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Die Gebrochene Welt, Band II (Kapitel 2; Teil 4/5) - Der Fall Fiondrals

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"Die Gebrochene Welt, Band II (Kapitel 2; Teil 4/5) - Der Fall Fiondrals"
Veröffentlicht am 08. November 2012, 32 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Wer wäre ich hier, wenn nicht jemand, der seinen Visionen ein Zuhause geben will? Tue ich das gerade nicht, studiere ich Rechtswissenschaften und bemühe mich, nicht gleich jedes damit verbundene Klischee zu erfüllen (letzteres womöglich nur mit mittelmäßigem Erfolg), oder fröne in irgendeinem Pub meinen Lastern.
Die Gebrochene Welt, Band II (Kapitel 2; Teil 4/5) - Der Fall Fiondrals

Die Gebrochene Welt, Band II (Kapitel 2; Teil 4/5) - Der Fall Fiondrals

Beschreibung

Die Stadt Galor ragt als letzte Festung aus dem Trümmerfeld auf, in das die Invasion der Orks den Kontinent Fiondral verwandelt hat. Flüchtlinge aus allen Ecken und Enden des Landes suchen Zuflucht hinter den dicken Mauern. Doch während sich die feindlichen Heerscharen unter den hohen Zinnen sammeln, zerfressen Zwietracht und Hass die Reihen der Verteidiger, bis es schließlich an wenigen wackeren Streitern liegt, das Schicksal aller zu bestimmen. (Weitere Kapitel folgen in Kürze)

Kelrayass (Teil IV)

Vor Ferrens Augen lichteten sich die letzten Bäume, bevor der Wald in Kies überging und das Land wenige hundert Meter weiter in das Meer mündete. Obwohl die Sonne an diesem Mittag schien, biss der Herbstwind eisig in jede Pore, während die Gefährten am Waldrand verharrten und Neluets wölfischer Blick über den weiten Strand glitt.
Einen halben Kilometer südlich von ihnen, über Kies und dürre Muscheln hinweg, erhoben sich primitive Palisaden und Piere, über denen neun gewaltige Masten in den strahlend azurblauen Himmel stachen.
Vor ihnen eröffnete sich das Ziel ihrer Reise, die Absicht ihrer Mission, das Ende eines Pfads aus Blut und Schweiß, das Ende ihrer Träume.
Ein paar letzte Meter, ein Katzensprung, zum Greifen nah, dass es Mühe kostete, nicht sofort zuzupacken. Eine Mühe, die die Vernunft von ihnen einforderte.
„Worauf warten wir noch?“, grummelte Ilar.
„Wir gehen davon aus, dass der Feind unsere Absicht kennt“, antwortete Neluet, der immer noch in die Ferne starrte, „Ich sehe dort niemanden und das gefällt mir nicht, absolut nicht, Jungchen.“
„Vom Rumsitzen wird es auch nicht besser“, spottete Ariona.
„Dennoch will der nächste Schritt gut überlegt sein“, entgegnete Truzos.
„Überlegt?“, maulte Ariona, „Was gibt es da zu überlegen? Ob wir nun jemanden vorschicken oder alle zusammen gehen: Es endet hier, so oder so, auf die eine oder auf die andere Weise.“
„Recht hat sie“, stimmte Ilar zu, „Entweder wir treten denen in den Arsch oder die treten uns in den Arsch.“
„Wahrscheinlich schneiden sie uns eher die Kehlen durch“, erwiderte Baraj.
„Nun, wenn wir jetzt gehen sollten“, sagte Slemov leise, „dann will ich vorher noch sagen, dass es mir eine Ehre war, an eurer Seite zu kämpfen. Das gilt für jeden von euch.“    
„Ich mag es vielleicht anders gesehen haben, aber ja, jeder von uns hat seinen Teil dafür geleistet, dass wir jetzt hier sind“, merkte Truzos an.
„Egal wie es ausgeht, wir haben es versucht, haben unser Bestes gegeben“, stimmte Ferren zu.
„Egal wie es ausgeht, ich bereue keine Sekunde, dass ich mich dafür gemeldet habe“, sagte Baraj.
„Schön, jetzt ist genauso gut wie sonst wann“, knurrte der alte Assassine, „Lasst uns also gehen!“
So erhoben sie sich aus dem Dickicht, Ferren, Ariona, Truzos, Ilar, Slemov, Baraj und Neluet, traten vom Wald auf den Kies, der unter jedem ihrer Schritte knirschte, während sie sich den Palisaden näherten, die einige Bretterbuden schützten.
Ein paar Möwen durchstießen das Blau des Himmels über ihnen, doch als ihre hohen Schreie verklangen, legte sich eisige Totenstille über die Küste.  Das Holz der Palisaden schien vom langen Sommer getrocknet, ausgefressen von der salzigen Brise eines Ozeans, der nie besegelt worden war. Die Bretterbauten ächzten im Wind, die Piere wackelten im Takt der Wellen, die alten Wachtürme schwankten.
Die Orks hatten ihre Schiffe dort zurückgelassen, ohne sich jemals wieder darum zu kümmern. Wo auch immer sie hergekommen waren, es schien keine Rückkehr zu geben. Der Hafen, der vor den Gefährten lag, war nicht mehr als ein Zwischenlager, wahrscheinlich nicht einmal für die Orks gedacht, denn Orks brauchten keine Häuser.
Als sie durch die Breche in der Palisade schritten, die einzig Zugang gewährte, fanden sie den gesandeten Platz in der Mitte des Lagers leer vor. Leer, wenn man von der einen Person absah, die in seinem Zentrum aufragte. Ein einzelner Mann mit einem Gesicht, das ihnen nur zu gut bekannt war.
Der Wind ließ seine Kutte wehen, der Saum zerrissen, die Brust noch von den letzten Überbleibseln der Sanduhrstickerei Olafs geziert.
Janus, der glatzköpfige Mönch, erwartete sie in Mitten des Lagers.
„Janus, beim verschissenen Erlöser, Ihr lebt!“, keuchte Ilar, der ihrem totgeglaubten Kameraden bereits entgegeneilen wollte. Doch Neluet hielt ihn mit der flachen Hand zurück.
„Keiner rührt sich!“, befahl er, wobei er den Geistlichen durchdringend musterte.
Auch alle anderen waren wie erstarrt, betrachteten ihren Gefährten, dessen Gesicht kein Zeichen der Freude über ihr Wiedersehen verriet. Dort war keine Emotion, nur wächserner Starre, eisige Kälte.
„Was soll das, Neluet?“, blaffte Ilar, „Scheiße Mann, das ist Janus, der Mönch, unser Gefährte.“
„Klappe halten!“, zischte der Assassine, bevor er sich an Janus wandte, „Sagt mir nur eines, Bruder: Wie habt Ihr den Sturz überlebt?“
„Was stellt Ihr Fragen, alter Mann, deren Antworten Ihr bereits kennt?“, Janus‘ eisige Stimme schnitt wie ein Messer in ihre Ohren, „Wollt Ihr nicht lieber wissen, wie Euer Kamerad Martinez gelitten hat, als ich das Leben aus seinem Körper brannte? Aber nein, keine Frage wird hier beantwortet werden, keinem von euch! Wer wäre ich, nutzte ich Worte, wo die Zeit des Todes gekommen ist?“
„Wovon redet Ihr da?“, keuchte Slemov, während sich alle um ihn herum in Kampfposition brachten.
„Ich bin diese Maskerade leid! Ich bin kein erbärmlicher Mönch des widerlichen Erlöserglaubens! Mein Name ist Kelrayass, mächtigster aller Magier, und ich erweise euch die Güte, durch Kapitulation einen sauberen Tod erkaufen zu können!“
„Ihr…Wir, wir werden uns niemals ergeben!“, brüllte Ferren ihm entgegen.
„Wie ihr wollt“, gab der Schwarzmagier zurück, wobei sein Lachen mit eisiger Kälte durch den Wind schnitt, „Tymaleaux! Schlachtet sie ab!“
Auf seinen Befehl hin stürmten etliche schwarz gekleidete Gestalten aus den umliegenden Barracken, die ihnen zuvor als Versteck gedient hatten. Gezeichnet mit dem Sanduhrsymbol, geführt von Lund und Tymaleaux bäumte sich die Horde der fast fünfzig Kämpfer vor ihnen auf.
„Keine Chance!“, keuchte Ferren.
„Lauft!“, herrschte Truzos sie an, „Lauft, ich halte sie auf!“
Niemand fragte danach, warum plötzlich der Magier die Befehle gab, stattdessen nahmen sie alle die Beine in die Hand und taten, wie ihnen geheißen. Der Kiesel gellte unter ihren Füßen, als sie in einen wilden Sprint verfielen, wobei ihre Feinde sofort nachsetzten.
Truzos allerdings lief rückwärts, starrte den todessüchtigen Thanatoikern direkt ins Gesicht, während sie mit ihren Schwertern und Kolben auf ihn zu preschten. Dann aber hob er seinen Blick zu jenem windschiefen Wachturm, der über der Bresche aufragte, und als ein feuriger Blitz seine Hände verließ, betrat sein Plan die Wirklichkeit.
Am hinteren, nördlichen Pfeiler vernichtend getroffen sackte das ganze Konstrukt in die Bresche hinab, wobei es, getrocknet vom ewig zehrenden Küstenwind, sofort entflammte und ihre Feinde als eine Mauer aus Feuer an der Verfolgung hinderte.
Allein Tymaleaux, dem selbst die Flammen nichts anhaben konnten, setzte der Serpendrianer mit einem Lähmzauber zumindest kurzzeitig außer Gefecht.
Sofort wandten sich alle Köpfe dem Magier zu, dessen Gesicht ein überlegenes Lächeln zierte, das jeden außer Neluet ansteckte.
Der alte Kämpfer jedoch hatte zu viel gesehen, hatte zu oft die Macht Kelrayass‘ zu Gesicht bekommen, um zu glauben, dass er bereits geschlagen war.
So wandte er seinen Blick wieder dem Waldrand zu, von wo aus ihm unzählige nachschwarze Schatten entgegenstachen. Sie alle rasten auf einen einzigen Punkt zu, wobei geisterhafte Worte ihre Bewegungen begleiteten, bis sie schließlich alle in einem Punkt verschmolzen, einem Punkt, aus dem sich Kelrayass erhob.
„Ich brauche meine Lakaien nicht, um das Leben aus euren jämmerlichen Leibern zu pressen!“, blaffte er, aus dessen Händen eine Welle der Schwärze flutete. Während sich die Magier der Gruppe hinter Schilden blassvioletten Lichtes verschanzten, hatten die anderen keine Möglichkeit, der Hexerei zu entkommen.
Die Schwärze überschwemmte sie, stach mit beißender Kälte in ihre Herzen, fraß sich in jeden Muskel und ließ sie auf der Stelle erstarren wie steinerne Statuen.
„Ariona, versucht, unsere Kameraden zu befreien! Ilar, Ihr steht mir bei!“, rief Truzos, bevor er sich gegen den Hexer stellte, der nur höhnisch lachte.
„So arrogant, so naiv, zu glauben, ihr hättet auch nur den Hauch einer Chance“, spottete er, während schattenhafte Geschosse der Erde entstiegen und sich um ihn gruppierten.
Mit einer stoßartigen Bewegung seines Armes entsandte er sie allesamt gegen Ilar, der noch versuchte, sich mit einem magischen Schild zu schützen. Doch die finsteren Strahlen zerschmetterten seinen blassvioletten Schutz in tausende ätherische Scherben, bevor sie in seine Brust fuhren und ihn taumelnd zu Boden schickten.
„Scheiße…“, keuchte er noch, bevor die Ohnmacht ihn ergriff.
Zugleich feuerte Truzos einen weiteren Flammenblitz gegen Kelrayass, den dieser jedoch mit einem einzigen Handwink verpuffen ließ, um anschließend einen Stoßzauber gegen seinen Feind zu wirken, den dieser jedoch ebenfalls abwehrte.
„Sein Zauber ist zu stark“, keuchte Ariona, „Ich kann ihn nicht brechen!“
„Nichts könnt ihr, Novizin!“, höhnte der Schwarzmagier, worauf er die rechte Hand in ihre Richtung ausstreckte. Es war ihr, als würde ein Griff aus Eis sich um ihren Hals schließen, dessen Kälte sich in ihre Haut fraß und ihr zugleich den Atem abschnürte. Keuchend schlang sie sich in der Umklammerung des Hexer, der mit der Linken beiläufig einen weiteren Feuerball Truzos‘ abwehrte.
Dann lockerte er den Griff um Arionas Hals, schmetterte sie rücklings auf den Boden und ließ dem Kies nachtschwarze Ranken entwachsen, die sich um ihre Glieder schlangen und sie so stark festzurrten, dass sie völlig bewegungsunfähig war.
„Nur wir beide!“, lachte Kelrayass, worauf er erneut Schatten der Erde entsteigen ließ, die er jedoch diesmal gegen Truzos schmetterte.
Auch dieser schützte sich hinter einem ätherischen Schild, das die schwarzmagischen Blitze allesamt absorbierte, während sich der Magier mit vor Anstrengung verzerrtem Gesicht dahinter verschanzte. Doch obwohl er gegen den Hexer bestanden hatte, wusste Truzos, dass er nicht gewinnen konnte. Er stand einer Macht gegenüber, die unbeschreiblich war, die er noch nie zuvor gespürt oder gesehen hatte; die sich nicht erklären ließ, wo er doch wusste, dass jemand, der so tief in die Schwarze Kunst versunken war, eine Marionette der Verderbnis hätte sein müssen, eine Marionette des Wahnsinns, getrieben vom puren Tötungsdrang, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Aber  Kelrayass erschien ihm im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten, während sein Ebenbild nicht einmal äußere Erscheinungen der Verderbnis trug.
Erneut feuerten sie sich Zauber entgegen, erneut parierten sie beide und es war nur die Macht des Rings, die Truzos noch auf den Beinen hielt, wohingegen Kelrayass jeden seiner Angriffe mit Leichtigkeit davonwischte.
„Ihr könnt Euch verteidigen“, spottete der Schwarzmagier, „doch Euer Feuer wird meine Truppen nicht ewig zurückhalten. Es ist vorbei!“
Auch Ferren vernahm die Worte. Eingepfercht in die Hexerei des Verräters war er zwar unfähig, sich zu rühren, besaß jedoch noch seine voll Wahrnehmung, sodass er  sehen konnte, wie Tymaleaux aus seiner Lähmung brach und zu den brennenden Überresten des Turmes schritt, um diese mit bloßen Händen aus dem Weg zu räumen.
Mit einem Mal stachen Kelrayass‘ Worte in seinen Geist, eine niederschmetternde Gewissheit, noch mächtiger als jeder seiner Zauber:
„Es ist vorbei“, wurde ihm klar und er wollte weinen, doch die Hexerei verhinderte selbst dies.
So fiel sein Blick zurück auf sich selbst, auf all die Dinge, die zu tun er versäumt hatte oder die er noch hatte tun wollen, auf seine bittere Vergangenheit und die so schillernd ausgemalte Zukunft. Der Verräter würde ihn und alles, was noch im Möglichen gelegen hatte, zunichtemachen.
„Ariona...“, hallte es noch durch seine Gedanken in der Erkenntnis, dass auch sie sterben würde.
Ein letztes Mal ließ er seinen Blick zu ihr gleiten, um ihre bernsteinfarbenen Augen zu sehen, darin zu versinken, aber sie waren ihm abgewandt, und so starrte er nur auf den matten Kiesel, über dem sich der höhnisch blaue Horizont erhob.
Doch dann sah er eine Gestalt, die über den Hügel am Ende des Strands preschte, wo sein Sichtfeld endete.
Er sah ein fahles Pferd, auf dem der Marquis saß, und eine Armee, die ihm nachfolgte.
Bevor ihm klar wurde, dass es kaum dreißig Mann waren, die de Nord folgten, hatten seine Emotionen zumindest die Lähmung seiner Lider gebrochen und Tränen fluteten seine Augen, dass er nichts mehr sehen konnte.
Auch Truzos hatte die Neuankömmlinge bemerkt, die Gesichter von de Nord, von Dragan und Jarred, den Anführer der anderen Trupps.
„Sie sind hier…sie sind wirklich hier“, sagte er sich, bevor er sich gegen den Schwarzmagier wandte, „Ihr habt Recht“, spottete er, „Es ist vorbei!“
„Niemals!“, fauchte der Hexer und erneut zischten Feuer wie Schatten zwischen ihnen umher, während Tymaleaux sich mit dem Rest der Thanatoiker über die Bresche hinwegsetzte. Sie eilten über den Strand, doch bevor sie Ferrens Gruppe erreichen konnten, fielen de Nords Truppen ihnen in die Flanke.
„Schlachtet sie alle ab!“, schrie der Marquis von seinem Pferd herunter, während er einem seiner Feinde den Kopf abtrennte, „Lasst keinen dieser räudigen Bastarde am Leben!“
„Die Magier befreien die anderen, dann kümmert ihr euch um den Hexer!“, befahl Jarred, „Wir machen den Rest.“
Kaum hatte der Wind die Worte des Elipfers davon getragen, spürte Ferren, wie die übrigen Zauberer mit vereinter Kraft Kelrayass‘ Fluch brachen, sodass er sich wieder bewegen konnte.
Er wirbelte herum und entdeckte de Nord, der mit seinem Falben mitten in die Gegner geprescht war, wo sein Pferd durch die Klingen der Thanatoiker ein jähes Ende fand. Doch während es unter lautem Wiehern zu Boden ging, glitt er von seinem Rücken hinunter, trat dabei einen Todesanbeter zu Boden, kam sanft auf die Füße und schwang seine Klinge gegen den nächsten. Dabei führte er nicht Schattenflamme sondern das Krummschwert, welches ein elipfischer Magier ihm überreicht hatte.
Bevor sich Ferren selbst in den Kampf stürzte, fiel sein Blick auf Dragan, der sich Tymaleaux gestellt hatte und nun mit seiner schweren, zweihändigen Streitaxt auf ihn eindrosch.
Dem ersten Schlag wich der Verräter unbeeindruckt aus, worauf er vorstürmte und dabei genau in einen Seitwärtshieb des Skatriers geriet, der auf seine Kehle zielte. Sirrend schlug die Schneide der Axt in seinen Hals ein, in den sie eine grausige Wunde schlug, aus der schwarzes Blut sprudelte.
Dann jedoch blieb sie stecken, ohne dem Major den Schädel ganz abtrennen zu können, und verdampfte, während Tymaleaux mit wackelndem Kopf unbeirrt weiter marschierte.
„Flieht Dragan, Ihr könnt ihn nicht aufhalten!“, warnte Ferren, doch der Skatrier hatte bereits sein Kurzschwert gezogen und es im Bauch des ledrianischen Verräters versenkt, was diesen mitnichten aufhielt. Mit unglaublicher Wucht versetzte er Dragan einen Stoß, worauf dieser zu Boden ging, dann stürzte er sich auf ihn und zerlegte seinen Schädel mit dem Beil, dass das Hirn herausquoll.
Ein weiterer Kämpfer eilte herbei, versuchte dem Major seine Klinge in den Rücken zu rammen, doch auch diese verletzte ihn nicht und so wirbelte er herum, wobei er dem Angreifer den Kopf abtrennte.
„Weg von ihm!“, schrie de Nord, nachdem er einem Thanatoiker die Kehle durchtrennt hatte, dass dieser blutgurgelnd vor ihm auf die Knie gefallen war, „Dieses Schwein gehört alleine mir!“
Damit versetzte er seinem Gegner den Gnadenstoß, spießte einen weiteren auf, schlug einen Dritten in den Kies und bahnte sich so einen Weg zu Tymaleaux, dem er alsbald gegenüberstand.
„Ich sagte dir, du hättest mich töten sollen, als du es konntest“, spottete er seinem ehemaligen Kameraden entgegen.
„Du kannst mich nicht verletzten, Lucian!“, erwiderte Tymaleaux, „Dein Leben endet hier.“
„So verhält es sich absolut nicht“, zischte der Marquis, wobei er das Krummschwert gegen den Major schleuderte, dem es in der Stirn stecken blieb.
Mit einem verzerrten Lachen riss er es wieder heraus, sodass er nun zwei Waffen führte, mit denen er sich auf de Nord stürzte. Dieser zog sogleich Schattenflamme, mit der er den ersten Abwärtshieb mühelos parierte, wobei der Schaft von Tymaleaux‘ Axt Feuer fing. Sekunden später fiel nur noch die verkohlte Schneide zu Boden, während der Major einen weiteren Schlag mit seinem Scimitar ausführte, der geeignet war, den Marquis in zwei Hälften zu spalten. Dieser sprang jedoch galant zurück, sodass die Klinge lediglich in den Kies schlug. Sofort zog der Verräter sie zurück, schwang sie erneut gegen seinen ehemaligen Kameraden, der allerdings wieder parierte, wobei es gespenstisch grüne Funken sprühte.
So vollzog es sich noch zwei weitere Male, bis der Major nur noch einen verkohlten Klumpen in der Hand hielt, wo einst sein Krummschwert gewesen war.
Lächelnd ging de Nord auf seinen unbewaffneten Feind zu, bereit, den finalen Stoß zu führen. Doch Tymaleaux duckte sich, ergriff blitzschnell einen Kieselstein und schleuderte ihn mit enormer Wucht gegen Lucian, der am Kopf getroffen augenblicklich zu Boden ging. Wie ein wildes Tier warf sich der Verräter auf ihn, presste seine blassen Hände auf seine Kehle. De Nord versucht noch, sein Schwert in Richtung des Kristallschädels zu führen, was ihm aber aufgrund des Winkels nur misslingen konnte.
So schloss sich langsam die Schwärze um ihn, bis plötzlich irgendwer heranschnellt, Tymaleaux traf und von ihm hinunter fegte.
Ferren hatte sich in letzter Sekunde auf den Major gestürzt, wirbelte nun mit ihm über den Kies, kassierte eine schmetternde Rechte gegen die Schläfe, schlug zurück, erzielte keine Wirkung und musste gleich noch einem Treffer einstecken.
Mühsam entglitt er dem Griff des Monsters, robbte sich weg, wurde am Kopf gepackt und mit dem Gesicht voran in die Steine geschlagen, riss sich los, drehte sich wieder auf den Rücken, sah Tymaleaux erneut heranschnellen, trat ihm ins Gesicht und krabbelte rücklings weiter.
Der Verräter näherte sich rasant, prallte dann jedoch gegen de Nord, der mit einem Mal zwischen ihnen stand und seinem Gegenüber einen Kopfstoß verpasste. Mit drei Seitenhieben peitschte er den Major zurück, bevor er selbst nach vorne preschte und einen letzten bogenförmigen Streich ausführte.
Tymaleaux‘ Augen weiten sich, als die Spitze der Schattenflamme durch das Kristallglas schnitt, den Kiefer des Miniaturschädels zerfetzte und tausende, fahlgrüne Scherben zu Boden prasselten. Ein spitzer, gespenstischer Schrei ertönte, eine Stichflamme blitzte direkt vor Tymaleaux‘ Augen auf, dass es ihm das Gesicht versengte und er stürzte ohne Atem, mit zugeschnürtem Brustkorb zu Boden. Wimmernd kniete er, den der Streich der brennenden Klinge selbst nicht getroffen hatte, im Kies und starrte auf seine versengten Hände.
„Lucian…danke, es war so…so schrecklich. So…du hast mich befreit, du, du hast doch Gnade mit mir, oder? Wir haben doch so viel gemeinsam getan, denk an früher, ja“, quiekte er, wobei er die blutbespritzten Stiefel des Marquis küsste.
„Steh auf, du widerlicher Wurm!“, harschte der ihn an, während er sein Schwert in die Schnalle zurückgleiten ließ.
Tymaleaux beobachtete dies mit geweiteten Augen, worauf sich ein breites Kinderlächeln auf seinem erblassten Gesicht ausbreitete.
„Danke, Lucian, danke“, keuchte er.
„Ich“, zischte de Nord, wobei er seine Armbrust zog, „habe dich nur befreit, damit du das Urteil des Herrn mit allen Sinnen empfangen kannst. Ich werde lachen, während du im Inferno brennst!“
Bevor der Major noch irgendetwas sagen konnte, drückte er ab und der Bolzen schmetterte durch die Stirn des Verräters, der augenblicklich zu Boden kippte. Rotes Blut tropfte von seinem Schädel herab, rann über den verbeulten, zerkratzten Panzer, sickerte in den zerfetzten, ledrianischen Wappenrock.
„Insekt!“, spottete de Nord, bevor er die Leiche seines ehemaligen Gefährten von sich wegtrat und sich wieder in die Schlacht stürzte.
Auch Ferren folgte seinem Beispiel und sah sich, während die Magier immer noch gemeinsam gegen Kelrayass fochten, jenem Todesanbeter gegenüber, der bereits am Angriff auf die Villa beteiligt gewesen war: Lund.
Er warf einen Blick auf die Klinge, die er führte und entsann sich der Warnung, dass Seelenklingen durch jede Rüstung schneiden könnten und bereits die kleinste Wunde reichte, um zu töten, da sie die Verderbnis in den Körper des Opfer säte.
Lund begann mit einem Ausfall, stach seine verfluchte Klinge genau in Ferrens Richtung, der dieser jedoch mit einem Satz nach hinten entging. Der Thanatoiker setzte sofort mit einem Seitwärtshieb nach, der zwar pariert wurde, aber dennoch eine gewaltige Kerbe in die Klinge des Leutnants schlug.
Während dieser noch erstaunt von der Wucht des Angriffs verharrte, attackierte Lund ihn erneut, doch diesmal duckte er sich unter dem Streich hinweg und rammte seinen Schädel in die Magengegend des Todesanbeters. Beide kippten nach hinten, wobei Ferren einen heftigen Tritt ins Gesicht einstecken musste, dann schmetterte er seine eigene Faust in die entstellte Visage seines Feindes. Dieser versuchte, ihn mit seinem Schwert zu erwischen, was jedoch aufgrund der Länge seiner Klinge und der Tatsache, dass Ferren sich direkt über ihm befand, unmöglich war.
So steckte er einen weiteren Schlag ins Gesicht ein, bevor er mit seiner flachen Hand auf den Solar Plexus des Leutnants stieß, der darauf zurücktaumelte.
Er sah noch, wie Lund sich blitzschnell erhob, auf ihn zu kam und sein Schwert mit gewaltiger Wucht gegen ihn schmetterte. Gerade noch konnte er parieren, wobei seine Waffe furchtsam in seinen Händen zitterte. Ein weiterer schmetternder Streich, eine weitere kaum haltbare Parade.
An einen Konterangriff war angesichts der Stärke und der entfesselten Wut des Thanatoikers nicht zu denken, sodass ihm keine andere Wahl blieb, als zurückzuweichen oder die Schläge abzuwehren. Dann jedoch schlug Lund seine Seelenkling in einem beidhändigen Abwärtshieb nach unten, dass ihm keine andere Wahl blieb, als ihm sein eigenes Schwert mit einer Hand am Griff und der anderen an der Spitze entgegenzustemmen.
Stahl prallte auf Stahl, bevor unter einem ohrenbetäubenden Klirren Ferrens Klinge zerbarst und in etlichen Splittern auf ihn herabregnete. Lediglich der Tatsache, dass er sich sofort nach der Zerstörung seiner Waffe, zur Seite geworfen hatte, war es zu verdanken, dass Lunds Hieb ihn dennoch nicht getroffen hatte. Er richtete sich wieder auf, musste jedoch mit angstvollen Augen erkennen, dass der Todesanbeter nun viel zu nah war, als dass er seinen Angriffen noch hätte ausweichen können.
Mit einem letzten, bitteren Lächeln blickte er seinem Ende entgegen, während Lund bereits die Klinge zum finalen Hieb hob.
Dann, als er gerade zum Schlag ansetzte, sah Ferren, wie etwas von der Seite heranrauschte. Im letzten Augenblick erkannte er, wer es war, und schrie mit aller verbliebenen Leibeskraft:
„Ariona! Nein!“
Zugleich ertönte auch Kelrayass‘ Stimme, ein furchtbarer, eisiger Wutschrei, der sich in ihre Ohren fraß, doch jede Warnung kam zu spät. Die Novizin stürzte sich geradewegs in Lunds Hieb, dessen gezackte Klinge in ihre Brust schlug. Ein goldenes Leuchten brannte sich durch ihre Lider, während die Wucht sie aus der Welt schleuderte, hinausschleuderte zu einem Ort, an dem sie schon einmal gewesen war und den sie furchtlos betrat.
Kaum konnte sie die Augen wieder aufschlagen, fand sie sich in jener konturlosen Halle wieder, die aus purem, weiß strahlendem Licht zu bestehen schien.
Unnatürlich riss ein Sog sie mit gewaltiger Kraft zurück, doch sie stemmte sich dagegen, um jener Silhouette entgegenzutreten, die sich vor dem Strahlen aufbäumte. Im Gegensatz zum Schemen Algaz‘ trug diese jedoch keine Rüstung, sondern eine reich verzierte Robe, und Ariona glaubte, die Umrisse eines langen Bartes in seinem vom Licht überblendeten Gesicht erkennen zu können.
„Erzmagier Kendalar, zu Euren Diensten“, sprach er mit liebevoller, altersrauer Stimme, „Ich bin Euch zu allergrößtem Dank verpflichtet.“
„Erklärt mir nur eines“, keuchte Ariona, während der Sog, gegen den sie kämpfte, immer stärker wurde, „Warum das alles? Was geschieht hier?“
„Ach wisst Ihr, Kind. Dieser Ort…die Zeit, die uns hier verbleibt, ist zu knapp für Antworten auf solch gewichtige Fragen.“
„Aber Ihr…Ihr müsst mir doch etwas sagen können“, ächzte sie, wobei es sie fast von den Füßen riss, und doch kämpfte sie weiter.
Die pure Gier nach einer Antwort, das Verlangen, endlich aus der Unwissenheit entfliehen zu können, stemmte sich gegen diese übermenschliche Macht, die sie fast zerriss.
„Ich bedaure, nicht mehr tun zu können, als Euch für meine Erlösung zu danken. Wo auch immer ich hingehe, werde ich für Euren Sieg beten und…“
Seine letzten Worte verklangen, als sie den Kampf verlor und von dem Sog in die Schwärze gezogen wurde, die sie in der Realität wieder ausspuckte.
Keuchend lag sie in Ferrens Armen, während seine Tränen auf sie hinabregneten.
Sie sah Lund nach, der mit verkohlter Rüstung davon humpelte, bevor sie den Blick auf Ferren hob, der in ihre Augen starrte und mit einem Mal erstarrte.
Unfähig war er, etwas zu sagen, unfähig, überhaupt etwas zu tun, denn als seine zerreißende Trauer auf die sengende Freude über Arionas Überlebeben getroffen war, hatte es ihn erstarren lasen, wie heißen Stahl, den man zum Abkühlen in ein Wasserbad tauchte. Er konnte es nicht glauben, nicht glauben, dass noch Leben in diesem Körper ruhte, dass er doch nicht alles verloren hatte. Während die Sonne warm aus dem azurblauen Himmel auf sie herabstrahlte, der beißende Herbstwind verflog und der Lärm des Kampfes verklang, wünschte er sich nichts mehr, als dass dieser Moment ewig währte.
Dann jedoch trat de Nord vor die Sonne, worauf sich Schatten und Kälte über sie legte. Blut tropfte von seinem Kinn ebenso wie von dem gekrümmten Dolch, den er fest in seiner Hand hielt, während er aus finsteren Augenschlitzen auf Ariona herabblickte. Ferren starrte den Marquis an und ein eisiger Schauer legte sich über ihn, als er erkannte, dass dieser Ariona mit demselben Blick betrachtete, mit dem er auch Tymaleaux angesehen hatte, bevor diesen erschossen hatte. Hastig tastete der Leutnant nach einer Waffe, wobei er erkennen musste, dass von Lunds Schwert eben so wenig übrig war, wie von seinem.
De Nord hob seinen Dolch.
„Ein Stich und alles wird vorbei sein…“, flüsterte er.
„Nein!“, schrie Ferren, was der Marquis jedoch einfach ignorierte.
„Zu schade, dass es mir verboten ist“, sprach er noch, bevor er seine Waffe in die Scheide zurücksteckte, um sich anschließend an den Leutnant zu wenden, „Geht zu den anderen! Die Schlacht ist vorbei.“

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