Seelenliebe kritisiert den Materialismus und die Entfremdung durch Konsum, in der heutigen Zeit. Ein Mann bekommt von seiner Frau einen klaren Auftrag. Er muss die Seelenliebe finden. Und wo sucht er? Natürlich zuerst im Supermarkt und in Drogerien, sogar im Baumarkt. Letztendlich führt ihn das durch eine Irrfahrt quer durch die Warenwelt, aber auch durch sein Innenleben. Im Oktober 2012 (KW 44) konnte sich "Seelenliebe" auf Platz 1 der Online-Literatur-Charts, in der Kategorie "Kurzgeschichten" platzieren. Es wurde zum "Buch des Monats Oktober 2012" in der Kattegorie Kurzgeschichte von den mystorys Lesern gewählt.
Seelenliebe
Haarentfernungscreme, Dildos, Schwimmwindeln und feuchte Allzwecktücher Zitrone. Das war doch was für Frauen und Pudel, dachte sich Waldemar, diese ganzen Drogerien. Alles hier ist in so milchig pink oder cyan Farben. Manchmal roch es auch nach irgendeine Blume oder Pflanze, obwohl der Ursprung dieses wohl duftenden Geruches pure Chemie war. Waldemar war ein Mann und damit natürlich nicht freiwillig hier. Seine Frau hatte ihm notiert, lamentiert und diktiert was er einkaufen sollte. Zum Glück waren es nicht wieder Damenbinden. Es war ihm immer unangenehm so etwas intimes, rein weibliches zu kaufen. So als würde der Gynäkologe ihn auf seinen Stuhl festschnallen und nachschauen ob Waldemar schon mit der Emanzipation schwanger geworden ist.
Also stellte er sich oft dumm und kam mit der Lüge wieder, das alle ausverkauft gewesen
waren. Wenn seine Frau diese Artikel dann selbst kaufte, wunderte sie sich, das die Binden schon wieder im Sonderangebot waren, weil sie wohl nicht so stark gekauft werden würden. Sich gegenseitig ein wenig heraus zu fordern, ein Spiel zu spielen, schlichtweg sich zu bescheißen, das war für Waldemar die Ehe.
Aber diesmal hatte ihn seine Frau etwas sehr mysteriöses hinterlassen und auf dem Küchentisch gelegt. „Seelen-Liebe“ stand da mit ihrer typischen Handschrift hin gekrickelt. Wahrscheinlich ausgeführt mit dem übergroßen Kugelschreiber vom Bodensee-Urlaub, der im Innern ein kleines Fähr - Schiffchen hatte, das man nach rechts und links gleiten lassen konnte. Dieses kitschige Souvenir lag wie immer neben dem Zettel. Seit ihn Oma hier vergessen hatte. Aber Oma war schon längst selbst vergessen.
Waldemar war sofort los gegangen. Er war es gewöhnt einen Zettel vorzufinden, denn bevor seine Frau verschwand, fiel ihr immer noch etwas
ein was er in ihrer Abwesenheit machen sollte. Das war sozusagen ihr Abschiedsgruß. Er eilte aber nicht los um ihren Auftrag auszuführen, weil er so pflichtbewusst war, sondern weil bald Fußball kam. Bis dahin wollte er diese Seelen-Liebe besorgt haben. Es war kalt und dunkel draußen. Mit jeder Schneeflocke die einem ins Gesicht gepeitscht wurde, spürte man die Minus-Grade. Auf einem Auto hatte jemand im Schnee „Love“ geschrieben. Nein das war nicht das was Waldemar suchte. In der Straßenbahn lies jemand seiner Begleiterin einen Text aus einer Zeitung vor, den Waldemar zufällig mithörte. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit gibt es und gab es noch nie zwei komplexe Schneekristalle, die exakt gleich waren. Der Grund hierfür liegt in den sehr großen kombinatorischen Möglichkeiten vieler einzelner Merkmale. Haben Schneeflocken damit eine Seele?“ Nein, das war auch nicht das was Waldemar suchte.
Seine erste Vermutung war, das es sich um eine neue Tee-Sorte handelte. Also zwängte er sich auch noch in die total überfüllte S-Bahn und fuhr zu einer Drogerie. Im Durchgang der S-Bahn, neben den Sitzen, zählte er allein 31 Erwachsene und ein Kind. Die Fahrgäste waren gereizt. Zum Glück brauchte Waldemar in dieser Sardinen Büchse nur wenige Stationen fahren, bis er wieder mit der Masse heraus gespühlt wurde. In der Drogerie ging er gleich zum Tee-Regal. Dort fand er zwar die Seele und auch die große Liebe, aber nicht beides zusammen. Hätte seine Frau eine Südamerikanische Seele gewünscht oder eine Rote Liebe gewollt, dann wäre sein Befehl nun schon ausgeführt gewesen. Aber Waldemar war gründlich und kramte die Körper Harmonie und die Frühlings Verführung weg, um vielleicht doch noch eine versteckte Seelen-Liebe zu entdecken. Dieser Suchbegriff stellte sich als ganz eigener Stammbaum in der Familie des
Früchtetees heraus. Auf einer Packung Seelen-Lifestyle stand zum Beispiel: „Die neue Geschmacksrichtung von unseren Früchtetees verbindet intensiven Erdbeer-Geschmack mit der süßen Note des Caipirinha Cocktails. Diese trendige Teekombination ist für alle Fans des typischen New Yorker Lebensgefühles.“ Naja aromatisiert sind sie alle, dachte sich Waldemar. Aber was konnte seine Seelen-Liebe verkörpern? Wofür sollte sie stehen?
Er fragte eine Verkäuferin. „Haben sie Seelen-Liebe im Angebot?“ Sie überlegte kurz und fragte zurück: „Ich glaube nicht, aber wir haben Seelen-Tröster oder Liebes-Verführung.“ Waldemar schüttelte selbstbewusst den Kopf. „Schmeckt das denn genauso wie der Karibik-Orgasmus?“ , fragte die Verkäuferin wieder. Waldemar meinte, davon hätte er jetzt keine Ahnung. „Silkeeeeee....“ , schrie die Verkäuferin durch den Laden zu einer Kollegin, „...haben wir
noch ein wenig Seelen-Liebe? Oder ist Seelen-Liebe ausverkauft?“ Sie bekam ein Kopf schütteln plus einen Witz zurück, was wohl bedeutete das die Seelen-Liebe in der Drogerie weiterhin verschollen blieb. „Ich glaub das ist aber gar kein Tee.“ meinte die Mitarbeiterin zum Abschied. Ein paar Sekunden murmelte sie noch den Begriff Seelen-Liebe vor sich hin, während sie mit den Cutter aggressiv Pappkartons aufschlitzte.
Glücksritter Waldemar war also weiterhin auf der Suche nach seiner Seelen-Liebe. Als nächstes versuchte er es in der Shampoo-Abteilung. Dort fand er wieder den Karibik-Orgasmus, aber leider keine Seelen-Liebe. Hier war noch mehr los als bei den Teesorten. Hier gab es selbstverständlich alle Jahreszeiten, aber auch so gut wie alle Elemente waren vertreten. Sonne, Mond und Sterne plus Regenbogen standen neben Schokoladen-Geschmack, China Heilkräuter Duft oder auch Whiskey Flair war dabei.
Und wieder gab es hier die Seele und die Liebe in verschiedensten Variationen. Es standen Seelen-Entspannung, Seelenkuss und Seele light neben Liebes-Feuer, Liebes-Verführung und Liebe 3 für einen, nebeneinander. Waldemar verfluchte die Liebe und die Seele gleichermaßen. Hätte seine Frau ihm doch nur mehr Informationsmaterial gegeben. Seine Ehefrau zu interpretieren oder ihre Gedankengänge zu erraten, war noch nie seine Stärke gewesen. Obwohl er schon seit Jahren das „Frauen -Versteher Aftershave“ benutzte. Was wollte sie nur von einer Seele oder was für eine Liebe wünschte sie? Immerhin waren sie nun schon 34 Jahre verheiratet, da könnte sie ihm doch mehr von ihren Herzenswünschen erzählen. Oder benutzte sie etwa heimlich „Mundtot deluxe“ , das neue Badesalz? Das er jetzt in dieser Drogerie ohne Plan, ohne Erfolg und ohne zu wissen was er tun sollte stand, war bestimmt die Schuld von „Körper und Seele“,
der besten Freundin von seiner Frau.
der besten Freundin von seiner Frau. In Wirklichkeit war es die wöchentliche Werbezeitschrift dieser Drogerie, aber für Waldemars Frau war das Magazin schon wie eine beste Freundin geworden. Ständig setzte es seiner Frau ein Floh ins Ohr..... Moment mal, vielleicht ist es ein Mittel gegen Flöhe? Waldemar schaute nach, aber wie zu erwarten, lag er auch diesmal falsch. Plötzlich fiel sein suchendes Auge auf Seelenruhe und Liebes-Power. Zwei Kaffee- Sorten. Er kramte alle 56 verschiedenen Kaffeesorten aus dem Regal, um ihr Etikett genau auf Spuren nach Liebe abzusuchen. Aber all diese Produkte hatten überraschenderweise nicht mal eine Seele. Hier waren mehr die Begriffe Schicksal und Hochland gefragt. Anscheinend stellt ein Kaffee eine ganz andere spirituelle Geschmacksebene dar, als ein Badeshampoo. Hier hießen die Propheten nicht Bodylotion, Deodorant, Duschgel oder Eau de Toilette sondern Cappuccino, Latte Macchiato, Eiskaffee
Eiskaffee oder Trinkschokolade.
Dennoch wollte sich Waldemar nicht so schnell geschlagen geben. Vielleicht war beim Frischkäse noch etwas zu holen. Also verließ er schnell die Drogerie und machte sich auf den Weg zum Supermarkt. Diesmal fuhr er mit dem Bus, der nicht weniger überfüllt war als die S-Bahn. Schon dreifach soviel Menschen wie sonst warteten auf dem Bus-Bahnhof. Alle froren sich die Seele aus dem Körper und das machte sie nicht gerade sehr verständnisvoll. Es gab Flüche auf die Verkehrsunternehmen und wenn man einen Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe sah, wurde der beinahe gelyncht. Waldemar dachte stattdessen lieber an Käse. Im Supermarkt gab es Französische Seele aus der Bretagne und sogar Französische Liebe aus der Provence. Aber nichts davon fügte die beiden Suchbegriffe zusammen. Zwar gab es wieder eine große Auswahl an verschiedenen Seelen und Liebes-
Variationen, aber Waldemars Begriff war nicht dabei. Es gab Blaue Seele und Weiße Liebe, es gab Milde Seele und Pikante Liebe und selbst den Karibik-Orgasmus fand er hier wieder. Mittlerweile kannte er ihn ja schon zur Genüge. „Warum verkaufen sie hier laufend Orgasmen und die echte Seelen-Liebe haben sie nicht?“ schnauzte er eine Supermarkt-Angestellte an. Die schaute verwundert und ängstlich. Sauer über seinen Misserfolg und panisch weil gleich Fußball kam klammerte er sich an ihren Kittel und brüllte: „Ich brauche Liebe verdammt!“ Waren denn seine Suchwörter so allgemein und speziell zugleich, dass sie überall zu finden waren, aber niemand sie wirklich kannte? Er musste an „Unglückliche Momente“ denken, einem Parfüm aus der Drogerie. Oder an den „Ruf des Schicksals“, einem Haargel.
Ein großer Mann mit Bomberjacke und Plastikausweis an der Brust kam an und wollte
wissen was los sei. Waldemar versuchte dem Security Mann zu erklären das er auf der Suche nach der Seele und der Liebe sei. Dieser riet ihm, er solle sich eher in einer Kirche umschauen als in einem Supermarkt. Waldemar argumentierte, das dies doch das gleiche wäre, in der heutigen Zeit. Doch der Sicherheitsbeamte konnte authentisch überzeugen, indem er meinte sähe er etwa so aus, als hätte er gerade Liebe oder eine Seele da? Da musste selbst Waldemar passen. Im übrigen, meinte der Security Beamte, solle Waldemar jetzt etwas kaufen oder verschwinden, er selbst muss gleich wieder in sein Büro, weil Fußball kommt.
Waldemar grübelte angestrengt. Wo könnte sich die Liebe versteckt haben? Im „Liebesversteck“ etwa, dem günstigen Rotwein aus dem Supermarkt? Gibt es eine Seele und wenn ja wozu ist sie gut? Gut, sagte auch die Stiftung Warentest, aber auch diese Empfehlung war seelenlos.
Mit all diesen Fragen hatte er sich nie auseinander gesetzt, aber seine Frau brachte ihn dazu. Anscheinend wollte sie ihm ein Rätsel stellen. Konnte sie ihm nicht einfach ein Rätsel-Heft kaufen oder „Geheimes Rätsel“ die Duftkerze mit diesem Namen, schenken? Sie wollte ihn sicher nur ärgern, aber er würde schon noch schlauer sein, als sie, dachte sich Waldemar. Allerdings fiel ihm nichts besseres ein als im Baumarkt seine Suche fortzusetzen. Vielleicht ist das was er suchte ja etwas was sich einfach aufbaute und dann würde man ihm in einem Baumarkt sicher weiterhelfen können.
Also eilte er wieder mutig durch den Schneesturm, der mittlerweile stärker geworden war. Es blitzte auf den Schienen als die Tram endlich ankam. Hier waren nicht so viele Leute drin. Aber dafür schliefen hier die Obdachlosen immer auf den Sitzen, um nicht in der Kälte zu erfrieren.
Überall roch es nach Alkohol und Kotze. War das der Weg zu Liebe und Seele?
Waldemar hatte Glück, der Baumarkt hatte noch nicht geschlossen. Die erste Frau die ihm in diesem Laden über den Weg lief und mit Latzhose und Logos bekleidet war, sprach er an. „Haben sie etwas mit Seele?“ Die Frau überlegte nicht lange und führte ihn zu einer Reihe Blumensamen. Da gab es die Seelen-Tulpe, die Seelen-Sünde, den Liebes-Flieder oder die Purpur-rote Liebelei, also eigentlich eine Tomate. Aber auch hier gab es wieder nicht beides zusammen. Auch wenn man im Baumarkt sogar einen Werkzeugkoffer „Barbecue“ oder ein Kleiderschrank „Benjamin“verkaufte. Menschen gab man heutzutage die Begriffe von Produkten und Produkte erhielten immer mehr menschliche Namen die gar nichts mit ihren eigentlichen Zweck zu tun hatten. Alles hatte einen Namen und der sollte das austauschbare Produkt individueller und sympathischer machen.
Waldemar jedoch, entfernte sich immer mehr von den Dingen aufgrund dieser Bezeichnung, deren Bedeutung er noch nicht gefunden hatte. War denn überall Seele drin wo es drauf stand? Konnte man Liebe erwerben, besitzen und verbrauchen? Hatte denn jeder Texter in einer Werbeagentur das Recht die wahre Bedeutung eines Produktes und den Sinn so großer Begriffe wie die Liebe zu entfremden?
Er überlegte schon seiner Frau zu sagen das er sich einfach nicht vorstellen könne was Liebe ist oder das die Seele eben gerade ausverkauft war. Aber irgendwo tief in seinem Innern erwachte der Jagd-Trieb. Er wollte nicht aufgeben und diese seltsamen Sachen finden. Irgendwo auf dieser Welt, irgendwo in diesem Gewerbegebiet müsste er doch findig werden.
Wieder ging es raus in das kalte Weiß. Seine Spuren von vorhin, als er ankam, waren nicht mehr zu sehen. Auf der Straße lag ein „Tiger-
Seele“ Energy - drink. Erneut ging es mit der S-Bahn weiter. Es gab beinahe eine Schlägerei, weil Leute aus der total überfüllten Bahn nicht raus gehen wollten, um andere durchzulassen, als die Bahn anhielt. Egal wo man rein wollte, jedes Abteil war überfüllt und die Glücklichen in der Bahn hassten einen, wenn man der Tropfen der das Fass zum überlaufen brachte war, nur weil man auch mitfahren wollte. Aber Waldemar musste das in Kauf nehmen. Er war auf der Suche nach der Seele und nach der Liebe. Eines dieser Ziele wäre allein schon eine Lebensaufgabe gewesen, aber beides zu finden, war ohne Glaube an einer vorgeschriebenen Schicksal-Programmierung des eigenen Daseins nicht möglich. Hat man erst die Liebe dann findet man bestimmt auch die Seele leichter, aber beides zwischen Schneesturm und Sonderangeboten, zwischen Verkehrschaos und Produkt-Vielfalt zu entdecken, war eine große Herausforderung. Als Waldemar aus der S-Bahn stieg, sah er
beiläufig das nun seit neuestem neben der Zugnummer noch ein Zugname stand. So wie es bei den Intercity Zügen schon seit langem gemacht wurde. Nur hießen die S-Bahnwagons, nicht wie bei den Intercity Zügen „Prinz Eugen“ oder „Berchtesgadener Land“ sondern stattdessen „Seelen-Erlebnis“ oder „Liebes Express“. Wahrscheinlich um nach verlorenen Sympathien zu fischen. Erst jetzt bemerkte Waldemar wie stark die Seele und die Liebe
im Alltag vorkam. Egal wie stark man in die Konsumgesellschaft abtauchte und gleichgültig wie sehr man sich von technischen Erneuerungen berauschen ließ. Ureigene Eigenschaften der Menschen konnte man nicht als unmodern abstempeln. So richtig deuten konnte er diesen Eindruck aber nicht.
Als nächstes fuhr Waldemar zu einem DVD Verleih. Die hatten immer alles. Als er nach „irgendwas mit Liebe und Seele“ fragte, schlug ihm der Verkäufer ein Erotik-Film namens
„Liebe – die lustigsten Techniken“ und ein Horrorfilm „Die Seelenfresser von Sachsen-Anhalt“ vor. Aber das war alles nicht das was Waldemar wollte. Außerdem kannte er den Erotik-Film schon. Waldemar war kurz vor dem Verzweifeln. Das konnte es doch nicht geben. Er wollte etwas kaufen und es gab soviel Sachen, aber die wahre Liebe oder die reine Seele wurde nirgendwo angeboten.
„Hast du mal ein paar Cent oder eine Kippe?“ Waldemar wurde von hinten angesprochen. Als er sich überrascht umdrehte, sah er einen Obdachlosen mit ausgestreckter Hand, bereit seine Almosen entgegen zu nehmen. Normalerweise gab er nichts, aber so kurz vor Weihnachten hatte er es sich zur Angewohnheit gemacht einem zufällig getroffenen Obdachlosen ein wenig Geld zu spenden. Waldemar kramte in seiner Geldbörse und gab dem Obdachlosen ein wenig Kleingeld, damit der sich etwas zu essen kaufen konnte. Der zerlumpte Mann war eher
gewöhnt abgewiesen zu werden, überhaupt mal beachtet zu werden war eher ein seltener Glücksfall für ihn. Sein Gesicht strahlte sofort. „Danke das ist lieb von dir. Gott schütze deine Seele!“ bedankte er sich. Waldemar lachte innerlich, Gott sollte lieber dich schützen, dachte er. Doch dann erschrak Waldemar. Hatte der Obdachlose eben Seele und lieb gesagt? Da war es... Seele und Liebe irgendwie zusammen. Sollten diese gedankenlos dahin gegebenen paar Cent-Stücke der Preis der Seele und der Beweis der Liebe sein?
Aber solche Ideen passten nicht zu Renate, seiner Frau. Auch wenn es sich gut anhörte. Wiederum konnte er nicht sagen, er hätte einem Obdachlosen einem Dank entlockt und somit seinen Auftrag ausgefüllt, wenn seine Frau doch etwas ganz anderes damit meinte. Waldemar wusste einfach nicht mehr weiter. Um sich vielleicht Anregungen zu holen ging er in ein
Internet - Cafe´ in der Nähe. Es hieß: „Seelen-Cookies“.
Dort fand er sofort 19.700.000 Ergebnisse zum Begriff „Seele“. Es gab da Reformhäuser, Architekturbüros, natürlich spirituelle und philosophische Seiten und vieles mehr. Beim Begriff „Liebe“ war es nicht anders. Es gab da sogar noch mehr zu finden. Waldemar entdeckte 91.400.000 Ergebnisse. Aber nun gab Waldemar mal beide Begriffe ein. Er tippte in die Tastatur „Seelen-Liebe“ ein. Dann erfuhr er, das man es anders schrieb als er angenommen hatte. Immerhin brachte es 7.510 Ergebnisse hervor. Mehr als im realen Leben. Waldemar erfuhr, das die Seelenliebe eine ganz besondere Art von Liebe ist. Und das sie mit der romantischen Liebe zwischen Mann und Frau absolut nichts zu tun hat. Waldemar war erstaunt. Was sollte das denn bedeuten? Er las von irgendeiner Esotherik Webside die über Energieimpulse handelte, das die Seelenliebe - wenn es wirklich und
wahrhaftig die Liebe zwischen zwei vertrauten und verwandten Seelen ist - etwas kostbares darstellt. So soll sie angeblich die Menschen in ihrem Innersten berühren, ihre Seele ansprechen, das Herz auf eine ungeahnte Weise öffnen und letztendlich verletzlich machen. Kein anderer Mensch als die geliebte Seele im anderen kann in uns ein derartiges Glück-Gefühl auslösen oder aber uns in Sekundenbruchteilen in tiefste Abgründe stürzen, musste der erstaunte Waldemar dort lesen. Sollte dies etwa das Ende seiner Ehe bedeuten? Wollte seine Frau das damit sagen? Immerhin hatte sie mal Yoga gemacht, aber derart spirituelle Botschaften für ihn zu verstecken, sah ihr nicht ähnlich.
Während er immer mehr Panik bekam und seine bezahlte Zeit im Internet ablief, erschien plötzlich auf der streng spirituellen und alternativen Homepage ein extra Fenster mit Werbung.
Da war irgend so eine grinsende Katze zu sehen mit einer neuen Nassfuttersorte. Waldemar staunte nicht schlecht, als er den Namen der Sorte las. „Seelenliebe“ stand dort groß und breit über die glückliche Katze, die ungefähr genauso schaute wie Waldemar gerade. In der nächsten Sekunde war alles wieder verschwunden. Seine Zeit war um. Waldemar war sich sicher, nur das konnte es sein. Seine Frau wollte bestimmt, das er Futter für Geronimo, ihrem Kater mitbrachte. Das passte auch eher zu ihr als irgendwelche philosophischen Gedankengänge zu den Begriffen Seele oder Liebe. Fußball
konnte Waldemar jetzt eh vergessen, also fuhr er zum Ausgangspunkt seiner Suche, die Drogerie. Er war froh endlich den Auftrag erfüllen zu können und nicht wie ein Idiot da zu stehen. Außerdem würde er seiner Frau diese Geschichte haarklein erzählen und dabei die Schwierigkeiten detailliert beschreiben die er, der beste Ehemann der Welt,
dabei bezwungen hatte. In der Drogerie kaufte er gleich drei große Kisten voller Seelenliebe, das ganze Sortiment, so euphorisch war er. Geronimo soll nie wieder seine Seelenliebe vermissen, dachte sich Waldemar. Sogar seine Kreditkarte überzog er damit. Ihm war alles egal, nur die Seelenliebe zählte.
Als dann ein paar Stunden später seine Frau zurück kam, präsentierte er ihr stolz 300 Packungen Seelenliebe. Seine Frau war geschockt und schaute ihren Mann an, als wäre der übergeschnappt. „Deine Aufgabe war nicht leicht, aber du weißt ja das ich anders bin als die anderen Männer. Ich hab sie mit Bravur gelöst.“, sagte er voller Freude. „Welche Aufgabe denn? Warum hast du denn soviel Katzenfutter gekauft? Wovon redest du?“, sagte sie entrüstet. „Na der Zettel den du mir geschrieben hast, das Futter für Geronimo.“
„Aber Waldemar, wir haben Geronimo doch schon vor ein paar Wochen an meine Nichte verschenkt.
Du wolltest ihn nicht im Haus haben, er hat dir zu stark gehaart und er war dir immer zu laut mit seinem jaulen.“
„Aber ….“ , Waldemar war sprachlos. Jetzt fiel ihm erst auf das er Geronimo schon lange nicht mehr gesehen hatte. „Aber was ist dann mit deinem Zettel?“, Waldemar war am Boden zerschlagen.
„Den auf dem Küchentisch? Was soll damit sein?“
„Na was hast du mit dieser Seelenliebe gemeint?“
„Seelenliebe? Was redest du da? Ich hab nicht Seelenliebe geschrieben, sondern Seelilie. Ich wollte mir ein paar aus Plastik als Dekoration für das Badezimmer besorgen.“
Die beiden sollten noch lange über diesen Vorfall lachen und sich drüber wundern. Renate hat zwar keine Seelilien für das Badezimmer bekommen, aber Waldemar hat seine Seelenliebe zu seiner Frau entdeckt. Und das ist unbezahlbar.
Ende
Copyright bei Sven Bremer 2010
Rainabas Großartig - ich konnte gar nicht mehr aufhören weiterzulesen :-) einfach super geschrieben und am Ende ist man zum Nachdenken gezwungen :) aber was kann man von einem Profi denn sonst erwarten :-) ich habe mich auch mal mit einem ernsthaften Buch versucht..."Paranormal Doll" heißt es....würde mich freuen, wenn du mal einen professionellen Kommentar abgeben könntest ganz liebe Grüße Rainer Ps. Fünf Sterne sind nicht genug |
Moonoo Re: Re: Re: - Zitat: (Original von kati92 am 09.11.2012 - 21:10 Uhr) das bestimmt. :) werde allerdings erst morgen wieder weiter lesen. suche gerade noch meine alten sachen, vielleicht veröffentliche ich hier noch etwas? :) aber wir lesen uns bestimmt bald wieder! :) Zitat: (Original von Moonoo am 09.11.2012 - 21:08 Uhr) Zitat: (Original von kati92 am 09.11.2012 - 21:04 Uhr) Selten, dass ich so gute Zeilen lese! :) Vielen dank. Das freut mich. Vielleicht gefallen dir meine Zeichnungen ja auch? (In "Das Jeu der Quisquillien" hab ich sie hier veröffentlicht.) Hier wird man schnell dazu angeregt etwas zu veröffentlichen. Kannst ja Bescheid schreiben wenn du wieder was veröffentlicht hast. Dann schreib ich dir meine Meinung dazu. |
kati92 Re: Re: - das bestimmt. :) werde allerdings erst morgen wieder weiter lesen. suche gerade noch meine alten sachen, vielleicht veröffentliche ich hier noch etwas? :) aber wir lesen uns bestimmt bald wieder! :) Zitat: (Original von Moonoo am 09.11.2012 - 21:08 Uhr) Zitat: (Original von kati92 am 09.11.2012 - 21:04 Uhr) Selten, dass ich so gute Zeilen lese! :) Vielen dank. Das freut mich. Vielleicht gefallen dir meine Zeichnungen ja auch? (In "Das Jeu der Quisquillien" hab ich sie hier veröffentlicht.) |