in etwa zwei Stunden hier ankommen, dass heißt du musst nicht in die Cafeteria. Bleib einfach auf deinem Zimmer und benimm dich, okay?“ sagte sie mit erhobenen Augenbrauen und wartete auf meine Antwort.
„Natürlich!“
Schnell nahm ich die Kleider. “Danke.“ fügte ich vorsichtshalber hinzu.
Sie nickte würdevoll und ich erhob mich von der Couch.
„Husch, husch“ machte sie und schubste mich wieder vor die Tür, machte aber keine Anstalten mir zu folgen.
Mist, ich wusste ja nicht mehr wie zurück in meinen Korridor kam und wollte sie gerade danach fragen, da hatte Miss With die Tür auch schon verschlossen.
Okay, ich war mir sicher, dass ich es auch allein schaffen würde. Mit schnellen Schritten überquerte ich den Flur, bog nach links ab, danach nach
rechts, wieder links und schon hatte ich mich verirrt. Orientierungslos lief ich den Gang auf und ab, in der Hoffnung jemand würde auftauchen um mir zu helfen.
Und ich hatte Glück.
Ein älterer Jung bog gerade ab und sah zu mir herüber.
Etwas verlegen hob ich die Hand.
„Haste dich verirrt, Kleine?“ sagte der Junge und kam zu mir herüber. Ich ignorierte geflissentlich das er mich 'Kleine' nannte.
„Weisst du wo Korridor neun ist?“
„Logo“ Seine Augen huschten über die Kleider die ich in der Hand hatte “Gehst du?“
Misstrauisch folgte ich seinen Schritten.
„Ja ...“
Er warf mir einen Blick zu und grinste.
„Du glückliche.“ murmelte er und bald erkannte ich den vertrauten Gang und meine
Tür.
„Danke.“
„Nicht der Rede wert, Kleine“ meinte er und rannte weg.
Seufzend öffnete ich meine Tür und ging hinein.Die Kleider die mir Miss With gegeben hatte, passten mir perfekt und waren dazu auch noch nagelneu. Nachdem ich sie angezogen hatte setzte ich mich auf mein Bett und schielte zur kleinen Uhr auf meinem Nachttisch. Zwei Stunden hatte sie gesagt.
Und das es ein Mann wäre.
Sonst nichts.
Mir wurde ganz mulmig und ich fing an, an meiner silbernen Halskette herumzufingern.
- Kapitel 2 -
Aufregung machte es mir unmöglich für längere Zeit still zu sitzen. Ich hatte sogar versuchsweise aus dem kleinen Fenster geschaut und glaubte in zu sehen, aber sicherlich war das nur Einbildung.Die Stunden vergingen viel zu langsam und ich hatte den Verdacht das der Mann sich verspätete. Miss With hatte nicht versucht wieder bei mir vorbei zu schauen, wofür ich dankbar war, denn mein Zimmer sah mitnichten geputzt aus.
Das Bett war übersät von Krümeln und der Boden war ein wenig klebrig von dem Missgeschick, als ich Sirup vergossen hatte. Na ja das war gestern gewesen, aber da hatte ich ja auch nicht gewusst das mir jemand einen Besuch abstatten würde.
Und mich wegbrachte.
Weg von hier.
Im Waisenhaus dürften wir nicht oft nach draußen. Einmal pro Wochen um im Garten zu spielen und die alljährliche Exkursion, dass war auch schon alles. Heute aber würde ich das Waisenhaus für immer verlassen und all das merkwürdige Zeug erleben, welche ich im Fernsehen gesehen habe. Ich hoffte, das mir dieser Mann all das erlauben würde...
Kurz schoss mir ein Gedanke durch den Kopf. Was wäre, wenn er noch schlimmer war als die Leute von hier? Nein, das ist konnte gar nicht möglich sein, schliesslich kannte er meine Eltern.
Genau ...
Nochmals warf ich ein Blick auf die Uhr. Mehr als zwei Stunden vergangen. Er muss bald da sein. Immer wieder vergewisserte ich mich, dass meine Kleidung richtig saß. Schliesslich muss ich ordentlich aussehen, wie Miss With meinte, sonst würde er mich womöglich trotzdem hier lassen.
Dann hörte ich endlich ein sachtes Klopfen.
Ich sprang auf und atmete tief aus. Ich dürfte es nicht verbocken. Das war meine einzige Chance hier raus zu kommen.
Schwungvoll öffnete ich die Tür und blickte den großen Mann mir gegenüber an. Er wirkte alt und dennoch machte er einen gesunden Eindruck, mit seinem perfekt sitzenden dunkelblauen Anzug und zurückliegendem grauem Haar. Da ich nicht wusste, was ich sagen sollte, trat ich beiseite und er ging hinein.
Es wirkte bizarr, wie ein scheinbar wohlhabender Mann zusammen mit mir, einem Waisenkind ohne Familie, in einem kleinen, sterilen Raum stand.
Dann unterdrückte ich ein Kichern.
Der Mann nahm seine Umgebung war und wandte sich dann wieder zu mir.
Er lächelte vergnügt.
„Du musst dann wohl die Tochter der Firestoons sein.“ sagte er mit einer tiefen, angenehmen Stimme.
„Ja, Sir“
Sein Lächeln wurde breiter.
„Du kannst mich Lynwood nennen, meine Liebe.“
„Okay...“ meinte ich unbehaglich.
Er wirkte nett, aber ich war mir nicht sicher was jetzt passieren würde. Er sah nicht wie jemand aus, der einen mit ins Haus nahm und der Familie vorstellte. Und auch keiner der meine Familie kannte. Mr. Lynwood schien zu wissen was ich dachte und antwortet:
„Du hast sicherlich viele Fragen, doch ich denke hier ist nicht der richtige Ort dafür. Hast du etwas das du mitnehmen möchtest?“ fragte er mich und sein Lächeln verschwand, auf einmal wirkte er sehr formal, passend zu seinem Aufzug.
Ich schüttelte verneinend den Kopf.
„Gut dann komm mit.“
Mr. Lynwood ging los und ich folgte ihm ohne einen weiteren Blick in mein Zimmer zu werfen. Es gab dort nichts, dass ich vermissen würde. Auf dem Weg zum Ausgang sah ich wieder viele der anderen Kinder, die mich und Mr Lynwood beobachteten.
Sie waren genauso überrascht wie ich, denn normalerweise kamen Leute aus den oberen Schichten eher selten in unser Waisenhaus.Kurz bevor wir hinausgingen erhaschte ich einen Blick auf den Jungen, der mir heute Mittag geholfen hatte.
Sein schwarzes Haar stach aus der Menge heraus und zögerlich hob ich die Hand zum Gruß. Der Junge nickte mir lediglich zu und verschwand dann wieder in der Menge. Mein Begleiter hatte nichts bemerkt oder sagte einfach nichts dazu.
Draussen angekommen sog ich erstmal die frische Luft ein und lächelte. Mr. Lynwood lief zu einem schwarzen Auto und drehte sich dann wieder zu mir um.
„Kommst du ?“
„Natürlich“ hastig rannte ich zu ihm und stieg durch die geöffnete Beifahrertür ins Auto ein.
Ich war in meinen ganzen Leben nur einige Mal Auto gefahren und so genoss ich es jedes Mal auf neue. Mr. Lynwood startete den Motor, nachdem er eingestiegen war und wir entfernten uns zunehmen vom Waisenhaus. Nach einer Weile durchbrach ich die Stille.
„Wohin fahren wir, Mr. Lynwood?“ fragte ich vorsichtig.
Aus dem Fenster sah ich, dass wir aus der Stadt fuhren und die Häuser weniger wurden.
„Ich dachte schon, dasss du nie fragen würdest. Du musst wissen ich bin der Direktor einer angesehenen Akademie, die auch deine Eltern besucht haben -“
„Meine Eltern?“ unterbrach ich ihn überrascht und betrachtete sein Profil
„In der Tat, sie waren clevere Schüler. Als ich erfuhr ... das sie nicht mehr da waren, war ich sehr erschüttert. Dann, erst Jahre nach deiner Geburt, bemerkt man das die Firestoons eine Tochter hatten. Von da an wollte ich dich an meine Akademie holen, doch das Waisenhaus war dagegen. Du wärst zu jung, wie man mir sagte, aber jetzt, da du zwölf bist, dürfen wir dich annehmen.“ erklärte er anfangs mit finsterem Blick, doch dann lächelte er.
Verblüfft versuchte ich die Informationen zu verdauen. Meine Eltern ... Schüler einer Akademie! Ich würde dort sein. Wieso erst jetzt?
War es Miss With die mich daran gehindert hatte?Wieder sprach Mr. Lynwood, der sich meiner Geistesabwesenheit scheinbar nicht bewusst war.
„Nun, aber zuerst solltest du wissen, dass diese Akademie nicht irgendeine x-beliebige ist. Die Magic- Author School ist Schülern mit überragenden Leistungen vorbehalten.“
„Magic...was?“ wiederholte ich zerstreut.
Ich war niemand, der überragende Leistungen vollbracht hatte. Wieso war ich also hier? Mr. Lynwood lachte wieder vergnügt.
„Die Magic-Author School, meine Liebe. Aber ich vergaß, dass du es ja noch gar nicht weißt. Deine Eltern waren Autoren, ganz gute, wenn ich das so sagen darf. Sie waren schon in vielen verschiedenen Welten. “
„In Welten? Wie meinen Sie das?“ fragte ich restlos verwirrt.
Was redete er da, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich ihn für verrückt halten. Sein Blick schoss zu mir, die blassblauen Augen glühten.
„Andere Welten. Es gibt Abermillionen davon. Wir Magie-Authoren sind deren Wächter und schreiben die Geschichten der Welten auf.“ erklärte er todernst.
Ein nervöses Kicher entfuhr mir. Dieser Mann war komplett verrückt.
„Das gibt es nicht. Magie und so.“ sagte ich leise. Ein vernünftiger Tonfall lag in meiner Stimme.
„Oh, natürlich gibt es sie. Woher glaubst du haben Joanne K. Rowling und Tolkien ihre Ideen, meine Liebe?“ Das mit 'meine Liebe' wurde allmählich nervig und ich glaubte ihm kein Stück. Magie. Gab. Es. Nicht.
„Vielleicht Fantasie?“
Heftig schüttelte er den Kopf, als wäre er masslos enttäuscht.
„Nein, weil sie live dabei waren“
„Das kann aber nicht sein“
„Es ist aber so. Vielleicht glaubst du es noch nicht, doch wir sind sowieso da. Schau!“
Ich folgte seinem ausgestreckten Finger und war überwältigt von dem Anblick, der sich mir bot.
- Kapitel 3 -
Wir hatten vor einer gigantischen, alten Burg angehalten, riesige Bäume umringten sie. In etwa so hatte ich mir Hogwarts in den Bücher vorgestellt. Die Burg hatte viele kleine Fenster, durch die man aber nicht viel sah und die Mauern waren bedeckt von Efeu.
„Sieht wie Hogwarts aus.“ meinte ich und stieg noch vor Mr. Lynwood aus.
Als er ausgestiegen war, klopfte er imaginären Staub von seinem Anzug und grinste leicht.
„Na ja wir haben uns das ein oder andere davon abgeguckt.“ gestand er augenzwinkernd.
Noch immer konnte ich das alles nicht so recht glauben. Magie ... andere Welten!
„Wie meinen Sie das, abgeguckt?“ hakte ich nach und folgte seinen Schritten.
Mr. Lynwood seufzte.
„Na ja die Autoren schwärmten von der Konstruktion und wir haben ... äh ...es uns abgeguckt und nachgebaut. Natürlich haben wir auch ein paar unserer eigene Ideen einfließen lassen. Dumbeldore persönlich hatte es am Einweihungstag besucht -“
Ich stockte.
„Er war da,... hier? Aber im Buch ist er doch gestorben, oder?“
Ich hatte das Buch gelesen, eines der wenigen, die wir im Waisenhaus gehabt hatten und wenn ich richtig gelesen hatte, dann war er gestorben.
„Ja das stimmt. Jedoch besuchte er uns vor seinem Tod. Das liegt jetzt etwa fünf Jahre zurück.“ belehrte er mich. „Eigentlich solltest du das garnicht wissen. Ich rede viel zu viel ...“
„Das finde ich nicht.“ besänftigte ich ihn. Insgeheim wollte ich alles wissen.
Mr. Lynwood lächelte wieder auf seine eigene, vergnügte Art.
„Du bist genau wie deine Mutter.“
Gerade wollte ich nachfragen, aber da war er auch schon weg. Irgendwie wusste ich auch nicht, was genau ich hätte fragen sollen. Mr. Lynwood schritt mit leichten Schritten zur grossen Doppeltür aus Holz. Sie öffnete sich knartzend und Mr.Lynwood trat ein. Etwas ängstlich folgte ich ihm.
Drinnen war es sogar noch spektakulärerer. Überall waren Treppen und Gänge. Schüler von etwa zwölf bis circa achtzehn liefen gehetzt durch die Flure. Alle liefen sie in die gleiche Richtung.
„Oh, wir sind spät dran.“ bemerkte Mr. Lynwood beiläufig und beobachtete die Schar Schüler die ihn offen angaffte.
„Folg einfach den Schülern, sie gehen alle zur grossen Halle wo wir ein Begrüssungsessen vorbereitet haben. Ah, Miss Ryan!“
Er winkte einem kleinen, schwarzhaarigen Mädchen zu, das uns entgegen kam.
“Zeig doch Miss Firestoon wo sie hin muss. Wenn ich mich recht erinnere werdet ihr auch zusammen wohnen...?“
„Geht klar.“ grinste sie fröhlich, packte meinen Arm und zog mich mitten in den Strom voll aufgeregter Kinder hinein.
„Ähm...“ machte ich hilflos.
Mr Lynwood wandte sich um und ging in Richtung einer grossen, mir unbekannten Frau.
„Du bist also Grace Firestoon? Ich bin Cathy Ryan. Wir werden bestimmt Freunde. Wie gefällt dir die Schule bis jetzt? Ich weiss bis jetzt hast du nicht viel gesehen aber wow. Ich fühle mich wie in einem schlechten Fantasyfilm.“ quasselte sie ohne Punkt und Komma.
Inzwischen waren wir im grossen Saal angekommen und die köstlichsten Düfte stiegen mir in die Nase. Der Raum war riesig, er musste es wohl auch sein, damit die vielen Schüler hier Platz fanden. Lange Tische erstreckten sich durch den Raum, gefüllt mit unbekannten Köstlichkeiten. Goldenen und Silberne Vorhängen verdeckten die Fenster und der Raum war in ein angenehm helles Licht getaucht.
Cathy zog an meinen Arm und ich wandte mich ihr zu. Ohne es zu bemerken hatte ich gestoppt und verursachte einen Stau.
Peinlich berührt schritt ich weiter.
„Komm, beeil dich, sonst sind alle guten Plätze weg!“ schrie Cathy über den Krach hinweg und zog mich weiter zu einem Tisch in der Mitte der Halle. Es war merkwürdig, dass so viele Leute hier ein überragendes Talent zum schreiben haben sollten.
Wir quetschten uns zwischen einen braunhaarigen Jungen und ein schwarzhaariges Mädchen, welches Cathy zum verwechseln ähnlich sah.
„Hey, Schwesterchen.“ begrüsste Cathy sie überschwänglich.
Nervös auf meinen Lippen kauend schielte ich zu dem Jungen neben mir, der gelangweilt in seinem Essen herum stocherte.
Er war in etwa so alt wie ich.
Der Junge spürte meinen Blick und sah mich kurz an.
„Hey.“ murmelte er und wandte sich dann wieder ab.
„Und das, Angelica ist meine Zimmernachbarin Grace.“ sagte Cathy aufgeregt und deutete auf mich. Angelica hatte die gleichen schwarzen Haare und braunen Augen wie Cathy, sah aber um einiges älter aus.
Sie musterte mich eingehend. Nach ein paar Sekunden war sie wohl zufrieden und lächelte.
„Na dann, willkommen, Grace.“
Ich runzelte die Stirn, Angelica schien sich pudelwohl zu fühlen.
„Ihr glaubt das also? Das mit der Magie?“ fragte ich.
Cathy lachte.
„Es stimmt. Hab es auch nicht geglaubt, aber seitdem meine Schwester einen Auftrag hat ...“
„Einen Auftrag?“ unterbrach ich sie.
„Jepp, der Rat hat mir einen gegeben. Endlich kann ich meine eigene Geschichte schreiben.“ Angelica warf ihr Haar zurück und ihre braunen Augen funkelten.
„Wirklich? Du wirst also in eine ... andere Welt gehen?“
„Ja.“ sagte Angelica und rührte in ihrer Suppe.
„Und was machst du da?“
Noch immer Schwang ein skeptischer Unterton in meiner Stimme mit. Angelica verdrehte die Augen.
„Was wohl? Ein Buch schreiben natürlich!“
„Aber wie kann man in eine andere Welt gelangen? Das ... Das ist unmöglich.“
„Klar ist das möglich, du wirst es schon noch früh genug erfahren. Du bist doch erst im ersten Jahr!“ sagte sie lächelnd und irgendwas darin sah merkwürdig aus ... als wüsste sie etwas, dass ich nicht wusste.
"Sie weiss ja auch mehr als ein kleines Waisenkind wie du..." flüsterte eine Stimme in mir. Beklommen schüttelte ich den Kopf. Nicht schon wieder ...
„Sind deine Eltern nicht auch Autoren, Grace?“ fragte Cathy und mein Herz zog sich zusammen. Ich presste die Lippen aufeinander.
„Sie waren es einmal...“ flüsterte ich und die beiden verzogen mitleidig das Gesicht. Womöglich sprach meines gerade Bände.
So gut ich konnte versuchte ich, mir nichts anmerken zu lassen.
„Sie waren bestimmt total toll.“ versuchte Cathy mich aufzumuntern.
Kopfschüttelnd betrachtete ich meinen leeren Teller und entschied, mir etwas Braten zu nehmen.Das alles war so abstrakt.
„Uh, guckt mal der Rat ist da.“ raunte plötzlich Cathy und ich hob den Blick nach vorne. Dort, ganz vorne waren so etwas wie Throne angebracht, in denen Leute saßen und miteinander redeten.
„Ich dachte es wären Lehrer...“ schnaubte der Junge neben mir.
Ich hörte Cathy etwas zischen.
„Sind sich auch, aber man nennt sie den Rat.“
„Das klingt aber quirlig!“ beharrte der Junge.
„Sag das mal zu ihnen. Wie heisst du eigentlich? Ist das auch dein erstes Jahr?“
„Steven Wilson. Und ja, das ist mein erstes Jahr. Keine Ahnung warum sie mich aufgenommen haben, ich dachte es wäre eine mathematische Akademie und nicht so ein Magie-Mist.“ Er rollte mit den Augen und ich musste über seinen Kommentar lachen.
Cathy und Angelica waren jedoch verärgert und ich hörte hastig auf. Ihre edlen Zügen waren verzerrt.
„Deine Eltern haben dir wohl keine Manieren beigebracht?!“ Angelica fuchtelte mit ihrem Löffeln herum, doch Steven war nicht beeindruckt. Insgeheim war ich es auch nicht.
„Meine Eltern sind Archäologen, für solchen Kinderkran haben sie nicht die Zeit“ grummelte er.
„Pfft, wahrscheinlich haben sie bei dir damit einen gewaltigen Fehler gemacht.“ sagte Cathy entrüstet.
„Oder er schreibt einfach Clown Bücher.“ fügte Angelica hinzu.
„Gibt es das denn?“ fragte ich neugierig.
Cathy antwortete schulterzuckend,
„Nö, aber er kanns ja erfinden.“
Lachend und mich etwas wohlerfühlend, aß ich weiter, während Steven uns ignorierte.
Das Essen war wirklich überirdisch, vielleicht lag es aber auch daran, dass ich in meinem ganzen Leben noch nie so viel gegessen hatte, oder weil sie hier einfach wirklich gute Köche hatten. Jedenfalls nahm ich von allem etwas. Manche Dinge sahen merkwürdig aus, wie blauer Reis oder grün gewürztes Putenschnitzel, doch alles schmeckte sehr gut, weswegen ich mir nicht allzu viele Gedanken darum machte.
Cathy neben mir redete fast ununterbrochen mit ihrer Schwester und löcherte sie mit Fragen, doch diese blieb ruhig und wimmelte sie ab, woraufhin Cathy es bei mir versuchte. Ich tat so als würde ich essen, damit sie mich nicht ins Visier nahm. Versteht mich nicht falsch, Cathy war wirklich nett, aber sie konnte echt anstrengend sein. So war wenigstens mein erster Eindruck und da sie auch keine Lust hatte, mit Steven zu reden, begann auch sie, etwas in sich hinein zu stopfen.
Manchmal blickte ich nach vorne, wo der Rat saß, der eifrig miteinander flüsterte. Ausser Mr. Lynwood kannte ich niemanden. Neben ihm war eine junge Frau mit langen, blonden Haar und ... zweifarbigen Augen, danebe ein älterer Mann mit schneeweissem Haar. Die anderen Leuten konnte ich von hier aus nicht erkennen.
Dann aber erklang ein lautes DONG und ich sah überrascht zu den anderen, die alle ihr Besteck weglegten und nach vorne starrten. Kommt jetzt so eine Art Begrüssung?, dachte ich ratlos und machte es denn anderen Schüler nach.
Lynwood erhob sich.
Lynwood erhob sich von seinem Sitz und von hier aus konnte ich wieder sein typisches kleines Lächeln sehen. Er hatte so etwas wie eine riesige Klingel in der Hand, die er schwang. Die Schüler verstummten allmählich. Steven neben mir schnaubte verärgert und kreuzte seine Arme vor der Brust.
„Willkommen meine Lieben zur Magic – Author School. Für manche von euch ist es das erste Jahr hier, für andere das zweite und so weiter. Die Neuen unter euch haben Zettel bekommen, auf denen eure Zimmernummer und eure Zimmergenossen stehen.
Tauschen ist nicht erlaubt!"Mr. Lynwood machte ein Pause, um die Wirkung seiner Worte zu beobachten und fuhr dann fort„Morgen wird der Unterricht pünktlich um acht beginnen.Alles was ihr braucht, findet ihr auf euren Zimmern. Tja was soll ich noch sagen. Ich glaube das wars."
Fragend blickte er zu den anderen Lehrer ... äh ... Ratsmitglieder, die aber nickten nur gutmütig.
„So dann wünschen ich euch guten Appetit.“ rief er laut, bevor er sich setzte. Beinahe sofort setzten die Gespräche wieder ein.
„Beeindruckend, ist der immer so?“ sagte Steven ironisch. Cathy sah auch nicht begeistert aus.
„Tja jeder hat seine Macken und Lynwood gehört nicht zu dem gesprächigen Leuten...“ rechtfertigte Angelica, die in ein frisches Brot biss, sein Benehmen.
Hmm ... bei mir schien er ganz redselig, dachte ich, sagte aber nichts.
„Wieso haben die anderen nichts gesagt? Machen sie nicht so eine Art Ritual? Wie Liedchen singen, uns die Regeln sagen oder uns allen mit dem Tod drohen, wenn wir keinen exzellenten Noten bringen?“ fragte Cathy enttäuscht.
Ich lachte und als ich zu Steven schielte sah ich ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht, dass aber schnell wieder verschwand.
„Tzz erstes gibt es hier keine Noten. Und zweitens kann ich mir gut vorstellen das du wenn du sterben willst. Hier gar nicht so weit suchen musst“ meinte Angelica mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Cool keine Noten? Gut das ich mich angemeldet habe“ rief ein pickeliger Junge neben Angelica.
„Wer ihr ist jetzt der Trottel?“ murmelte Steven.