Die Via wurden zurückgeworfen. Doch es scheint, als würden die Schwierigkeiten damit erst anfangen. Unruhen und Proteste erschüttern die Erde. Die Verhandlungen zwischen Menschen und Artheranern verlaufen ins Chaos... Und als wäre das nicht genug beginnt für den grade erst genesenen Rafail Coel ein Wettlauf mit der Zeit, dessen Ziel er nicht kennt, bis es fast zu spät ist. Bild : A Blue color design/ Fotolia.com
,, Sie denken er überlebt das ?“
,, Ich weiß es nicht. Er hat viel Blut verloren… Und sein allgemeiner Zustand..“
Stimmen… vertraute Stimme. Aber ihm waren die dazu gehörenden Namen entfallen.
Die Welt um ihn blieb dunkel.
,, Wir stabilisieren ihn erst etwas und…“
Ein Einstich an seinem Arm…
Die Stimme wurde zu einem Flüstern und verstummte dann ganz.
Später, er wusste nicht wie viel Zeit vergangen war…
Verschwommene Schatten am Rand seines Gesichtsfelds.
,, Er ist wach.“
,, Ganz Vorsichtig jetzt.“ Ein kurzes Brennen. Sein ganzer Körper schien nach wie vor weit weg…
,, Verbindungen stehen… das sieht gut aus.“
Eine unerträgliche Welle aus Schmerz wusch über ihn hinweg und schein alles andere zu begraben…
Seine Hand ballte sich zur Faust… merkwürdig kalt.
,, Verdammt.“
,, Herzstillstand.“
.. Ich habe gesagt, das wäre zu viel.“
,, Kommen sie schon Coel. So kurz vor dem Ziel sterben sie uns nicht weg.“
,, Wir haben ihn wieder.“
Der Schmerz lies nach…
,, Gut, weitermachen.“
,, Sind sie sicher ?“
,, Der hat schon schlimmeres überstanden.“
Wieder Dunkelheit.
Bruchstücke von Gesprächen, wenn sein Bewusstsein kurz zurückkehrte.
,, … Kontrolle könnte Schwierig werden…“
,, Die anderen sind alle gestorben…“
,, Er schafft das.“
, ,…Name ist Rafail Coel. Subjekt Elf zeigt erstaunliche Anpassungsfähigkeit….“
,, Haben Anfangs nicht gedacht, das er überlebt…“
,, Knochen wurden teilweise mit Schienen stabilisiert. Innere Organe zu erneuern war…
Haben das mittlerweile Aufgegeben. Kybernetische Synthese scheint bessere Option.“
,, … Auge wird vielleicht ein Problem. Mal sehen was die Unity dazu sagt…“
,, Wir passen auf.“
Danach… eine lange Zeit meinte er, war erneut alles Ruhig.
,, Es hat Monate gedauert, aber letztlich…“
,, Okay, versuchen wirs. Coel hören sie mich…“
Jemand beugte sich über ihn.
Zum ersten Mal seit… Ewigkeiten schien es, versuchte er zu sprechen. Sein ganzer Verstand war ein einziger Nebel…. Woher kannte er die Gestalt…
Endlich kehrten einige Erinnerungen zurück.
,, Ich hoffe jemand hat das Bild abgehängt…“
,,Coel !“ Eine durchaus angenehme Stimme, aber der Ton war dringlich genug um ihn zu wecken.
Er schreckte hoch. Die Erinnerungen verblassten. Langsam blinzelte er in die Düsternis des Wohnzimmers seiner Behausung.
Spärlich und altmodisch eingerichtet… das Sofa hätte locker in ein Haus der Fünfziger des vorletzten Jahrhunderts gepasst. Nein das war nicht richtig…dann wäre es 2250. Eher noch ein Jahrhundert früher, dachte er immer noch Schlaftrunken. Es dauerte einen Moment, bis er seien Gedanken wieder fokussieren konnte.
Wann war er eingeschlafen?
Über den Fernsehbildschirm liefen Nachrichten und die Uhrzeit wurde eingeblendet.
Wer wollte um 2 Uhr morgens etwas von ihm?
Seine Hand tastete nach dem Knopf für die Gegensprechanlage. Hand…Er hielt kurz inne.
Kaltes Metall schimmerte ihn anstatt Haut im spärlichen Licht entgegen.
Vom Ellenbogen bis zu den Fingerspitzen zog sich Metall an beiden Armen durch Fleisch und Knochen, ersetzte dort Muskeln und Gewebe.
Man hatte Coel vor einer Woche entlassen. Aber noch musste er mit seinem neuen Leben klarkommen. Vielleicht würde ihm das ja eines Tages tatsächlich gelingen.
Er fand den Knopf endlich.
Ein kurzes Piepen bestätigte ihm, dass der Anruf entgegengenommen wurde. Der Nachrichtensprecher, der vermutlich mal wieder über das Thema berichtete, den Artheransiche Angriff auf die Erde vor drei Monaten, wurde durch das Gesicht einer jungen Frau ersetzt.
,, Ich hoffe mal das ist wichtig Mabel.“ , brummte er, aber mit einem versöhnlichen Unterton. Sie konnte sicher nichts dafür, wenn die GTDF es für nötig hielt, ihn mitten in der Nacht zu kontaktieren.
,, Und ob. Offenbar läuft grade ein seit Wochen vermisster Artheraner auf der Erde herum. Bewaffnet.“
,, Wie bitte ?“ , fragte Coel. ,, Wieso sagen sie mir das, Ist das nicht Sache der Polizei?“
,, Wenn er damit jemanden gefährden würde schon.“ , meinte sie. ,, Im Moment sieht es jedoch so aus, als hätte er sich einfach auf einem Fabrikgelände verschanzt.“
Coel stand Vorsichtig von der Couch auf. ,, War ja klar, dass es einige gibt, die nicht ruhig bleiben würden. Aber was hab ich damit zu tun?“
,, Haben sie nicht gehört ? Der galt seit Wochen als Verschwunden.“
,, Und ?“ , wollte Coel wissen. Er schnappte sich schnell seine Kleidung und zog sich an. Ein dunkles langärmliges Hemd, das seien Arme zumindest teilweise verdeckte.
,, Das ist der Part, der ihnen gefallen dürfte…“
Wenige Minuten später stand Coel vor dem großen Wandschrank im Flur seiner Wohnung. Der mittlerweile über ein Codeschloss verfügte. Noch so eine kleine Neuerung, aber eine die wohl nötig war.
Er tippte schnell das Passwort ein und schob die Türen auf.
An der Innenwand befestigt hingen zwei Pistolen, eine MP und ein zusammenklappbares Gewehr.
Er beabsichtigte nichts davon mitzunehmen. Tödliche Waffen würde er hoffentlich nicht brauchen.
Auf einem Haken jedoch hing ein weiter Bodenlanger grauer Mantel.
Coel nahm ihn heraus und streifte ihn über. Ein kleiner Aufdruck an der Seite zeigte ein Dreieck, das von zwei Flügeln gesäumt wurde. Darin stand lediglich das Wort ,, Savior“ und darunter die Nummer 11. Die meisten Leute im Parlament, der geeinten Erdregierung, oder dem Militär wüssten mit dieser Kennung nichts anzufangen. Und selbst bei der Galactic Tradings and Defence Force oder kurz GTDF, der Spezialeinheit kannten sie nur wenige. Die jedoch die es taten begegneten ihm vor allem mit einem: Angst.
Savior bedeutete er war mehr als er sein sollte. Und mehr als er sein wollte.
11 bedeutete, dass er überlebt hatte, wobei alle anderen gescheitert waren.
Ein Brandzeichen mit dem er sich nun herumschlagen durfte.
Der Mantel war hässlich, wie er fand, aber immer noch besser, als die fragenden Blicke der Leute, wenn man seine Implantate sah. Selbst dort, wo der Stahl und Kunststoff untere Haut der Haut verborgen blieb, merkte man doch, dass irgendetwas nicht ganz stimmte.
Die Augen waren am wenigsten zu übersehen.
Er wusste selbst gut genug, was aus ihm geworden war. In einer der Taschen steckte eine getönte Brille.
Die würde er später vielleicht brauchen. Momentan war es draußen Dunkel genug, so dass man seine Augen nicht klar sehen konnte.
Aus einem kleinen Fach holte er zwei dünne Handschuhe.
Normalerweise achtete niemand so genau auf seine Hände, aber ein kalter Händedruck erzeugte doch schnell Fragen. Sicherheitshalber steckte er die Handschuhe ein.
Und dann zog er noch zwei geschwärzte, parabolische Klingen aus einer Schublade. Er überlegte kurz, ob er sie überhaupt brauchen würde, aber ganz unbewaffnet wollte er dann doch nicht gehen….
Er schlug den Ärmel des Mantels zurück und streckte eine Hand aus. Eine Schiene verlief auf der Innenseite seines Arms, in den sich die dunklen Waffen perfekt einfügten.
Eins musste Coel zugeben:
Die Leute vom Savior-Projekt wussten, was sie taten und arbeiteten sauber.
Er zog die Wohnungstür auf. Eine Treppe führte nach draußen auf die im Dunkeln liegenden Straßen.
Er lebte in einem Vorort, deshalb bekam man hier ab und zu auch mal Sterne zu sehen. Weiter in der Stadt hingegen, war der Himmel entweder Dunstverhangen oder so hell erleuchtet, dass man keine Chance hatte etwas zu erkennen.
Als er in Richtung der hohen Türme in der Ferne sah, die in Neonlicht getaucht in den Himmel ragten, fühlte er sich irgendwie an die Säulen einer Kathedrale erinnert.
Und das war es auch, dachte er.
Die Säulen der Menschheit, des gesamten Menschlichen Imperiums.
Die Träger des Himmels.
Und die Städte selbst waren die Heiligtümer der unsichtbaren Götter hinter allem.
High-Tech Kathedralen für diese sterblichen Götter und die unsterblichen Maschinen.
Er stand jetzt wohl irgendwo dazwischen.
Er war eine Antwort, die auf eine Frage wartete.
Martin Richter wartete angespannt. Seine Finger schlossen sich um den Griff der Pistole.
Vor wenigen Minuten war er hier angekommen, mit nicht weniger als der Information, dass sich hier irgendwo ein Artheraner herumtrieb. Und dieser vermutlich Bewaffnet und gewaltbereit war.
Und hier irgendwo war ein sehr dehnbarer Begriff.
Das Fabrikgelände, das soweit er wusste einem Pharmaunternehmen gehörte, war Riesig.
Neben einer endlosen produktionshalle, in der sich um diese Zeit aber niemand mehr aufhielt, gab es noch mehrere kleine Nebengebäude… und einen hell erleuchteten Bürokomplex, von dem aus wohl irgendjemand die Polizei über Schüsse informiert hatte. Einige Überwachungskameras hatten ihnen dann letztlich gezeigt, bei wem es sich um den schützen handelte.
Ein Artheraner, der wie man schnell herausfand seit einiger Zeit von seinen eigenen Leuten vermisst wurde. Also vermutlich ein Einzeltäter.
Die Information war die Befehlskette entlanggewandert und an irgendeinem Punkt hatte sich schließlich die GTDF dazwischengeschaltet… und ihn hierhergeschickt.
Man wollte kein Großaufgebot herschaffen, sondern die Sache möglichst klein halten.
Verständlich, beherrschte doch auch drei Monate später noch das Thema des Artheranischen Angriffs und der immer noch laufenden Verhandlungen zwischen diesen und den Menschen die Schlagzeilen.
Das Ganze war ein Pulverfass, das jede Sekunde hochgehen konnte und dieser Zwischenfall hier würde eine perfekte Lunte abgeben.
Die Büroraume hatte er als erstes durchsucht.
Zwischen diesen und den eigentlichen Fabrikhallen befand sich ein großer offener Hof.
Martin zögerte kurz.
Sollte ihm jemand auflauern, wäre er völlig ohne Deckung.
Aber wenn er keine Verstärkung rufen und warten wollte, blieb ihm keine andere Möglichkeit.
Langsam und sich nach allen Seiten absichernd überquerte er die leere Betonfläche. Dabei hielt er beständig die Dächer und dunklen Fenster der umgebenden Gebäude im Auge.
Nichts geschah.
Martin atmete erleichtert auf als er die verglaste Doppeltür erreichte, die den Zugang zu den Büro und Verwaltungsräumen bildete. Eine Seite der Tür war zersplittert. Glasscherben lagen sowohl vor der Tür, als auch auf dem Flur dahinter verstreut.
Martin bückte sich kurz nach einem kleinen Gegenstand, der inmitten der Splitter lag.
Eine Patronenhülse. Er kniete sich einen Augenblick hin und betrachtete die leere Blechhülle. Ein stechender Geruch hing in der Luft.
Fluorwasserstoff, da war er sich fast sicher. Eines der Nebenprodukte, die entstanden, wenn man Kugel abfeuerte die speziell für den Einsatz im Vakuum des Alls gedacht waren.
Denn dort gab es keinen Sauerstoff. Zwar funktionierten auch normale Waffen meistens , aber eben nicht immer.
Letztlich musste eine spezielle Munitionsart entwickelt werden die in zwei getrennten Kammern zwei Chemikalien enthielten. Beim Abfeuern reagierten diese miteinander und ermöglichten so Waffen, die auch auf Planeten ohne Sauerstoff und auch unter extremsten Bedingungen funktionierten.
Das einzige Problem dabei waren eben die Hochgiftigen Nebenprodukte.
Des Weiteren fand diese Munition allerdings auch als Panzerbrechendes Projektil Verwendung und war nicht frei erhältlich.
Entweder also der Gesuchtee hatte diese vom artheranischen Militär oder vom Schwarzmarkt. Besonders der illegale Handel mit Schusswaffen hatte in den letzten Monaten einen neuen Höhepunkt erreicht und spülte den Waffenschiebern Unsummen in die Taschen.
Es hatte immer wieder Einsätze gegen diese Schwarzhändler gegeben, aber den eigentlichen Drahtzieher hinter allem hatten sie nie erwischen können. Eine ungreifbare Gestalt, die nur unter dem Namen Marcks bekannt war.
Der Artheraner könnte sich seien Ausrüstung also auch illegal besorgt haben.
Er wusste nicht, welche Möglichkeit ihm weniger gefiel.
Wenn die illegalen Händler jetzt Geschäfte mit den Artheranern machen, würde bald jeder rachedurstige Außerirdische mit einer Waffe auf der Erde herumlaufen können.
Nachdem er sich ein letztes Mal abgesichert hatte, trat er durch die Türen, die sich automatisch öffneten.
Ein Hoch auf die moderne Technik, dachte er. Der Schütze hatte sich nicht einmal die Mühe machen müssen, die Türen selbst zu öffnen.
Und das Glas hatte er vermutlich nur aus einer Laune heraus zerschossen.
Martin befand sich nun in einer kleinen Empfangshalle.
Einige Pflanzenkübel mit Palmen, die wohl die strikte Betonatmosphäre des Baus etwas auflockern sollten, standen im Raum verteilt.
Ein kleiner verglaster Wartebereich lag einem hölzernen Tresen gegenüber. Die Rezeption.
Einschusslöscher zogen sich über die Oberfläche.
Er spähte über den Tresen und wendete sich sofort wieder ab.
Ein Sicherheitsmann lag tot am Boden auf der anderen Seite.
Offenbar war er nicht einmal mehr dazu gekommen einen Hausalarm auszulösen.
Am Ende der Halle führte eine Treppe hinauf auf eine zweite Ebene mit mehreren Fahrstühlen. Martin hätte es vorgezogen, eine Treppe zu benutzen. Aber die einzig andere Möglichkeit in das Gebäude zu gelangen, die er bisher entdeckt hatte, war eine Feuerleiter an der Außenwand.
Und zurückgehen wollte er nicht.
Er trat also in einen der Aufzüge.
Insgesamt gab es fünf Stockwerke. Aber wenn Martin nicht jedes davon einzeln durchsuchen wollte, würde er es irgendwie eingrenzen müssen.
,, Komm schon Martin, wenn du ein Verrückter mit einer Waffe mit einem Hass auf Menschen wärst… Was würdest du tun?“
Er würde dorthin gehen, wo er die meisten Menschen vermutete. Er ging schnell die Bezeichnungen für die Stockwerke durch. Wartung, IT-Bereich, Geschäftsräume, Kundenservice…
Er würde sich die Geschäftszimmer ansehen.
Martin trat aus der Aufzugskabine auf einen mit einem schlichten Teppich ausgelegten Flur. Am anderen Ende führte eine Glastür in eine große Halle.
Ein dutzend Schreibtische standen , jeweils durch Trennwände geteilt, kreisförmig im Raum,
Vorsichtig und geduckt trat Martin in den schlecht einsehbaren Raum. Die vielen Tische und Trennwände gaben dem ganzen etwas Labyrinthartiges.
Wenn sich hier jemand verstecken sollte, wäre er schwierig zu finden.
Aber eines störte ihn….
Es war das vollkommene Fehlen irgendwelcher Mitarbeiter, ob Lebendig oder sonst irgendwie. Und alles wirkte ungewöhnlich ordentlich. Keine Einschüsse, keine Papiere auf den Tischen. Kein einziger der Computerbildschirme hinter den dünnen Papierwänden brannte. Vielleicht war dieses Stockwerk geräumt worden, bevor der Artheraner hier eingetroffen war…
Bevor Martin den Gedanken beenden konnte , ging das Licht im Raum ohne Vorwarnung aus.
Die einzige Helligkeit kam nun von einer Laterne draußen und schien durch einige große Fenster herein. Ein unwirtliches Muster aus Schatten entstand, das die Orientierung noch zusätzlich erschwerte.
Zumindest für ihn.
Martin hatte nur eine Taschenlampe, die er jetzt in die Hand nahm. Einschalten jedoch wollte er sie nur im Notfall. Das würde sonst sofort seine Position verraten.
Konnten Artheraner im Dunkeln sehen? Er wusste es nicht.
Nur das er definitiv auf der richtigen Spur war. Und das sein Gegner ihn bemerkt haben musste, warum sonst sollte er das Licht löschen?
Ein Schatten huschte durch die Dunkelheit am Rande seines Gesichtsfelds.
Martin duckte sich instinktiv und lehnte sich an eine der Trennwände.
Er bemühte sich ruhig zu atmen und auf Schritte zu lauschen. Ein leichtes Rascheln zu seiner rechten.
Wenn er sich nicht täuschte stand jemand genau auf der anderen Seite der Wand.
Er spürte, wie sich sein Puls beschleunigte. Das waren die Situationen, die er hasste. Er war Soldat. Er hatte kein Problem damit, sich in Gefahr zu begeben, oder auch mal in die Schusslinie zu werfen, aber solche Versteckspiele…
Martin warf sich um die Ecke und riss die Waffe und auch die Taschenlampe hoch, bereit sofort zu feuern, sollte sein Gegner auch nur eine falsche Bewegung machte.
Er hätte fast die Waffe fallen gelassen. Aber nur fast.
Es war Martin immer schwer gefallen Artheranische Gesichtszüge zu lesen. In diesem Moment aber stellte das kein Problem dar.
,, Sie ?“
Grenzenlose Überraschung.
Sein Gesicht musste ja den gleichen Ausdruck zeigen.
Aine Karwin blinzelte ins Licht der Taschenlampe und versuchte irgendetwas zu erkennen.
,, Sie ?“
Die Stimme konnte sie sofort zuordnen.
Alle Artheraner besaßen von Natur aus ein fast unfehlbares beinahe eidetisches Gedächtnis.
Aber auch dieses war anfällig für Suggestionen des eigenen Geistes.
Trotzdem, hier gab es keinen Zweifel.
Sie war sich so gut wie sicher, die Stimme zu kennen.
,, Martin, richtig ?“
Das blendende Licht erlosch.
,, Aine ?“
Diesmal ließ er die Pistole wirklich sinken. Nur um festzustellen, dass die Artheranerin ihrerseits eine Waffe auf ihn gerichtet hielt.
Sie folgte seinem Blick und nahm die Pistole dann runter.
,, Was machen sie hier ?“ , fragte Martin und betrachtete misstrauisch das katzenartige Wesen vor sich. Noch war er sich nicht sicher, ob er ihr trauen konnte. Natürlich, Aine hatte vor drei Monaten an ihrer Seite gekämpft.
Aber damals war es auch um das Überleben der Artheraner als Spezies gegangen. ,, Sie sind doch nicht etwa für das ganze verantwortlich ?“
Sie schüttelte den Kopf, eine eigentlich nur bei Menschen übliche Geste, die sie aber sehr schnell übernommen hatte.
,, Nein, aber ich denke wir sind beide aus dem gleichen Grund hier.“
,, Mir hat man gesagt, das ein bewaffneter Artheraner sich genau hier rumtreibt. Also einer ihrer Leute. Sie haben das Ebenfalls mitbekommen?“
,, So etwas bleibt auch uns nicht verborgen. Oder einfacher gesagt, ich hab gerade zufällig den Polizeifunk überwacht.“
,, Das hab ich jetzt einfach mal nicht gehört. Wissen sie, warum ein Artheraner ein Pharmaunternehmen angreifen sollte?“
,, Nein. Der Artheraner von dem wir reden, wurde seit Monaten vermisst. Als mir jemand die Bilder der Kameras zugespielt hat musste ich herkommen. Wir können uns keine Zwischenfälle erlauben.“
,, Ich verstehe. Und ich frage besser gar nicht, wer dieser… jemand… war. Aber sie sind ein Risiko eingegangen. Jeder andere hätte sie erschossen.“
,, Dann sollten wir beide froh sein, das es niemand anderes war.“ Sie schwieg einen Moment und sah aus dem Fenster hinaus in die Finsternis. ,, Haben sie eigentlich irgendwas von Coel gehört ?“
Die Frage brachte ihn kurz zum Lächeln.
Wenn er daran dachte, das zwischen Artheranern und Menschen vor Zehn Jahren ein Krieg getobt hatte, der deren Planeten in Trümmern hinterlassen hat und das die letzte Schlacht mit ihnen erst wenige Wochen her war, schien es ein kleines Wunder, das sich nun einer um einen Menschen sorgte. Vielleicht gab es doch so etwas wie Hoffnung. Coel hätte das garantier so gesehen.
Oder Aine war einfach ein Sonderfall…
,, Nicht seit man ihn weggebracht hat. Steel blockt ab wenn ich ihn frage. Seien Verletzungen waren ziemlich schwer…“
,, Wir müssen einfach das Beste hoffen. Wenn er tot wäre, würde man ihnen das doch zumindest mitteilen.“
,, Vielleicht.“ Er sah auf. ,, Also wieder zum wesentlichen. Haben sie irgendwas entdeckt?“
,, Nichts.“ , erklärte sie. ,, Ich war auf jedem Stockwerk außer diesem hier. Und dann sind sie aufgetaucht. Das war dumm.“
,, Wieso ?“
,, Ich hätte damit rechnen müssen, das die GTDF jemanden schickt.“
,, Und sie waren Überall ?“
,, Nun, das Dach habe ich mir noch nicht angesehen…“
,, Verflucht ist das hoch.“ Martin trat rasch einige Schritte von der Kante zurück.
Der Wind zerrte an seiner Kleidung und wirbelte alte Blätter und Papierfetzen vom Dach, die fast Schneeflocken gleich, in die tiefe Segelten.
Er legte keinen Weg darauf ihnen zu folgen.
,, Sie sind Pilot für die GTDF, wie kann man da Höhenangst haben ?“ , wollte Aine wissen, während sie sich ebenfalls umsah. Eine Feuertreppe führte vom Dach aus nach unten.
,, Beim Fliegen fällt man ja auch nicht unkontrolliert.“
Auf das Dach selbst waren sie mit dem Fahrstuhl gelangt. Vermutlich war das für den Fall Gedacht, das man einem potentiellen Investor die Anlage von Oben zeigen wollte.
Das legte auch die Ausstattung nahe.
Martin hatte eigentlich erwartet ein paar Lüftungsschächte und Masten vorzufinden, wie man sie auf der Spitze jedes Gebäudes entdecken konnte.
Doch offensichtlich war das Flachdach als Aussichtsterrasse gedacht.
Ein niedriges Geländer umspannte das ganze Areal, nicht hoch genug, dass es einen wirklich am Herabstürzen hinderte aber es vermittelte zumindest den Eindruck von Sicherheit.
Einige Bänke standen herum ,die wohl tagsüber und bei Windstille dazu eingeladen hätten die Aussicht zu genießen.
Und als wäre das nicht genug gewesen hatte man auch noch einen Wellblech-Verschlag aufgebaut, der gut ein Drittel der Dachfläche einnahm.
Auf dem Dach selbst befand sich niemand.
Also blieb nur der Verschlag.
,, Aine, geben sie mir Deckung ?“
,, Sicher.“
Martin ging langsam, die Waffe immer auf die Tür gerichtet, in Richtung des Aufbaus.
Es gab keine Fenster, er musste also nicht damit rechnen bemerkt zu werden. Trotzdem hielt ihn etwas zu Vorsicht an.
Er erreicht die Tür und streckte die Hand nach dem Griff aus.
Bevor er sie jedoch öffnen konnte, schien sich etwas schmerzhaft in seinen Verstand zu bohren.
Bilder und Sinneseindrücke, die nicht seine eigenen waren ,gehetzte, wirre Gedanken, die ihn einen Augenblick handlungsunfähig machten.
Damit hätte er rechnen müssen.
Telepathie im eigentlichen Sinne, war ein Ding der Unmöglichkeit.
Das Gehirn eines Lebewesens basierte auf elektrischen Signalen und chemischen Botenstoffen, wie Hormonen und Enzyme. Vor allem die elektrischen Signale waren es, mit deren Hilfe im Gehirn Informationen in den Synapsen gespeichert und versendet wurden.
Normalerweise, war es unmöglich, das diese schwachen elektrischen Signale ,, übermittelt“ werden konnte redete man doch von Spannungen von grade einmal 50 bis 80 Milliwatt.
Also kaum messbar.
Bei den Artheranern sah die Sache freilich etwas anders aus. Deren Gedächtnis schien eine markant stärkere Spannung zu benutzen und konnte diese tatsächlich nach Außen leiten. Wie oder wozu das genau diente war noch nicht ganz klar. Aber letztlich konnten so Informationen übermittelt werden.
Bei Menschen funktionierte das erfahrungsgemäß nur in unmittelbarer Nähe und wurde von den Artheranern meist als Waffe eingesetzt , denn auch wenn Gedanken nicht töten konnten, konnten sie doch eine massive Reizüberflutung auslösen und zu Momentanen Orientierungsverlust führen.
Und genau das geschah jetzt mit Martin.
Einmal war eine Blendgranate direkt neben ihm explodiert. Es war nicht dasselbe, aber zumindest ähnlich. Einen Moment wusste er nicht wo er war und genau in diesem kurzen Augenblick rannte etwas, jemand, aus der Tür des Verschlags heraus und direkt in ihn hinein.
Martin fiel zu Boden, während der Artheraner weiterlief. Direkt auf den Rand des Dachs zu…
Mehrere Pistolenschüsse hallten durch die Luft. Alle daneben wie es schien.
Der Artheraner sprang…. Und verschwand über den Rand.
Martin raffte sich auf und spähte hinunter…
Das gab es doch nicht.
Er hatte erwartet einen Zerschmetterten Körper am Boden liegen zu sehen. Stattdessen hatte der flüchtige Artheraner sich an einem Vorsprung in der Wand festgehalten und kletterte nun mit erstaunlicher Geschwindigkeit nach unten.
,, Wir nehmen die Feuer-Treppe.“ , meinte Aine und lief los. Martin versuchte mit ihr Schritt zu halten.
Er hasste Tage wie diese…
,, Er entkommt.“ ,hörte er Aines Stimme.
,, Das merke ich selber.“
Martin sprang die letzten paar Stufen hinab und landete mit einem Aufprall auf dem Betonboden.
Der flüchtige Artheraner hatte fast die Fläche zwischen den Bürogebäuden und den Fabrikhallen überquert und wenn er erst dort wäre, könnte er sich in den verwinkelten Gassen und Nischen um die Hallen verstecken.
Und so schlimmstenfalls entkommen.
Eigentlich hatte er gehofft den Flüchtigen unverletzt gefangen zu nehmen. Aber angesichts der Situation blieb ihm keine Wahl.
Martin blieb stehen und zog die Waffe.
,, Stehenbleiben, letzte Warnung.“
Der Mann wurde nicht langsamer.
Er kniete sich hin und zielte. Vor der dunklen Wand der Fabrik zeichnete sich sein Ziel noch unverkennbar ab.
Ihm blieb vielleicht Zeit für einen Versuch, bevor er in den Schatten verschwinden würde.
Und die würde er nutzen.
Bevor Martin jedoch dazu kam blieb der fliehende Artheraner plötzlich stehen und zog eine Pistole, die er mit zitternden Händen auf etwas richtete, das Martin nicht sehen konnte.
Eine Gestalt löste sich aus der Dunkelheit.
Das Gesicht blieb jedoch im Dunkeln und ein bodenlanger Mantel lies die Silhouette fast eins mit den Schatten werden, was erklärte, wieso er ihn vorher nicht bemerkt hatte.
Der Artheraner wich vor dem Neuankömmling zurück, die Waffe immer auf ihn gerichtet.
Vorsichtig näherten sich Martin und Aine dem erstarten Flüchtling und dem Fremden.
Der Artheraner sah über die Schulter und bemerkte, dass er nicht mehr zurück konnte. Und nach vorne versperrte ihm der Andere den Weg.
Seitlich wäre die einzige Option gewesen, aber der Weg bis er wieder Deckung erreichte, wäre viel zu weit.
Die Waffe hielt er während der ganzen Zeit weiter auf den fremden Mann vor sich gerichtet.
,, Warum nehmen sie die Waffe nicht runter und niemand wird verletzt…“
Die Stimme war ruhig und deutlich. Martin konnte jedes Wort verstehen. Und während er noch darüber Nachdachte, wurde ihm auch klar, dass er die Stimme kannte.
,, Coel ?“ Aine hatte wohl auch nicht lange gebraucht um die Stimme zuzuordnen.
,, Freut mich auch sie beide zu sehen.“
Rafail Coel machte einen Schritt nach vorne, so das er völlig im Licht stand, der Artheraner einen zurück.
,, Auch wenn die Umstände besser sein könnten.“
Das war ganz sicher Coel… aber irgendetwas stimmte mit seinem rechten Auge nicht.
Ein Schauer überlief ihm, als ihm klar wurde was.
Es wirkte heller als das andere und zwar weil es das tatsächlich war. Ein künstliches Implantat. Die Iris bestand aus einem leuchtenden Kreis, der sich ständig anpasste und zumindest aus der Nähe nicht zu übersehen war.
Einzelne feinere Segmente schienen sich kaum merklich zu bewegen und zu justieren.
,, Die Waffe ?“ Coel hatte sich wieder dem Artheraner zugewandt, der immer noch unsicher schien, was er tun sollte. ,, Legen sie sie einfach weg, dann kommen wir hier alle lebend raus.“
Kurz schien er tatsächlich darüber nachzudenken und senkte die Pistole.
Dann aber riss er sie ein einem plötzlichen Impuls wieder hoch und feuerte ohne wirklich zu zielen. Die Kugel traf Coel in de Schulter, ein Glücksfall, wenn man die geringe Entfernung betrachtete.
Er zuckte kurz zusammen. Schmerz spürte er aber kaum welchen.
Der Artheraner rannte wieder los, an ihm vorbei und hoffte wohl doch noch entkommen zu können.
,, Alles in Ordnung ?“ , wollte Martin wissen, während er dem fliehenden noch eine Kugel nachschickte, die aber ohne zu treffen in der Nacht verschwand.
,, Geht schon. Jetzt ist wichtiger das der Kerl nicht entkommt.“ , erwiderte Coel, der nicht lange zögerte und hinterherrannte.
Martin und Aine folgten ihm, bis sie zu einer Kreuzung kamen, die durch vier Lagerhäuser gebildet wurde.
,, Ihr nehmt die anderen Wege,“ , erklärte Coel und verschwand nach rechts.
Martin zuckte mit den Schultern, dann rannte er nach links weiter.
Aine blieb somit nur der Straße weiter geradeaus zu folgen.
Coel rannte durch die schmalen Gassen, die sich zwischen den Gebäuden des Fabrikgeländes entlangzogen. Mehrmals war er bereits in eine Sackgasse gelandet und mittlerweile bezweifelte er, das sie den Artheraner noch erwischen würden.
Jetzt kam ihm das auch wie eine dumme Idee vor.
Getrennt waren sie leichtere Ziele, sollte der Flüchtige noch einmal den Mut für einen Angriff aufbringen.
Aber was Coel mehr zu schaffen machte, der Mann hatte die Waffe weglegen wollen, dessen war er sich sicher. Er hatte den Ausdruck in den Augen seines Gegenübers gesehen.
Und plötzlich, als hätte ihn jemand einen elektrischen Schlag versetzt…
Als er an eine weitere Abzweigung gelangte, blieb er stehen. Zum ersten Mal dachte er daran, das ihn die Kugel getroffen und er fast keinen Schmerz verspürt hatte.
Er tastete nach der Einschussstelle. Die Kugel hatte seine Kleidung an der Schulter durchschlagen… aber er spürte nur kaltes Metall unter den Fingern…
Was hatte er erwartet…
Coel zog die Kugel heraus und betrachtete das Projektil. Es war zerquetscht, als wäre es auf eine massive Wand getroffen.
Hätte ihn die Kugel in die Brust oder den Kopf getroffen sähe das anders aus. Fast hätte er es sich gewünscht. Schmerz war, wenn auch unangenehm, wenigstens ein Gefühl.
Er schnippte die Überreste weg und sah nach oben zu den Dächern der Lagerhallen. Wenn er so weitersuchte würde er ewig brauchen. Zeit sich etwas Übersicht zu verschaffen.
Martin suchte die Schatten mit den Augen ab. Jede plötzliche Veränderung im Lichteinfall ließ ihn zusammenzucken.
Einmal hatte er die Absperrung, bestehend aus einem Zaun, erreicht, die das Gelände begrenzte.
Ein vorbeikommendes Fahrzeug hatte ihn zu Tode erschreckt.
Ihm war klar, dass er viel zu nervös war. Schweißnass schlossen sich seine Finger fester um den Pistolengriff.
Normalerweise beruhigte ihn das Gewicht der Waffe. Aber hier in diesen Unübersichtlichen Gebäudecanyons musste er jeden Moment damit rechnen, in einen Hinterhalt zu laufen.
Schon wieder ein Versteckspiel…
Aine hörte etwas und blieb stehen. Schritte, da war sie sich sicher.
Und sie bewegten sich in ihre Richtung. Schnell blickte die Artheranerin sich um.
Der betonierte Weg vor ihr bot keinerlei Deckung. Und zurückzulaufen bis zur letzten Abzweigung würde zu lange dauern.
Ein Stapel Kisten, der an einer Gebäudewand aufgestellt war bot die einzige Versteckmöglichkeit, die in Reichweite war.
Sie duckte sich in die Schatten hinter der Kiste und wartete.
Die Schritte kamen näher und schließlich trat der Artheraner, sich nervös nach allen Seiten umsehend um eine Ecke.
In der Hand hielt er immer noch die Pistole.
Aine tastete schnell nach ihrer eigenen Waffe und entsicherte diese so leise wie möglich.
Kurz überlegte sie, ob sie versuchen sollte ihn zu stellen, aber nachdem er nicht gezögert hatte auf Coel zu schießen hielt sie sich lieber zurück.
Sie musste auf eine günstige Gelegenheit warten. Wenn er abgelenkt wäre…
Der Flüchtige kam langsam näher, schien sie aber nicht zu bemerken. Plötzlich jedoch sah er direkt nach oben, als hätte dort etwas seine Aufmerksamkeit erregt.
Langsam ging er rückwärts, den Blick noch immer nach oben gerichtet.
Ein Schatten fiel von einem der Dächer und wurde scheinbar im Sturz langsamer. Dann landete er fast Geräuschlos hinter dem Artheraner.
,, Suchen sie was ?“ ,fragte Rafail Coel.
Der Gejagte wirbelt herum und schoss sofort, diesmal jedoch ließ sich Coel zu Boden fallen. Die Kugeln jagten über seinen Kopf hinweg, bis nur noch ein trockenes Klicken zu hören war.
Seinem Gegner war die Munition ausgegangen.
Mit einer raschen Bewegung ersetzte dieser das leere Magazin. Aber diese kleine Sekunde Verzögerung reichte Coel auch schon.
Er zog den Mann mit einem Tritt die Beine unterm Körper weg, bevor dieser die Waffe auf ihn richten konnte.
Ein Gedanke reichte und eines der dunklen Schwerter wanderte von der Schiene an seinem Unterarm direkt in seien Hand.
Der Artheraner kam wieder auf die Beine. Er holte mit der Pistole aus und versuchte, mit dem Griff nach Coel zu schlagen.
Dieser hieb selbst zu und die Klinge durchbohrte den Arm des Artheraners. Der Angreifer stolperte zurück, ließ die Waffe jedoch nicht fallen.
Bevor der Mann sich wieder fangen konnte, tauchte Aine aus der Deckung auf und schlug ihm die Waffe aus der Hand.
Ein weiterer, schneller Schlag gegen die Schläfe des Artheraners folgte und er kippte halb bewusstlos zur Seite.
,, Danke.“ , sagte Coel, als er dazu trat. ,, So und jetzt reden wir.“ Er packte den Artheraner und hielt ihm die Klinge an die Kehle. Er war insgeheim froh, dass er die Implantate mittlerweile fast problemlos kontrollieren konnte. Anfangs jedoch hatte das ganz anders ausgesehen
Verschwommene Bilder suchten seinen Verstand heim.
Ein blendend heller Raum.
Er versuchte einen Schritt nach vorne zu machen, doch die Beine gaben unter ihm nach.
Eine Hand, eine stählerne Klaue versuchte irgendwo halt zu finden…
,, Das genügt für heute.“ , meinte eine Stimme.
Coel schüttelte die Erinnerungen ab. Jetzt musste er sich auf das aktuelle Geschehen Konzentrieren.
,, Das glaubt auch nur ihr.“ Coels Augen weiteten sich, als ihm klar wurde was der Mann vorhatte.
,, Moment ni..“
,, Wir sehen uns in der Hölle.“ Der Artheraner warf den Kopf ruckartig nach rechts und rammte sich die Klinge selbst in den Hals.
Im Bruchteil einer Sekunde war alles vorbei. Der Artheraner stürzte zu Boden und blieb in einer größer werdenden Lache seines eigenen Blutes liegen.
,, Warum hat er das getan ?“ , fragte Coel und stolperte einige Schritte zurück. ,, Verdammt, warum hat er das getan ?“
Aine gab keine Antwort.
Der Artheraner war tot gewesen, bevor er den Boden erreichte.
Rasch durchsuchte Coel den Mann, fand aber nichts außer mehreren Magazinen für dessen Waffe.
Bei dieser wiederum handelte es sich um eine einfache 9mm Pistole, wie man sie letztlich selbst ohne Kontakte an jeder Straßenecke bekam.
Aber etwas störte ihn trotzdem. Ihm fiel ein kleiner Metallener Gegenstand am Hinterkopf des Artheraners auf.
Er bückte sich danach. Es war ein rundes Stück Metall, das etwa die Größe eines Knopfes besaß
Bläuliche Markierungen verliefen über die Oberfläche , die aber keinerlei wirklichen Nutzen zu haben schienen. Oder zumindest keinen den er erkannte.
Aber es war definitiv irgendeine Technologie. Oder doch nur ein Schmuckstück ?
,, Sie haben ihn.“
Coel steckte die Hand mit dem Chip reflexartig in die Tasche als Aine dazu trat.
,, Sieht so aus. Aber leider nicht lebend. Tut mir leid.“
Die Artheranerin sah auf den Toten am Boden. Mittlerweile hatte die Blutpfütze um ihn herum sich noch ein Stück ausgebreitet.
,, Er hat sein Schicksal selbst gewählt.“ , sagte Aine.
,, Das ist schon der zweite Artheraner dem ich begegne , der lieber stirbt als sich gefangen nehmen zu lassen. Werfen ihre Leute ihr leben immer so gerne weg?“
Aine war unsicher, wie sie antworten sollte. Vor allem weil Coels letzte Worte beinahe wütend klangen.
,, Es wird allgemein als schwäche angesehen, sich fangen zu lassen. Hat man die Möglichkeit zu fliehen oder zu sterben, erwartet man von uns diese zu ergreifen.“
Coel schüttelte nur den Kopf. Er konnte es nicht nachvollziehen. Wie konnte jemand von einem erwarten im Zweifelsfall den eigenen Tod zu wählen?
,, Sie können doch von jemanden nicht erwarten sein Leben völlig sinnlos wegzuwerfen. Und sie haben das nicht versucht. Weder Flucht noch Tod. Auf der Kronos habe ich ihnen mehrmals die Freiheit angeboten.“
Bevor Aine Antworten konnte, näherten sich erneut Schritte.
Es war Martin, der die Waffe im Anschlag um eine Ecke gerannt kam. Als er den toten Artheraner bemerkte, ließ er die Waffe sinken.
,,Ich habe Schüsse gehört.“ , meinte er. ,, Ist der…“
,, Tot.“ , sagte Aine.
,, Dann erfahren wir wohl nicht mehr, wieso er das hier getan hat.“ , stellte Martin fest.
,, Vielleicht doch.“ Coel nahm die Hand mit dem Chip aus der Tasche. ,, Haben sie so was schon mal gesehen ?“
Martin musste sich Mühe geben, sich nichts anmerken zu lassen. Coels Hand war durch ein künstliches Konstrukt aus einem dunklen Metall ersetzt worden. Wie das Auge. Unwillkürlich fragte er sich, wie scher dessen Verletzungen wirklich gewesen waren und wie viel die GTDF noch verändert hatte.
Zumindest schien sich Coels Selbst nicht verändert zu haben. Dann warf er einen raschen Blick auf das Metallplättchen. ,, Nein.“
,, Sie auch nicht Aine ?“
,, Nicht das ich wüsste. Aber wenn ich raten würde… vielleicht ein Speicher. Aber so was trägt man doch nicht am Körper….“
,, Vielleicht hat Adams eine Ahnung.“ , meinte Coel und steckte das Plättchen wieder ein.
,, Adams ? Was macht der eigentlich? Von dem habe ich nichts mehr gehört, seit… na ja etwa seit zwei Monaten.“
,,Arbeitet wieder für die GTDF. Genauer gesagt für die Abteilung die jetzt mehr oder weniger für mich zuständig ist. Offenbar stammen einige der Ideen für“, er sah auf seine Hände, ,, das hier, von ihm.“
,, Sie gehen also wieder ?“ , fragte Aine.
,, Keine Sorge, diesmal verschwinde ich nicht. Ehrlich gesagt, wüsste ich nicht mal wohin. Die letzten drei Monate war ich meist nicht einmal bei Bewusstsein.“
Er zögerte. ,, Wenn sie die Zeit finden könnten wir uns morgen Abend alle treffen. Es gibt da ein kleines Restaurant in der Nähe der Parlamentarier-Viertel und ich bin nicht ganz auf dem neusten Stand, wenn sie verstehen.“
,, Also ich habe Zeit.“ , erwiderte Martin. ,,Die letzte Woche habe ich praktisch nur rumgesessen. Können sie sich das vorstellen? Ich und Büroarbeit. Da war das hier mal eine angenehme wenn auch tragische Abwechslung.“
,, Ich denke, ich finde auch noch irgendwie Zeit.“ , sagte Aine. ,, Auch wenn ich mittlerweile etwas mehr zu tun habe als Martin. Vermittlung zwischen Menschen und Artheranern ist nichts für schwache Nerven.“
,, Gut. Informieren sie die Polizei, sobald wir hier weg sind. Ich würde sagen, wir haben hier eine tragische Mordserie mit unbekannten Tätern.“ , erklärte er.
,, Sie wollen die Wahrheit verschleiern ?“
,, Bei der momentanen Situation ? Ich würde sagen, das ist unsere einzige Möglichkeit, keinen Kleinkrieg auszulösen. Aber mir ist selbst nicht wohl dabei.“ Er sah einen Moment auf den Toten am Boden, bevor er sich abwandte. ,, Als dann. Morgen Abend. Ich schicke ihnen die Adresse noch zu. Und können sie Ägir irgendwie auftreiben?“
,, Das könnte Schwierig werden. Der ist mittlerweile mit der Kronos der Defensivflotte zugeteilt worden. Aber ich kann es versuchen.“ , erklärte Martin.
,, Gut.“ Coel wollte sich zum Gehen wenden.
,, Und Sir, eins noch. Was immer auch noch passiert. Es ist schön sie wieder unter den Lebenden zu sehen.“
,, Und genau über diesen Punkt bin ich mir noch unsicher.“
Coel ging durch die immer noch fast menschenleeren Straßen, die die Stadt in graden Linien durchliefen.
Insgesamt war von den alten, ursprünglichen Städten der Erde nicht mehr viel übrig. Die meisten waren entweder längst mit anderen Siedlungen verschmolzen oder so oft umgebaut worden, das kaum mehr etwas an ihre Geschichte erinnerte und nur wenige markante Gebäude die Jahrhunderte überdauert hatten.
Aus Städten wie Tokyo, Sydney, Berlin oder New York wurden einzelne Verwaltungsbezirke , die Fläche kleinerer Länder wie Belgien und andere waren komplett unter Asphalt verschwunden.
Der neue Baustil war streng funktional gehalten. Mehrere hundert Breite Straßen durchschnitten Städte in einem genau angelegten Schachbrettmuster. In den meisten Fällen gab es aber nur wenig Verkehr. Autos und private Verkehrsmittel waren in den letzten Jahrhunderten zunehmend Verschwunden. Wenn, wurden sie außerhalb der dicht besiedelten und hoch technisierten Städte und Vorstädte eingesetzt. Auch wenn auf dem Land nicht mehr viele Menschen lebten. Stattdessen ersetzten U-Bahnlinien, die meist direkt unter den geordneten Straßen verliefen, die alten Transportmittel. Güter und Handelswaren wurden meist direkt per Shuttle übers All transportiert.
Normalerweise hätte Coel sich direkt zum Sitz der GTDF begeben sollen und Meldung machen. Aber fürs erste hatte das Zeit.
Und er musste Nachdenken.
Auf dem Asphalt der Straße funkelte eine Münze im Licht der ersten schwachen Sonnenstrahlen.
Das Sonnenlicht breitete sich rötlich glühend über den Horizont aus und schien die fernen Glastürme der Innenstadt in Blut zu tauchen.
In früheren Zeiten hätte man so etwas als böses Omen gedeutet. Und auch Coel konnte sich jener Abergläubischen Furcht kurz nicht entziehen.
Aber es gab genug andere Dinge, die seinen Verstand beschäftigten.
Er hob die Münze vom Boden auf. Silbern glänzend lag das Stück Metall auf dem dunklen ebenfalls metallenen Untergrund seiner Hand, aber er spürte es kaum. Alles schien abgestumpft zu sein.
Alles war irgendwie…falsch. Wie lange hielt die Fassade noch?
Coel ballte die Hand zur Faust. War er noch am Leben oder war er es nicht…
Er öffnete die Hand wieder.
Die Münze war verbogen. Coel warf sie weg. Mit einem klirren traf sie auf das Pflaster der Straße und sprang in einen Abfluss.
Er lenkte seinen Weg von der Hauptstraße und hin zu einer der Treppen, die hinab zu den Haltestellen der Magnetschwebebahnen führten.
Die Schienen und Haltestellen durchzogen die Stadt wie ein Spinnennetz.
Er musste sowieso bis ans andere Ende um die GTDF-Zentrale zu erreichen und die Bahnen pendelten um diese Zeit bereits. Eigentlich, überlegte Coel, wüsste er nicht, das sie jemals stillstanden.
Er lief die Treppe hinab in eine fast Menschenleere Halle. Kleinere geschlossene Geschäfte waren hier und dort zu finden und auf einigen Sitzbänken lagen in Decken gehüllte Gestalten.
Und in einer Ecke eine Frau, deren ausgebrannte Augen ihn kaum wahrzunehmen schienen.
Eine leere Spritze lag in ihrer Hand.
Coel beeilte sich den Warteraum hinter sich zu lassen und betrat den eigentlichen Bahnsteig, auf den man nur mit einem gültigen Pass oder Fahrschein gelangte, um ihn so frei von Obdachlosen zu halten.
Nicht das Coel kein Mitleid mit diesen Leuten empfand… oder doch nicht?
Die Frage die er sich selbst stellte verunsicherte ihn.
Zum Glück lenkte ihn eine Radiobericht über die Anlage des Bahnsteigs davon ab sie zu beantworten.
Er erkannte den Sender. BSN , Black Star News. Eine Station mit einem etwas… eigenwilligen Moderator, der sich selbst nur South nannte.
,, Okay Leute, das hier ist grade reingekommen. Offenbar hat sich Parlamentsvorsitzender Henry Wilkonson endlich bereiterklärt, einige Fragen bezüglich des weiteren Vorgehens der GTDF , der Kolonialsicherheit und es Angriff vor drei Monaten zu beantworten. Er hofft damit, einige der Ängste der Bevölkerung zu zerstreuen und als völlig unbegründet zu entlarven.“
Eine kurze Pause, dann erklang die Stimme einer Frau, vermutlich einer Journalistin.
,, Herr Wilkonson, bezüglich des unvorhergesehenen Angriffs, sind das Militär und die GTDF da überhaupt noch in der Lage, die Sicherheit der Kolonien zu gewährleisten ?“
,, Wie sie schon sagten, der Angriff war unvorhergesehen. Wir hätten nie damit gerechnet, dass etwas unsere erste Verteidigungslinie durchbricht. Und trotzdem sind wir mit leichten Verlusten davongekommen. Was für einen Beweis brauchen sie noch?“ Die Antwort kam ruhig und gelassen.
,, Es waren also die Artheraner, die uns angegriffen haben ? Trotzdem duldet das Parlament ein Garnisonsschiff im Orbit.“
,, Dieses dient lediglich der Unterbringung einiger Botschafter und wird ständig überwacht. Und ich muss sie berichtigen. Die Artheraner wurden in diesen Krieg gedrängt. Von Wesen, die sich Via nenne. Sie stellen jedoch keine Bedrohung mehr für uns da.“
,, Die Straße scheint das anders zu sehen ?“
,, Natürlich. Aber ich kann nur nochmal betonen, von den Artheranern selbst geht keine Gefahr aus
Wir haben einen zerbrechlichen Frieden. Und ich werde nicht zulassen, dass er durch Unvorsichtigkeit zu Nichte wird. Ich werde jede Art von aggressiven Ausschreitungen oder Verfolgung durch das Militär und die Ordnungskräfte unterbinden lassen.“
,, Sie reden vom Beschluss des Parlaments, im Falle einer weiteren Kriese einen Teil der Kontrolle direkt an die GTDF abzutreten ?“ Coel hörte jetzt genauer hin. Das war ihm definitiv neu… ,, Käme das nicht dem Ausrufen des Kriegsrechts gleich?“
,, Nein. Die öffentliche Ordnung bliebe in jedem Fall gewahrt. Es ist lediglich ein Notfallplan um Sicherheit und Stabilität in jedem Fall zu erhalten.“
,, Nun gut. Einige letzte Fragen habe ich noch. Das Flaggschiff der Via, wenn ich das richtig Verstanden habe eine Unity-Splittergruppe, wurde während der Schlacht zerstört?“
,, Beschädigt. Sie konnten ihre Nova-Generatoren anwerfen und sind vielleicht entkommen. Was ich aber nicht für glaubhaft halte. Bei solchen Schäden, ist das Schiff vermutlich einfach verglüht. Selbst wenn nicht, werden sie keinen weiteren Vorstoß wagen, da bin ich mir sicher.“
,, Eine letzte Frage noch. Es gibt Gerüchte, für den erfolgreichen Angriff auf das Weltenschiff sei ein einzelner Mann verantwortlich gewesen. Ein ehemaliger GTDF-Offizier Namens Rafail Coel. Weitere Meldungen besagen aber auch, er sei während des Einsatzes gestorben.“
,, Das ist bedauerlicherweise Richtig.“
,, Meine Quellens hingegen sagen dazu etwas völlig anderes. Dass er durchaus lebendig ist und bereits auch gesehen wurde.“
,, Dann sagen sie ihren Quellen, das sie ihre Geheimhaltungserklärung verletzten und mit einer Anklage wegen Staatsverrat rechnen sollten. Kein Kommentar mehr dazu. Das Interview ist beendet.“
,, Aber Herr Wilkonson, wenn der Mann noch lebt..“
Die Übertragung wurde unterbrochen.
Eine kurze Pause, dann erklang wieder die Stimme des Moderators. ,, Tja, das lief ja mal schnell aus dem Ruder. Ich weiß nicht wies mit ihnen aussieht, aber ich besorge mir schon mal Lebensmittel. Nur für den Fall. So und grade erreicht uns noch eine Sondermeldung.
Es scheint als hätte sich die Kolonie Goodsprings für unabhängig erklärt. Wie uns ein dortiger Sprecher mitteilte, habe man kein Vertrauen mehr in den Schutz des Parlaments und würde versuchen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Es bleibt noch abzuwarten wie das Parlament darauf reagieren will. Goodpsrings ist eine der älteren Kolonien und darf sich seit 2385 zu den Zentralwelten mit Zollvergünstigungen zählen, deren Entwicklungsstand gemessen an der Erde etwa gleich aufliegt. Ein Kommentar dazu von..“
Der Rest des Beitrags ging im Dröhnen der einfahrenden Bahn unter.
Die Türen öffneten sich und er einzige Fahrgast trat heraus. Ein Mann, der einen hellen Kapuzenpulli trug und einen Aktenkoffer in der Hand hielt.
Eine seltsame Kombination.
Als der Mann ihn passierte warf er Coel nur einen kurzen Blick zuwarf um dann eiligst die Treppe hinauf zu verschwinden.
Coel trat durch die offenen Türen und suchte sich einen Platz der ihm gefiel.
Die Abteile waren bis auf eines, in dem eine Frau schlief, vollkommen leer.
,, Sie sollten wirklich aufpassen. Haben sie eine Ahnung, wie teuer ihre Implantate waren?“
Natürlich schalt sie Coel. Aber das war mittlerweile ja schon fast normal. Und ihm war klar, dass es scherzhaft gemeint war.
Helen Mabel war seit er vor einem Monat das erste Mal wirklich erwacht war bei ihm gewesen.
Ihre ursprüngliche Aufgabe war es gewesen ihm beizubringen, wie er mit den Implantaten umgehen musste. Es gab gravierende Unterschiede an die man sich gewöhnen musste. An die er sich noch gewöhnte.
Die Implantate waren eine Sache, aber die GTDF war wohl auch einfach daraus aus, ihn Psychologisch im Blick zu behalten.
Eigentlich hätte er keine Hilfe mehr gebraucht, aber er beschwerte sich auch nicht.
Helen sprach immer grade heraus, was ihr durch den Kopf ging, etwas das er von Anfang an zu schätzen gewusst hatte.
Coel konnte es sich auch selbst eingestehen, er mochte sie einfach.
Trotzdem erwiderte er: ,, Wäre es ihnen lieber ich hätte die Kugeln in den Kopf bekommen?“
Nachdem der die Gebäude der GTDF, ein Komplex am Stadtrand, erreicht hatte, war sein erstes Ziel Mabels Büro.
Das hieß nachdem er einen ersten Bericht für Steel aufgesetzt und abgeschickt hatte.
Der Raum erinnerte mehr an eine Arztpraxis.
Einige Regale mit Fachliteratur über Medizin und allgemeine Biologie rahmten die Tür ein. Mehrere Bücher lagen aufgeschlagen auf einer Liege, und ein Laborkittel hing über den Stuhl, auf dem Coel saß.
Wegen dem Kratzer an seinem Arm machte er sich keine Sorgen. Aber sicher war es nicht verkehrt, wenn sich das jemand ansah, der mehr Ahnung hatte als er.
,, Natürlich nicht. Und irgendwelche Probleme ?“
,, Also, das Nahkampfsystem funktioniert schon mal.“ Wie zum Beweis schoss eine Klinge, die auf einem Schienensystem im Inneren des Kybernetischen Implantats befestigt war, aus der Handfläche, aktiviert über einen einzigen gezielten Nervenimpuls. Er hatte einen Monat gebraucht, um herauszufinden wie er das anstellte.
Mittlerweile hatte er zwar Kontrolle darüber, aber es kostete ihn auch jede Menge Überwindung. Wie hatte es Seyonn einmal formuliert? Letztlich steuerte sein Unterbewusstsein die Implantate.
Und wenn sein Verstand schon nicht damit klar kam, standen die Chancen wohl schlecht, dass er je ganz die Beherrschung darüber haben würde.
Ihm sollte das recht sein.
,, Ich werde in Zukunft aufpassen müssen, wenn ich jemanden die Hand schüttle.“ , meinte er, etwas zu gut gelaunt, als das man es ihm abnehmen würde.
Die geschwärzten Klingen bestanden fast vollständig aus kristallinem Kohlenstoff, also technisch gesehen Diamant, dass durch Zugabe von Silicium, Mangan und einigen weiteren Zusätzen biegsam gemacht wurde. Sonst würde das Material bei der geringsten Belastung einfach nur zersplittern. Soweit Coel wusste, würde diese Waffe sogar durch modernste Personenpanzerungen dringen.
,, Gut. Freut mich, dass sie mittlerweile die Kontrolle über alles haben. Anfangs dachten wir, das wäre alles umsonst.“
,, Ja…“ Er hatte zu Beginn nicht einmal zwei Schritte laufen können, ohne das Gleichgewicht zu verlieren.
,, Hey, sie haben schnellere ortschritte gemacht, als alle übrigen Patienten die wir hatten.“
Coel versuchte das Thema zu wechseln. ,, Wessen Idee war eigentlich die Falldämpfung ?“
,, Die sollte noch gar nicht aktiv sein. Wie…“
,, Ich bin von einem Zehn Meter hohen Dach gesprungen um einen Flüchtigen Artheraner zu erwischen.“
,, Gott Coel, sie sind manchmal wirklich Verantwortungslos. Ohne die Dämpfung wären sie tot. Für so große höhen ist das eigentlich gar nicht gedacht…“
,, Ist ja alles gut gegangen.“ , beschwichtigte er Mabel.
,, Dann dürfen sie sich wohl bei Seyonn von der Unity bedanken. Das System basiert auf einer ähnlichen Technik wie ihre Schwerkraftmanipulatoren.“
,, Merkwürdig, das er ihnen dabei geholfen hat. Normalerwiese geben die nur ungern Technologie weiter, die sich als Waffe verwenden lässt.“ , meinte Coel.
,, In diesem Fall scheint er eine Ausnahme gemacht zu haben. Aber ehrlich, wirklich etwas riskieren tut die Unity damit nicht. Die GTDF hat Versucht die Technologie nachzubauen. Das ist uns so weit voraus, das wir nicht einmal die Bauteile verstehen.“
,, Wo wir grade von Seyonn reden, ich war zwar zwei Monate völlig weg und habe auch im letzten nicht viel mitbekommen, aber sollte der nicht hier sein ?“
,, Soweit ich weiß hat die Unity kurz nachdem wir mit der Arbeit am Savior-Projekt begonnen hatten all ihre Leute zurück nach Enclave beordert.“ , erklärte sie.
,, Die werden jetzt wohl auch alle etwas Panik haben. Immerhin ist ihr Volk beim letzten Zusammentreffen mit den Via fast vernichtet worden.“
Die Via und die Unity hatten ursprünglich zur gleichen Art gehört, möglicherweise die erste Intelligente Lebensform. Wesen, deren Verständnis ausgereicht hatte, ihren Verstand auf unsterbliche Maschinenkörper zu übertragen. Oder zumindest so gut wie…
Ihr Imperium hatte sich über die gesamte Galaxie erstreckt und ihre Technologie sogar die der heutigen Unity übertroffen. Jedes Volk, das ihnen begegnete wurde entweder zu einem Vasallen oder vernichtet.
Dann jedoch hatten sie die Unterdrückten gegen ihre Herrscher aufgelehnt. Ein Jahrhundertelanger Krieg war die Folge, den das alte Imperium zwar für sich entscheiden konnte, es aber in Trümmern hinterließ. Viel ging Verloren. Aufgrund der Zerstörung begann man sich zu fragen, wie man verhindern konnte, das so etwas je wieder geschah.
Doch letztlich, man brauchte ja nur einen Blick in die Geschichtsbücher der Erde zu werfen, war der Untergang jedes größeren Imperiums immer mit Gewalt und Zerstörung verbunden. Aber im galaktischen Ausmaß, waren die Folgen beinahe Unvorstellbar. Ganze Welten waren während des Krieges für alle Zeit unbewohnbar geworden, oder sogar aus ihrer ursprünglichen Umlaufbahn geschleudert worden.
Also entschied eine Gruppe, die späteren Via, das es möglicherwiese das Beste wäre, dem Vorherzukommen, dadurch, dass sie potentielle Imperien schon vorher vernichteten oder ihren eigenen Pfad aufzwangen.
Das war natürlich ein Paradoxon.
Und so kam es zum Bruch mit dem Rest, aus dem die Unity wurde und auf Verständigung setzten wollte.
Ein weiterer Krieg, der beide Seiten fast vernichtete, war die Folge. Die Unity trug den Sieg davon und nahm an, die Via seien Vernichtet.
Bis vor drei Monaten, als diese mit einer Armee aus Artheranern einen Angriff auf die Erde durchführten.
,, Sagen sie, das Savior-Projekt hatte mehrere Kandidaten richtig ?“
,, Zehn. Sie sind Nummer Elf. , bestätigte Helen. ,, Unsere ursprüngliche Zielsetzung war es, die Leistungsfähigkeit eines Menschen durch gezielte Implantate zu verbessern.“
,, Sagen sie es doch gleich: Sie wollten einen Supersoldaten.“ , kommentierte Coel düster.
,, Das war das vorrangige Militärische Ziel. Bis sie kamen und wir es plötzlich mit einem medizinischen Schwerstfall zu tun hatten.“
,, Was ist mit den anderen Zehn passiert ?“
,, Ein paar sind gestorben. Abstoßungsreaktionen, Infektionen… Andere konnten die Implantate nicht richtig kontrollieren und sie wurden wieder entfernt. Sie hingegen…“
,, Ich habe es Überlebt.“ , sagte Coel. ,, Ich schätze, dafür sollte ich wohl eigentlich dankbar sein.“
,, Und das trotz ihres damaligen allgemeinen Zustands. Als man sie hergebracht hat, habe ich Cain erklärt, das das ihren Tod lediglich beschleunigen würde. Wie man sieht habe ich mich glücklicherweise geirrt.“ Sie machte eine Pause. ,, Seyonn nannte es technologischen Darwinismus. Die evolutionäre Anpassung des Menschen an Technologie.“
,, Ich habe sicher nicht darum gebeten.“
,, Nein, aber versuchen sie doch einfach mal es zu akzeptieren. Verdammt, es gibt wohl Tausende von Menschen da draußen die hoffen würden mit einer solchen Gabe geboren zu werden.“
,, Ich aber nicht. Wenn sie mich suchen, ich habe da noch etwas, das ich Adams zeigen will.“
Er war schon auf halbem Weg zur Tür als ihm noch etwas einfiel.
Seien Worte von eben waren vielleicht etwas härter gewesen, als er beabsichtigt hatte. Deshalb gab er sich Mühe möglichst ruhig zu klingen, als er Fragte:
,, Haben sie morgen Abend Zeit ?“
,, Ich denke schon…“
,, Ich treffe mich mit ein paar alten Freunden. Und ich dachte mir… wenn sie möchten... ich lade sie ein.“
,, Gerne.“
,, Sie hätten mir sagen können, das Coel noch lebt.“ , sagte Martin.
Er starrte den grauhaarigen Mann hinter den großen Schreibtisch böse an, der aber nur ruhig und mit gefalteten Händen da saß.
,, Und was hätte das bitte geändert ? Bis vor ein paar Wochen war nicht klar, ob er wirklich überlebt.“, erwiderte Admiral Cain Steel.
,, Sie hielten es einfach nicht für nötig.“ , stellte er wütend fest.
,, Hören sie Martin, ich kann verstehen, dass sie wütend sind. Aber Coel ist weder ihr Zuständigkeitsbereich noch haben sie mir irgendetwas vorzuschreiben.“ Er stand auf und nahm ein Glas aus einem Regal an der Wand des spärlich eingerichteten Raumes. Bis auf den Schreibtisch und das Regal war das Zimmer fast leer. Lediglich ein roter Teppich war über den Boden ausgebreitet worden.
Das Material war fein, vielleicht sogar Handgewebt statt maschinell.
Cain füllte das Glas mit einer goldenen Flüssigkeit aus einer Karaffe. Martins stieg der Alkoholgeruch sofort in die Nase.
,, Seit wann trinken sie im Dienst ?“
,, Seit wir am Rande eines Volksaufstandes stehen.“ Er stürzte das Glas mit einem Zug herunter. ,, Ich habe ja persönlich nichts gegen die Artheraner, aber langsam glaube ich es war ein Fehler mich gegen Henry zu stellen.“
,, Sie meinen Wilkonsons Anweisung, die Artheranische Flotte auszulöschen ?“
,, Er wusste schon, was die Folgen sein würden, da bin ich mir sicher. Irgendwie hat er das hier vorhergesehen.“
,, Er wollte eine ganze Rasse auslöschen nur um es sich einfacher zu machen Steel. So etwas kann nie der Richtige weg sein.“
,, Vielleicht haben sie Recht.“ Er setzte sich wieder.
,, Noch was. Ich sitze seit Wochen nur rum, das heute war mein erster Einsatz seit dem Angriff. Ich hoffe mal das ändert sich?“
,, Da habe ich eine gute und eine schlechte Nachricht für sie.“ , erklärte Steel.
,, Die da wären ?“
,, Die gute ist, wir schicken sie wieder raus. Die schlechte ist nicht mit Coel.“
, Wieso das ? Ich arbeite länger mit ihm als jeder andere.“
,, Das weiß ich. Aber Coel ist offiziell noch gar nicht wieder zum Dienst zugelassen. Bis dahin unterstehen sie John Watergate, dem Kommandanten der Horus. Und damit der Erd-Defensivflotte.“
Adams sah auf, als sich die Tür zu dem kleinen Labor öffnete.
,, Coel ? Ich wusste nicht, das sie schon wieder auf den Beinen sind.“ , meinte er und fuhr sich mit einer Hand durch das schütter werdende Haar.
,, Man hat mich vor einer Woche entlassen.“ , antwortete er.
Ethan Adams war wohl einer der letzten Brillenträger des Universums. In den letzten Jahrzehnten war es mit dem Fortschritt der Technik möglich geworden, fast jedes Sehproblem zu beheben.
Doch der Doktor hatte gute Gründe dafür wie Coel wusste.
Die letzten Zehn Jahre hatte er in einer Stase-Kammer verbracht, bis Coel und Martin ihn vor knapp Drei Monaten geweckt hatten.
,,Das ist schön zu hören.“ Er nahm die Brille mit der für ihn so typischen Geste ab und polierte die Gläser. In dem Labor gab es neben mehreren Computern auch eine metallene Platte, die an der Wand befestigt war. Eine Katze saß auf einem Tisch und schien ihn zu beobachten.
,, Darf ich fragen, was sie hier machen ?“
,, Doktor Adams soll einen Weg finden unsere Waffen effektiver gegen die Via zu gestalten.“ , meinte eine mechanisch klingende Stimme. Eine Stimme, die er kannte.
,, Moment mal… HAL ?“ Eine Kugel, etwa von der Größe seines Kopfes schwebte von einem Tisch herauf, wo diese eben noch gelegen hatte. Ein einzelnes Kameraauge fixierte ihn.
,, Es ist auch schön sie wiederzusehen.“ , antwortete die KI.
,, Sind sie nicht auf der Kronos installiert ?“ , wollte Coel wissen.
,, Das Schiff befindet sich momentan im Erdorbit. Solange die Entfernung sich Nicht vergrößert, bin ich durchaus in der Lage Daten an Steuerbare Drohne zu senden und Adams hier zu Unterstützen.“
,, Was auch bitter nötig ist. Selbst unsere Nova-Waffen haben die Panzerung des Weltenschiffs kaum angekratzt.“
Nova- Generatoren waren der Garant, für den Bestand der menschlichen Kolonien im Universum. Die Theorie dahinter war einfach:
Im Raum selbst konnte sich nichts schnelle als das Licht bewegen, das war physikalisch unmöglich.
Aber der Raum selbst konnte sich durchaus schneller als das Licht ausdehnen, was zur Zeit des Urknalls wohl auch der Fall gewesen war…
Eigentlich müsste man nur den Raum anstelle des Schiffs bewegen und schon gäbe es keine Beschränkungen mehr.
In der Praxis erwies sich das natürlich als etwas komplizierter. Die benötigte Energiemenge war gewaltig. Und die genauen physikalischen Prozesse waren etwas, über das Coel nicht einmal nachdenken wollte.
Während des Kriegs mit den Artheranern, war man allerdings auf die Idee gekommen, diese Energie als Waffe einzusetzen.
Genauer gesagt, war es die Idee des Mannes vor ihm gewesen.
Die entstandene Waffe hatte das Potential, die Oberfläche eines Planeten vollständig von Leben zu säubern. Aber bisher war diese Technologie nur auf Artherium, der ursprünglichen Heimat der Artheraner, zum Einsatz gekommen.
Und beim Angriff der Via und der Artheraner vor drei Monaten auf die Erde. Die Waffe hatte sich als nicht effektiv erwiesen. Erst ein Sprengsatz ,im Inneren des Weltenschiffs platziert, hatte dieses zumindest beschädigt.
,, Ich verstehe immer noch nicht, wie die das überstehen konnten. Ich meine, Nova-Waffen können einen Planeten grillen, richten aber nichts gegen ein Schiff aus?“
,, Die Panzerung des Weltenschiffs hatte fast zwei Kilometer Durchmesser und…“ Er zögerte. ,, Wissen sie was, ich demonstriere es ihnen.“
Er trat zu der an der Wand befestigten Metallplatte herüber.
,, Das wurde nach der Schlacht geborgen. Ein kleiner Splitter der Außenpanzerung.“ , erklärte HAL.
,, Und ?“
Adams räumte etwas Gerümpel Beiseite. Technische Messgeräte, ein Stapel kaffeefleckiger Papiere und mehrere leere Tassen.
,, Dieses Stück Panzerung ist grade mal so dick wie ein Blatt Papier.“ , erklärte er, während er die Katze verscheuchte, die es sich vor der Platte bequem gemacht hatte.
,, Seit wann haben sie ein Haustier ?“ , wollte Coel wissen.
,, Sie meinen die Katze ? Die ist nicht von mir…“ Das Tier befreite sich aus dem Griff des Wissenschaftlers ,sprang über den Boden davon und aus dem Labor heraus. ,, Schrödinger gehört praktisch zur Laboreinrichtung. Das Vieh ist vor ein paar Jahren aufgetaucht und nicht mehr verschwunden.“
,, Die Katze heißt Schrödinger ?“
,, Eine Anspielung an Erwin Schrödinger denke ich mal.“ , erklärte Adams.
Er förderte eine Pistole unter dem Durcheinander des Labors zu Tage.
„ Und jetzt sehen sie her.“
Er richtete die Waffe auf das Metallstück und drückte ab. Ein Knall… und das Pfeifen eines Querschlägers, der durch den Raum surrte. Funken, die kurz von der Metallplatte aufstiegen und Kordit Geruch erfüllten den Raum.
Coel warf sich zu Boden, als das Projektil irgendwo Einschlug.
,, Sie hätten mich vorwarnen können.“
,, Und sie könnten zum Punkt kommen.“ , erwiderte Adams ,, Sie sind sicher nicht hier um sich anzuschauen, wie ich daran verzweifle, Waffensysteme zu verbessern.“
,, Nein, sicher nicht. Aber was ist das? Kein Metall das mir bekannt wäre, könnte so was überstehen.“
,, Das kommt daher, dass es so gesehen gar kein Metall ist. Zumindest nicht vollständig. Es mag so wirken, aber eigentlich sind das verschiedenste Kohlenstoffverbindungen. Aufgetragen auf eine Grundschicht einer Legierung, die mit völlig unbekannt ist. Unsere Analysegeräte schmoren durch, wenn wir versuchen es zu analysieren. Wahrscheinlich irgendein Sicherheitsmechanismus. Nanotechnologie, eingelassen in das Material, die einen EMP freisetzt oder ähnliches würde ich schätzen.“ Er machte eine Pause. ,, Also, warum sind sie hier ?“
Coel förderte den kleinen Metallchip zu tage, den der Artheraner auf dem Fabrikgelände an seinem Hinterkopf getragen hatte
,, Sie können mir sagen, was das hier ist.“
Adams nahm den Chip vorsichtig entgegen. ,, Woher haben sie das ?“ , wollte er wissen.
,, Vom Hinterkopf eines toten Artheraners.“
Der Professor kramte eine Lupe hervor und betrachtete die Oberfläche mit den bläulichen Markierungen. ,, Habe von dem Zwischenfall gehört.“ , erklärte er.
,, Und ?“
Adams legte die Lupe weg.
,, Es ist wohl definitiv irgendeine Tech. Aber keine Ahnung von wem oder was das sein soll. Ich müsste es näher untersuchen, aber bei meinem bisherigen Ergebnissen mit Via-Technologie jagt das dann das Labor in die Luft.“
,, Ich habe es für einen Datenspeicher gehalten.“
,, Unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, wie sie ihn gefunden haben.“ , meinte HAL.
,, Ich bin mir ebenfalls ziemlich sicher, das ist kein Speicher.“ , bestätigte Adams. ,, Das trägt man nicht am Körper.“
,, Was dann ?“
,, Da werden sie mir schon etwas Zeit lassen müssen. Aber bei unserem Glück...“
,, Gehe ich mal davon aus, das es nichts Gutes ist.“ , meinte Coel. ,,Sie informieren mich, wenn sie was rausfinden?“
,, Natürlich.“
,, Gut belassen wir es dabei. Haben sie morgen Abend übrigens Zeit? Ich treffe mich mit den anderen von der Kronos und dachte sie kommen vielleicht auch?“
,, Sicher, wenn ich Zeit finde.“ , erklärte Adams.
Coel wendete sich zum Gehen und war schon halb auf dem Weg auf dem Weg aus dem Gebäude, als ihm auffiel, dass die von Hal kontrollierte Drohne ihm folgte.
,, Ist etwas ?“ , fragte er.
,, Ich hätte eine Frage.“
,, Wäre ja was ganz was neues.“ Wenn es etwas gab, das eine KI konnte, dann einem Löcher in den Bauch fragen. ,, Und die Wäre?“
,, Wie treffen sie Entscheidungen ?“
,, Bitte ?“ Coel war sich nicht sicher, ob er verstand worauf Hal hinaus wollte.
,, Eine KI wird ihre Entscheidungen immer auf Basis einer einzigen Konstante treffen. Und das ist reine Logik. Mathematik. Jedoch scheint das für Lebewesen nicht zuzutreffen.“
,, Wie meinen sie das ?“
,, Ein Beispiel. Würde man mich vor die Wahl stellen, einen ihnen unbekannten alten Mann, oder ein unbekanntes kleines Kind zu retten, wäre die logische Entscheidung immer das Kind zu retten. Statistisch hat es die meisten Lebensjahre zur Verfügung und somit den größeren Wert für eine Gesellschaft. Für Menschen scheint eine solche Frage jedoch Grund für größere Diskussionen zu sein.“
,, Natürlich ist es das. Wir haben Moralische Prinzipien, ethische Grundregeln, an denen wir uns orientieren.“
,, Ich kenne die Schriften der Philosophen, die sich darüber Gedanken gemacht haben.“ , erwiderte der Computer. ,, Aber meine Frage ist, wäre reine Logik nicht besser, als sich mit quälenden Moralen herumschlagen zu müssen? Niemand kann einem einen Vorwurf machen, wenn man die logischere Entscheidung trifft.“
,, Dann verändern sie das Gedankenexperiment doch.“ , sagte Coel. ,, Es sind zwei gleich alte Leute, die sie retten können.“
,, In diesem Fall wäre es unerheblich, für wen man sich entschiedet, es sei denn einer von beiden wäre Krank oder ich hätte Zeit mir den Lebenslauf beider anzusehen. Sie sehen also, das es scheint, als würden sie sich umsonst Gedanken machen, wo die Antwort doch so simpel ist.“
,, Sie sagen sie scheint simpel, und da ist genau der Punkt. Was würden sie beispielsweise tun, wenn in einer Stadt eine Seuche ausbricht?“
,, In diesem Fall hätte ich zwei Möglichkeiten. Die Stadt abriegeln, oder auslöschen. Das käme natürlich auf die Art der Krankheit an. Bei einer absolut tödlichen Epidemie rettet man mehr, wenn man kein Risiko eingeht.“ Coel hatte mit dieser Antwort gerechnet.
,, Sehen sie, genau da greift ihre Logik der Mathematik nur noch teilweise. Wenn ich statt einer Abriegelung Hilfe schicke, weil ich mich moralisch dazu verpflichtet fühle und diese dadurch auch nur eine einige Person mehr retten, hat sich ihre Mathematik erledigt.“
,, Also hat Moral und Ethik doch einen Zweck ?“ , wollte Hal wissen.
,, Menschen sind nun mal emotionale Wesen. Wir sind nicht in der Lage rein aus Logik zu handeln. Wir töten aus Wut, Vergeben einander oder werden zu Feinden. Das ist der Unterschied, der letztlich verhindert, dass wir nur wie Maschinen handeln. Aber letztlich macht es uns wohl auch unberechenbar. Das ist der Grund, aus dem wir ethische Richtlinien brauchen. Wenn sie wollen ein Logikersatz. Aber das macht uns nicht unbedingt Schwächer.“
,, Nein, wie sie schon sagten nur Unberechenbar.“ Die KI schwieg kurz, ,, Ich glaube, ich verstehe es langsam. Es gibt manchmal kein Richtig oder Falsch wenn man sich entscheidet. Aber wie trifft man dann überhaupt einen Entschluss?“
,, Normalerwiese würde ich sagen, den , von dem sie wissen das er sie Nachts noch ruhig schlafen lässt. Aber in ihrem Fall… weiß ich es wirklich nicht.“
,, Vielleicht muss ich das selbst herausfinden. Danke, das sie zumindest versucht haben mir damit zu helfen. Einige Punkte scheinen jetzt zumindest klarer.“
Die Drohne drehte sich um und schwebte den Gang zurück. Coel sah der KI nach, bis diese um eine Ecke verschwand, dann machte er sich auf den Weg nach draußen.
Vor den grauen Gebäuden der GTDF gab es einen großen freien Platz. Mittlerweile war die Sonne vollständig aufgegangen und spiegelte sich im verschmutzten Wasser eines kleinen Springbrunnens.
Eine Windböe brachte ihm zum Frieren und er vergrub die Hände in den Taschen. Das brachte jedoch keine Besserung. Wie auch… ein trauriges lächeln stahl sich auf sein Gesicht.
Die Fassade hielt noch.
Conor Smith eilte durch die im halbdunkeln liegenden Gassen. Die Sonne war grade im Begriff unter zu gehen.
Das Hemd das er trug war Schweißdurchnässt. Aber nicht von den heftigen Diskussionen der Vorlesung die er Grade verlassen hatte. Was ihn trieb war die nackte Angst. Seine ebenfalls durchnässten Finger schlossen sich um den griff der Aktentasche, die er trug.
Er hatte gehofft es wäre vorbei… er hatte seinen Teil erfüllt.
Und das rief er auch ,, Ich habe meinen Teil erfüllt.“ Seine Stimme verhallte in der Dunkelheit.
Er hätte sich nie darauf einlassen sollen. Nicht er…
Die CEHO würde sich um die Verteilung kümmern… aber damit sollte es auch gut sein.
Ein seltsames, irgendwie organisches Klicken verfolgte ihn. Wie eine Grille, dachte Smith kurz.
Eine verdammt große Grille…
,, Was zum Teufel wollt ihr noch ?“ , schrie er, während die Tasche seinem Griff entglitt.
Er achtete nicht darauf. Ebenso wenig darauf, wohin er lief. Seine Füße hatten sich verselbstständigt.
Nach Links, Rechts, um eine zerfallene Ruine herum, in der es sich ein Obdachloser bequem gemacht hatte.
Der Mann sah kurz auf, wendete sich dann aber wieder seinen eigenen Problemen zu.
Smith bog um eine letzte Straßenecke, dann flammte plötzlich Schmerz durch seinen ganzen Körper.
Seine Sicht verschwamm…
Ein kleiner Pfeil hatte ihn am Arm getroffen. Verwirrt zog er das Projektil heraus…
,,Was…“ der Schmerz schien auch seinen Verstand nicht mehr richtig arbeiten zu lassen. ,, Wir…“
Etwas bewegte sich in den Schatten. Aber noch traute es sich nicht näher. Wie würde sein Tot aussehen? Ertrunken in der Badewanne? Oder doch klassischer Selbstmord… Oder..
,, Wir hatten eine Abmachung.“ , brachte er hervor.
,, Sehen sie sie als erfüllt an.“
In diesem Moment durchbohrte ihn etwas.
,, Keine losen Enden.“
Das Blut von Conor Smith, Generaldirektor der CEHO, tropfte auf das kalte Pflaster und vermischte sich dort mit dem Schmutz.. Ein Zigarettenstummel wurde vom plötzlichen Blutstrom erfasst und in einen Abfluss gespült.
Der metallische Geruch stieg in die Luft auf und vermischte sich dort mit dem Odor der Stadtluft.
Aine sog diesen Atem der Stadt ein. Ein Dunstfilm aus Schweiß, verschmutzter Luft… und einem entfernten Hauch von Blut, das auf den Asphalt der Straße tropfte, weil jemand vielleicht zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war.
Ungewohnt und fremd, aber gleichzeitig entfernt vertraut.
Auf Artherium hatte es solche Städte gegeben. Laut, schmutzig, aber gleichzeitig voller Leben.
Eine Zeitung wehte über die Straße und wurde von einem vorbeifahrenden Transporter erfasst, der sie mit sich riss.
Auf der Erde wurde der Güterverkehr immer noch entweder über Shuttles oder auf altbewehrte Art abgewickelt.
Güter und Rohstoffe von den Kolonien… von Welten wie Artherium.
Der Gedanke machte sie nicht wütend. Früher einmal hätte er das. Aber das war bevor sie über die pulverisierte Oberfläche jener Welt gelaufen war.
Artherium existierte nicht mehr und es hatte keinen Sinn sich darüber weiter Sorgen zu machen.
Die Artheraner jedoch hatten Überlebt. Und wichtiger, sie waren gestärkt aus dieser Prüfung hervorgegangen. Wie Coel gesagt hatte, manchmal musste man darauf hoffen, dass das alte von selbst zurückgehrte.
Sie sah kurz nach oben. Sterne jedoch konnte sie keine entdecken. Die Lichter der Stadt überstrahlten alles. Und selbst wenn, währen ihr die Sternbilder doch völlig unbekannt gewesen.
Aber irgendwo dort oben… und irgendwo dort draußen in den Lichtern der Stadt gab es Artheraner. Die meisten wohl grade damit beschäftigt, die Bedingungen eines dauerhaften Waffenstillstands mit der Erde auszuhandeln. Und natürlich gab es immer wieder Narren, die noch auf eine Rückkehr nach Artherium hofften. Wie enttäuscht jene wären, überlegte Aine einen Moment, wenn das Erd-Parlament diesen Antrag tatsächlich stattgeben würde. Sie würden nur Asche finden.
Und dann gab es natürlich immer noch jene Fanatiker, die nur noch ihren Hass kannten. Artheraner wie der, den sie auf dem Fabrikgelände gestellt hatten.
Aber die gab es auch unter den Menschen. Sie brauchte sich doch lediglich kurz auf der Straße umsehen. Die meisten machten einen großen Bogen um sie, oder sahen zumindest nervös zu ihr herüber. Gesunder Respekt war noch das mindeste, was sie an Entdeckte und selbst von diesen Wagten es freilich niemand, auch nur ein Gespräch anzufangen.
Und einige wenige begegneten ihr auch mit unverhohlenem Hass, der sich in ihren Augen spiegelte. Das waren die Menschen, die sie nicht aus dem Blick lies, bis sie wieder im Strom der Menge verschwanden.
Langsam machte sie sich selbst wieder auf den Weg. Bis Coel sich mit ihnen allen treffen wollte blieb noch etwas Zeit. Und sie hatte sich die Stadt bisher noch nicht wirklich angesehen. Darüber, sich zu verirren musste sie Aine keine Sorgen machen. Sie würde sich jeden Schritt, jede Straßenecke merken können. Sie konnte nicht vergessen.
Der Fußweg führte über eine kleine Brücke, unter der ein Wasserlauf hindurchlief. Einige Papierfetzen tanzten auf der Oberfläche des Wassers, wie kleine Schiffe, bevor sie von der Strömung unter die Oberfläche gedrückt wurden und sich auflösten.
Vielleicht war das ja ein Schaubild für alles im Leben. Kurz auftauchen… nur um dann für immer zu verschwinden, wie so vieles das tat. Kulturen, Städte, Völker, Planeten. Selbst Sterne.
Ewigkeit existierte nicht. Nichts konnte je von Dauer sein. Auch nicht das Leben.
Ein düsterer Gedanke, den sie schnell abtat.
Ihr eigenes Spiegelbild sah ihr aus dem Wasser zu. Bernsteinfarbene Augen, mehr katzenartig als Menschlich sahen ihr entgegen.
Etwa Zwei Kilometer den Kanal entlang war dieser zu einem Fluss angeschwollen und wurde von einer breiten Uferpromenade gesäumt. Ein Stein durchbrach die Wasseroberfläche und sprang mehrere Male, bis er schließlich versank.
Martin hob einen weiteren Stein auf und betrachtete kurz die Wellen, die der letzte hinterlassen hatte.
Er warf den zweiten, zielte jedoch nicht richtig. Der Stein flog über das Geländer hinweg, das den Flusslauf auf beiden Seiten begrenzte und schlug am anderen Ufer wieder auf.
,, Passen sie doch auf.“ , reif ein Mann auf der gegenüberliegenden Seite zu ihm herüber.
,,Entschuldigung.“ Der Mann entfernte sich leise fluchend, während Martin zurück ins Wasser starrte.
Neben seinem Fuß stand ein kleiner Metallkoffer, den er jetzt wieder in die Hand nahm und sich umdrehte.
Ein kurzer Blick auf seine Armbanduhr sagte ihm, dass er wenn er jetzt losging grade noch Rechtzeitig ankommen würde. Und zu spät kommen wollte er sicher nicht.
Als er schon fast in einer der Straßen verschwunden war, die von den Uferterrassen wegführten, ließ ihn eine bekannte Stimme innehalten.
,,Na so was. Hatte erwartet sie erst heut Abend zu sehen.“
Er drehte sich um und entdeckte einen Mann, mit einem rauen Gesicht, das Martin sofort an die Seefahrer früherer Zeiten erinnerte. Und auch der Rest der Erscheinung schien mehr von einem Kapitän Ahab zu haben, als von einem Offizier der Handelsmarine. Aber das täuschte.
Ägir Meksis verstand sein Handwerk und er war wohl einer der besten Navigatoren die der GTDF derzeit zur Verfügung standen.
In einem Mundwinkel hing eine Meerschaumpfeife, deren Oberfläche zahlreiche Risse aufwies und mit Feingefühl wieder zusammengesetzt wurde. Martin konnte sich noch daran erinnern, wie die Pfeife zerbrochen war. Ihr erster Kontakt mit den Via, der aus der Kronos, dem modernsten Schiff der Parlamentsflotte, fast einen Schrotthaufen gemacht hätte.
,, Schön sie mal wiederzusehen.“ , sagte er.
,, Ebenso.“ Ägir hob eine Hand zum Gruß an die Mütze auf der das Symbol der Handelsmarine prangte. Ein stilisiertes Transportschiff vor dem Hintergrund er Erde,, Hab ihre Nachricht bekommen. Und nachdem ich in den letzten paar Jahren so einiges an Überstunden angehäuft hatte…“
,, Dachten sie, sie nutzen die Gelegenheit.“ , beendete Martin den Satz.
Er nickte. ,, Coel lebt also noch ?“
,, Wie es aussieht. Auch wenn ich sagen muss, das er sich mittlerweile wohl besser von Magneten fernhält.“ Ägir lächelte nicht. ,, Okay, der war nicht gut, ich gebe es zu.“
Rafail Coel erwachte, als sich sein Wecker meldete. Nachdem er vom GTDF-Hautquartier wieder in seien Wohnung zurückgekommen war, war er sofort eingeschlafen
Nicht jedoch ohne sich vorher zu versichern das er das Treffen am Abend nicht verschlafen würde.
Die GTDF hatte ihm diese Wohnung als Ersatz für seien Alte zugewiesen. Sämtliche seiner Möbel waren einfach ungefragt hergebracht und aufgebaut worden.
Eine der ersten großen Überraschungen, als er vor einer Woche entlassen wurde.
Draußen wurde es bereits erneut Dunkel.
Ich werde noch zum Nachtmensch, dachte Coel, während er umständlich aufstand und nach dem Wecker tastete.
Er erwischte den Knopf, der das Gerät von Alarm auf Radioübertragung umstellte.
,, Guten Abend New York!“ Coel hatte die Stimme des Moderators immer gehasst. Irgendwie viel zu überschwänglich und auch etwas verdreht. ,,Oder sind sie grade in NY ? Na ja ist ja auch egal. Wir haben ein paar Brandneue Meldungen. Hier ist South mit den schlechten Nachrichten des Tages.
Tja Leute.. was soll ich dazu noch sagen… Es sieht so aus als sei der Vorstand der CEHO , der Colonial and Earth Healt Organisation die seit 2285 für die medizinische Versorgung der Welt und seit 2350 auch für die der Kolonien zuständig ist, ermordet worden. Conor Smith. Armes Schwein das kann ich euch sagen.
Smith leitete die Organisation von 2430 bis heute und war zu einer Vorlesung in der Stadt.“
Eine kurze Pause.
,, Des Weiteren : Für heute Abend haben sich mehrere Vereinigungen zu Proteste im Parlamentsviertel angekündigt. Sie hoffen damit, endlich zu erreichen dass das Parlament Klarheit darüber schafft, wie weiter im Fall der Artheraner verfahren wird. Und vor allem, wie ein Sprecher mitteilte, gehe es darum das diese,, Weg von der Straße“ kommen. Man fühle sich bedroht.
Ehrlich Leute ich hab die auch nicht gerne im Nacken, aber wir haben mit denen zweimal den Boden aufgewischt. Wenn sich da einer bedroht fühlen sollte, dann die. Na ist ja nur meine Meinung.
Also dann , bevor die heute Abend noch BSN stürmen, zum Sport…“
Coel schaltete das Radio ab und schlurfte, noch etwas im Halbschlaf, ins Bad.
Sein gewohntes blaues Auge starrte ihm vom Spiegel her entgegen und das andere künstliche. Kleine Ringe aus Metall, die sich ständig zu verschieben schienen und den Lichtverhältnissen anpassten. Selbst bei Nacht konnte er so noch etwas erkennen.
Ihm wurde trotzdem fast schlecht vom Zusehen.
Er nahm ein kleines Kästchen aus einem der Schränke, in dem sich neben diesem auch ein mittlerweile leeres Geheimfach für eine Pistole befand.
Kurz erinnerte er sich, wie oft er hier gestanden hatte, die Waffe in der Hand und nur noch daran gedacht hatte einen Schlussstrich zu ziehen. Und doch hatte er die Pistole jedes Mal wieder weggelegt. Er wusste selbst nicht wieso.
Jetzt jedoch interessierte ihn nur das Kästchen. Auf einem dunklen Polster lag eine Kontaktlinse, die er nun auf einen Finger nahm.
Er blinzelte ein paar Mal um sich daran zu gewöhnen.
Die Farbe der Linse war nicht perfekt, dass Blau eine Spur zu hell. Aber solange niemand zu genau hinsah, sollte es reichen.
Coel griff zu einem Rasiermesser, dessen Klinge er geschickt zwischen zwei Finger nahm und es kurz in die Luft warf, um es gleich darauf mit der anderen Hand wieder aufzufangen. Angst sich zu schneiden musste er ohnehin nicht mehr haben. Zumindest nicht, was seine Hände anging.
Kurz hielt er inne, starrte auf das schwarzglänzende Metall, das den Griff der Klinge hielt.
Fassaden…
Ob Pistole oder Messer… welchen unterschied machte so was…
Er fuhr damit fort, die Stoppeln in seinem Gesicht zu beseitigen dann warf er das Messer weg, als hätte er plötzlich Angst davor. Die Klinge prallte auf den Rand des Waschbeckens und stürzte zu Boden. Er machte sich nicht die Mühe diese aufzuheben, sondern rannte aus dem Bad.
Erst im Wohnzimmer schien er sich wieder zu beruhigen.
Coel warf einen raschen Blick auf die Uhr. Noch eine gute Stunde Zeit.
Eigentlich könnte er sich etwas zum Anziehen raussuchen. Eigentlich.
Aber die Wände schienen ihn plötzlich erdrücken zu wollen.
Die hohen Fenster, die normalerweise den Eindruck erweckten, im freien zu stehen, schienen winzige Löcher zu sein. Klaustrophobie war die Angst vor engen Räumen.
Agoraphobie wiederum war die Angst vor weiten offenen Orten….
Doch wie hieß die Angst mit sich selbst an einem Ort allein zu sein?
Er wusste es nicht. Es war ihm auch gleich. Er wusste nur eins, er musste hier raus.
Coel schnappte sich seinen Mantel, den er am Morgen einfach nur auf den Boden hatte fallen lassen bevor er eingeschlafen war und rannte fluchtartig aus dem Haus.
Draußen blieb er kurz stehen. Schwere Wolken hatten den Himmel teilweise bedeckt. Die andere Hälfte schimmerte rötlich im Schein der untergehenden Sonne.
Einige Passanten sahen seltsam zu ihm herüber. Und plötzlich wurde ihm auch klar wieso. Er hatte den Mantel nicht an, sondern hielt diesen lediglich in einer Hand. Das Metall in seiner Haut musste deutlich zu erkennen sein. Natürlich zog das Blicke auf sich.
Auch wenn normale kybernetische Prothesen ans sich nichts völlig ungewöhnliches waren, so musste er doch einen seltsamen Eindruck machen.
Kurz überlegte er, wieder nach drinnen zu gehen, abwarten und sich beruhigen. Aber.. wie sollte er sich in dieser leeren Stille beruhigen. Nein… er konnte nicht zurück. Und wollte es auch gar nicht.
Langsam zwang er sich dazu, weiterzugehen und warf dabei die Jacke über.
Schön die Fassade aufrecht halten.
Das kleine Restaurant am Rande der Parlamentsviertel war fast leer.
Rafail Coel war als erster vor Ort. Kein Wunder. Seit er seine Wohnung fast fluchtartig verlassen hatte, war keine halbe Stunde vergangen und er folglich viel zu früh.
Er war früher oft hier gewesen, erinnerte er sich. Noch vor Artherium, während seiner Grundausbildung.
Es schien ein Leben lang her zu sein. Dabei lagen zwischen damals und heute grade einmal zwölf Jahre.
Zwölf Jahre.
Zehn davon hatte er auf der Flucht vor der GTDF verbracht. Oder zumindest hatte er das gedacht.
In Wahrheit hatten sie wohl fast die ganze Zeit gewusst wo er sich aufhielt. Und nur eine Drohung, die Drohung seines Wissens über Artherium, hatte ihn am Leben erhalten. Das Wissen darüber, dass die Nova-Waffen ohne vorherige Genehmigung durch das Parlament eingesetzt wurden.
Etwas, das nicht nur dem gesamten Oberkommando der GTDF den Kopf kosten konnte sondern auch jeden Politiker, der auch nur irgendwie davon gewusst haben könnte. Und Henry Wilkonson, der Parlamentsvorsitzende stand ganz oben auf der Liste.
Trotzdem war es die GTDF gewesen, die sich vor drei Monaten bei ihm gemeldet hatte und ausgerechnet ihn um Hilfe gebeten hatte. Er bereute den Entschluss nicht mehr, sich darauf eingelassen zu haben. Letztlich war zumindest das die richtige Entscheidung gewesen. Und was sonst geschehen wäre… das stand in den Sternen.
Coel suchte sich einen Tisch, am anderen Ende des kleinen Gastraumes, der bis auf ihn und einen alten Mann, der eine Tasse Kaffee trank, vollkommen leer war. Ein Fernsehbildschirm befand sich über der Tür, auf dem Stumm die Nachrichten liefen.
Ein Großes Fenster, das eine Seite des Raumes einnahm, erlaubte einem Blick nach draußen auf die Straße. Es schien sich tatsächlich fast nichts verändert zu haben.
Er sah aus dem Fenster und ließ die Gedanken schweifen.
Während man in den entlegeneren Vierteln der Städte mit Leichtigkeit Spuren von Verfall entdeckte, hier ein verlassenes Haus, dort eine fast zerfallene Ruine, oder abbröckelnder Putz an einer Wand, gab es hier nichts dergleichen. Die Stadtteile in der Nähe des Parlaments waren gepflegt, die Straßen blitzsauber und wenn er sich umsah, brauchte er vielleicht fünf Minuten um drei oder mehr Polizisten zu entdecken, die an Straßenecken wache hielten. Das konnte allerdings auch mit den angekündigten Demonstrationen im Laufe des Abends zu tun haben.
Coel hoffte, dass sich das Restaurant noch weit genug vom Parlament entfernt befand, dass sie davon nichts mitbekommen würden.
Der Mann am anderen Tisch hatte seinen Kaffee ausgetrunken und trat nach draußen auf die Straße.
Über die Straße direkt gegenüber erhob sich ein hoher Turm, dessen Fassade fast vollständig aus Glas zu bestehen schien. Auf einigen Stockwerken brannte noch Licht, aber der Großteil der Fassade lag im Dunkeln.
Die Lichter der umgebenden Straßenbeleuchtung brachen sich in den dunklen Glasflächen, als würde es sich bei dem Gebäude um ein gigantisches Prisma handeln.
,, Kann ich ihnen irgendetwas bringen?“ , die freundliche Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
Coel sah auf. ,, Nein danke, ich warte noch auf ein paar Bekannte.“
,, Verstehe.“ Die Bedienung entfernte sich wieder.
Aber etwas anderes hatte seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die Tür des Restaurants schwang auf und Helen Mabel trat hindurch. Sie sah sich kurz um, schien ihn aber nicht zu entdecken.
,, Hier drüben.“ , rief er.
Sie sah auf und lief durch die ansonsten leeren Tischreihen zu ihm herüber.
,, Ist sonst noch keiner da ?“ , fragte sie, als sie sich setzte.
,, Die tauchen schon noch auf.“ , erwiderte Coel.
,, Na hoffentlich. Sonst muss ich davon ausgehen, dass sie das alles eingefädelt haben nur um einen Vorwand zu haben mich einzuladen.“
Er lachte. Ein mittlerweile fast schon ungewohntes Geräusch. ,, Volltreffer.“ , meinte er.
,, Wie geht es ihnen ?“ , ihre Stimme wurde ernst.
,, Wie bitte ?“
,, Coel, ich habe eine Psychologische Ausbildung. Ein solches Trauma wie sie es erlitten haben, das würde jedem zu schaffen machen.“
,, Mir geht es gut.“ , erwiderte er.
,, Ganz sicher ? Rafail, sie können so was nicht einfach wegstecken. Niemand kann das.“
Sein Vorname klang in seinen eigenen Ohren schon seltsam.
,, Vielleicht nicht. Aber ich…“ Er suchte nach Worten. Wie beschrieb man die Angst vor sich selbst… der Leere… Eine seiner Hände ballte sich zur Faust. Er spürte die eigene Kälte…
Alles nur Fassaden. Wie die Außenwand des Gebäudes über die Straße. Was darunter lag… blieb besser in der Dunkelheit. Brodelnde Finsternis, geboren aus seinen eigenen Gedanken schien ihn ersticken zu wollen.
,, Lassen sie sich Zeit.“
,, Ich will nicht darüber reden. Und das werde ich auch nicht.“ , erklärte er ruhig.
Die Dunkelheit kehrte zurück dorthin wo sie gehörte. In den hintersten, verbotensten Winkel seines Verstandes.
Bevor Helen etwas erwidern konnte, durchbrach eine dritte Stimme die Stille.
,, Schön sie wiederzusehen“
Coel sah zum Eingang und entdeckte Martin und Ägir, die grade hereinkamen.
Er grüßte zurück. ,, Ebenso.“
Ägir trug wie gewohnt eine Pfeife im Mundwinkel, die er jedoch ausmachte, während er und Martin sich einen Weg durch die Tischreihen suchten.
Martin wiederum trug einen silbernen Metallkoffer in einer Hand.
,, Und wie geht es ihnen ?“, wollte Coel wissen, nachdem Ägir sich gesetzt hatte. Martin holte sich einen Stuhl von einem anderen Tisch dazu
,, Ach sie wissen doch wie das ist. Oder vielleicht auch nicht. Die Defensivflotte hat momentan nichts Besseres zu tun, als ein artheranisches Gesandtenschiff zu bewachen und tonnenweise Trümmerteile zwischen hier und Jupiter hin und herzuschleppen und in der Atmosphäre zu entsorgen. Dafür wurde die Kronos nicht gebaut, das können sie mir glauben.“
,, Sie spielen also Putzfrau .“ , stellte Martin fest.
,,Sozusagen. Was haben sie da eigentlich?“
,, Kleine Überraschung. Wissen sie, als man die Trümmer des Weltenschiffs durchsucht hat, hat man eine Kleinigkeit gefunden, die ihnen gehört. Ich bin ehrlich gesagt Überrascht, dass es die Zerstörung unbeschadet Überstanden hat. “
Er stellte den Koffer auf den Tisch und öffnete die Schlösser, dann schob er ihn zu Coel herüber.
Dieser öffnete den Deckel.
,, Das gibt’s doch nicht.“
Vorsichtig nahm er den Gegenstand heraus.
,, Ich musste den Griff etwas ausbessern, das Holz hat die Detonation nicht so gut verkraftet glaube ich. Aber ansonsten ist der fast wie neu.“
Vorsichtig nahm Coel die Waffe aus der Box. Sein alter Revolver. Die hölzernen Einlegearbeiten am Griff waren natürlich beschädigt worden. Teilweise war das Holz dunkel versengt und Martin hatte die schadhaften Stellen mit jede Menge Nieten und einigen Metallplättchen ausgebessert.
Coel entging nicht, das die Waffe darin jetzt wohl ihrem Besitzer glich.
,, Sie haben das Repariert ?“ , fragte Helen.
,, Na ja, nachdem ich nicht mehr genug Ersatzteile für mein Flugzeug gefunden habe, hab ich mich halt auf was Kleineres verlegt.“
,, Martin, sieschrauben immer noch an dem Wrack rum ?“ , wollte Coel wissen, während er sich davon überzeugte, dass die Waffe nicht geladen war und sie dann Beiseite legte.
,, Sie wollten hier aber keine Schießerei anfangen, oder ?“ , fragte Adams, der grade das Restaurant betreten hatte.
,, Ich werde es zumindest nicht darauf anlegen. Schön das Sies geschafft haben sich mal von der Arbeit loszueisen.“
,, So halb.“ , erwiderte der Doktor.
,, Also wenn ich das richtig sehe, fehlt nur noch Aine.“ , stellte Martin fest.
,, Sie haben die Artheranerin eingeladen ?“ ,fragte Ägir, der sich kurz umsah, ob jemand in der Nähe war, der das Rauchverbot durchsetzten wollte und dann seine Pfeife wieder entzündete.
Coel zuckte mit den Schultern,, Hat jemand was dagegen? “
Adams sah kurz so aus, als wollte er etwas sagen, schwieg dann aber.
,, Ich sicher nicht.“ , erwiderte Ägir.
,, Schön das das geklärt wäre.“ , meldete sich eine Stimme.
Coel entdeckte Aine, die wie aus dem nichts im Raum aufgetaucht zu sein schien.
,, Erschrecken sie uns doch nicht so.“ , meinte Martin. ,, Und sie sind ?“ , fragte er an Helen gerichtet.
,, Helen Marbel.“ , antwortete diese.
,, Also dann, damit wäre die Band ja vollzählig anwesend.“ ,stellte Coel fest. Es ging ihm besser, wie er zugeben musste. Sein Verstand schien wieder etwas klarer zu sein.
,, Wer zahlt ?“ wollte Adams wissen.
Sie haben Zehn Jahre lang auf Staatskosten auf Eis gelegen.“ , sagte Martin. ,, Ich will nicht wissen, was sie mittlerweile auf dem Konto haben müssen.“
,, Ich übernehme das.“ , meinte Coel. ,, Ich sag einfach, die sollen die Rechnung ans Parlament schicken .“
,, Klar, bei einer Weltrettung sollte ein Abendessen schon drin sein.“
,, Sie wollen das nicht ernsthaft durchziehen ?“ , fragte Helen. ,, Haben sie eine Ahnung was…“
,, Wieso nicht ?“
,, Weil…“
,, Genau, Weil.“ Martin hob einen Arm . ,,Ober die Karte bitte.“
Wenige Sekunden später kam die Kellnerin, die etwas verwirrt in die Runde starrte, aber die Karten routiniert austeilte. Coel konnte das durchaus nachvollziehen.
Der kleine Tisch musste wie das merkwürdigste Familientreffen des Jahrzehnts wirken.
Der alternde Marineoffizier, der Mann der aus unerklärlichen Gründen eine Brille trug , ein weiterer, dessen Augen farblich nicht ganz zusammenpassten , Helen, Martin und eine Artheranerin…
Die kleine Versammlung musste wirklich ein seltsames Bild abgeben.
,, Ich kenn die Hälfte von den Namen nicht mal.“ , stellte Aine fest , die langsam die Karte durchging.. ,, Geschweige denn wüsste ich was mich davon nicht garantiert umbringt.“
,, Nehmen sie halt Salat.“ , schlug Martin scherzhaft vor.
,, Martin, wirke ich auf sie wie ein Vegetarier ?“
,, Keine Sorge, eigentlich sollte ihnen hier nichts wirklich gefährlich werden können.“ , sagte Helen. ,, Soweit ich mit Artheranischer Physiologie Vertraut bin…“
,, Auf ihre Verantwortung.“
,, Ich habe übrigens ein paar der alten Jungs von Artherium aufgespürt.“ , erwähnte Martin. ,, Sie wissen schon, die aus ihrer Einheit.“
,, Wirklich ? Was haben die die letzten Jahre so gemacht?“ , wollte Coel wissen.
,, Die meisten haben Gekündigt und halten sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Dachte nur sie sollten das Wissen.“ Er zögerte, ,, Ach verdammt. Die wollen mich zur Defensivflotte versetzen. John Watergate heißt der Kerl dem ich jetzt unterstellt bin.“
,, Willkommen im Club. Watergate hat nach der Schlacht vor drei Monaten das Kommando über die Kronos übernommen.“ , sagte Ägir. ,, Solange die Horus noch Gewartet wird benutzt er das Schiff als Kommandozentrale.“
,, Das ist ja wenigstens etwas, wenn sie dabei sind.“ , stellte Martin fest. ,, Trotzdem Gefallen tut mir das nicht.“
,, Und sie Adams ? Schon irgendwas über diesen Chip rausgefunden ?“ , fragte Coel.
,, Etwas, ja. Ich muss noch ein paar weitere Tests machen. Aber ich bin mir jetzt beinahe sicher, dass es von den Via ist. Ich hatte es schon vermutet, aber…“
,, Wie kommen sie darauf ?“ , fragte Helen.
,, Die Via haben währen des Angriffs auf die Erde doch unsere Kommunikation gestört. Richtig ?“
,, Was hat das damit zu tun ?“
,, Eine Menge. Das Weltenschiff hat ein Störsignal ausgesendet. Das konnten wir allerdings ziemlich schnell umgehen. Jedenfalls, dieses Signal sendete auf einer bestimmten Frequenz.“
,, Und ?“
,, Jetzt warten Sies doch mal ab. Also, wie gesagt ein Signal auf einer bestimmten Frequenz. Und jetzt raten sie mal, was der Chip tut, den sie mir gebracht haben.“
,, Er sendet ein Signal ?“
,, Auf derselben Frequenz wie das Störsignal.“
,, Und das bewirkt was ?“
,, Ehrlich ich habe keine Ahnung.“ , erklärte der Doktor. ,, Momentan lasse ich HAL den Ursprungsort des Signals ermitteln.“
,, Glauben sie, das führt uns zum Weltenschiff, wenn es noch existiert ?“ , wollte Aine wissen.
,, Nein, das Signal muss von irgendwo auf der Erde oder zumindest aus dem Sonnensystem stammen.“ , antwortete Adams. ,, Sonst müsste es über die Botendrohnen übermittelt werden und das würde sicher auffallen.“
Botendrohnen waren der einzige Weg für die Kommunikation zwischen Sternensystemen. Die Entfernungen dazwischen konnten leicht mehrere dutzend Lichtjahre betragen und somit war jeglicher herkömmlicher Funkverkehr von vornherein ausgeschlossen. Das heißt, wenn man nicht ein paar Jahrhunderte warten wollte.
Die Lösung war recht simpel. Anstatt also ein Signal direkt an den Zielort zu schicken, übermittelte man es an eine Botensonde mit einem Nova-Generator. Diese Zeichnete das Funksignal auf , sprang dann in das Zielsystem und übermittelte sie dort wieder an Empfänger. So wurden aus den Jahrelangen Verzögerungen immerhin nur ein paar Stunden oder Minuten.
Ein neues System ermöglichte sogar, völlig verzögerungsfreie Kommunikation auch über Sternensysteme hinweg. Dazu wurden einfach mehrere dutzend Sonden ständig hin und her geschickt, so dass ein stabiler Datenstrom möglich wurde. Bisher war die Kronos allerdings das einzige Schiff, das dieses System nutze, auch wenn die Horus, das Flaggschiff der Erdflotte, grade aufgerüstet wurde.
,, Sagen sie mir bescheid, sobald sie was rausfinden ?“
,, Worauf sie wetten können. Ehrlich gesagt, mich beunruhigt das alles ziemlich. Nachdem die Via gemerkt haben, das ein offener Angriff ihnen nichts bringt…“
,, Ja ?“
,, Versuchen Sies vielleicht mit einer etwas subtileren Vorgehensweise.“
,, Darüber habe ich auch schon nachgedacht und…“ Coel verstummte, als jemand durch die Tür des Restaurants trat. Bis grade eben waren sie die einzigen im Gastraum gewesen.
Und normalerweise hätte Coel den Fremden selbst deshalb nicht registriert.
Aber irgendetwas an dem Mann ließ ihn misstrauisch werden. Und er kam in ihre Richtung gelaufen. Kurz trafen sich der Blick Coels und der des Fremden. Wer zum Teufel war das ?
Der Mann setzte sich ein paar Tische entfernt hin und schien ihnen keine Beachtung mehr zu schenken. Trotzdem ließ Coel ihn nicht aus den Augen. Erst als ein Kellner auftauchte und der Mann begann mit ihm zu reden, beruhigte er sich wieder. Vermutlich reagierte er grade maßlos über.
,, Was wollten sie grade sagen ?“ , fragte Helen.
,, Nichts… gar nichts. Wie gesagt, ich habe darüber auch schon nachgedacht.“
,, Und ?“
,, Sie könnten recht haben Adams.“ Coel versuchte das Thema zu wechseln. Was sie besprachen unterlag zwar nicht unbedingt der Geheimhaltung, trotzdem, seine anfängliche Nervosität in Bezug auf den Fremden hatte er noch immer nicht überwunden. ,, Sagen sie Aine, was ich mich die ganze Zeit schon frage, was machen sie eigentlich noch auf der Erde ?“
Die Artheranerin sah auf. ,, Ich gehöre zu der Abgesandten-Gruppe, die hier die Verhandlungen führt. Aber glauben sie mir, dafür habe ich mich nicht freiwillig gemeldet. Und ich halte mich auch so gut es geht aus dem ganzen raus.“
,,.Das kann ich verstehe.“ , meinte Coel. ,, Aber ich dachte sie hätten etwas Einfluss auf ihre Leute.“
,, Korrigiere, die hatte ich. Bis ich ihnen während der Schlacht befohlen habe das Feuer einzustellen.“
,, Das hat man ihnen ernsthaft übel genommen ? Ich würde sagen, sie haben diese Leute gerettet. Ohne den Feuerschutz durch das Weltenschiff hätte die Defensivflotte Weltraumschrott aus ihren restlichen Schiffen gemacht.“ , stellte Ägir fest.
,, Sogar sehr. Ich hoffe einfach, den restlichen Arthernern für eine Weile ausweichen zu können.“
,, Ich verstehe nicht… was werfen die ihnen bitte vor ?“ , fragte Coel
,, Ich habe schon einmal versucht es ihnen zu erklären. Eine Niederlage, oder eine Gefangennahme nehmen wir recht ernst.“
Coel schüttelte den Kopf. ,, Ich denke, das werde ich nie verstehen.“
,, Entschuldigung.“ Er l sah hoch. Ein Kellner mit einem Tablett in einer Hand stellte ein kleines Glas ab, das mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt war. Er roch kurz daran und derAlkohol stieg ihm sofort in die Nase. Auch die anderen bekamen jeweils ein Glas. ,, Ich glaube da gibt es einen kleinen Irrtum, oder hat einer von ihnen das bestellt ?“
,, Der Mann da drüben meinte, er würde für sie zahlen.“ Der Kellner nickte in Richtung des Fremden, der ebenfalls ein Glas in den Händen hielt und in ihre Richtung wie zum Gruß hob.
Einen Moment schwiegen alle.
,, Na dann… Jemand ne Idee für einen Trinkspruch ?“ , fragte Martin
,, Was ist das wieder ?“ , wollte Aine wissen.
,, Menschliche Tradition. Normalerweise sucht man sich eine Art Motto oder etwas, an das man erinnern oder denken will. Es ist blöd zu erklären.“ , erklärte Adams.
,, In diesem Fall, auf sie Coel und darauf, dass ich nicht ganz allein auf der Kronos bin. Prost Ägir.“
,, Das ist kein Trost.“ , erwiderte der Handelsmarine-Offizier lachend.
,, Darauf, dass wir noch alle am Leben sind.“ , meinte Coel und sah sich in der Runde um. ,, und damit auf sie.“ Er sah zu Martin.
Verband diese Leute hier viel? Nein. Und gleichzeitig doch.
Sein Blick wanderte weiter zu Aine.
,, Und auf den Frieden. Ich hoffe, dass wir eines Tages, alles hinter uns lassen können. Sie… Sie haben viel riskiert um uns zu helfen Aine, das respektiere ich und ich will das sie das auch wissen.“
,, Dem schließe ich mich an.“ , erwiderte Adams.
Coel sah überrascht zum Doktor. Ein Mann, den sein Hass auf die Artheraner zum Genozid getrieben hatte. Adams sah unsicher zu Boden. War das Schuld oder Angst?
Der Fremde war mittlerweile aufgestanden und kam zu ihnen herüber.
,, Ich beschwere mich sicher nicht, wenn man mir was ausgibt. Aber ich schätze mal, sie sind nicht nur einfach gut gelaunt, oder?“ , wollte Coul von ihm wissen.
,, Nein, Cliff Clouse von BSN. Und sie sind Finn Coel richtig?“
,, Klasse… ein Journalist von der Klatschpresse.“ , meinte Martin sarkastisch.
,, Der bin ich.“ , sagte Coel ruhig. Er könnte den Mann einfach wegschicken… trotzdem zögerte er.
,, Wusste ichs doch. Ich war mir nur erst etwas unsicher. Dürfte ich ihnen vielleicht ein paar Fragen stellen?“ Der Mann sprach hektisch, beinahe nervös.
,, Solange sie keine Antwort erwarten.“ Er würde das hier so kurz wie möglich halten.
,, Prima.“ Die Anspannung schien von ihm abgefallen zu sein. Oder möglicherweise war diese nur gespielt gewesen? Der Mann wirkte plötzlich nicht mehr so, als könnte ihn irgendetwas verunsichern.
,, Eine Frage die viele interessieren wird, betrifft ihre Vergangenheit. Sie haben auf Artherium gedient?“
,, Zuerst unter Kommandant Dante de Flores, dieser ist leider verstorben und dann später unter Admiral Steel.“
,, Gegen Kriegsende jedoch sind sie laut Unterlagen unehrenhaft entlassen worden… nur um Zehn Jahre praktisch zu verschwinden und später wieder eingestellt zu werden.“
,, Mich verwundert das sie davon wissen. Hat die GTDF diese Akten überhaupt freigegeben?“
,, Mr. Coel, woher ich meine Informationen habe spielt doch keine Rolle…“
,, Ich denke schon. Wenn ihnen jemand vertrauliche Informationen zuspielt..:“
,, Ist das ebenso.“ , blockte Clouse ab. Coel gefiel der Ton des Mannes gar nicht. Und er bereute es sich hierauf eingelassen zu haben. Er hätte ihn wegscheuchen sollen. Aber Anfangs hatte es so gewirkt als wäre er durchaus vernünftig. Und jetzt hatte er hier einen Bildreporter, der jedes Wort von ihm später sowieso verdrehen würde, wenn es ihm passte… ,,Weshalb wurden sie entlassen?“
,, Das geht sie mal so was von gar nichts an.“
,, Sie wollen sich dazu also nicht äußern ?“ Die Stimme des Mannes klang fast drohend.
,, Ganz genau.“ Und der Mann sollte merken, wenn er nicht willkommen war.
,, Nun, aber sie waren es, der den entscheidenden Angriff auf das Weltenschiff anführte nicht ?“
,, Das war ich… wenn ich den Ausgang allerdings gekannt hätte, wäre ich vermutlich schön am Boden geblieben.“ Er hob eine Hand, so dass dem Reporter das dunkel Metall gar nicht entgehen konnte.
Der wich tatsächlich kurz erschrocken zurück, schien sich aber sofort wieder zu fangen.
,, Nun , eine letzte Frage noch. Ihre Meinung zur aktuellen Situation. Wissen sie, dass ihre kleine Runde hier mit einem Artherner zusammensitzt könnten ihnen einige Leute da draußen bereits Übel nehmen.“
Aine sah angespannt zu Coel. Der Reporter merkte offenbar nicht, wie sich eine seiner Hände zur Faust ballte. Das war genau das verhalten, die Einstellung, die sie nicht gebrauchen konnten.
Das war alles um das es hier ging. Clouse wollte etwas liefern. Irgendeinen Kommentar seinerseits in dem er Stellung bezog. Und egal was er sagte, es würde ohnehin so zurechtgedreht werden, dass es passte.
,, Können sie es wirklich verantworten mit unseren Feind an einem Tisch sitzen zu können?“ , fuhr der Mann fort. ,, Ich meine die Toten, die der Angriff zu verantworten hatte sind unentschuldbar und allein die da hat vermutlich mehr Menschen auf dem Gewissen als..“
Coel hatte genug. Der Faustschlag traf Clouse völlig unvorbereitet und warf ihn zu Boden.
Bevor der Journalist wieder auf die Füße kam, hatte Coel ihn bereits gepackt.
,, Ich möchte das sie mir jetzt sehr genau zuhören“ , begann er vollkommen ruhig, ,,denn ich sage das nur einmal : Sollten sie nochmal mit jemand, und mir ist egal ob das ein Artheraner oder ein Mensch ist, so reden, bleibt es nicht bei dem Schlag, verstehen wir uns ?“
In den Augen des Mannes schimmerte jetzt furcht. Die Überlegenheit, die er vorher geglaubt hatte zu besitzen war verschwunden.
,, Sollten sie noch einmal versuchen, gegen Artheraner zu hetzen, haben sie ein ganz großes Problem mit mir. Klar ?“Coel ließ den Mann los.
,, Ich brauche frische Luft.“ , mit diesen Worten drehte er sich um und verließ das Restaurant.
Einen kurzen Moment sagte niemand etwas.
,,, Ich an ihrer Stelle würde verschwinden bevor er zurück kommt. So sauer hab ich ihn in seit Artherium nicht mehr erlebt .“ , durchbrach Martin schließlich die Stille.
Der Journalist stand auf und rannte fast fluchtartig davon. ,, Das wird folgen für sie haben.“ , rief er noch, aber nach einem Bösen Blick von Martin, der ihm bedeutete jetzt wirklich besser zu verschwinden, trat er endlich durch die Tür.
,, Will ihm keiner folgen ?“ , fragte Aine nach einem Augenblick des Schweigens.
,, Der beruhigt sich schon wieder, keine Sorge.“ , sagte Martin, aber auch er schien besorgt. ,, Am besten lässt man ihn einfach eine Weile in Ruhe.“ ,.
,, Martin, er ist instabil, das wissen sie.“ , gab Helen zu bedenken
,, Ich muss zugebend das war untypisch für ihn. Aber ehrlich ich hätte dem Kerl selbst gern eine reingehauen.“
,, Die Stärkste Waffe bleibt die des Worts.“, meinte Aine. ,, und man sollte damit geschickter umgehen.
,, Und das soll jetzt heißen ?“
,, Können sie sich aussuchen. Der Mann eben hat seine Stimme falsch benutzt. Ein Artheraner hätte ihn dafür getötet. “ Sie verstummte.
Martin schwieg ebenfalls.
Aine sah jedoch wieder auf. Irgendetwas stimmte nicht. Ihre Augen blieben kurz am Nachrichtenbildschirm hängen. Martin folgte Aines Blick…
Offenbar ein Beitrag über die Demonstrationen. Irgendetwas stimmte aber ganz sicher nicht.
,, Können sie den Ton anstellen ?“ , fragte Ägir eine Kellnerin, die grade einen Tisch abräumte.
Diese nickte.
Eine Reporterin erschien auf dem Bildschirm, im Hintergrund konnte man eine Menschenmasse erkennen, manche mit Plakaten, andere nur die Drohenden Fäuste erhoben.
Sie hatten eine einer Polizeibarrikade umstellt, die einen Schutzwall um die Parlamentsgebäude gebildet hatte.
,,…. Es sieht so aus als wäre das Ganze nicht mehr wirklich unter Kontrolle. Aus den angekündigten zweitausend Beteiligten sind, Moment, zwanzigtausend nach letzter Zählung, aber das war bevor…“ Ein Stein flog durch die Luft und prallte gegen die Absperrung.
Eine kleine Gruppe Polizeibeamter mit Schilden kämpfte sich einen Weg durch die Demonstranten auf der Suche nach dem Werfer, musste sich aber bereits nach wenigen Sekunden zurückziehen.
Dann fiel ein Schuss, die Reporterin im Bild ging in Deckung, irgendwo rief jemand etwas…
,, Wir müssen hier weg.“
Das Bild verschwamm, offenbar rannte der Kameramann jetzt und brachte sich hinter den Reihen aus Polizisten in Sicherheit.
Ohne irgendeine Unterbrechung wechselte die Aufnahme zurück ins Studio, ein gestresst wirkender Nachrichtensprecher sortierte einige Textkarten.
,, Wir mussten unsere Korrespondenten leider zurückbeordern. Offenbar gibt es einige Probleme und… Moment wir bekommen grade ein paar neue Berichte und Bilder.“
Eine etwas verwackelte Aufnahme aus der Luft. Vielleicht von einer Drohne oder einem Shuttle aus gemacht.
Eine Straße, auf der mehrere Leute unterwegs waren war zu erkennen. Einer von ihnen warf etwas in ein Gebäude, eine brennende Flasche, ein Feuerball stieg auf.
Eine weitere Straße, auf der allerdings nur eine einzige Person entlangrannte. Ebenfalls einen brennenden Molotow-Cocktail in der Hand.
Zu seinem entsetzten erkannte Martin das Luftbild wieder.
,, Moment ist das nicht unser…“
In diesem Moment krachte etwas durch die Glasscheibe des Restaurants.
Martin ließ sich zu Boden fallen, als eine Welle aus Feuer über ihre Köpfe hinwegfegte. Was von der Glasscheibe noch übrig war wurde nach außen gedrückt und zerschmettert, einige Tische fingen Feuer und eine brennende Benzinlache breitete sich über den Boden aus.
,, Verflucht.“ Martin tastete nach seiner Waffe, die er aus einer Eingebung heraus mitgenommen hatte.
,, Und ich dachte wir sind weit weg von dem Ganzen.“ , meinte Adams.
,, Hat sonst jemand eine Waffe dabei ?“
Ägir schüttelte den Kopf.
Aine jedoch zog ein Messer mit gebogener Klinge. ,, Besser als nichts.“ , meinte sie.
Durch das zerbrochene Fenster konnte Martin lachen und einige Rufe hören.
,, Okay, Ägir, Adams und Helen, sehen sie zu das sie hier wegkommen. Ich und Aine suchen Coel, wenn er noch in der Nähe ist.
,, Ich komme mit.“ , meinte Helen.
,, Sind sie verrückt ? Das ist ein verdammter Straßenaufstand da draußen. Und sie sind unbewaffnet.“
Mit einer fließenden Bewegung entriss sie ihm die Pistole. Er kam nicht einmal dazu zu reagieren.
,, Ich arbeite für die Wissenschaftsabteilung der GTDF. Aber auch ich hatte eine Grundausbildung.“
,, Schön, kommen sie halt mit.“ Martin spähte über die Tische auf die Straße und überzeugte sich davon, dass sie mittlerweile leer war. Dann sprang er durch das zerbrochene Fenster.
Das hätte ein einfacher gemütlicher Abend werden sollen…
,,Murphys erstes Gesetz.“ , flüsterte er.
,, Was ?“ , wollte Aine wissen.
,, Was schief gehen kann, geht schief.“
Zur gleichen Zeit lief Coel durch die dunklen Gassen zwischen den Gebäuden des Parlamentsviertels. Von dem Aufruhr, der sich einige Straßenzüge weiter abspielte bekam er so gut wie nichts mit.
Lediglich ein Lichterschein aus Richtung des Parlaments, das unstete orange flackern von Feuer und der Geruch von Rauch ließen ihn vermuten, dass etwas nicht stimmen konnte.
Aber er war zu Beschäftigt mit seinen eigenen Gedanken um sich deshalb Sorgen zu machen. Es war ja zu erwarten gewesen, das das Ganze nicht friedlich enden konnte. Irgendwelche Idiotien gab es immer, die aus einem friedlichen Protest, wenn Coel ihn auch nicht gutheißen konnte, einen Aufruhr machen wollten.
Und wer nicht mitzog blieb auf der Strecke.
Was ihn wieder zu seinen eigenen Gedanken brachte. Er hatte überreagiert, das war ihm klar. Und die folgen ließen sich sicher noch nicht absehen. Trotzdem tat es ihm nicht leid. Der Mann hatte bekommen, was er verdient hatte. Mehr Leute vom Schlage eines Cliff Clouse brauchte dieses Universum sicher nicht.
Und mehr von seiner Sorte ? Vielleicht ebenfalls nicht unbedingt.
Die Überlegung ließ ihn kurz stehenbleiben. Das und etwas anderes. Am Ende der Gasse standen mehrere Schatten. Er wollte keinen Ärger und drehte sich um. Das gleiche Bild. Zwei hinter ihm und drei vor ihm.
,, Es ist gefährlich so spät unterwegs zu sein.“ , meinte eine Stimme.
Ein Mann mit einem Baseballschläger in der Hand trat ins Licht. Die anderen schienen ebenfalls irgendwelche Waffen oder Werkzeuge zu tragen. Vielleicht eine Gruppe, die sich von den Protesten gelöst hatte. Oder Straßenschläger, die hofften das die Polizei so mit diesen beschäftigt war, dass sie ungestört bleiben würden. Coel jedenfalls war klar, dass sie Ärger bedeuteten.
,, Ich kann schon auf mich aufpassen.“ , meinte er und sorgte dafür, das seien Stimme einen deutlich drohenden Unterton hatte.
,, Oh, das mag ja sein. Aber etwas Schutz schadet nie nicht wahr?“
,, Ich suche auch keinen Ärger, also wie viel ?“
,, Wie viel haste dabei ?“
Mit einem resignierten Seufzer griff Coel nach seinem Portmonee. Viel war es nicht. Fünfzig Parlamentsdollar und einige Scheine aus verschiedenen Kolonialwährungen .
,, Willst du mich verarschen ?“
War ja klar, dass das ihnen nicht reichen würde.
Coel machte sich innerlich bereit. ,, Pass auf mein Freund. Ich gebe dir einen guten Rat. Nimm das Geld und verschwinde endlich aus meinem Weg. Letzte Warnung.“
,, Hey, wer wird denn gleich unhöflich werden. So was verbiete ich mir…“ Der Mann holte mit dem Baseballschläger aus, aber Coel war schneller. Mit einem einzigen Gedanken aktivierte er die Klingen an seinem Unterarm und blockierte mit einer den Schlag. Die andere rammte er dem Wegelagerer zwischen die Rippen.
Der Mann klappte zusammen, allerdings kamen seien vier Freunde jetzt näher. War ja klar, dass das ein mieses Ende nehmen würde…
Anfangs waren sie noch zögerlich. Etwas, das Coel nur zu gut verstehen konnte. Sie hatten mit einer leichten Beute gerechnet, nicht mit jemand, der plötzlich zwei Schwerter in der Hand hielt.
Eigentlich hatte er nicht beabsichtigt den ersten Angreifer zu töten. Aber nun war es passiert. Und wen es die anderen dazu brachte vielleicht abzuziehen, wäre es nicht völlig umsonst.
Langsam trat einer der verbliebenen vier Schläger auf ihn zu, ein Metallrohr in der Hand, und holte nach ihm aus. Eine der Klingen verschwand wieder. Coel fing das Rohr mit der Hand ab, konnte aber nicht mehr ganz verhindern, dass es eine Platzwunde an seinem Kopf hinterließ,
Er spürte die Verletzung kaum.
Mit einem Ruck entriss er die improvisierte Waffe der Hand des Mannes.
,, Verschwindet.“ , knurrte er den Mann an und stieß ihn zu Boden. Dieser kam stolpernd wieder zum Stehen. Dann rannte er an seinen drei verbliebenen Kumpanen vorbei und verschwand in der Nacht.
Die drei anderen zögerten noch kurz, dann rannten sie ebenfalls davon.
Coel hingegen blieb kurz stehen. Er wischte sich das Blut von der Stirn. Langsam spürte er wie sich sein Herzschlag wieder beruhigte. Ein schwacher Windhauch trug Rufe und Brandgeruch heran.
Er konnte es immer noch nur noch Abschätzen, aber mittlerweile waren die Proteste wohl völlig aus dem Ruder gelaufen.
Ihm war ein wenig schwindlig, vermutlich von der Kopfwunde.
Früher hätte eine solche Verletzung einen wohl Kampfunfähig gemacht, oder zumindest der Nachbehandlung durch einen Arzt bedurft.
Doch mit der fortschreitenden Technik war auch die Medizin vorangeschritten. Er war der lebende Beweis.
Jeder Soldat und auch alle Privatleute die es sich leisten konnten erhielt regelmäßig eine kleine Injektion mit Nanokörpern, die nicht nur Wunden viel schneller verschlossen, als das die Eigengerinnung des Blutes vermocht hätte und einem somit durchaus das Leben retten, sondern auch medizinische Aufgaben übernehmen konnten.
Beispielsweise wurden bei einer Verletzung automatisch Schmerzmittel ausgeschüttet, die einem selbst dann bei Bewusstsein hielten, wenn man eigentlich längst Kampfunfähig wäre. Ob dies jedoch Wünschenswert war oder nicht, darüber ließ sich wieder streiten, wie über alles in der Humanmedizin.
Bis heute waren Beispielsweise die Richtlinien für Stammzellenforschungen nicht einheitlich geklärt und auf den Kolonialwelten, stand diese Frage sogar noch vollkommen offen.
Was die Ethik-Kommissionen des Parlaments wohl zu seiner…. Verbesserung sagen würden?
Kurz Überlegte er, ob er zurück zum Restaurant gehen sollte.
Es erschien ihm Sinnlos länger hier zu bleiben und es wurde auch zunehmend unsicherer.
,, Da sind sie ja.“ , hörte er eine Stimme hinter sich. Als er sich umdrehte blendete ihn kurz das Licht einer Taschenlampe. ,, Was zum… ist er Tod ?“ Das Licht der Lampe fiel auf den Körper des Schlägers, den er hatte töten müssen.
,, Ich fürchte schon.“ Das Licht erlosch und er konnte endlich den Mann erkennen, zudem die Stimme gehörte.
,, Alles in Ordnung mit ihnen ?“ , wollte Aine wissen.
Aus ihrer Stimme klang echte Sorge. ,, Soweit schon.“ , meinte Coel beruhigend.
Martin trat aus dem Schatten, gefolgt von Helen und Aine, die sich im Hintergrund hielt.
,, Da draußen ist die Hölle los.“ , sagte er kopfschüttelnd. ,, Das halbe Parlamentsviertel brennt.“
,, War doch klar, dass das irgendwann passiert.“ , meinte Helen.
,, Wieso war das klar ?“ , wollte Aine wissen.
,, Definitiv nicht in dem Ausmaß… ich meine… es gibt immer Leute, die Versuchen Ärger zu machen, aber haben sie das gesehen ? In einer Minute war das noch eine halbwegs friedliche Demonstration… und im nächsten Moment rennen die Leute schießend und Brandkörper werfend durch die Straße?“
,, Ich habe das Feuer gesehen . Ist es wirklich so schlimm? Und wo haben sie eigentlich Adams und Ägir gelassen?“
,, Die sollten sich in Sicherheit bringen.“ , erklärte Helen.
,, Sie eigentlich auch, aber…“ Martin zuckte mit den Schultern. ,, Hat mir mein Waffe abgenommen.“ , meinte er fast entschuldigend.
,, Aber sonst ist niemandem was passiert ?“ , fragte Coel ernst.
,, Uns zumindest nicht.“ , antwortete Aine. ,, Und bei ihnen ?“ Sie warf einen Blick auf den Toten zu seinen Füßen und auf die Platzwunde an seiner Stirn.
,, Nicht der Rede wert.“
,, Sie sehen furchtbar aus.“ , stellte die Artheranerin fest.
,, Es geht mir gut wirklich.“ Er versuchte ein Lächeln, brachte aber bestenfalls das verzerrte Grinsen eines Wahnsinnigen zu Stande. Vielleicht war er das… , ,, Ich will bloß noch weg hier.“ Er wendete sich zum Gehen.
,, Ich begleite sie noch. Nur für den Fall.“ , sagte Helen und machte Anstalten ihm zu folgen.
Er blieb stehen.
,, Wenn sie möchten, ich würde mich freuen.“ , erwiederte Coel.
,, Dann wäre das ja geklärt. Ich schätze, die anderen werden es ebenfalls zurück geschafft haben,“ Martin winkte den Beiden kurz hinterher und wollte dann selbst gehen.
Sein Blick blieb jedoch kurz auf Aine hängen. Normalerweise war es ihm fast unmöglich aus artheranischen Gesichtszügen schlau zu werden. Ihre Mimik schien sich meist auf ein Minimum zu begrenzen und verriet so gut wie nichts. Er hatte irgendwann einmal gehört, das Eisbären, die mittlerweile seit fast einem Jahrhundert in der freien Wildbahn ausgestorben waren aber jetzt auf einigen passenden Koloniewelten wieder ausgewildert werden sollten, ein ebenso unleserliches , fast nicht vorhandenes Minenspiel besaßen, Etwas, das sie unberechenbar machte.
Aber dann gab es Momente in denen er nicht einmal darüber nachdenken musste, in denen er letztlich erraten konnte, was Aine oder ein anderer Artheraner dachte. Das konnte natürlich auch mit deren begrenzten telepathischen Fähigkeiten zusammenhängen.
,, Sie kommen auch klar ?“ , wollte er wissen.
,, Ich… ja Natürlich.“ Die kurze Unsicherheit in Aines Stimme verschaffte ihm endgültige Gewissheit.
Die plötzliche Erkenntnis jedenfalls brachte ihn zum Schmunzeln. ,, Das gibt es doch nicht.“ , meinte er Kopfschüttelnd.
,, Was ?“
Martin lachte. ,, Das gibt’s nicht.“
,, Was ?“ , wollte Aine erneut wissen ,, Kommen sie mal zum Punkt.“
,, Sie sind neidisch.“ , stellte er schlicht und einfach fest.
,, Wie bitte ? Ich weiß ja nicht was sie…“
,, Neidisch auf Helen.“ Er musste verhindern erneut laut zu lachen. Die Ironie oder tragische Komik der Situation entging ihm nicht.
,, Martin, das ist vollkommen lächerlich.“
,, Sicher ? Geben sies doch zu, sie mögen Coel.“
,, Er hat sich meinen Respekt verdient, Martin. Das bestreite ich doch gar nicht…“
,, Das meinte ich aber auch nicht.“
Sie zögerte und schien zum aller ersten Mal wirklich unsicher.
,, Ja, vielleicht… aber selbst wenn sie recht hätten, es ist einfach unmöglich.“
,, Und was macht das unmöglich ?“ , fragte Martin.
,, Ich meine vom rein physiologischem Standpunkt… und politisch…das wäre eine Katastrophe. Und Coel selbst, wie soll ich…“ Aine hielt inne. ,,Es ist unmöglich.“
Martinschüttelte den Kopf. ,, Ich kann ihnen das ein oder andere erzählen über Unmöglichkeiten.“
Er sah einen Moment nach oben in den Nachtschwarzen Himmel.
,, Man sieht sie nicht, aber sie sind da.“
,, Was ist da ?“, fragte Aine.
,, Die Sterne…“ Er machte eine Pause ,,Was ich ihnen jetzt sage, weiß außer vielleicht Coel so gut wie keiner. Ich bin mit einem Aneurysma im Kopf geboren worden. An einem Hirnblutgefäß und damals noch völlig inoperabel. Und selbst später… was soll ich sagen, ich gehörte nicht grade zur Oberschicht. Und OPs sind teuer.“
,, Ihre Gesellschaft ist seltsam.“ , stellte die Artheranerin fest. ,, Sie lassen jemanden unehrenhaft sterben, wegen eines Mangels an bedruckten Papierstücken.“
,, Manche würde das auch über die Artheraner sagen.“ , erwiderte er bevor er fortfuhr. ,, Mein Leben begann also damit, dass man mir eine Lebenserwartung von vielleicht Zehn Jahren gab, bis dieses Aneurysma Platzen und mich töten würde. Selbst wenn ich Überlebt hätte, wäre man von schwerwiegenden Neuronalen Schäden ausgegangen. Alle irrten sich.
Ich war achtzehn, Acht Jahre älter als alle vorhersagen, als ich begann mich als Pilot für die Raumfahrt zu bewerben. Sämtliche größeren Raumfahrt-Gesellschaften lehnten meine Bewerbungen ab, sobald sie erfuhren, dass ich wie man es nannte,, Todgeweiht“ bin. Medizinisch Untauglich.“
,, Was hat das bitte…“
,, Ich bin noch nicht fertig. Alle haben mir gesagt, das sei Wahnsinn. Dass ich mich bestenfalls selbst umbringen würde. Von eventuellen Passagieren ganz zu schweigen.“ Er macht wieder eine kurze Pause. Eine Zeit lang hatte er es selbst geglaubt und war kurz davor gewesen, einfach hinzuschmeißen. ,, Dann jedoch, kam Artherium. Die GTDF suchte händeringend nach Leuten. Und ich habe mich freiwillig gemeldet. Meine Vorerkrankung interessierte das Militär nur insoweit, das ich eben selbst verantwortlich war, wenn mir während des Flugs etwas geschah. Was mir niemand zugetraut hatte, wovon mir jeder abgeraten hatte passierte: Ein halbes Jahr später verließ ich die Ausbildung bei der Raumwaffe als der Jahrgangs-Beste. Meine ersten Flüge habe ich ohne Probleme absolviert.
Und vor dem ersten richtigen Einsatz bezahlte mir die GTDF eine Behandlung. Sie wollten ihren besten Piloten nicht verlieren. Was mich umbringen sollte, was eigentlich völlig unmöglich sein sollte, hat mir vermutlich das Leben gerettet.“ Martin machte eine kurze Pause. ,, Worauf ich hinaus will. Lassen sie sich auf keinem Fall einreden, auch nicht von sich selbst, dass irgendetwas unmöglich ist. So etwas gibt es nämlich nicht. Das einzige Ding, das etwas für unmöglich erklärt ist ihr eigener Verstand. Leute, Gruppen erklären Dinge für Unmöglich. Es ist die Aufgabe von Einzelnen, das Gegenteil zu beweisen.“
,, Vielleicht ist ihnen das Gelungen. Aber sie haben für sich selbst gehandelt. Die Folgen für andere konnten ihnen völlig egal sein.“
,, Gut, von mir aus. Punkt für sie. Aber eine Frage möchte ich ihnen noch stellen: Wenn sie in… was weiß ich fünfzig Jahren auf ihr Leben zurückblicken, würden sie das dann noch immer sagen?“
Martin wartete ihre Antwort nicht ab, sondern ging einfach in die Dunkelheit davon.
,, Sie sagen Coel aber nichts ?“
,, Ich halte die Klappe keine Sorge. Vor allem weil ich am Morgen vermutlich schon auf der Kronos bin.“
,, Und sie kommen wirklich klar ?“ , fragte Helen. Coel, der die Hand schon auf den Türgriff gelegt hatte hielt inne.
,, Ich war schon schwerer verletzt. Wie sie ja wissen sollten.“
Sie hatten die Parlamentsviertel mittlerweile hinter sich gelassen und Coel stand vor dem Eingang zum Treppenhaus, das ihn zu seiner Wohnung führte. In der Ferne konnte er immer noch schwachen Feuerschein und das Heulen einer Sirene wahrnehmen.
,, Natürlich mein Fehler. Sie haben diesem Clouse ziemlich eine verpasst.“ , bemerkte sie.
,, Ich würde sagen er hat es verdient. Ich frage mich bloß immer noch woher der Kerl seine Infos hatte. Gut die Hälfte davon dürfte er eigentlich nicht wissen.“
,,Ähm…ich…“
Coel schlug sich resigniert mit einer Hand vor dem Kopf. Was er natürlich gleich darauf bereute.
,, Helen, sagen sie mir jetzt nicht, das sie Regierungsberichte weitergegeben haben.“
,, Ich wusste nicht, dass das gleich so ausartet, oder das jemand diese Informationen gegen sie verwenden würde. Verdammt Coel haben sie eine Ahnung, wie viele Akten und Daten das Parlament und die GTDF allein letzte Woche für geheim erklärt haben?“
,, Sie hielten es also für besser, damit direkt an die Öffentlichkeit zu gehen ?“ Coels Stimme war lauter geworden, als er es beabsichtigt hatte.
,,Nein, nicht unbedingt. Ich wusste einfach nicht was ich davon halten sollte . Das war mehr als eine bloße Vertuschungsaktion. Das Parlament plant im Krisenfall die Kontrolle an die GTDF abzutreten, ist ihnen klar was das bedeutet?“
Er war Müde… und sein Kopf Schmerzte.
,, Ich.. Hören sie, sie haben getan was sie für richtig hielten, aber Helen, wie zum Teufel soll ich ihnen jetzt noch trauen? “ Er rieb sich die Schläfen. Seine Gedanken waren ein einziges Wirrwarr und erschienen ihm selbst zähflüssig wie Honig GTDF, Parlament, Proteste, die Via… Artheraner… , der Chip den er gefunden hatte… das alles ergab noch immer kein vollständiges Bild. Wie ein gewaltiges Puzzle, bei dem die Hälfte der Steine fehlte. ,, Können sie einfach gehen…ich brauche mal ein paar Stunden Ruhe.“
,, Soll ich nicht noch mit reinkommen…“
,, Nein.“ Mehr sagte er nicht. Wollte er nicht sagen… Ihm war klar, dass das wie eine Abfuhr wirken musste. ,, Hören sie, wir sehen uns morgen ja ?“
Stunden später schreckte Coel aus dem Schlaf hoch. Ein Alptraum hatte ihn aus dem Schlaf gerissen. Er wusste aber nicht mehr wovon dieser gehandelt hatte. Er glaubte im freien gewesen zu sein. Feuer glaubte er…. Und Dunkelheit ?
Nein, ein Schatten der sich vor die Sonne geschoben hatte. Und dann…
Er schüttelte die dunklen Nachbilder ab. Ein nicht enden wollendes Klingeln in seinen Ohren ließ ihn sich fragen, ob er irgendwie einen Hörsturz erlitten hatte.
Kurz warf er einen Blick auf die Uhr. Sieben Uhr morgens. Wie lange hatte er geschlafen? Vier Stunden vielleicht.
Er stand langsam auf und jetzt endlich konnte sein Verstand den Schlaf weit genug hinter sich lassen, das er das Klingeln identifizieren konnte.
Mit einer Hand tastete er sich durch das halbdunkel der Wohnung und fand endlich, was er gesucht hatte. Ein kurzer Piepten sagte ihm, dass der Anruf entgegengenommen wurde.
Er erkannte die Nummer. Parlamentsvorsitzender Henry Wilkonson. Was konnte der von ihm wollen ?
Wenige Sekunden später wurde diese Frage beantwortet, als die Stimme des Parlamentsvorsitzenden über die Freisprechanlage durch den Raum hallte.
Er war offenbar schlechter gelaunt.
,, Coel ! Haben sie eigentlich mal einen Blick aus dem Fenster geworfen?“
,, Eigentlich hatte ich grade noch geschlafen.“ , erwiderte er.
,, Geschlafen ? Dann holen sie das jetzt nach. Man kann die verdammte Rauchwolke von hier aus sehen. Haben sie eine Ahnung, wie viele Leute gestern verletzt worden sind?“
,, Daran können sie mir ja wohl keine Schuld geben.“ , gab er mindestens genauso schlecht gelaunt zurück.
,, Sicher nicht, aber raten sie mal wessen Gesicht heute auf der Titelseite war.“
,, Ich hätte ihn töten sollen.“ , murmelte Coel.
,,Was ?“
,, Schon gut, ich denke mal meins…“
,, Genau. Was haben sie sich dabei gedacht? Kommen sie am besten sofort hier her. Wir müssen uns irgendwas überlegen bevor wir heute Abend gleich die nächsten Straßenschlachten haben.“
Wilkonson beendete das Gespräch.
Coel setzte sich einen Moment auf den alten Sessel im Wohnzimmer. Die Federn knarzten, hatten sie immer getan und er konnte sich auch nicht dazu überwinden, diesen Fehler auszubessern.
Straßenschlachten ? Was zum Teufel hatte der verdammte Reporter über ihn geschrieben?
Er würde es vermutlich früher rausfinden als ihm lieb war.
Coel warf kurz einem Blick aus dem Fenster. Er konnte tatsächlich den Rauch sehen, der aus Richtung der Regierungsviertel aufstieg. Ihm gingen Wilkonsosn Worte nicht mehr aus dem Kopf.
,, Was haben sie sich dabei Gedacht…“
Nun gar nichts. Das war wohl die einfachste Antwort. Das konnte er jedoch schlecht erklären.
Langsam, fast wiederwillig, machte er sich auf dem Weg zur Tür. Sein Blick blieb auf einer kleinen Pflanze mit silbrigen Blättern hängen, die in einer Vase neben der Tür stand. Es war die einzige Pflanze, im der ganzen Wohnung. Und das aus gutem Grund. Er hatte mal versucht ein bisschen grün in die Räume zu bringen.. aber jede der Pflanzen war innerhalb kürzester Zeit Einfach vertrocknet. Mit diesem Gewächs jedoch hatte er mehr Glück. Nun bei einer Pflanze die selbst in einer Säure-Atmosphäre überlebte, konnte man auch nicht viel verkehrt machen. Immerhin hatte er diese von der verbrannten und toten Oberfläche Artheriums.
Das vereinte Erdparlament war eine Institution, die in den Anfangsjahren nach der Konstruktion des ersten Nova-Generators in den 80ern des 22 Jahrhunderts gegründet wurde. Anfangs schlossen sich nur wenige Staaten diesem neuen Bündnis an, viele versuchten auf eigenen Faust die neugewonnene Technik zu nutzen und ihre nationalen Interessen auch auf die Sterne und Planeten auszubreiten.
Letztlich zeigte sich jedoch, dass vor allem in der Aufbauphase, wo diese noch keinen Gewinn abwarfen, die Kosten für die Versorgung von Kolonien und Außenposten fast unmöglich für Einzelstaaten zu tragen waren. Ganze Wirtschaften, die Alleingänge versuchten kollabierten an den Kosten und manche ,, neuen“ Industrieländer wie Indien vielen in ihrer Entwicklung sogar auf den Status des 20 Jahrhunderts zurück.
Anfangs also vor allem ein Zweckbündnis wurde aus dem Parlament im Laufe der letzten einhundert Jahre ein Etabliertes System. Die Anfangs vor allem entgegenstrebenden Nationalen Interessen, wie Beispielsweise Streitereien um Kolonierechte für bestimmte Planeten, die auch schon mal in Kleinkriegen ausarteten, wurden durch unterschiedliche politische Ansichten ersetzt.
Ein gutes Dutzend der Vertreter der verschiedensten Interessengruppen formten das aktuelle Parlament.
Darunter als momentan stärkste Fraktion, die damit auch den Vorsitzenden Wilkonsons stellte, waren die Imperialisten. Deren vorrangiges Ziel galt schlicht und einfach dem Erhalt und dem Ausbau der Kolonien und hatte die Politik des Parlaments in den letzten fünfzig Jahren maßgeblich geprägt. Was auch der provozierte Angriff auf Artherium vor zehn Jahren bewies.
Letztlich galt das Interesse Imperialisten vorrangig den Menschen. Alle anderen Lebewesen mussten hinten anstehen und notfalls weichen.
Eine Steigerung zu den Imperialisten waren noch die Extremistischen Randgruppierungen, die am liebsten auf alles schießen würde, was grade nicht in ihr Konzept passte. Zum Glück bildeten diese jedoch eine Minderheit und wurden auch offiziell nicht von den Imperialisten geduldet.
Eine weitere größere Gruppierung innerhalb des Parlaments waren die Vertreter eines gemeinschaftlichen Commonwealth. Deren Ideen standen im krassen Gegensatz zu den Imperialisten und strebten nach einer Politik der Verständigung und des vollkommenen Verzichts der Kolonialisierung bewohnter Welten, ob es auf diesen nun intelligentes Leben gab oder nicht.
In den letzten Monaten hatten diese jedoch, vor allem in Verbindung mit dem Angriff der Artheraner, immer mehr an Einfluss verloren. Zum Jetzigen Zeitpunkt regierten die Imperialisten fast ohne nennenswerte Opposition.
Neben diesen zwei großen Gruppen hatten auch fast alle etablierten politischen Gruppierungen ihre Vertreter im Parlament. Liberale, Kommunisten, Republikaner…
All das war Coel bekannt, als er die steinernen Stufen zum Zugang der Parlamentshalle hinauflief, vorbei an einigen Sicherheitsmännern, die ihm kurz einen wachsamen Blick zuwarfen und sich dann wieder auf die Straße konzentrierten. Die Spuren der gestrigen Ausschreitungen waren noch überall deutlich zu sehen. Brandspuren auf dem Asphalt zeigten ihm, wo Feuer gebrannt hatten und einige Schaufenster, die er auf dem Weg hierher passiert hatte, waren eingeworfen worden.
Eine verstärkte Polizeipräsenz hatte die Straßen kontrolliert. Einmal war er sogar angehalten worden und musste sich ausweisen. Dabei hatte er beobachten können, wie zwei Polizisten einen Obdachlosen, der vermutlich noch nicht einmal an den Protesten beteiligt gewesen war, bei Seite geschafft hatten. Alles in allem war die Stimmung nervös… aber ruhige. Vielleicht die Ruhe vor dem nächsten Sturm.
Er trat durch die gläsernen Türen und in das innere einer kleinen Vorhalle mit hoher Decke. Dutzende Leute in Anzügen rannten hektisch hin und her, andere unterhielten sich, mal gedämpft und mal lauter. Hier und da entdeckte er auch einen Artheraner, die sich in kleinen Gruppen zusammendrängten. Nur selten entdeckte er einen, der sich mit einem der Menschen unterhielt.
Er schnappte ein paar Gesprächsfetzten auf, während er sich seinen Weg durch die Halle suchte.
,, Bin nicht rechtzeitig rausgekommen…. Kurz gedacht ich Schaffes nicht…“
,, Was war nur mit diesen Leuten los ?“
Ein großer Bildschirm an der Wand spielte grade ein Statement des Parlamentsvorsitzenden ab.
,, Die gestrigen Ausschreitungen werden sicher nicht geduldet werden. Meinungsfreiheit und das Recht dafür einzutreten sind und bleibt ein hohes Gut. Aber solche Ausschreitungen dürfen nicht geduldet werden. Sollte es zu weiteren Vorfällen kommen behält sich das Parlament vor, scharfe Sanktionen gegen alle Beteiligten vorzunehmen. Vandalismus und Gewalt sind der falsche Weg. Und ich hoffe, dass man mir da zustimmen wird. Ich weiß der Großteil unter ihnen ist verunsichert.. hat Angst. Aber ich verspreche ihnen das wird…“
Coel hörte nicht mehr zu. Was jetzt kam war bestenfalls politische Propaganda.
Er sprach einen Mann an, der im Gegensatz zu den meisten anderen nicht beschäftigt schien.
,, Wissen sie wo ich den Vorsitzenden finde?“
Der Mann nickte. ,, Gehen sie durchs Foyer und dann die Treppe hoch. Sie können es nicht verfehlen. Ich würde aber anklopfen. Wir haben offenbar Besuch… von außerhalb.“
,, Was meinen sie ?“
,, Ein Taride.“
,, Wie bitte ?“
Als die Menschheit damit begonnen hatte, ihre kleine Ecke des Universums zu verlassen und sich auf andere Sternensysteme auszubreiten, war schnell klar, dass es irgendwann zwangläufig zu einem Erstkontakt kommen musste.
Somit war die Frage, nach dem Aussehen von eventuellem intelligentem Leben aufgekommen.
Allgemein gab es zwei Theorien.
Die eine besagte, das sich Außerirdische generell Humanoid gestalten würden, da gewisse körperliche Merkmale z.b Hände oder zumindest Greifwerkzeuge absolut erforderlich waren um komplexere Aufgaben zu erfüllen.
Somit war auch ein aufrechter Gang wahrscheinlich und da sich zumindest für erdähnliche Bedingungen das Konzept fünf Sinne, Gehör-, Geruch-, Tast-, Seh- und Geschmack, sich als am Vorteilhaftesten erwiesen hatte, würde sich unter ähnlichen Bedingungen wieder dieselbe Evolutionäre Bahn herausbilden. Weil Sinnesorgane nützlich sind und es Vorteile bringt, wenn diese oben am Körper und nahe am Gehirn angeordnet sind – beispielsweise ermöglicht dieser Körperbau kurze Reaktionszeiten – dürfte auch dies auf nichtirdische Intelligenzen zutreffen.
Auch würde Leben auf erdähnlichen Planeten wohl in jedem Fall ebenfalls auf einer Kohlenstoff-Chemie basieren.
Zumindest die Artheraner schienen diese Theorie zu bestätigen. Die Unity hingegen, konnte man dafür schlecht als Beispiel anführen, da niemand wirklich wusste, wie diese in ihrer ursprünglichen Form ausgesehen hatten.
Die zweite Theorie ging in genau die entgegengesetzte Richtung. Da die Evolution nicht voraussehbar sei und sich Leben durchaus auch auf nicht erdähnlichen Planeten entwickeln könnte, durfte man nicht davon ausgehen, etwas Menschenähnlichen gegenüber zu stehen. Vermutlich ließe sich ein außerirdisches Lebewesen nicht einmal in das Tierreich der Erde einordnen.
Und tatsächlich müssten diese Lebewesen nicht einmal auf Kohlenstoff basieren. Auf Planeten mit höherer Temperatur wäre sogar eine organische Chemie auf Schwefel, oder im Extremfall sogar Silizium-Basis möglich.
Für diese Theorie gab es ebenfalls einen Lebenden Beleg.
Vor einigen Jahren war man auf die Tariden gestoßen. Eine ziemlich seltsame Spezies, die sich am besten wohl noch mit Insekten vergleichen ließ. Aber ansonsten, gab es keinerlei Vergleichsmöglichkeiten mit irdischen Lebewesen.
Meist hielten sich diese Wesen zurück und es war bisher nur zu ein paar Kontakten gekommen. Technisch befanden diese sich wohl auf einer Ebene mit den Menschen, vielleicht sogar etwas darüber und verfügten über einen ähnlichen großen Einflussbereich. Jedoch gab es bisher nur selten Versuche einer politischen Annäherung und die beiden Völker gingen sich eher aus dem Weg. Das Universum war groß genug.
Da kam doch die Frage auf, was genau ein Taride auf der Erde suchen würde….
,, Er.. oder sie…oder es keine Ahnung… ist offenbar schon vorgestern hierangekommen. Ein politischer gesandter. Fragen sie mich nicht,, was die von uns wollen.“
,, Danke, ich werde Wilkonson fragen wenn ich ihn sehe.“
,, Tun sie das. Interessant ist allerdings das auch die Unity sich wieder gemeldet hat.“
,, Das heißt auch ein Vertreter der Unity ist hier ?“
Der Mann nickte. ,, Das hat hier alle ebenfalls ziemlich aufgeregt. Es ist immerhin ein Viertel Jahr her, dass die sich das letzte al gezeigt haben.“
Coel klopfte einmal und trat dann durch die Tür, die vor ihm automatisch zur Seite glitt und in der Wand verschwand.
Drei Personen befanden sich in dem zum Großteil von einem Schreibtisch eingenommenen Raum. Ein großes Fenster n der Rückwand erlaubte einen Blick auf die Straßen draußen.
Eine der Personen im Raum war Henry Wilkonson, der Coel hereinwinkte, als er diesen in der Tür stehen sah. Das zweite Anwesende Lebewesen…. War wohl der Taride.
Ein graues Exoskelet, vier Arme besetzt mit Greifzangen, wie es aussah, drei gelbliche Punkte als Augen…Coel fiel nichts ein, womit er den Tariden hätte vergleichen können.
Wenn man etwas völlig fremdartiges suchte dachte er… dann hatte er es soeben gefunden.
Das Wesen stand auf und verließ den Raum mit einer Folge von Klicklauten, die Col irgendwie an eine riesige Grille denken ließen.
,, Er meint er kommt später zurück.“ , erklärte die dritte Person.
,, Seyonn ?“
,, Es ist auch schön sie wiederzusehen Coel.“ , erwiderte der Botschafter der Unity.
Seine eisblauen Augen, die Coel einstmals Emotionslos und kalt vorgekommen waren, schimmerten kurz. Die grauen Haare, die sein Alter fast nicht einschätzbar machten standen wirr vom Kopf ab.
Die Unity war vor rund fünfzig Jahren das erste Mal aufgetaucht. Damals war eines ihrer Schiffe auf einer Koloniewelt gelandet. Die ersten Bewohner die in die Nähe der Landestelle kamen staunten nicht schlecht, als sie feststellten, dass das Schiff vollkommen leer war. Zumindest dachten sie das erst. Bis sie plötzlich etwas gegenübergestanden hatten, das beinahe wie ein Mensch aussah.
Die Angehörigen der Untiy besaßen an sich keine wirklichen Körper mehr. Ihre Technologie war, soweit Coel das Verstanden hatte auf einem Punkt angekommen, an dem sie ihr Bewusstsein auf Computer Übertragen hatten. Kleine Schwärme aus Millionen von Atomgroßen Speichereinheiten, die letztlich jede das Bewusstsein einer Person enthielten, manchmal auch die von mehreren und sich selbst reparieren zu jeder Form zusammensetzen konnten. Meist wählten die Vertreter der Untiy die Form der Wesen, mit denen sie grade zu tun hatten.
Aus menschlicher Sicht betrachtet waren die Unity so gut wie unsterblich. Solange nicht der Großteil aller Nanospeicher aus denen sie bestanden zerstört wurde lebten sie praktisch ewig.
Seyonn hatte, soweit Coel das abschätzen konnte vermutlich schon existiert als die Zivilisation auf der Erde grade im Entstehen war.
Diese Unsterblichkeit hatte jedoch auch ihren Preis gefordert. Die Zivilisation der Unity stagnierte.
Und wenn einer von ihnen starb, so unwahrscheinlich das war, war er für immer weg. Ihre Bevölkerung schrumpfe nur noch… und war früher oder später dem Untergang geweiht.
,, Ich warte vor der Tür.“ , meinte Seyonn und trat auf den Gang hinaus, wo soeben auch der Taride verschwunden war.
Die Tür fiel zu.
,, Setzten sie sich.“ , meinte Wilkonson.
Coel nahm auf einem der Stühle Platz, die vor dem Schreibtische standen.
,, Sie wollten mich sprechen ?“
,, Und ob ich das wollte. Verdammt Coel. Haben sie eine Ahnung wie viel Schaden das anrichten kann?“
,, Was ?“
,, Lesen sie doch selbst.“ Er warf ihm eine Zeitung zu.
Coel überflog schnell die Titelseite.
Proteste schlagen in Gewalt um
WHO-Direktor tot
Ex-GTDF schlägt Reporter zusammen… Was zum…
Coel begann zu lesen.
Finn Coel, für viele der Mann, der vermutlich das Weltenschiff bei der Schlacht vor drei Monaten zerstörte zeigte sich äußerst gewalttätig als ihm unser Reporter ein paar simple Fragen stellte.
Cliff Clouse , unser Reporter erlitt mehrere Knochenbrüche…
,, Das ist Schwachsinn. Ja ich habe die Beherrschung verloren. Aber das einzige was bei dem gebrochen ist, war die Nase.“
,, Er ist offenbar mit einigen Plünderern aneinandergeraten… hat dann aber später behauptet, sie hätten ihn so zugerichtet.“
,, Darf der das denn ?“
,, Coel es geht nicht darum ob der das darf. Die Nachricht ist raus und das Kind in den Brunnen gefallen. Alles was wir jetzt noch tun können ist Schadensbegrenzung.“
,, Die wie aussehen soll ?“
,, Entschuldigen sie sich öffentlich bei ihm.“
,, Vergessen sies. Wilkonson, wenn sie dabei gewesen wären.. der Mann hat es darauf angelegt und selbst wenn ich nichts getan hätte, irgendwas würde da heute stehen. Dafür wird der doch bezahlt.“
,, Ich kann sie ja verstehen. Aber irgendwas müssen wir tun.“
,, Ich werde mich sicher nicht vor einer Kamera stellen und die Hand von dem Kerl schütteln. Sie sind der Politiker. Denken sie sich irgendein Statement aus und ich packe meine Unterschrift drunter.“
,, So läuft das…“
Coel war aufgestanden.
,, Wo wollen sie hin ?“
,, Raus.“ , antwortete er und trat durch die Tür. Am liebsten hätte er sie hinter sich zugeworfen.. aber bei einer Automatiktür war das Schwierig.
,, Das klang ja sehr entspannt.“ , meinte Seyonn, der auf dem Flur wartete, als Coel das Büro verließ.
Er nickte nur. ,, Wo haben sie eigentlich die letzten 3 Monate gesteckt ?“
,, Das wissen sie doch hoffentlich. Die Unity hat sich auf Enclave gesammelt. Wir haben über unser weiteres Vorgehen beraten.“
,, Und wie läuft das ?“
,, Nicht gut.“ , gab der Botschafter zu ,, Man hat entschieden, das es das beste sei sich aus allem raus zu halten. Ich habe dagegen Argumentiert. Auch ein paar andere… aber… man meint ich hätte zu viel Zeit mit den Menschen verbracht. Ich sei nicht mehr Objektiv genug.“
,, Wow. Politik stinkt einfach überall. Aber trotzdem sind sie hier?“
,, Natürlich. Jeder von uns ist letztlich nur sich selbst verantwortlich. Oder der Gemeinschaft. Solange ich nichts tue was die Unity als gesamtes bedroht…“
,, Man hat sie also an die lange Leine gelegt.“
Der Abgesandte lächelte. Ein wirklich seltener Anblick ,, Ja sozusagen. Ich mag diese seltsamen Erdbegriffe. Manchmal passen sie irgendwie.“
,, Ihre Leute werden uns als nicht helfen, wenn die Via noch mal auftauchen sollten ?“
,, Die meisten nicht.“
,, Ich verstehe es nicht. Wenn die Via mit uns fertig sind, ist die Unity doch sicher ihr nächstes Ziel? Immerhin haben sie diese doch früher besiegt, da wäre ich zumindest auf Rache aus.“
Seyonn schüttelte den Kopf.
,, Ich glaube sie verstehen das Wesen unseres Konflikts nicht ganz. Die Via und wir haben das gleiche Ziel. Nur unsere Methoden stehen im Gegensatz zu einander. Ein Konflikt war unvermeidlich, aber nicht in unserem Interesse. Letztlich wird sich so oder so zeigen wer Recht hatte. Es geht nur um die Beantwortung einer Frage.“
,, Moment, sie sagten der Krieg zwischen ihnen und en Via hätte ihr Volk an den Rand der Auslöschung getrieben. Und jetzt meinen sie, das alles sei nur wegen einer… ethischen Frage geschehen?“
,, Mich wundert, dass sie das Überrascht. Die menschliche Geschichte ist voll mit Kriegen, die wegen verschiedenen Religiöser oder politischer Ansichten geführt wurden. Wie kommen sie darauf, wir seien besser? Wir sind lediglich in der Lage den Fehler zu erkennen. Ausmerzen jedoch können wir ihn nicht. Wenn wir uns in diesen Kampf hineinziehen lassen, sind wir nicht besser als die Via… und geben ihnen damit Recht.“
Coel nickte. ,, Ich kann nicht sagen, dass ich es nachvollziehen kann. Aber ich verstehe ihren Standpunkt. Trotzdem, hier geht es doch um eure Existenz.“
,, Genau deshalb bin ich ja hier. Ich folge einer Spur.“
,, Einer Spur von was ?“
,, Von dem was vorher war. Ich bin mir noch nicht sicher was es ist. Eine weitere Frage vielleicht… Ich werde es wissen wenn ich die Antwort sehe.“
,, Wissen sie, dafür das sie über einen Maschinenintellekt verfügen, sprechen sie ziemlich gerne in Rätseln.“
,, Alte Angewohnheit.“ , meinte er. ,,Unser Wissen über die Zeit vor der großen Zwist weißt große Lücken Technik, Wissen, sogar die Position ganzer Welten, ging uns im Feuer verloren.“
,,Wie verliert man einen Planeten ?“ , wollte Coel wissen.
,,Indem die Erinnerung daran ausgelöscht wird. Wir wählten zu vergessen zumindest vermute ich das, es ist die einzige Erklärung für unsere Wissenslücken. Und danach suche ich. Nach Lücken.“
,, Seien sie dabei nur vorsichtig.“
,, Das bin ich immer Coel. Passen sie ebenfalls auf sich auf. Sie haben mehr Feinde als sie denken. Man findet nur selten Antworten. Und noch seltener welche wie sie.“
,, Ich bin ein Antwort ? Auf welche Frage ?“
,, Das finden sie noch selbst raus.“
Mit diesen Worten trat Seyonn wieder durch die Tür zurück in Wilkonsons Büro und ließ Coel allein auf dem Flur zurück. Und zu all den Dingen, die in seinem Verstand herumwirbelten, wie nicht zusammenpassende Puzzlesteine war ein weiterer getreten…. Welche Frage ? Und vor allem… mehr Feinde als er wusste? Aals ob er noch mehr gebrauchen könnte…
Martin lief die metallenen Gitterstufen hinauf. Er hätte natürlich auch den Fahrstuhl nehmen können, aber er wollte sich Zeit lassen. Es war eine Weile her, dass er das letzte Mal auf der Kronos gewesen war. Als Prototyp und neues Flaggschiff konzipiert verfügte der Raumkreuzer über eine erstaunliche Feuerkraft und konnte mit Fug und Recht als das modernste Schiff der Flotte angesehen werden. Mehrere Railguns bildeten die Offensivwaffen des Schiffs auf jede Entfernung. Auf dem Papier und als Prototyp existierten Railguns bereits seit den Anfängen des 21 Jahrhunderts.
Aber der wirkliche Durchbruch der Waffe kam erst im Laufe der Zeit.
Die Railgun, auch als EMRG oder Schienenkanone bekannt beschleunigte ein Geschoss nach dem gleichen Prinzip, auf dem auch eine Magnetschienenbahn beruhte.
Eine Art Schlitten, der das Projektil beherbergte, wurde mithilfe eines Magnetfelds beschleunigt. Die dabei entstehenden Geschwindigkeiten waren so groß, das sich durch bloßen Reibungswiderstand eine Plasmawolke hinter dem Geschoss bildete und die Projektile sich beinahe mit 2,5 Kilometern in der Sekunde auf ihr Ziel zubewegten.
Kein ungeschützter Schiffsrumpf konnte dem standhalten.
Allerdings verfügten die Militärischen Schlachtschiffe über ausgeklügelte Abwehrsysteme.
Als erstes, eine Außenpanzerung, die allerdings auch Zivile Schiffe besaßen. Das war auch dringend erforderlich.
Denn auch wenn auf einen Kubikzentimeter im All grad einmal ein Teilchen kam, reichte dies schon aus. Bei einer Geschwindigkeit von über Dreihunderttausend Kilometern pro Sekunde wirkte jedes dieser atomgroßen Teilchen wie ein Panzerbrechendes Projektil und ohne eine stabile Schutzhülle , eine Legierung aus Platin und Osmium, zwei extrem dichten Metallen, wäre von der Kronos oder jedem anderen Schiff bereits beim ersten ÜLG-Sprung nur Asche übrig geblieben.
Vor Railgunprojektilen bot diese Panzerung allerdings trotzdem kaum Schutz. Um diese Abzuwehren wurde ein magnetisches Feld um das Schiff gelegt, das sämtliche Geschosse ablenken sollte. Zumindest in der Theorie. In der Praxis kam etwa die Hälfte aller Projektile durch.
Diese trafen dann auf die letzte Verteidigungslinie.
Ein starkes Energieschild, das letztlich fast jeden Schaden abfing.
Die Schildtechnologie war jedoch nicht von den Konstrukteuren der Menschen entwickelt worden. Diese Technik stammte von der Unity. Die Funktionsweise verstanden selbst die besten Wissenschaftler nicht ganz, aber zumindest hatten sie schnell gelernt diese zu kopieren.
Die Kronos verfügte über acht Decks. Auf dem ersten lag die Brücke, das zweite stellte Raum für einen taktischen Besprechungsraum und ein Offiziers-Quartier.
Auf den nächsten zwei Decks waren Quartiere für die fünfzig Mann Besatzung und ein provisorisches Medizindeck eingerichtet.
Und auf dem fünften schließlich befanden sich die Serverstationen für HAL und eine Waffenkammer.
Darunter lagen wiederum der Hangar und einige Zellen.
Die restlichen Decks waren Maschinensteuerung, dem Nova-Generator und den Railgunstationen vorbehalten.
Martin selbst befand ich grade zwischen dem zweiten und ersten Deck. Watergate, der aktuelle Kommandant des Schiffs und Befehlshaber der Defensivflotte hatte ihn auf die Brücke bestellt.
Es wunderte ihn nicht. Immerhin war er auf Anfrage genau dieses Mannes hier.
Wobei die Hauptaufgabe des Schiffs momentan darin bestand die tausende mehr oder weniger großen Trümmerteile aus dem Orbit der Erde zu räumen.
Eine Siphos-Arbeit, aber eine notwendige, den vor allem Trümmerstücke mit mehr als ein paar Metern Durchmesser konnten für startende und landende Schiffe schnell zur Bedrohung werden.
Er erreichte die Tür, die ihn auf das Kommandodeck führen sollte. Normalerwiese wäre diese vor ihm automatisch zur Seite aufgegangen. Aber diesmal blieben sie geschlossen. Natürlich. Er war ja auch erst seit ein paar Stunden wieder an Bord.
,, HAL ? Ich glaube meine alte ID wurde gelöscht. Können sie mir eine neue Zuweisen“
,, Das muss Watergate autorisieren.“
,, Sagen sie bloß, es kümmert sie, was irgendwelche Vorschriften ihnen befehlen. Sie haben mittlerweile doch eh die meisten Protokolle umgangen.“ , erwiderte Martin.
,, Weiße neue ID zu. Subjekt Martin Richter. Schiffssysteme angepasst.“
Die Türschwang auf.
,, Danke. War doch gar nicht so schwer.“
Das Kommandodeck der Kronos bestand hauptsächlich aus einem großen Kreisförmigen Raum, in dem alle wichtigen Schiffsdaten zusammenliefen. Einige Bildschirme, die mit Kameras auf der Außenhülle verbunden waren erlaubten einen visuellen Rundumblick, der allerdings nur zur Zier diente. Das Schiff ließ sich ohne größere Schwierigkeiten auch vollkommen Blind anhand der Instrumente navigieren und bei einem ÜLG-Sprung wurde sowieso komplett auf die Steuerung durch einen Computer zurückgegriffen, da die geringste Abweichung durchaus dazu führen konnte, das man am anderen Ende der Galaxie herauskam.
John Watergate, der vormalige Kommandant der Horus sah von einer Konsole auf, als Martin eintrat.
Der Mann war noch Jung für seinen Rang als Schiffskommandant. Soweit Martin wusste, war er vor Zehn Jahren der GTDF beigetreten und hatte seitdem eine steile Karriere hinter sich gebracht. Grüne Augen funkelten ihn aufmerksam unter einigen dunklen Haarsträhnen hindurch an.
,, Sie machen sich noch mit den Systemen vertraut ?“ , fragte Martin.
Watergate nickte.
,, Ich habe die Horus fast zwei Jahre lang befehligt. Da dauert es etwas, sich an ein neues Schiff zu gewöhnen. Aber ich muss zugeben, bisher bin ich positiv überrascht. Allerdings habe ich die Kronos bisher auch noch nicht in einer Kampfsituation erlebt. Sie schon und noch dazu gegen das Weltenschiff.“
,, Das mag ja sein, aber außer das wir ziemlich was einstecken mussten, kann ich ihnen dazu auch nichts sagen.“
,, Ich verstehe. Trotzdem, zumindest wissen wir damit schon mal, das wir ihnen in Unterzahl definitiv nicht entgegentreten können.“
,, Denken sie die Via tauchen noch mal auf ? Offiziell hat das Parlament erklärt, die seien erledigt. Beim Sprung verglüht.“
,, Sie waren näher dran als ich. Aber selbst von der Horus aus… wenn das Schiff beim Beschleunigen auf ÜLG verglüht wäre hätten wir viel mehr Trümmer finden müssen. Nein, die sind noch immer irgendwo da draußen Martin und das wissen sie genauso gut.“
,, Wo wir grade bei Trümmern sind, wie sieht es eigentlich damit aus ?“ , wollte er wissen.
,, Wir bereiten grade ein weiteren Transport vor….“ , meinte eine bekannte Stimme hinter ihm.
,, Ägir schön sie zu sehen.“ , begrüßte er den Marienoffizier.
,, Ebenso. Watergate.“ Er nickte dem Offizier kurz zu.
,, Also, wie weit sind wir ?“ , fragte der Kommandant.
,, So gut wie fertig. Die Schwerkraftverankerungen für die Trümmer müssen noch angebracht werden.“
,, Das überwache ich selbst. Wenn wir Richtung Jupiter springen und die lösen sich können wir einen Monat damit verbringen alles wieder einzusammeln.“ Watergate trat aus der Tür des Kommandodecks und verschwand Richtung Fahrstuhl, der ihn in den Hangar-Bereich bringe würde, wo grade die letzten Vorbereitungen liefen.
Martin und Ägir blieben fast allein zurück auf der Brücke. Nur zwei Besatzungsmitglieder arbeiteten noch an einer Konsole und überwachten vermutlich die Position des Schiffs.
,, Also, wie ist der so ?“
,, Wer ?“
,, Watergate, ich will wissen mit wem ich es zu tun habe.“
,, Tja, er hat eine Blitzkarriere in der GTDF hingelegt. Ich bin ihm einmal begegnet während ich für die Handelsmarine unterwegs war und Waffen an einige Außenposten geliefert habe. Ich würde sagen, er ist ganz in Ordnung. Aber ehrgeizig ohne Ende, das sollten sie nie vergessen.“
,, Damit kann ich leben. Wie schaffen sie es eigentlich das bisher keiner Hal… zurückgesetzt hat.“
Eine der Standardsicherungen bei der Arbeit mit KIs, war die Möglichkeit, deren Speicher zurückzusetzen. Etwas, das nötig wurde. Denn wenn eine Maschine sich ihrer selbst bewusst wurde, waren die Folgen nicht immer absehbar und konnten auch aus dem Ruder laufen. Im Fall von Hal jedoch, dessen unheilvoller Namensvetter wohl nicht passender hätte gewählt werden können, hatte Coel aus welchem Grund auch immer darauf verzichtet. Und das Programm hatte daraufhin begonnen sich mehr oder weniger sein eigenes Bild der Welt außerhalb der bindenden Beschränkungen seiner Programmierung zu machen.
Etwas, das sich vor allem in Nerv tötenden oder auch erschreckenden Fragen äußerte. Lediglich an einer Grundregel schien die KI festzuhalten.
Dem Grundsatz, dass letztlich alles Leben schützenswert war.
,, Da habe ich gar nichts gemacht. Bisher hat man die KI noch nicht überprüft. Und selbst wenn…“ Ägir zuckte mit den Schultern. ,, Das ist ein Computer.“
,, Und sie sind nur eine Anhäufung von Zellen.“ , erwiderte eine Stimme aus einem Lautsprecher.
,, Beleidigt sie jetzt schon ?“
,, Das war keine Beleidigung und in keiner Weise offensiv gedacht. Lediglich eine simple Feststellung. Wenn wir schon alles auf das wesentliche reduzieren.“
Martin konnte sich irren… aber war da nicht so etwas wie Sarkasmus in der künstlichen Stimme?
,, Schon klar.“
,, An die gesamte Besatzung, Die Ladung ist gesichert. Kur setzen. Bringen wir das hinter uns.“ , meldete sich Watergate über die Sprechanlage.
,, Na dann los.“
,, Wie lange wird das dauern ?“
,, Normalerweise nur ein paar Stunden. Danach geht’s zurück. “
,, Und sonst ?“
Martin sah auf einen der Sichtbildschirme. Die Erde schimmerte als blaue Kugel in einiger Entfernung. Wie unbedeutend dieser kleine Fleck wirkte. Selbst wenn sie einen Teil dieser Galaxie beherrschten… im Maßstab des restlichen Universums waren sie eine Kerzenflamme in einem Meer von Lichtern.
,, Wir haben endlich einen Schiffsarzt, falls es sie interessiert. Watergate hat das irgendwie organisiert.“
,, Nun ich hoffe wir werden sobald keinen brauchen. Auch wenn ich mir spannenderes vorstellen kann, als Wrackteile von A nach B zu schaffen.“
Aine saß an Bord des artheranischen Gesandtenschiffs und sah Gedankenverloren auf den Planeten unter dem Schiff, bei dem es sich lediglich um einen Kreuzer ohne Bewaffnung handelte.
Eine blaue Kugel, die sich endlos langsam um sich selbst drehte.
Insgesamt waren vielleicht zwanzig Artheraner an Bord, die mit ihr die Verhandlungen mit den Menschen koordinierten und durchführten.
Eine ermüdende Tätigkeit, aus der sie sich so gut es ging heraushielt.
Nein… sie war nicht hier um sich Stundenlang in Verhandlungsräumen aufzuhalten, sie war hier, weil sie sich versteckte…
Auf Artherium waren die Artheraner bei der Ankunft der Menschen etwa auf dem technischen Stand der beginnenden Industrialisierung gewesen. Politisch war das Land in mehrere Stadtstaaten und Länder eingeteilt gewesen
Manche davon feudalistisch regiert, andere, vor allem eine Reihe von unabhängigen Städten, von Räten oder Familienhäusern kontrolliert. Es war auch damals nicht unbedingt friedlich gewesen. Eher im Gegenteil. Ständige kleinere Konflikte zwischen den einzelnen Einflussgebieten hatten fast ständig getobt. Aber es war zumindest eine stabile Welt gewesen.
Dann jedoch war der Tag gekommen, an dem der Himmel gebrannt hatte. Und ein erstes menschliches Schiff auf dem Planeten landete. Götter, wie manche glaubten. Lediglich ein höher Entwickeltes Volk, wie sie schnell feststellten. . Artherium befand ich auf einem genügend hohen Entwicklungsstand, um diese technische Überlegenheit zu verstehen.
Anfangs schienen die neuen Besucher, in deren Gefolge sich auch Vertreter der Unity fanden, nicht feindlich gesinnt. Man erlaubte ihnen sogar eine Kolonie auf Artherium zu errichten, im Austausch für Technologie, mit der die Artheraner sehr schnell umzugehen lernten. Und nicht nur das. Sie begannen es zu verstehen und selbst, auf Basis des neuen, eigene Weiterentwicklungen vorzunehmen. Ein Prozess, der selbst bei den 10-mal so schnell lernenden Artheranern noch Jahrhunderte gedauert hätte, wurde auf einige Jahre verkürzt.
Doch dann war der Moment gekommen in dem sich alles geändert hatte. Nach dem das Angebot weitere Ressourcen und Gebietsansprüche gegen Technologie auszutauschen ausgeschlagen wurde. Wozu für neue Technologie zahlen, wenn man jetzt die Mittel hatte, diese selbst zu erschaffen?
Das dachten sie zumindest. Eine Weile lang blieb es ruhig.
Doch dann begann der Krieg, der fast zwei Jahre lang tobte. Und sie mussten sich eingestehen, dass sie die Menschen maßlos unterschätzt hatten. Eine ganze Flotte wurde gegen die Artheraner geschickt. Kämpfe tobten fast überall auf Artherium. Bis das Parlament oder die GTDF entschieden hatte, das die Artheraner die Mühe nicht wert waren.
Der erste Einsatz einer Nova-Waffe hatte die Oberfläche von Artherium zu Ache verbrannt und jedes Leben auf darauf getötet. Die wenigen Artheraner die entkamen zerstreuten sich und suchten Zuflucht auf einer möglichst weit vom Einflussgebiet der Menschen entfernten Welt.
Und dann waren die Via aufgetaucht, hatten die Gebrochenen, die Verunsicherten und vor allem die nach Rache sinnenden für einen Kreuzzug gegen die Menschheit eingespannt und dabei doch nur ihre eigenen Zwecke verfolgt.
Und das war etwas, das fielen Artheranern noch immer nicht klar war. Fakt blieb, hätten sie nach dem Rückzug der Via aus der Schlacht weitergekämpft, hätte die zwar kleinere aber dafür sehr viel besser bewaffnete und ausgebildete Erdflotte sie vernichtet.
Wenn Aine nicht den Befehl gegeben hätte, das Feuer einzustellen.
Ohne die Führung durch die Via hatten die Artheraner sich der Anweisung zwar gefügt, aber viele gaben nun ihr die Schuld daran, nun auf die Gnade des Erdparlaments angewiesen zu sein.
Sie wollte sich zumindest eine Weile von den meisten anderen Artheranern fern halten. Und dazu gab ihr das im Erdorbit verbliebene Botenschiff Gelegenheit. Die wenigen Artheraner, die auf der Erde geblieben waren um Verhandlungen zu führen, waren die Vernünftigeren, die die Notwendigkeit dafür auch sahen. Aber selbst unter diesen gab es einige, die ihr mittlerweile mit offener Feindseligkeit begegneten. Was sie auf den Artheranischen Welten erwarten würde… wollte sie lieber nicht herausfinden. Zumindest nicht, bis etwas Zeit vergangen war und sich die Gemüter wieder beruhigten.
Aber noch immer beschäftigten sich ihre Gedanken mit den vermissten Artheraner, den sie zusammen mit Martin und dem wiederaufgetauchten Coel auf dem Fabrikgelände gestellt hatten.
Soweit sie wusste war sein Name Keru gewesen und seit rund zwei Monaten hatte niemand mehr etwas von ihm gehört gehabt. Da kam die Frage auf… wo war der die ganze Zeit?
Vielleicht ließ sich Keru Weg irgendwie zurückverfolgen. Normalerweise würde die GTDF jeden Schritt eines Artheraners auf der Erde überwachen. Wen sie also Zugang zu den Datenbanken des Militärs bekam könnte sie zumindest herausfinden wo genau Keru von der Bildfläche verschwunden war. Zumindest wäre das wohl ein Anfang.
An Bord des Gesandtenschiffs gab es zwar niemanden, der gut genug wäre, sich Zugang zu den Militärdatenbanken zu verschaffen, aber möglicherweise gab es auch dafür eine Alternativlösung.
Soweit sie wusste befand sich Martin an Bord der Kronos und sobald diese von ihrem aktuellen Einsatz zurück kehrte und wieder in Funkreichweite war…
Eine halbe Stunde später baute sich endlich die Verbindung auf. Das Signal war schlecht und Zeitverzögert, da Aine nicht auf die Sonden der Erde zurückgreifen wollte.
Vermutlich wurde jedes Signal, das von dem artheranischen Schiff ausging abgefangen und überwacht. Und selbst wenn nicht, was sie vorhatte war mehr oder weniger Hochverrat.
,,Aine ?“ , fragte Martin. ,, Tut mir leid, der Link ist alles andere als stabil. Wir hatten ein kleines Rechnerproblem während des Rückflugs. Ich sag’s ja, die hätten besser einen Mac genommen…“
Offenbar hatte der Pilot versucht einen Witz zu machen, aber wenn, dann erstand sie ihn nicht. Es war auch nicht wichtig.
,, Ich fürchte ich muss sie um einen gefallen bitten.“
,, Das ist mal was neues.“ , meinte er. ,, Um was geht es ?“
,, Ich brauche Zugang auf die Militär-Datenbanken der GTDF.“
,, Sie sind verrückt.“ Martins Gesicht, das auf dem Übertragungsbildschirm erschien verlieh dieser Überzeugung auch Ausdruck. ,, Sie verlangen von mir ihnen Zugang zu Militärischen Informationen zu verschaffen.“
,, Und sie haben ein Problem damit ?“ , wollte Aine wissen.
,, Ich weiß ja nicht mal was sie damit wollen.“ , entgegnete er.
,, Eine Spur verfolgen.“
,, Das Hilft mir jetzt nicht wirklich weiter.“ Martin zögerte einen Augenblick. Er konnte ihr vertrauen , oder ? Aine hatte dutzende Gelegenheiten gehabt ihnen in den Rücken zu fallen.
,, Also nicht ?“ , fragte sie.
,, Das habe ich nicht gesagt.“ Antwortete Martin ,, Ich hoffe nur sie wissen was sie tun.“
,, Keine Sorge, ich passe auf.“
,, Das hoffe ich. Ich schicke ihnen meinen Zugangscode. Aber eine Warnung: Ich werde den gleich Morgen als unsicher melden. Sie finden was sie suchen also besser schnell. Außerdem, habe ich sie ja immer noch in der Hand, nicht wahr ?“
,, Martin… erinnern sie mich daran ihnen nie mehr irgendetwas zu erzählen.“
,, Sie sagen also, der menschliche Einflussbereich sei zu groß geworden ? Das unser Imperium zu schnell wächst? “
,, So ist es auch. Wie können wir erwarten, ein so großes Gebiet dauerhaft unter Kontrolle zu halten? Goodsprings war vielleicht nur der Anfang.“
,, Wir haben also ein zu großes Gebiet, kann ich das so festhalten ?“
,, Ja verdammt.“
,, Gut, dann möchte ich die Anwesenden auf etwas hinweisen. Vergleichen wir die Ausdehnung unserer Kolonien über die Galaxie und setzen dieses Gebiet mit der Fläche der Erde gleich meine Herren, dann ist dieses riesige Gebiet was wir heute angeblich kontrollieren, grade mal so groß wie die Innenstadt von London.“
,, Dieser Vergleich ist vollkommen…“
Coel verfolgte die Diskussion schon seit einer Weile. Nicht weil es ihn wirklich interessiert, sondern, weil er einfach nach einer Möglichkeit suchte, sich die Zeit zu vertreiben. Solange sich Adams nicht mit neuen Erkenntnissen meldete, steckte er in einer Sackgasse, so ungern er das auch zugab.
Das Thema hatte zur Verabschiedung eines Gesetzes gewechselt, das es der GTD erlauben sollte, im Notfall einige Sonderberechtigungen zu erhalten, wie es offiziell formuliert wurde. Inoffiziell erlaubte es der Militärorganisation Einsätze ohne vorherige Zustimmung durch das Parlament.
,, Was halten sie davon ?“
,, Ich finde das beunruhigend. Es mag ja schön klingen. Sicherheitsverordnung. Aber ehrlich, das ist doch nur eine andere Art das Kriegsrecht auszurufen. Wenn die GTDF nach Beendigung der Krise ihre Vollmacht nicht abgibt…“
,,Haben wir eine Militärdiktatur. Zumindest darin sind wir uns ja einig.“
,, Ihr Menschen, mit eurem so vorhersehbaren Handeln und Schubladendenken, immer wenn man euch ein wenig verunsichert, errichtet ihr sofort eine Diktatur. Seit ihr wirklich manchmal so dumm?“
Coel drehte sich um und entdeckte Seyonn, der grade über eine Treppe das Foyer betrat.
,, Was hatten sie noch mit Wilkonson zu besprechen ?“
,, Nicht viel ehrlich gesagt, der Mann wurde recht abweisend.“
,, Wieso das ?“
,, Nun, ich werde wohl nach Goodsprings aufbrechen.“
,, Die Kolonie hat sich vom Parlament losgesagt Seyonn.“ , erinnerte ihn Coel.
,, Ich weiß, ich hoffe aber mal, das die Unity dort noch willkommen ist. Und wenn nicht, nun ich bin sicher, der Anblick eines Unity-Schlachtschiffs ändert ihre Meinung schlagartig.“
,, Sie meinten vorhin, sie suchen nach etwas. Reisen sie deshalb ab?“
,, Unter anderem. Allerdings glaube ich da möchte jemand mit ihnen reden.“
Coel drehte sich kurz um und entdeckte den Tariden, der vorhin auch in Wilkonsons Büro gewesen war. Die meisten schienen ihn mehr oder weniger zu ignorieren. Oder versuchten es zumindest…
Aber er sah genau zu Coel herüber.
,, Sie meinen doch nicht etwa den Tariden, ich spreche nicht mal ein Wort…“
Er sah sich um. Der Abgesandte der Unity war verschwunden.
,, Toll..“
Vorsichtig näherte er sich der fremdartigen Gestalt. Die drei seltsamen Augenregistrierten ihn sofort.
,, Wollten sie etwas ?“
Coel zuckte beinahe zusammen.
,, Sie beherrschen unsere Sprache ?“
,,Es ist schwierig, aber möglich.“ , antwortete das Wesen. Die Worte waren klar Verständlich, aber man merkte, dass der Taride es nicht gewohnt war, menschliche Sprache zu benutzen. Die Buchstaben waren teilweise seltsam betont und das s.. begleitete der Außenwelten mit einem Klick-Geräusch, das Coel irgendwie unruhig machte.
Als erwartete er, das ihn das Wesen jeden Moment angreifen würde. Sein Blick fiel auf die ,, Hände“ des Tariden. Scharfgezackte Chitin-Klauen. Er war sich sicher, dass er ihn damit innerhalb eines Augenblicks Durchbohren und töten könnte…
Hör auf dir selbst Angst zu machen , sagte Coel sich.
Was hatte Aine über die Artheraner gesagt? Diese würde nicht einmal in einem Kampf auf Leben und Tod jemanden mit Krallen angreifen?
Er hatte einmal einen Artheraner getroffen, der dieses Verbot oder diese Richtlinie übertreten hatte. Der Mann war von seinen eigenen Leuten gejagt worden und man hätte ihn wohl getötet, wenn man ihn ergriffen hätte. Selbst seinen Namen hatte man ihm offiziell genommen…
Aber andererseits, das war kein Artheraner sondern ein Taride. Er wusste absolut nichts über sie. Weder über ihre Kulturell noch ähnliches.
,, Darf ich fragen, wieso sie hierhergekommen sind ?“ ,fragte Coel Vorsichtig.
,, Nun, es gab Berichte über… Instabilität, innerhalb ihrer Regierung und zwischen ihren Welten.“
,, Und das interessiert sie weil…“
,, Stabilität ist ein wichtiger Faktor. Wenn ihre Kolonien sich abspalten und auseinanderdriften… nun, wie formuliere ich das ohne das es in ihren Ohren falsch klingt… diese Kolonien könnten zur Bedrohung werden. Nicht nur für die Erde. Wir haben uns darauf geeinigt einander zu ignorieren. Doch wenn sich jetzt einzelne Kolonien separieren… wissen wir nicht, ob sich diese noch an alte Abkommen halten.“
Coel schüttelte den Kopf. Er hatte die unterschwellige Botschaft verstanden.
,, Sie planen einen Erstschlag.“
,, Nein, das nicht, sonst wäre ich nicht hier. Aber wenn ihre Regierung ihre Kolonien nicht unter Kontrolle halten kann… sehen wir uns gezwungen, das selbst zu übernehmen. Zum Schutz aller.“
,, Schutz ja ?“ , wollte er wissen. ,, Und sie erzählen mir das einfach so?“
,, Wir haben nicht vor irgendetwas zu unternehmen…solange die Menschen nicht zur Bedrohung werden. Das habe ich auch ihrem Vorsitzenden Gesagt. Sollte sich aber erweisen, dass sie zur Gefahr werden, wissen sie, dass wir handeln müssen. Das ist kein Geheimnis und vielleicht bringt es ihre Kolonien ja wieder zur Vernunft.“
Irgendwie wurde Coel das Gefühl nicht los, das da noch mehr war. Aber der Taride hatte sich umgedreht und schien das Gespräch offenbar für beendet zu halten.
Ihm konnte es nur Recht sein. Coel merkte, wie er erleichtert aufatmete, als er durch die Türen zurück auf die Straße trat. Noch immer waren die Spuren der gestrigen Unruhen zu sehen, auch wenn zwischenzeitlich Versuche unternommen wurden, diese zu beseitigen.
Verwaschene Brandspuren auf dem Asphalt zeigten ihm immer noch, wo Feuer gebrannt hatten und in einer Ecke stapelten sich verbrannte Reifen, die wohl für den dichten Rauch verantwortlich gewesen waren, der in der Nacht über dem Parlamentsviertel gehangen hatten
Ein Piep-Ton riss ihn aus seinen Gedanken.
Jedem GTDF Soldaten war ein kleines Funkgerät direkt ins Ohr implantiert. Coel hatte sich nie richtig daran gewöhnen können.
,, Was gibt es ?“
,, Coel, Adams hier. Ich glaube wir haben etwas.“
,, Wir ?“
,, Hal hat ein paar Tests mit dem Chip gemacht, den sie uns gebracht haben. Ich denke… kommen sie einfach her.“
,, Was ist denn ?“
,, Wer immer diesen Chip gebaut hat , ich weiß zwar immer noch nicht wozu der gut ist aber, wir haben ihn.“
,, Ich bin sofort da.“
Coel beendete die Verbindung. Endlich schien es, als würde er wieder eine Spur haben. Und Vielleicht ein paar Antworten bekommen.
Zwei Polizisten musterten den plötzlich Überraschend gut gelaunten Mann, der die Stufen vor dem Parlament herabsprang und sich dann auf dem Weg in Richtung der nächsten Metro-Station machte.
Etwa dreihundert Kilometer über ihm ging Aine grade einige Berichte der GTDF durch. Das meiste war nutzlos oder bestand aus endlosen Paragraphen und Bürokratischen Kürzeln. Nichts womit sie etwas anfangen konnte.
Dann jedoch sprang ihr etwas ins Auge… das gab es doch nicht. Sie hatte gefunden, was sie gesucht hatte.
Coel lief die Treppenstufen hinab, die ihn zum Bahnsteig führten. Es war ein anderer als der, den er vorgestern benutzt hatte. Aber auch hier war das Bild ähnlich. Obwohl es oben noch hell war tummelten sich hier neben den üblichen Obdachlosen und Drogenabhängigen, er hatte doch Mitleid mit ihnen oder ? , auch einige andere eher Zwielichtige Gestalten. Vermutlich hatte die verstärkte Polizeipräsenz oben auf der Straße viele von ihnen hier runter getrieben.
Auch wenn der stetige Warenstrom aus den Kolonien für einen deutlichen Anstieg des allgemeinen Wohlstands gesorgt hatte, die Schere zwischen Arm und Reich hatte das nie wirklich verkleinert. Eher das Gegenteil. Fast jeder, der keine Anstellung fand und es sich irgendwie leisten konnte, suchte auf den neuen Welten nach Arbeit. Dort gab es immer etwas zu tun, vor allem bei den jüngeren Kolonien, die sich noch im Aufbau befanden. Ob es nun um die Errichtung einer Infrastruktur oder Dienstleistungsservice ging, im All fand man normalerweise eine Einstellung. Wer ganz verzweifelt war, oder wagemutig, meldete sich auch schon mal freiwillig für die Armee. Natürlich nicht zur Spezialeinheit der GTDF, sondern zur Masse der gewöhnlichen Soldaten. Diese, die dort lange genug überlebten konnten nach Beendigung ihrer Verpflichtung durchaus auf eine Anstellung als Söldner hoffen. Zwar übernahm das Parlament offiziell die Verteidigung der Kolonien, aber manch eine Kolonialverwaltung verließ sich auch gerne auf eine eigene Privattruppe.
Kurzum, auf der Erde geblieben waren nur die Reichen oder die ärmsten der Armen. Jene, die entweder aus körperlicher oder psychischer Schwäche keine Anstellung fanden. Verrückte, Psychopathen, Abhängige… oder jene, die ihr Geld mit diesen verdienten… Coel brauchte nur einen geübten Blick durch die Menge der Gesichter wandern zu lassen, um mindestens zwei Waffenhändler auszumachen. Allerdings war das auch nicht wirklich schwer. Diese hoben sich allein schon ihre Kleidung und ihr Auftreten vom Rest ab.
Eine Frage, die er sich vorher nicht gestellt hatte, tauchte aus den tiefen seines Verstandes auf. Der Artheraner auf dem Fabrikgelände war bewaffnet gewesen… Mit Waffen hätte man ihn sicher nicht auf die Erde gelassen. Es bestand zwar immer noch die Möglichkeit dass er diese an den Kontrollen vorbeigeschmuggelt hatte, aber irgendwie glaubte Coel nicht daran.
Er musste die Waffe also auf der Erde erstanden haben. Aber würde einer der Waffenhändler hier mit einem Artheraner Geschäfte machen? Vermutlich ja… Dennoch würde es genug geben, die so etwas ablehnen würden.
Wenn er sowieso schon hier war und auf die Bahn warten musste, fragen tat nicht weh… wobei bei diesen Gestalten unter Umständen doch. Er trat vorsichtig auf eine davon zu.
,, Was wollen sie ?“ , fragte der Mann, der gemerkt hatte wie Coel sich näherte. In den Händen hielt er plötzlich eine kleine Pistole, die ihm vorher nicht aufgefallen war. Der Schwarzhändler richtete die Waffe nicht auf ihn. Das war allerdings auch gar nicht nötig. Die Drohung war eindeutig. Bis dahin und nicht weiter.
Coel bezweifelte, dass die Waffe viel Durchschlagskraft besaß, aber er trug keine Panzerung. Und auf die Entfernung wäre ein Treffer sicher tödlich.
Er blieb stehen und musterte den Mann. Dunkle Hautfarbe. Er trug einen einfachen hellen Kapuzenpulli mit hochgeschlagener Kapuze, die sein Gesicht halb verbarg. In einem Mundwinkel hing eine brennende Zigarette.
,, Das kommt drauf an, was sie haben.“
Der Händler senkte die Waffe und winkte ihn heran.
,, Ich habe nicht viel hier, nur der Standardkram. Zubehör eben….Aber wenn sie mir sagen was sie brauchen..“
,, Information.“
,, Verstehe. Das hat auch einen Preis. Der kommt aber ganz auf die Info an.“
,, Sagen wir einfach mal, ich wüsste gerne… wer von euch verkauft wirklich alles für den richtigen Preis ? Und vor allem jedem ?“
,, Wenn du zu einem dieser Protestler gehörst, vergiss es. Ich hab euch schon zu viel verkauft. Wenn die Polizei die Waffen zu mir zurückverfolgt…“
,, Davon rede ich nicht.“
Der Händler kniff die Augen zusammen. ,, Was für ein Spiel wird das ? Ich kenne niemanden, der momentan sonst Interesse an hätte…“
,, Artheraner. Für den richtigen Preis, würdet ihr Waffen an die Artheraner verkaufen?“
,, Ich glaube du hast einen völlig falsche Vorstellung, wie das hier läuft. Natürlich verkaufe ich… Ware… Aber keiner würde seinem Feind eine geladene Waffe in die Hand drücken.“
,, Wirklich keiner ?“
,, Keiner den ich kenne. Wir haben auch eine gewisse Verantwortung. Ich verlange nicht, dass sie das verstehen. Aber seitdem Marcks die Geschäfte leitet… „
Marcks war ein Name, dem man Zwangsläufig über den Weg laufen musste, wenn an sich an den Randgruppen der Gesellschaft bewegte. Ein Mann, von dem niemand wusste, wer er wirklich war. Vor ein paar Jahren hatte er begonnen, langsam aber sicher die Kontrolle über den Schwarzmarkt zu übernehmen.
Im Klartext hieß das, dass einige große Fische einfach aus dem Geschäft verschwunden waren. Vermutlich tot. Und Marcks hatte die Lücken gefüllt.
Coel kümmerte das eigentlich nicht. Aber in diesem Fall schien es eine Rolle zu spielen.
,, Der Mann ist politisch.“ , meinte der Händler. ,, Wenn ein Freihändler etwas tut, das nicht in sein Konzept passt ist das ungesund. Und Artheraner mit Waffen zu versorgen… ich persönlich hätte nichts dagegen. Geld ist Geld. Aber ich hänge an meinem Leben. Also, wollten sie jetzt was kaufen?“
,, Nein. Wie viel kostet mich die Antwort?“
,, Nehmen sie es als Geschenk des Hauses. Und…“ Er zog eine kleine Schachtel mit 45.er Patronen aus seiner Tasche. ,,Mit den besten Empfehlungen von Marcks Mr.Coel. Die können sie vielleicht bald gebrauchen.“
,, Danke. Und mit wem habe ich die Ehre?“
Der Händler lachte nur. ,, Wir sehen uns wieder.“
,, Sie sind doch nicht etwa…“
Doch der Mann hatte ihm bereits den Rücken zugekehrt und verschwand in der Menge.
,, Lediglich jemand, der ihnen Erfolg wünscht.“ , rief er noch über die Schulter.
Er blieb einen Moment verwirrt stehen. Der Mann hatte von Anfang an gewusst wer er war. Vielleicht sogar auf ihn gewartet ? Wenigstens hatte er jetzt seine Antwort, trotzdem, das seltsame Gefühl grade einen Fehler gemacht zu haben blieb.
Wer war der Kerl ?
Coel warf einen Blick auf die Uhr und machte sich dann auf dem Weg Richtung Bahnsteig. Was er von der Begegnung halten sollte, wusste er noch nicht, aber zumindest wusste er jetzt etwas mehr. Der Artheraner hatte die Waffe entweder auf die Erde geschmuggelt oder hier bekommen. Nur der Schwarzmarkt viel dafür schon einmal weg. Vielleicht würde er mehr Wissen, wenn er Adams erreichte. Wenn sie erst wüssten, wo dieser Chip herkam würden sich vielleicht auch einige andere Fragen beantworten.
Eine Radiomeldung über die Bahnsteiglautsprecher riss ihn erneut aus seinen Gedanken.
,, South hier, mit einigen neuen Meldungen. Das Parlament hat die Artherium-Akten nun offiziell freigegeben. Wie bekannt wurde als ein Zeichen guten Willens gegenüber den Artheranern.“
Damit war also auch das erledigt, dachte er beinahe bitter. Es war wohl die beste Gelegenheit. Bei der Lage auf der Straße würde die Wahrheit über den Einsatz der Nova-Waffen niemanden interessieren.
Er spürte nur hole Wut darüber, dass man auch noch versuchte, diesen Trick als guten Willen zu verkaufen.
,, Was soll das heißen, sie glauben ihre Zugangsdaten für die Datenbank seien nicht mehr sicher ?“ , fragte Watergate. Offenbar war der Kommandant nicht begeistert über diese Nachricht. Martin konnte es nachvollziehen. Der Papierkram, den das erfordern würde, hatte vermutlich mehrere hundert Seiten. Willkommen in der modernen Bürokratie, dachte er.
,, Ich glaube jemand benutzt sie. Keine Ahnung, wie mir die jemand abnehmen konnte. Vielleicht..“
,, Keine Ausreden. Sie glauben…. Martin, sie sind grade mal ein paar Stunden hier und verlieren ihre Codes? Halten sie mich für bescheuert?“ , wollte Watergate wissen.
,, Nein Sir, das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass ich einen neuen Zugang brauche.“
Martin ließ sich auf einen der Sitze auf dem Kommandodeck fallen. Er war sich im Klaren darüber, dass er ein ziemlich gefährliches Spiel spielte.
,, Schön, sie bekommen ihre neuen Codes. Aber eine Warnung Martin : Ich habe nichts gegen sie persönlich, aber was auch immer sie vorhaben, lassen sie sich erwischen, helfe ich ihnen nicht. Und jetzt gehen sie. Ich muss denen auf der Erde irgendwie erklären, wieso wir bereits neue Passwörter brauchen.“
Martin nickte und verließ die Kommandozentrale. Auf dem Flur hielt er an und atmete kurz erleichtert aus. Aine seine Zugangsdaten zu überlassen war eine Kurzschlussreaktion gewesen. Mittlerweile glaubte er zumindest ihr vertrauen zu können. Aber natürlich würde das die GTDF nicht so sehen. Wenn man ihm auch nur das Geringste nachweisen konnte, winkte ihm selbst im Bestenfalls noch eine Anklage wegen Hochverrates.
,, Sie gehen ein Risiko ein.“ , meldete sich Hals Stimme.
,, Woher…“
,, Ich überwache sämtliche ausgehenden und Eingehenden Funk und Radiosignale. Sie könnten nicht wirklich glauben, mir entgehe etwas, das auf diesem Schiff passiert, oder?“
Er lief den langgezogenen Flur entlang in Richtung Fahrstuhl. Martin wollte sich in der Kantine der Kronos mit Ägir treffen.
,, Nein. Aber sie haben mich nicht bei Watergate gemeldet. “
,, Ich treffe eigene Entscheidungen.“ , meinte die KI.
,, Nun.. danke denke ich mal. Aber wieso ?“
,, Logik ist nicht immer die Beste Entscheidung. Ich müsste sie eigentlich melden, jedoch weiß ich nicht, welche Absichten sie verfolgen. In diesem Sinne habe ich einen gewissen Freiraum.“
,, Und sie haben sich entschlossen was zu tun ?“
,, Ihnen zu vertrauen. Ich gehe von der Annahme aus, dass sie wissen was sie tun. Und das sie sicher nichts tun würden, was dieses Schiff, oder sonst jemanden gefährdet.“
,, Und womit belegen sie diese Annahme ?“
,, Gar nicht.“ Die Stimme schien eine kaum merkliche Pause zu machen, ,, Ich weiß es nicht. Wie bezeichnet man etwas, bei dem man sich sicher ist, ohne zu wissen warum?“
,, Ich glaube, das nennt man dann so ein Gefühl… in ihrem Fall wohl eher ein Schaltkreis.“ Den letzten Teil murmelte er fast.
,, Nun, dann sagt mir dieser Schaltkreis , das es wohl besser wäre, sämtliche Gesprächsprotokolle der letzten paar Stunden zu formatieren.“
,, Danke, aber… Hal… das ist besorgniserregend. Wenn sie Dinge versuchen… Einzuschätzen, werden sie da nicht anfällig für Fehler?“
,, Dem wäre nur so, wenn sie feindselige Absichten hätten. In diesem Fall jedoch wäre das interne Defensivsystem der Kronos in der Lage diesen Fehler zu berichtigen. Ich gehe also kein Risiko ein.“
,, Ähm.. Genau… also schlage ich vor sie hören besser weiter auf ihr… Gefühl.. es sei denn das sagt ihnen, das es eine gute Idee wäre uns alle umzubringen…“
,, Meine Worte dann wären vermutlich : Hasta la vista.“
,, Was ?“
Hal antwortete nicht.
,, Ich hätte das Ding schon vor drei Monaten abschalten sollen “murmelte er und trat in den Fahrstuhl.
Coel starrte auf die Vorbeifliegende Landschaft. Die Magnetschienenbahn war die bequemste und auch schnellste Möglichkeit, sich in der Stadt zu bewegen. Egal wo er sich grade befand, solange irgendwo eine Haltestelle in der Nähe war, konnte er innerhalb weniger Minuten überall hingelangen.
Und außerhalb der Städte fand er sich nur selten ein. Im Verlauf des frühen 22 Jahrhunderts waren als Reaktion auf die Wirtschaftskrisen und Rohstoffkriege fast alle Dörfer und kleineren Siedlungen verschwunden oder von den nach wie vor rasch wachsenden Städten geschluckt worden. Diese neuen Megacitys, zu denen neben New York auch Detroit, Tokyo , Berlin, Paris , Oslo , Prag und andere gehörten, waren größtenteils die heutigen Zentren der Welt. Auf dem Land selbst gab es nur noch wenig Bevölkerung. Was allerdings auch mit der Zunehmenden Verschmutzung der Erdoberfläche zusammenhängen konnte. Bis zur Erfindung des Nova-Antriebs hatte man keinen Weg gefunden, Umweltverschmutzung und Klimawandel wirklich effektiv zu bekämpfen. Und danach hatte es einfach keinen mehr interessiert. Natürlich, der Himmel in den Städten war meist grau, aber daran gewöhnte man sich. Manche Meere hatten mittlerweile den Säuregrad von Haushaltsessig. Aber dann buchte man eben einen Flug zu einer der Kolonien. Das hieß natürlich nur, wenn man es sich leisten konnte.
Seine Gedanken wanderten weiter. Mit der Zündung des ersten Nova-Antriebs hatte es angefangen…
Das neue angeblich so glanzvolle Zeitalter der Menschen. Das ganze Universum schien ihnen offen zu stehen, ihre Technologie war den wenigen intelligenten Rassen denen sie begegneten so hoch überlegen, das es ihnen leicht viel, diese als Tiere abzutun. Welt um Welt wurde besiedelt. Die Bewohnbaren wurden zu den Zentralwelten, die sich von ihrer Infrastruktur her mit der Erde vergleichen ließen. Die Lebensfeindlicheren zu Koloniewelten, die geradezu ausgeschlachtet wurden.
Gewaltige Abbauschiffe, wie die Atlas, die jetzt m Orbit von Artherium kreiste oder Sprengladungen rissen die Kruste dieser Welten auf und verarbeiteten alle zu findenden Ressourcen um den Hunger nach Rohmaterial der Zentralwelten zu decken. Es war ein endloser Kreislauf.
Die Zentralwelten stellten Material und Schiffe, das auf den Kolonien eingesetzt wurde um Rohstoffe zur Produktion neuer Schiffe und Ausrüstung genutzt wurde. Ein Kreislauf, der ständige Expansion erforderte. Denn selbst wenn das Ausschlachten eines ganzen Planeten Jahrzehnte dauern konnte, so durfte der Strom von Ressourcen doch nie versiegen…
Aber wohin führte das ?
Bis zu dem Punkt, in dem alle Materie umgesetzt war ? Sicher nicht.
Aber Coel schauderte bei dem Gedanken an hunderte.. tausende von ausgehöhlten aufgebrochenen Planeten, kalt, ohne Leben. Als wäre ein Insektenschwarm über ein Kornfeld hergefallen und dann weitergezogen.
Irgendwann würden die Menschen erkennen müssen, dass dies nicht ewig so weitergehen durfte.
Rafail Coel war nie an Politik interessiert gewesen, aber in diesem einen Augenblick, den er darüber nachdachte wurde ihm klar, dass er ganz sicher kein Imperialist war. Vielleicht eher ein Anhänger des Commonwealth ? Letztlich war es ihm egal. Er wusste nur, dass der Momentane Kurs der falsche war.
Zumindest in diesem Punkt hatten die Via Recht.
Goodsprings sah aus dem Orbit betrachtet, nicht viel anders aus als die Erde.
Große Blaue Flächen und die gewaltige Landmasse eines einzigen Kontinents. Seyonn von der Unity kümmerte der Anblick aus dem Fenstern wenig . Er war nicht hier um die Aussicht zu genießen.
An der sichtbaren Tag-Nacht-Grenze des Planeten konnte er Städte erkennen, deren Lichter im Dunkeln selbst aus dem Orbit sichtbar waren.
Ein Gedanke seinerseits reichte und das Schiff auf dem er sich befand löste sich aus seiner Umlaufbahn um die Koloniewelt und begann darauf zuzusteuern.
Wäre außer ihm noch jemand an Bord des grauen, fast konturlos wirkenden Kreuzer gewesen, so hätte dieser sich wohl über das Fehlen jeglicher Instrumente gewundert.
Seyonns Maschinenintellekt konnte das die Triebwerke und Systeme des Schiffs direkt ansteuern und kontrollieren.
Ein einziger Unity konnte bei entsprechender Konzentration selbst ein Schlachtschiff vollkommen alleine bedienen und steuern, wenn es nötig war. Die Systeme reagierten auf Gedanken wie Befehle und führten diese Präzise aus.
Außen am Schiff gab es keinerlei Markierungen oder ähnliche Hinweise auf den Besitzer des Kreuzers. Es war schlicht nicht nötig. Seyonn würde sich früh genug vorstellen.
Einige Punkte lösten sich von der Planetenoberfläche unter ihm und steuerten rasch die Position des noch immer sinkenden Schiffs an.
,, Ihr Schiff befindet sich nicht auf den offiziellen Fluglisten. Identifizieren sie sich und brechen sie ihren Landeanflug ab.“ Kontrollschiffe. Vermutlich zwei autonom gesteuerte Drohnen, die das Fremde Schiff überwachen sollten, dachte Seyonn. Schiffe, die sicherstellen sollten, dass er den Anweisungen des Fluglotsen folgte. Eine sinnlose Drohung.
,, Hier ist Seyonn von der Unity. Ich verlange einen Landeerlaubnis auf Goodsprings und einen treffen mit dem Direktor des Kolonialbüros.“ , erklärte er kalt. Offenbar führte seien Vorstellung zu einer kurzen Verwirrung, den das Funkgerät schweig mehrere Augenblicke, bevor er endlich eine Antwort erhielt. Einige weitere metallene Flugkörper tauchten auf und umringten das Unity-Schiff.
,, Es tut mir leid, aber bis die Angelegenheiten mit dem Parlament nicht geklärt sind, habe ich Anweisung keinen Fremden auf den Planeten zu lassen.“ , erklärte er Fluglotse.
,, Ich bin ein offizieller Vertreter.“ , erwiderte er nach wie vor ruhig. ,, Es gibt keinen Grund, mir eine Landeerlaubnis zu verweigern, es sei denn sie haben etwas zu verbergen.“
,, Die Anweisungen stehen.“ , gab der Fluglotse zurück. ,, Direkter Befehl des Kolonialbüros.“
Jede Kolonie besaß eine eigene Regierung, die, zumindest in der Theorie, die Gesetze und Verordnungen des Erd-Parlaments durchsetzen sollte. In der Praxis machte letztlich jede Kolonie ihre eigenen Gesetze, je nach Situation und hielt sich nur bedingt an die Terra-Richtlinien.
Dafür aber wurde meist darauf geachtet, die Rohstofflieferungen peinlich genau einzuhalten. Eine Art ungeschriebenes Gesetz. So lange die Rohstoffe flossen, sah die Erde nicht so genau hin.
Ein akzeptables Angebot, wie man denken konnte, aber in der Praxis waren viele Kolonien auch diese Festgesetzen, minuziösen Abgaben ein Dorn im Auge.
So lange aber das Parlament unantastbar und viel wichtiger mit einer schier unbesiegbaren Raumflotte dastand, hatte es niemand gewagt, sich offen dagegen zu stellen.
,, Sagen sie einmal, wie viele dieser Abwehrdrohne haben sie ?“ , wollte Seyonn wissen.
,, Wenn sie ihren Sinkflug nicht abbrechen, erfahren sie es.“ , antwortete der Fluglotse. ,, Ich möchte meine Befehle nur ungern ausführen, aber wenn sie nicht sofort…“
Weiter kam er nicht mehr, als Seyonn dem Schiff einen weiteren Befehl gab.
Ohne Vorwarnung brache ein bläulicher Energiestrahl aus einem Waffenschacht des Kreuzers hervor und schnitt glatt durch ein halbes Dutzend der Objekte. Die Schilde der Drohnen versagten praktisch sofort und hinterließen nichts als Schutzloses Metall.
Drei Sonden, die nicht sofort zerstört wurden eröffneten noch das Feuer, aber die Projektile prallen nutzlos an den Schilden ab.
Einige Augenblicke später war alles vorbei und nur noch Trümmer umringten das unbeschädigte Unity-Schiff.
,, Muss ich deutlicher werden ?“ , wollte Seyonn wissen. ,, Ich lande, ob sie das erlauben oder nicht.“
,, Ich muss das… wenn sie mir Zeit geben mit dem Direktor…“
,, Sie haben Zeit ihrem Direktor zu sagen, dass ich ihn zu sprechen Wünsche.“ Erklärte er. ,, In fünfzehn Minuten in seinem Büro. Jetzt.“
Adams sah auf, als die Tür sich öffnete.
,, Sie sagten sie haben etwas ?“ , fragte Coel, der durch die Tür gehastet kam. Die letzten Meter zwischen Bahnstation und GTDF-Hauptquartier hatte er rennend zurückgelegt.
Die Katze, die wohl vor der Tür gesessen hatte sprang zur Seite und rettete sich zu Adams, der seine Brille zurechtrückte. ,, Ganz ruhig. Ja ich habe was für sie.“
,, Tut mir leid, ich kann momentan einfach jede gute Nachricht gebrauchen.“ , entschuldigte sich Coel.
,, Schon gut, also kommen sie hier rüber, dann kann ich es ihnen erklären.“ Er winkte ihn an einen Computerbildschirm.
,, Sie sagten, sie hätten möglicherweise herausgefunden wer diesen Chip gebaut hat ?“ , fragte er.
,, Nicht direkt. Ich sagte doch, dass diese Chips ein Signal abgeben, richtig?
,, Wisse sie inzwischen, was es ist ?“
,, Das nicht, aber Hal hat etwas anderes rausgefunden. Wir haben die Sensoren der Kronos benutzt um das Signal zu verfolgen.“
,, Und ?“
,, Ich kann ihnen die Exakten Koordinaten des Senders geben.“ , erwiderte er.
In diesem Moment sprang der Bildschirm an und HALs Stimme erklärte: ,,Es war nicht einfach den Sender zu lokalisieren. Das Signal, das die Chips empfangen wird über ein Dutzend verschiedenen Satelliten geleitet, bevor es sein Ziel erreicht.“
,, Er hat ganze drei Minuten gebraucht, nachdem wir das Muster erkannt hatten.“ , erwiderte Adams, fast spottend. ,, Und so was nennt er nicht einfach.“
Der Bildschirm zeigte die Luftaufnahme eines verschwommenen Komplexes.
,, Wissen sie, was das ist ?“
Adams schüttelte den Kopf. ,, Irgendeine Störung. Vermute mal, wer immer da hinter steckt hat das Gebiet komplett abgeschirmt. “
,, Sie wissen, dass ich offiziell noch gar nicht wieder im Dienst bin oder ?“
,, Wird sie das daran hindern hinzugehen ?“
,, Vermutlich nicht. Vorher jedoch muss ich noch jemanden einen Besuch abstatten.“
Adams nickte. ,, Seien sie Vorsichtig. Ich habe meine Ergebnisse zwar auch schon an Steel geschickt… aber bis der reagiert... sie kennen das ja.“
,, Versuchen sie weiter rauszufinden, was dieses Signal ist.“
,, Mache ich. Viel Glück.“
Coel trat auf die nüchtern Gestalteten Gänge des GTDF-Hauptquartiers. Soweit er wusste waren hier ein dutzend verschiedene Unterorganisationen des Militärs untergebracht. Waffentechnik und Forschung. Verwaltung und Organisation und natürlich die Mitarbeiter am Savior-Projekt, zudem sich mittlerweile auch Adams zählte… und natürlich Helen.
Bei dem Gedanken hellte sich seine Stimmung ein wenig auf. Er lief eine kurze Treppe hinab und erreichte schließlich die Labor und Büroräume der Wissenschaftlerin erreichte. Kurz Überlegte er, ob er anklopfen sollte, kam dann aber zu dem Schluss, dass das seltsam gewirkt hätte. Das hier war eine Militärische Einrichtung, keine Wohnung.
Coel trat durch die sich öffnende Tür. Helen sah von einem Tablett-Rechner auf, als sie ihn bemerkte.
,, Störe ich ?“ , fragte er.
,, Ach was, ich bin lediglich grade noch ein paar alte Daten durchgegangen. Haben sie mitbekommen was dieser Kerl über sie geschrieben hat?“
,, Habe ich. Wilkonson hat es sich zur Aufgabe gemacht mich persönlich darauf hinzuweisen.“
,, Der hat doch nur Angst um seine Wiederwahl. Ich hoffe sie haben ihm gesagt, was sie davon halten?“
,, Er wollte das ich mich öffentlich bei diesem , entschuldige den Ausdruck.. Bastard, entschuldige.“
,, Und ?“
,, Ich denke nicht, dass das passieren wird. Und Wilkonson weiß das auch. Ich bin mir ziemlich sicher, er bekommt das irgendwie hin. Aber deshalb bin ich nicht hier. Ich hatte genug Politik für einen Tag.“
,, Kann ich verstehen. Gott wenn ich darüber nachdenke, wie viele Anträge wir stellen mussten um das Savior-Projekt durchzuboxen, noch dazu mit ihnen und ihren Überlebenschancen…“
,, Danke dafür, würde ich mal sagen.“
,, Sie sollten mir nicht danken. Ich war es doch, die das ganze ins Rollen gebracht hat. Ein paar Dokumente… Verdammt hätte ich das gewusst… ich hätte niemals auch nur irgendetwas weitergegeben.“
,, Jeder macht Fehler. Sie konnte es nicht wissen, das ist das Entscheidende. Vermutlich hätte ich ähnlich gehandelt.“
Sie nickte. ,, Wie kommen sie damit zurecht ? Ich meine wirklich?“
,,Gar nicht.“ Coel machte eine Pause. Gar nicht. Das war so etwa die beste Möglichkeit, die er hatte es zusammenzufassen. Aber da war mehr. ,, Technologischer Darwinismus, nennen sie es. Ich bin evolutionär angepasst an Technologie. Aber das betrifft nur den Körper nicht? Mein Geist hingegen…“
,, Sie lehnen es ab.“ , stellte Helen fest. ,, Und wenn sie die Wahl gehabt hätten… sterben oder weiterleben ?“
,, Ich weiß nicht, wie ich mich entschieden hätte.“ , erwiderte er. ,, Kennen sie diese Gefühl nicht richtig da zu sein , als würde man gleich aus einem Traum aufwachen ? Dieser Moment, in dem einem klar wird, dass etwas nicht stimmt ? So geht es mir ständig, aber ich wache nicht auf. Ich schlafe allerhöchstens ein. Und wache wieder im gleichen Alptraum auf.“
,, Ich weiß, das ist nicht viel, zumindest für sie , aber wir haben ihr immerhin Leben gerettet….“
,, Nein, sie haben es verwertet.“ , erklärte Coel. Er studierte einen Augenblick die Buchrücken in den Regalen an der Wand. ,, Was noch davon übrig war zumindest.“ , fuhr er ruhiger fort. ,, Aber sie konnten mich auch schlecht Fragen oder?“
,, Es tut mir leid, dass sie das so sehen.“ ,antwortete Helen. ,, Wir hatten wirklich nur die besten Absichten. Ich habe ein Jahrzehnt damit zugebracht Human-Kybernetik weiterzuentwickeln. Immer in der Hoffnung, diese zum Wohl aller einsetzen zu können. Erst schien es, als würde alles mal wieder am Geld scheitern. Einen Förderer für völlig unerprobte Technologien zu finden ist alles andere als einfach. Dann kam die GTDF , ich bekam weitere Geldmittel, aber zu einem Preis. Sie wollten Waffen.“
,, Sie hätten jederzeit aussteigen können.“ , meinte Coel. ,, Oder das Angebot einfach ausschlagen.“
,, Und Jahrelange medizinische Forschung zurücklassen ? “ , antwortete sie. ,, Und dann kam die Gelegenheit. Sie. Das erste Mal ging es um Medizin nicht reine Verbesserungen, Rekonstruktion. Endlich eine Möglichkeit, zu demonstrieren, dass es funktioniert, das wir mehr können, als ein paar Gliedmaßen ersetzen, etwas, das allen Menschen Vorteile bringen könnte, wenn es funktioniert.“
,, Ich kann es , glaube ich, verstehen.“
,, Aber auch verzeihen ?“
Er spürte etwas Warmes an seiner Hand. Coel brauchte einen Moment um das Gefühl zuzuordnen.
Sie hatte seine Hand in Ihre genommen.
,, Ihnen vielleicht.“ Er hätte gerne noch mehr gesagt. Aber die Worte blieben unausgesprochen. Sollten es bleiben.
,, Adams hat den Ursprungsort des Chip-Signals gefunden.“ , sagte Coel leise. ,, Ich reise so schnell wie möglich ab.“
Mit diesen Worten riss er sich los und verließ den Raum. Er würde ein Shuttle zu den von Adams ermittelten Koordinaten nehmen. Und dort hoffentlich endlich ein paar Antworten bekommen, die sich nicht nur auf Spekulation stützten.
Coel trat auf den Vorplatz des Gebäudes. Kalter Wind wehte über die offene Fläche. Die ersten Vorboten, das auf diesem Teil der Erde der Sommer endgültig zu Ende ging. Selbst mit dem Temperaturanstieg durch den Klimawandel merkte man den Wechsel der Jahreszeiten.
Eine Erdhemisphäre neigte sich nun weiter von der Sonne weg, während es auf der anderen jetzt Wärmer wurde.
Doch diesmal störte ihn die Kälte nicht.
Eine halbe Stunde später erreichte Coel seine Wohnung. Er wollte möglichst noch am selben Tag aufbrechen. Die Koordinaten, die Adams ihm gegeben hatte lagen irgendwo in den Außenbezirken von New-Detroit. Einem der vielen Vororte, welche die großen Zentren der Megastädte umgaben. Die meisten davon waren mehr oder weniger zu den Armenvierteln der Erde verkommen. Zwar gab es auch bessere Gegenden, aber jeder der das Geld hatte und nicht auf die Kolonien ausgewandert war, wohnte weiter im inneren der Städte. Wo es auch sicherer war und wo sich der Großteil des Gesellschaftlichen und Wirtschaftlichen Lebens abspielte.
Coel selbst wohnte nun in einer Randzone, dem Übergangsgebiet zwischen der eigentlichen Stadt den Vororten. Hier trafen die grellen Lichter und hoch aufragenden Türme auf den schlichteren und flacheren Baustil des Mittelstandes. Coels Wohnung befand sich im obersten Stock eines dreistöckigen Gebäudes. Aus den Fenstern des Treppenhauses und auch aus der Wohnung selbst konnte er über das niedrige Häusermeer bis ins Stadtzentrum sehen, ein Anblick, der ihn von Anfang an irgendwie fasziniert hatte.
Besonders bei Nacht, wenn sich die Leuchtenden Komplexe der Innenstadt von den dunklen Gebäuden rund herum abhoben, wie eine gewaltige Neonreklame. Auch jetzt bei Tageslicht blieb der Grundeindruck erhalten.
Die sich endlos erstreckenden niedrigen Häuserreihen schienen auf das, aus der Entfernung fast Zwergenhaft wirkende, Herz der Stadt zuzustreben.
Irgendwie wirkte es fast unbedeutend. Sicher, dort draußen in der Ferne wurden die großen Entscheidungen getroffen, die nicht nur die Welt sondern einen ganzen Teil der Galaxie lenkten. Und doch wirkte es aus der Ferne so unglaublich klein.
Er riss sich von dem Anblick los. Auf dem Boden vor der Tür lag ein kleines in braunes Papier gewickeltes Päckchen. Rasch hob er es auf und betrat dann die Wohnung.
Die Tür war genauso altmodisch, wie der Rest der Inneneinrichtung. Standardmäßig waren Schiebetüren, die sich automatisch öffneten. Ein Scanner überprüfte dabei, ob die sich nähernde Person Zugang hatte. Diese hier allerdings verfügte über ein simples Schloss und über einen einfachen Mechanismus mit Scharnieren. Er würde diesen Umstand vermutlich auch nicht beheben lassen.
In der Wohnung war es dunkel. Coel hatte mittlerweile die Rollläden vor den Fenstern geschlossen. Die einzige Möglichkeit, die strahlende Helligkeit der Stadt auszuschließen.
Aber er machte sich nicht die Mühe das Licht einzuschalten.
Das Augenimplantat erlaubte ihm, sich auch im Halbschatten zu Recht zu finden.
Etwas, das ihm anfangs gar nicht auffiel, so subtil war es.
Nachtsichtgeräte arbeiteten mit Restlich-Verstärkern oder Thermoscannern und verliehen der Sicht dadurch immer etwas Surrealistisches. In diesem Fall jedoch merkte er davon nichts.
Die Umrisse seiner Umgebung waren klar zu erkennen.
Coel setzte sich auf einen Stuhl, der mitten im Raum stand, der eigentlich das Wohnzimmer darstellte. Coel konnte sich nicht erinnern, wie lange der Stuhl schon hier war. Ihn störte es jedenfalls nicht.
Vorsichtig öffnete er das Päckchen.
Was ihm entgegenfiel war eine kleine Pistole aus einem hellen Material, vielleicht Aluminium, dachte er, den die Waffe war erstaunlich leicht. Neben der Faustfeuerwaffe fand er auch noch eine kleine an einem Computer abgetippte Notiz.
Sie war von Adams. Offenbar hatte der Mann das Packet abgeschickt bevor Coel ihn besucht hatte. Stellte sich nur die Frage, wieso er es nicht erwähnt hatte.
Er begann zu lesen.
,, Coel,
Ich habe mir die Freiheit genommen eine Kleinigkeit für sie aus den Waffenlaboren der GTDF zu schmuggeln. Nach ihren Berichten scheinen die Via recht unanfällig für normale Waffen zu sein.
Die Nanospeicher zerstreuen sich einfach, was dafür sorgt das einzelne Projektile kaum Schaden anrichten. Was sie da in Händen halten ist eine neue Idee, die wir hier ausgetüftelt haben.
Die Projektile der Waffe werden vor dem Abschuss magnetisiert. Wir wissen dass die Nanospeicher der Unity im Verbund nicht magnetisch sind, aber einzeln könnte es funktionieren.
Wenn sie damit auf einen Via feuern, der sich grade auflöst, dürfte das mehr Schaden anrichten. Vielleicht tötet es ihn sogar.
Ach ja, der entstehende EMP sollte auch andere Technologie lahmlegen können.
Es ist noch ein früher Prototyp, also bitte tuen sie mir den Gefallen und verlassen sie sich nicht darauf, dass es funktioniert.
Hoffe sie können was damit anfangen
Adams
P.S Die Waffe kann auch Unity töten, also Vorsicht, das sie keiner von denen damit sieht. Ich will nicht wissen, wie die reagieren wenn rauskommt, das wir jetzt Waffen gegen sie entwerfen.“
Coel legte den Brief weg und nahm die Waffe an sich. Die Pistole passte ohne aufzufallen in seine Manteltasche, wo er auch immer noch die Box mit Munition aufbewahrte, die ihm der Schwarzmarkthändler gegeben hatte.
Schließlich stand er auf und trat an den gesicherten Wandschrank heran. Diesmal würde er kein Risiko eingehen. Neben der Prototyp-Pistole nahm er seinen alten Revolver mit. Die Waffe war sicher nicht die modernste, aber zuverlässig.
Und wenn es sich vermeiden lies, würde er erst gar keinen Kampf anfangen.
Coel verschloss den Schrank wieder, dann warf er ein paar ungeordnete Kleider in eine Tasche. Noch wusste er nicht, wie lange er weg sein würde. Der Flug mit dem Shuttle selbst würde zumindest nur eine gute Stunde in Anspruch nehmen.
Einen Augenblick hielt er noch an der Tür inne. Eine kurze Erinnerung durchzuckte seinen Verstand.
Eine Nacht vor vielen Jahren. Er musste wohl noch ein Kind gewesen sein.
Einer der seltenen klaren Abende, an denen man den Sternenhimmel sehen konnte. Und aus irgendeinem Grund war es draußen vollkommen dunkel gewesen…
Ein Stromausfall glaubte er sich erinnern zu können, der für wenige Minuten die ganze Stadt lahm gelegt hatte.
Coel war draußen gewesen und hatte nach oben gesehen. Normalerweise sah man in der Stadt nicht viele Sterne. Wenn überhaupt. Aber in diesem einen Moment, war es überwältigend gewesen. Aus dem paar dutzend verstreuter Lichtpunkte war ein unendliches glitzerndes Meer geworden, das sich wie ein Bogen über seinem Kopf spannte.
Die Erinnerung brachte ihn zum Lächeln. Und er glaubte, zum ersten Mal seit er wieder zu Bewusstsein gekommen war, nein zum ersten Mal seit fast zehn Jahren, wieder kurz ganz zu sein. Etwas Zerbrochenes in seinem Inneren schien zumindest teilweise wieder gekittet.
Aus dem Kind war jemand anderes geworden ja, sicher nicht der Mann der er sein wollte, aber solange er diese Erinnerung behielt, an diesen einen Moment, konnte er immer noch darauf hoffen.
Coel schob den Gedanken beiseite… aber nicht allzu weit, nur so, dass er ihn nicht störte. Vielleicht bildete er sich alles nur ein, vielleicht würden die Dunklen Gedanken, die ihn zu verschlingen suchten zurückkommen. Aber nicht jetzt. Nicht in diesem Moment.
Er nahm die Tasche vom Boden, trat aus der Tür und machte sich auf den Weg. Was auch immer ihn erwartete, er würde sich dem stellen.
Das Büro des Kolonialdirektors war ein großer Raum im getünchten Weiß. Ein großes Fenster an der Rückwand erlaubte einen Blick hinaus auf die Kolonie selber. Dutzende von Agrarkultur-Türmen oder Minenanlagen um die herum sich Versorgungsgebäude, Wohnblocks, Bars und Kinos gruppierten.
Stählerne Plattenverkleidungen schützen die Gebäude vor den Sandstürmen aus dem Umland. Ausgeplündertes Ödland. Wobei Goodsprings zumindest was Flora und Fauna anging wenig zu bieten hatte. Salzseen mit darin lebenden Bakterien und spezialisierten Fischen und einigen Meeresbewohnern. Landlebewesen gab es , außer Mikroben und Käfern, fast keine und die gesamte Oberfläche bot sich als Mischung aus braunen Felsen und feinkörnigem, scharfkantigen Sand dar. Sand, der aufgewirbelt durch die häufigen Stürme selbst für einen Menschen gefährlich werden konnte, atmete er ihn zu lange ein.
Trotzdem war dies eine der gewinnbringendsten und fortschrittlichsten Welten der Menschheit.
Der Planet war reich an Bodenschätzen jeglicher Art und was für Schutzkleidung und die abgedichteten Bauwerke an Extra-Kosten auftrat wurde durch den Bergbau tausendfach wieder reingeholt.
Verständlich dass die Kolonie diesen Reichtum nicht gerne für praktisch nichts an die Erde abtrat.
Seyonn kümmerten diese Probleme jedoch nur nebensächlich als er in den Raum trat. Nachdem er einmal gelandet war, war es nicht schwer für ihn gewesen, die Kolonialbüros zu finden.
Ein halbes Dutzend Bewaffneter hatte den Unity-Abgesandten sofort in Empfang genommen, nachdem sein Schiff gelandet war und ihn unter ständigen nervösen Schulterblicken hierher eskortiert.
Der Direktor war ein Mann mittleren Alters, der unbeweglich hinter einem Schreibtisch saß und den Neuankömmling musterte.
Seyonn beschleunigte seine Schritte und durchquerte den Raum, um zu dem Mann zu gelangen. Er bot ihm keinen Platz an und Seyonn hätte ohnehin darauf verzichtet.
,, Was wollen sie hier ?“ , fragte der Direktor.
,, Zuerst einmal, wissen wieso man mich nicht landen ließ.“ , erklärte er. ,, Das ist… bestenfalls unhöflich.“
Der Direktor erwiderte einen Moment nichts, bevor er antwortete. ,, Sie müssen unsere Position verstehen. Sich gegen das Parlament zu stellen ist keine Entscheidung, die man leichtfertig trifft.“
,, Ich verstehe.“ Er war nicht hier um sich in die Politik der Menschen einzumischen. Irgendwo hier draußen… Er sah durch die große Glasscheibe über die Kolonie und die Wüste davor hinweg… Irgendwo da draußen schlief etwas.
,, Alles was wir wollen ist doch etwas mehr Selbstbestimmung.“ , fuhr der Direktor fort. Das Seyonn ihm längst nur noch halbzuhörte schien er nicht zu bemerken. ,, Wir sind finanziell vollkommen von der Erde und dem Parlament abhängig. Alles, was wir wollen ist eben kein Dictatura Terra mehr.
Er wollte grade etwas erwidern um den Mann zum Schweigen zu bringen, als ihn eine plötzliche Schockwelle von den Füßen riss.
Das Glas der Scheibe zersprang unter der plötzlichen Erschütterung und Splitter wurden durch den ganzen Raum gewirbelt.
Seyonn sah entsetzt durch das Zerschmetterte Fenster zum Himmel. Hecktisch suchten seine Augen die Wolken ab. Was grade passiert war… ihm fiel nur eine Erklärung ein.
Eine Schockwelle, wie sie ein Nova-Generator verursachen würde. Ein gewaltiger Generator.
Coel warf die Tasche auf das Bett des kleinen heruntergekommenen Hotelzimmers
Einen Augenblick sah er lediglich der untergehenden Sonne zu. Das nun schon deutlich rostfarbene Licht schimmerte durch ein schmutziges Fenster nach rinnen. Ohne lange zu überlegen öffnete er es. Lediglich stickige Luft mit dem entfernten Geruch von Regen schlug ihm entgegen.
Der Flug war ruhig verlaufen und vor einer Stunde hatte das Shuttle auf einem Landeplatz außerhalb von Detroit aufgesetzt. Von dort aus hatte er im Regen ein Taxi zu einer Pension irgendwo an der Grenze zum Distrikt von New-Detroit genommen. In den Vorstädten gab es keine gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetze.
Und jetzt saß er hier und wartete auf den Sonnenuntergang. Coel wollte sich die Koordinaten bei Nacht ansehen und er vertrieb sich zumindest ein wenig Zeit damit, seine nähere Umgebung zu mustern.
Ein Fenster mit gesprungener Scheiber erlaubte einen Blick auf die Straße. Der Rinnstein war gefüllt mit Papierfetzen und Müll. Irgendwoher kam rauch. Vielleicht von einem Brand, oder weil jemand eine Mülltonne angesteckt hatte um sich daran zu Wärmen. Während der kurzen Fahrt hatte er mehr heruntergekommene Gebäude und verzweifelte Gesichter gesehen als sonst irgendwo.
Neben dem Fenster führte eine Tür in ein kleines Bad, das überraschend gut in Schuss war, wenn man den Rest des Zimmers betrachtete.
An mehreren Stellen schälte sich die vergilbte Tapete, die wohl irgendwann einmal ein jetzt nicht mehr identifizierbares Muster besessen hatte, von den Wänden. Die Oberfläche des kleinen Schreibtischs, der sich in einer Ecke befand war zerkratzt und stumpf und die einzige Lichtquelle im Raum stellte eine von der Decke hängende Glühbirne dar. Alles in allem stammte die Einrichtung wohl aus dem letzten wenn nicht sogar vorletzten Jahrhundert. Der heimliche Antiquar in Coel hätte das eigentlich zu schätzen gewusst. Aber bei dem Zustand….
Ein Detail jedoch brachte ihn fast zum Lachen. Auf einem ebenso heruntergekommenem Nachtisch neben dem Bett lag doch tatsächlich eine Bibel.
Die großen Religionen hatten spätestens seit der Entdeckung des ersten extraterrestrischen Lebens eine tiefe Krise durchgemacht. Beanspruchte nicht fast jede von ihnen, ob nun Judentum, Christentum oder Islam, den Menschen als Krone der Schöpfung? Damit war es nun mal aus. Und das es nicht nur anderswo leben gab, sondern sogar intelligentes, jedes davon mit ihren eigenen Religionen und Traditionen brachte auch den Anspruch auf ,, Wahrhaftigkeit“ oder ähnliches endgültig ins Wanken. Kurzum, hatten die Religionen vorher noch zumindest einen gewissen Einfluss gefasst, war dieser mittlerweile fast verschwunden. Einfach weil sie nicht mehr Zeitgemäß waren. Dafür hatten einige andere Religionen, wie Beispielsweise der Buddhismus einen deutlichen Zuwachs erhalten. Auch einige alte Kulte, vor allem Naturreligionen wie Beispielsweise der Neopaganismus hatten wieder einen gewissen Aufschwung erlebt.
Coel selbst jedoch war sicher nicht religiös. Mit einem gezielten Wurf beförderte er das Buch durch das Fenster nach draußen auf die Straße.
Mittlerweile war die Sonne fast vollständig untergegangen. Zeit sich auf den Weg zu machen.
Er überprüfte kurz seine, spärlich Ausrüstung : Den Revolver, den er in einem Hüfthalfter trug , die Pistole, die ihm Adams zugeschickt hatte und die zwei Klingen, die sich in dem Schienen an seinem Unterarm verbargen. Er hoffte nichts davon benutzen zu müssen, aber für den Fall der Fälle war er vorbereitet.
Und er würde sicher nicht zögern.
Das Zimmer selbst lag im ersten Stock. Coel trat aus der Tür auf einen mit einem abgewetzten Teppich belegten Flur, an dessen Ende ihn eine Treppe hinunter zur Rezeption führte.
Das heißt, wenn man das so nennen konnte. Nebenbei schien es sich dabei wohl auch um eine Art Bar zu handeln.
Ein mürrisch aussehender alter Mann stand hinter einem einfachen Holztisch, der als Tresen diente. An der Wand hinter ihm ein fast klischeehaftes Regal mit einigen Gläsern und dem billigsten Schnaps, den man überhaupt kaufen konnte. Vermutlich befand sich in einigen der Flaschen einfach nur destillierter Brennspiritus.
Einige Stehtische standen in der Halle verteilt, aber mehr als drei, vier Leute schienen sich noch nicht hierher verirrt zu haben.
Coel überlegte kurz, ob er es Riskieren konnte sich einen Drink zu erlauben. Sicher nicht die beste Idee… aber ihm war grade danach. Er würde sich das Gelände ja nur erst einmal ansehen.
,, Haben sie auch irgendwas Trinkbares ?“ , fragte er.
Der Alte sah langsam auf und deutete auf das Regal hinter sich.
,, Ich meine was, was mich nicht umbringt oder blind macht.“
,, Scheine ?“
Er verstand was der Mann meinte. Kurz kramte er in seiner Tasche und förderte dann einige Geldscheine zu Tage. Einen davon legte er auf den Tresen.
,, Ah.“ Der Mann verschwand kurz unter dem Tisch und kam dann mit einer Flasche wieder ins Sichtfeld. Der Inhalt war giftgrün.
,, Was zur Hölle ist das ?“ , fragte Coel während der Mann die Flasche auf den Tisch stellte.
,, Koloniebrand. Und zwar aus Sunbridge.“
Die Besiedlung von Lebensfreundlichen Planeten, die teilweise über ihre eigenes Tier und Pflanzenreich verfügten, hatte zur Entdeckung zahlreicher neuer Arzneimittel auf Basis dieser geführt. Aber nicht nur der medizinische Sektor hatte davon profitiert. Einige der neuen Pflanzen ließen sich auch als Rauschmittel verwenden. Bei Koloniebrand handelte es sich um einen in Alkohol gelösten Extrakt aus verschiedensten dieser neuen Drogen. Der Besitz und die Herstellung waren hochgradig illegal. Und der Konsum… unter den Soldaten des Parlaments erfreute sich Koloniebrand größter Beliebtheit. Er war nicht zu teuer und so gut wie überall auf den äußeren Welten zu bekommen, da dort kaum Kontrollen stattfanden. Auf der Erde hingegen konnte der Besitz einer einzigen Flasche zu einem mehrjährigen Aufenthalt hinter Gittern führen.
Coel selbst hatte sich nur einmal zu einem Glas überreden lassen. Am nächsten Morgen war er in einer Seitengasse aufgewacht, ohne sich überhaupt an etwas erinnern zu können.
Wiederholen würde er das ungern, noch dazu direkt vor einem Einsatz.
,, Ich frag erst gar nicht wie sie da ran gekommen sind. Und ich glaube ich verzichte lieber.“
,, Ihre Entscheidung.“ Der Mann lies die Flasche wieder verschwinden, gab ihm allerdings auch nicht das Geld zurück.
Coel war das egal.
Er drehte sich ohne ein weiteres Wort um und trat nach draußen auf die Straße.
Bei seiner Ankunft hier war der Himmel bewölkt gewesen und es hatte in Strömen geregnet. Jetzt jedoch war der Himmel soweit klar. Ein schwacher rötlicher Schein aus Richtung Horizont tauchte die überall stehenden Wasserpfützen in ein seltsames Licht. Auch der typische Regengeruch hing noch in der Luft, jetzt freilich vermischt mit dem Dunst der Straße. Alter Zigarettenqualm, Müll und ein leicht Übelkeit erregender Gestank nach Verwesung stiegen mit dem Wasserdampf vom Pflaster auf.
Coel beschleunigte seine Schritte durch die dunkler werdenden Straßen in Richtung der Koordinaten, die Adams ihm gegeben hatte. Aus eingeworfenen Fenstern und Seitengassen verfolgten ihn misstrauische oder ängstliche Augenpaare. Eine Gruppe Halbstarker die auf einer verfallenen Treppe vor einem Haus gesessen hatten stand auf und verschwand in der Tür.
Coel verstand wieso. Er passte nicht in diese Gegend. Diese Leute lebten ihr leben mehr oder weniger mit eingezogenen Kopf. Vor Angst vor einander, vor irgendwelchen Gangs, oder vor der Polizei. Sie dümpelten einfach vor sich hin. Ohne Ziel ohne Ambitionen oder echte Hoffnung.
Er hingegen lief zielgerichtet durch die Straßen. Ihm war klar, wonach er suchte und wohin er musste. Und das verunsicherte die Leute hier wohl zutiefst. Auch wenn er keine sichtbaren Waffen trug, so musste einfach jedem klar sein, dass er Ärger bedeuten konnte.
Irgendwie gefiel ihm das. Nicht dass die Leute Angst vor ihm hatten, es gab nichts schlimmeres, aber das er sie hier zumindest kurz aus ihrer Lethargie riss.
Ihnen zeigte, dass die glitzernde Welt der Stadtkerne wirklich existierte. Und das sie vielleicht doch eine Zukunft hatten, die nicht von staatlicher Förderung oder ihren Gelegenheitsjobs abhing.
Es war vollkommen Dunkel geworden, als er sich den Koordinaten näherte. Die verschwommene Aufnahme, die er von Adams hatte, zeigten eine Ansammlung von Gebäuden, die zusammen einen größeren Komplex zu bilden schienen.
Und ein solcher lag jetzt einigen hundert Meter auf einem Hügel vor ihm. Die Koordinaten stimmten.
Mittlerweile hatte er die Straßen von New-Detroit etwas hinter sich gelassen und befand sich etwas außerhalb der eigentlichen Stadt. Hinter ihm konnte er die Lichter derselben erkennen. Und vor sich die Beleuchtung des Komplexes.
Umgeben war das Gelände von einem Drahtzaun, der es einmal vollständig umlief, wie es aussah.
Weiter den Weg entlang, den er gekommen war führte einen Auffahrt an ein geschlossenes Tor.
Coel sah keinen Weg über das Hindernis zu gelangen, außer zu klettern, aber dass stellte für ihn nicht wirklich ein Hindernis da.
Als er bereits einen Fuß in der Luft hatte, fiel ihm jedoch etwas auf. An einer Stelle etwa fünfzig Meter von seiner momentanen Position entfernt hatte der Zaun ein Loch. Es hätte von einem Tier stammen können, aber als er sich die Lücke näher besah entdeckte er mehrere Abgeschnittene Drahtstücke auf dem Boden. Wer immer hier gewesen war hatte den Draht mit einer Zange oder einem Messer sauber durchtrennt.
Für Coel jedoch war die Lücken nicht groß genug. Wer immer hier gewesen war, musste einen guten Kopf kleiner sein als er. Vielleicht nur ein streunendes Kind oder ein unglücklicher Landstreicher, der sich vielleicht schon vor Tagen durch den Zaun geschlichen hatte. Aber irgendwie glaubte er selbst nicht daran.
Mit einem Schwung war er endlich über den Zaun und landete im Gras dahinter. Zwischen Zaun und Gebäude gab es eine gut Zweihundert Meter Breite freie Fläche ohne jede Deckung. Nur Rasen ohne Büsche oder Bäume. Allerdings konnte Coel auch keine Posten oder ähnliches entdecken. Und er wusste immer noch nicht, welchen Zweck der Komplex eigentlich erfüllte, außer, dass sich der Sender dort irgendwo befinden musste. Seltsam, das Adams das nicht hatte herausfinden können. Was konnte sich selbst vor der GTDF abschirmen wenn es wollte ?
Langsam und geduckt schlich er sich näher an die Anlage heran.
Ein Geräusch ließ ihn zusammenzucken und sich hinter eine Wand ducken. Mittlerweile hatte er den Komplex erreicht. Insgesamt gab es fünf Bauten, mit zwei oder mehr Stockwerken. Eine größere Halle, befand sich gegenüber dem Hang, den er grade herauf gekommen war.
Bisher war er niemanden begegnet, auch wenn in vielen Fenstern Licht brannte.
Die Gebäude waren alle um einen großen Innenhof angeordnet zu sein und aus dieser Richtung hörte er jetzt Stimmen. Coel tastete nach seiner Waffe, dann schlich er sich langsam näher.
Eine kleine Mauer, die ein Beet zwischen zwei Gebäuden abgrenzte bot ihm etwas Deckung.
Vorsichtig spähte er über den Rand hin weg und sah sich auf dem Innenhof um.
Die Zugänge zu den Gebäuden führten alle auf den Hof hinauf. Und auch das Tor der Halle, die er gesehen hatte lag in Richtung desselben. Ein Zufahrtsweg führte zwischen dem Halbkreis der Gebäude heraus und in dessen Mitte befand sich etwas. Eine Statue ?
Zwei der tausende von Puzzleteilen in seinem Kopf passte plötzlich zusammen. Der Artheraner hatte ein Pharmaunternehmen angegriffen.
Und in der Mitte des Innenhofs befand sich eine Tafel mit vier Buchstaben. Innerhalb eines Globus. CEHO. Ohne den Hof aus den Augen zu lassen und auf weitere Stimmen lauschend stellte er eine Funk-Verbindung zu Adams her.
Dieser antwortete sofort.
,, Coel ? Ich hatte nicht erwartet so schnell von ihnen zu hören. Alles in Ordnung bei ihnen ?“
,, Adams, ich befinde mich auf einem CEHO-Gelände. Ihre Koordinaten sind direkt hier.“
,, Was zum.. Das ergibt keinen Sinn…“
,, Der Artheraner bei dem ich den Chip fand hatte es auf die Fabrikhallen eines Pharmaunternehmens abgesehen.“ , erwiderte Coel.
,, Und sie glauben…. Moment wurde nicht erst kürzlich der Generaldirektor der Colonial-Health ermordet ? Conor Smith wenn ich mich richtig erinnere.“
,, Vor zwei Tagen.“ , bestätigte ihm Coel.
,,Was hat das zu bedeuten ?
Coel antwortete nicht. Erneut hörte er Stimmen. Diesmal näher.
,, Ich wies es nicht. Noch nicht. Ich melde wieder mich wenn ich den Sender habe.“
,, Passen sie…“
Er unterbrach die Verbindung.
Die Glastür des ihm gegenüberliegenden Gebäudes glitt auf. Eine Gruppe von vielleicht vier Personen trat heraus. Er konnte nur Silhouetten erkennen, aber etwas störte ihn daran.
,, Wir sind mit dem Fortschritt nicht zufrieden.“ , meinte eine Stimme mit einem seltsamen Akzent, den Coel glaubte von irgendwoher zu kennen. Das S schien der Fremde mit einem beinahe Grillenartigen Laut zu begleiten.
,,Wir tuen was wir können, das versichere ich euch.“ , versicherte ein anderer Schatten.
,, Das hoffe ich um euren Willen. Smith… hatte nicht die Nerven.“
,, Keine Sorge nach unserer kleinen Demonstration auf ihrem Produktionsgelände sind jetzt auch die letzten bereit mitzuspielen.“
,, Sehr gut. Zu Schade das wie hieß er noch gleich… Keru nicht überlebt hat mich hätte interessiert…“
Die Stimme wurde zu leise, als das Coel die Worte noch hätte verstehen können.
,, Jedenfalls wissen wir jetzt, das es funktioniert.“ , antwortete wieder die Stimme, die Coel von irgendwo her kannte. Und in diesem Moment wurde ihm auch klar woher.
Die Gruppe der vier passierte soeben den Lichtstrahl eines Scheinwerfers, die im Abstand von ein paar Metern an den Wänden der Gebäude befestigt waren. Nur drei waren Menschen.
Ein grauer Panzer glitzerte kurz im Licht auf.
Die vierte Gestalt war ein Taride. Arbeiteten die etwa für die Via ? Und wenn ja, was hatten sie davon.. . Ihr Einflussgebiet war mindestens genau so groß wie das der Menschen und damit doch ebenfalls ein Ziel für die Unity-Abtrünnigen.
Eine Frage beantwortet und ein halbes Dutzend neue dazu bekommen. Coel verschwand hinter der Mauer und in den Schatten. Zeit ein paar mehr davon zu beantworten.
Vier Personen befanden sich auf dem Platz. Zwei bewaffnete Menschen und der neue Generaldirektor der CEHO. Der vierte war ein Taride.
Ein lautes Geräusch ließ die zwei mit Maschinenpistolen bewaffneten Wachen aufschrecken.
Es schien von einem kleinen Ummauerten Beet zu kommen, das sich zwischen zwei der insgesamt fünf Gebäude befand.
,, Seht schon nach.“ , brummte der Direktor als die Wachen zögerten. , Ist doch vermutlich eh nur eine Maus.“
Die Bewaffneten spähten über die Mauer, bereit jeden eventuellen Eindringling sofort zu erschießen.
Leer.
,, War wohl wirklich nur eine Ratte.“ , meinte der erste, ein Mann namens Rodrigo. Er wünschte sich, diesen Job nicht angenommen zu haben. Ihm war klar, dass diese Sache vielleicht eine Nummer zu groß war, worum es auch immer ging. Aber er konnte das Geld auch gut gebrauchen.
,, Verfluchte Viecher.“ , meinte der zweite Wachmann, der sich Kowalski nannte. Ein Söldner wie er. Aber einer von der Skrupelloseren Sorte. Trotzdem arbeitete Rodrigo lieber mit ihm zusammen, als mit… dem anderen…. ,, Die kommen von New-Detroit rauf. Kein Wunder. Die müssen sich da auch wie zuhause fühlen bei den…“
Der Mann brachte den Satz nicht zu Ende. Sein Kollege drehte sich zu ihm um….
Dort war niemand mehr.
,, Kowalski ?“ Rodrigo sah sich panisch um, aber im Schein des schmalen Lichtkegels seiner Taschenlampe war nichts zu entdecken.
,, Was dauert da so lange ?“ hörte er die Stimme des Direktors.
,, Ich kann Kowalski nicht mehr find…“ Ein plötzlicher brennender Schmerz in seiner Brust. Eine geschwärzte Klinge ragte daraus hervor. In seinen letzten Gedanken verfluchte er sich selbst, dass er sich auf den Auftrag eingelassen hatte.
Die Leiche des Wachmanns glitt zu Boden. Coel zog die Klinge aus dem toten Körper und sah auf. Die zwei auf dem Platz verbliebenen Lebewesen mussten ihn spätestens jetzt bemerken.
Der Taride musterte ihn lediglich ruhig. Wobei ,, ruhig“ nur Coel persönlichem Eindruck entsprach. Das Gesicht des Wesens schien ihm vollkommen ausdruckslos. Hinter der Fassade konnte sich aber auch glühender Hass verbergen.
Der Mann hingegen hantierte umständlich mit einer Pistole herum, die er auf Coel gerichtet hielt. Vermutlich hatte er noch nie eine Waffe in der Hand gehabt und Coel bezweifelte, dass er ihn überhaupt treffen, geschweige denn sich nicht eher selbst verletzten würde.
,, Wer sind sie ?“ Die Stimme des Mannes war hoch und angespannt. Er trug einen teuer wirkenden Anzug, der Coels Vermutung bezüglich der Waffe noch bestätigte.
,, Ach bitte, nachdem sie mit den Via zusammenabreiten müssten sie das wissen. Oder habe ich bei denen so wenig Eindruck hinterlassen? “
Coel trat aus dem Schatten und über die Mauer auf den Platz hinaus.
,, Guten Abend übrigens Herr Botschafter.“ , wendete er sich an den Tariden, als wäre er grade zufällig auf einem Spaziergang vorbeigekommen. ,, Ich vermute mal sie sind auch nicht nur einfach so hier. Darf ich fragen, was die Via ihnen bieten? Rein Interessehalber.“
,, Macht.“ , antwortete das Wesen.
,, Ah verstehe. Wissen sie, das ist ein ganz schlechtes Geschäft. Mussten die Artheraner auch rausfinden. Und sie spielen hier welche Rolle?“ , fragte er an den Mann mit der Waffe gerichtet.
,, Sie.. sie sollten endlich die Klappe halten… sie…“ Seine Hand zitterte so stark, das Coel schon befürchtete, er würde die Waffe einfach fallen lassen.
,, Ein guter Rat, die ist nicht mal entsichert.“ , sagte Coel.
,,W…was ?“ Der Mann schien den letzten Rest seines Selbstvertrauens zu verlieren.
,, Wie haben sie uns gefunden ?“
,, Ihr, ist Auftragskiller das richtige Wort , hatte einen kleinen Chip dabei. Unsere KI hat ganze drei Minuten gebraucht um ihren Standort zu finden.“ Er ließ seine Hand unauffällig in Richtung des Halfters an seiner Hüfte wandern, ,, Wobei ich mich immer noch frage, was machen sie hier genau?“
,, Das werde ich ihnen sicher nicht sagen.“
,, Würden sie ihn jetzt endlich erschießen ? Wir haben schon genug Zeit verschwendet.“ , sagte der Taride.
,, Tut mir Leid… aber mein Leben hängt davon ab.“ Er richtete die Waffe, diesmal entsichert auf ihn.
Coel war schneller. Bevor der nervöse Mann sich selbst überwinden konnte, den Abzug zu drücken hatte Coel sich bereits zu Boden geworfen und noch im Fallen die Waffe gezogen. Drei Kugeln trafen den Direktor und wirbelten ihn herum, bevor er im Staub zusammensank.
Der Taride war indes gefährlich nahe gekommen. Coel hatte sich grade wieder auf ein Knie hochgestemmt, als er einer Messerscharfen Chitinklaue ausweichen musste, die ihn andernfalls durchbohrt hätte.
Er jagte vier Kugeln in das Wesen, die ihm aber kaum etwas auszumachen schienen. Zum Nachladen blieb ihm keine Zeit mehr, als es mit voller Wucht in ihn hineinlief… und erstarrte. Eine Klinge ausgehend von Coels Hand ragte aus seinem Rücken.
Der Taride sackte zusammen, lebte aber noch.
Coel packte den sterbenden Botschafter bei den Schultern. Das Wesen war nicht mehr zu retten.
,, Was habt ihr vor ? Sprich und du kannst schnell sterben.“
,, Das… werde ich sicher… nicht verraten… wenn eure Welten… erst Asche sind.. dann…“ Der Taride verstummte. Tot.
,, Verdammt.“ Coel ließ den leblosen Körper fallen. Seine einzige Chance antworten zu bekommen schien sich grade in Luft aufgelöst zu haben. Aber noch musste er den Sender finden. Vielleicht würde er so zumindest etwas erfahren.
Er stand auf und sah sich um. Alles zu durchsuchen würde eine Weile dauern. Die meisten der Gebäude hatten zwei oder mehr Stockwerke und wenn er das von hier an der Anzahl der Fenster abschätzte ein gutes Dutzend Räume pro Etage.
Aber etwas lenkte seine Aufmerksamkeit auf die Lagerhalle. Eine Sendeanlage, die, ohne offizielle Kanäle zu benutzen, über große Entfernungen arbeitete nahm Platz ein. Und die Halle bot mit Sicherheit genug davon.
Langsam lief er über den Platz, die Waffe im Anschlag, auf das geschlossene Tor zu,
Links war eine kleine Tür darin eingelassen.
Währenddessen behielt er die erleuchteten Fenster der übrigen Gebäude im Auge, immer auf der Suche nach einer Bewegung oder einem plötzlichem Geräusch. Obwohl der gesamte Komplex hell erleuchtet war, schien niemand darin zu sein. Zumindest niemand, der sich zeigte.
Coel erreichte die Tür. Es überraschte ihn, als diese Aufschwang, sobald er sich näherte. Eigentlich hatte er damit gerechnet den Zugang verschlossen vorzufinden.
Im Inneren der Halle brannte ebenfalls Licht. Drei Reihen aus Betonsäulen stützten das Dach des Gebäudes.
Erstaunlicherweise war die Halle fast völlig leer. Lediglich zwei große Kisten standen an der Rückseite der Halle, an der zwei weitere Türen zu erkennen waren. Schleifspuren auf dem Boden zeigten Coel allerdings, dass das Lager vor einer Weile noch voller gewesen sein musste.
Rasch lief er zwischen den Säulenreihen hindurch. Von einer Sendeanlage, wie er sie suchte war weit und breit nichts zu sehen. Allerdings hatte er sich auch noch nicht hinter den Türen umgesehen.
Wieder war der Zugang in keiner Weise gesichert.
Er trat durch die erste Tür und wusste sofort, dass er sein Ziel gefunden hatte.
Mehrere dutzend Rechner standen in dem kleinen Raum hinter der Tür übereinandergestapelt. Von der Anzahl der Kabel her, die sich über die Decke des Raums spannte konnte Coel davon ausgehen, dass diese wohl alle miteinander vernetzt waren. Über eine Reihe von Bildschirmen liefen verschiedene Anzeigen, vielleicht die Frequenzeinstellung des Signals. Ihm jedenfalls konnte das vorerst egal sein.
Bis Adams oder sonst wer sich das ganze angesehen hatte und solange sie nicht wussten, was dieses Signal überhaupt war, würde er hier sicher nichts anrühren.
Er trat wieder nach draußen in die Halle und wollte schon eine Verbindung zu Adams herstellen, um ihm mitzuteilen dass er den Sender gefunden hatte, als sein Blick zu den zwei Kisten, die er vorher schon bemerkt hatte. Es waren rechteckige einfache Kästen aus Aluminium oder einem anderen Metall. Coel las sich den daran befestigten Lieferschein durch. Nichts, das ihm sofort ins Auge gesprungen wäre , laut Aufschrift handelte es sich um eine Sendung mit medizinischen Gütern.. aber der Absender machte ihn aufmerksam. Goodsprings. Was immer da drin war, stammte aus der Kolonie.
Coel trat an eine davon heran und versuchte sie zu öffnen. Die magnetische Versiegelung des Behälters rührte sich erst nicht, löste sich dann jedoch mit einem plötzlichen Ruck.
Er trat einen Schritt zurück.
Auf einer dunklen Polsterung, die das innere des Kastens vollständig auskleidete lagen hunderte, wenn nicht tausende von kleinen Gegenständen, die er wiedererkannte. Er hielt einen davon ins Licht. Die blauen Markierungen auf dem Fingernagelgroßen Stück Metall waren unverkennbar. Hunderte von Chips, baugleich dem, den er bei dem Artheraner gefunden hatte. Und wenn er richtig in seiner Annahme lag, das die Halle voll damit gewesen war…
Wenn sie nicht aktiv wären, käme man damit wohl durch jede Kontrolle.
Aber wieso Goodsprings ? Die Via würden so viele Chips nicht selbst produzieren, also vielleicht nur eine Firma dort, die die Lieferungen übernahm?
Millionen oder mehr… Wozu brauchte man so viele Chips? Und eine wichtigere Frage kam plötzlich noch hinzu… wie passte nun auch noch Goodsprings in das Konzept?
Natürlich, die Kolonie hatte sich vom Parlament losgesagt, trotzdem war es fast unvorstellbar, dass diese jetzt ebenfalls mit den Via zusammenarbeiteten. Allerdings hätte er das auch nicht von der CEHO oder den Tariden erwartet. Das ganze passte noch immer einfach nicht richtig zusammen, doch glaubte er langsam einige Bruchstücke zusammensetzten zu können.
Die Via hatten sich mit dem Weltenschiff zurückgezogen, aber nicht aufgegeben. Dabei mussten sie auf die Tariden getroffen sein, die sie mit einem Angebot, von dem Coel zweifelte, das sie sich daran halten würden, überzeugt hatten ihnen zu helfen und zwar als Mittelsmänner. Selbst konnten sie sich , geschwächt wie sie sein mussten, ja schlecht einmischen.
Als solche hatten die Tariden die CEHO für ihre Zwecke eingespannt, vermutlich unter Anwendung von Gewalt oder einem Druckmittel, wenn man bedachte welches Schicksal den vorherigen Generaldirektor ereilt hatte. Der Mann hatte Familie gehabt, ein größeres Druckmittel brauchten sie vermutlich nicht.
Blieb nur noch die Frage, was waren diese Chips und wie passte die Kolonie da hinein.
Seyonn hatte gemeint sich dort umsehen zu wollen… Coel glaubte nicht mehr an einen Zufall.
Irgendetwas war dort. Und zwar etwas, das selbst die Aufmerksamkeit der Unity und der Via geweckt hatte. Das ihm die Antwort nicht gefallen würde war klar, doch diese letzten Puzzleteile fehlten ihm.
Das kalte Metall eines Waffenlaufs, der sich plötzlich gegen seinen Hinterkopf drückte riss ihn aus seinen Gedanken. Coel verfluchte sich selbst, dass er unaufmerksam geworden war. Trotzdem, wenn er schnell handelte könnte er vielleicht…
,, Versuchen sie es erst gar nicht.“ , meinte eine warnende Stimme. Eine vertraute Stimme, wie ihm klar wurde.
,, Umdrehen, langsam.“
Jetzt ergab auch die herausgeschnittene Lücke im Zaun einen Sinn.
,, Freut mich auch sie wiederzusehen Aine.“ , sagte Coel, als er sich umdrehte. ,, Auch wenn er Empfang hier etwas zu wünschen übrig ließ.
Die Artheranerin ließ sich nicht anmerken, ob sie überrascht war ihn hier zu finden, ließ aber zumindest die Waffe fast augenblicklich sinken.
,, Was machen sie hier ?“ , wollte sie wissen, während sie mehrere Schritte zurück trat. Hätte Coel es nicht besser gewusst, er hätte vermutet die Artheranerin wäre verlegen.
,, Das gleiche wollte ich sie grade fragen.“
,, Schön“ Aine sammelte einen Moment ihre Gedanken. ,,Der Artheraner auf dem Fabrikgelände, sein Name war Keru, war fast zwei Monate verschwunden gewesen, das wissen sie ?“
,, Richtig.“ Diese Besonderheit war der Hauptgrund gewesen, wieso man ihm anfangs überhaupt dazu gerufen hatte.
,, Ich habe herausgefunden, wo er sich als letztes Aufgehalten hat, bevor er verschwand. Hier verlor die GTDF seine Spur.“
,, Und da haben sie sich entschlossen sich hier umzusehen ?“ , fragte Coel beinahe tadelnd.
,, Es hat eine Weile gedauert, aber… die Anlage hier ist recht auffällig. Und ja ich weiß das das recht dumm war.“ , erwiderte sie.
,,Ich mache ihnen keinen Vorwurf Aine, ich hätte das selbe getan. Aber wenn jemand anderes sie erwischt hätte…, sie wissen selbst wie instabil mittlerweile alles geworden ist.“ ,bemerkte Coel
,, Haben sie schon Irgendetwas rausgefunden ?“
,, Ich habe es versucht .“ , meinte die Artheranerin. ,, Ich denke fast Keru war der ganzen Sache hier ebenfalls auf der Spur, auch wenn ich noch nicht genau weiß, was.“
,, Und dann verschwindet er zwei Monate einfach um gleich darauf eine Fabrik zu attackieren ?“
,, Ich weiß es nicht. Aber vielleicht enthält das hier ein paar Antworten.“ Sie hielt einen quadratischen Kasten aus Metall hoch. Einige lose Kabelenden hingen davon herab.
,, Was ist das ?“ , fragte Coel.
,, Der Speicher des Zentralrechners dieser Anlage. Übrigens, ich vermute, sie waren für die Schießerei da draußen verantwortlich?“
.. Mehr oder weniger.“
,, Dann danke dafür. Das hat einige der Mitarbeiter in den Gebäuden so aufgeschreckt, dass ich Zeit hatte mich etwas umzusehen. Haben sie übrigens etwas rausgefunden?““
,, Ein wenig. Aber ich denke wir sollten warten bis Adams hier war. Der kann sich dann auch gleich um das Laufwerk…“
Ein schwerer Schlag unterbrach ihn, gefolgt vom plötzlichen Aufheulen einer Alarmsirene. Entweder hatte man mittlerweile die vier toten auf dem Platz entdeckt, oder der Alarm war verzögert ausgelöst worden. Es war egal. In jedem Fall hatten sie jetzt ein Problem.
,, Toll. Ich wusste das wird ein mieser Tag.“ Coel lud den Revolver nach und duckte sich hinter eine der Betonsäulen. Aine tat es im gleich.
,, Wissen sie, wie viele Wachen die hier haben ?“ , wollte Coel wissen.
,, Ich habe nicht viele gesehen. Aber dafür…“
Eine Explosion von der Tor-Seite her übertönte Aines Worte
Seyonn setzte sich langsam wieder auf, während er die Scherben abschüttelte. Das war unmöglich…
Ein gewaltiger Schatten verdunkelte die Sonne über der Kolonie unter ihm.
Ein entfernt vertrautes Schemen…
Die Kugel am Himmel war nach wie vor beschädigt, das konnte er selbst von hier erkennen. Aber nicht so stark, wie er erwartet hätte… Ein gutes Drittel des Schiffs war auf der Erde weggesprengt worden. Von diesen Schäden war aber so gut wie nichts mehr zu sehen. Lediglich einige Stellen, wo das Sonnenlicht durch einige Lücken in der Struktur des Weltenschiffs schimmerte verrieten noch etwas von der Schlacht.
Neben dem Schatten formierten sich weitere, Seyonn unbekannte, Schiffe, die lediglich als kleine dunkle Punkte am Himmel zu erkennen waren.
Er sah sich um und entdeckte den Direktor des Kolonialbüros, der unter seinem Schreibtisch eingeklemmt worden war.
Als die Schockwelle das Glas zerschmettert hatte, waren auch die meisten Möbelstücke umgeworfen worden.
Mehrere Bilder waren von der Wand gefallen und ihre Rahmen zersplittert.
Seyonn wuchtete Schnell den Tisch beiseite. Beinahe mühelos hob er das schwere Objekt hoch und beförderte es Beiseite.
,, Alles in Ordnung mit ihnen ?“ Er riss den Mann unsanft hoch. Dieser blinzelte ein paar Mal verwirrt.
,, Was zum…“ Ein Blick aus dem Fenster und der Direktor verstummten.
,, Hören sie, die sind ganz sicher nicht zufällig hier. Und ganz sicher nicht freundlich.“
Der Direktor riss sich los und stolperte ein paar Schritte zurück. ,, Woraus wollen sie hinaus ?“
,, Gibt es irgendetwas hier, von dem ich wissen sollte ?“ Der Mann antwortete nicht. ,, Wenn es hier etwas gibt, dann glauben sie mir , ist es unglaublich wichtig, dass ich es finde, bevor die es tun.“ Seyonn deutete auf das Weltenschiff. ,, Möglicherweise für ihre ganze Rasse.“
,,Ruinen... sonst nichts nur verstaubte Katakomben, ich meine… was ist daran so wichtig ?“
,, Was für Ruinen ?“ Er warf einen Blick nach draußen. Einige kleinere Schiffe hatten sich aus der Flotte im Orbit gelöst und schienen schnell die Kolonie anzusteuern. Aber etwas Zeit blieb ihm noch.
,, Es hat alles damit angefangen , das ein Minenbohrer auf ein Fragment gestoßen ist. Der Bohrer war glatt abgebrochen, deshalb haben wir es ausgebuddelt.
,, Fragment ?“
,, Nur… ein halbkreisförmiges Stück Metall, nur das s eben härter als unsere verdammten Diamantbohrer war. Wir haben es zur Seite gebracht aber…
,, Aber sie haben tiefer gegraben .“
,, Ein paar hundert Meter und dann.. kamen die Säulen, Kristalle verstehen sie und ein Gewölbe. Es schien nichts Besonderes zu sein. Keine Anzeichen von Technologie. Nur irgendwas, das vielleicht frühere Ureinwohner zurück gelassen haben könnten…“
,, Sie haben keine Ahnung was sie da gefunden haben.“ , erklärte Seyonn. Die Landungsschiffe waren jetzt bedrohlich nahe. ,, Sie haben Kräfte aufgeweckt, die sie nicht einmal annähernd begreifen können.“ Ein Archiv.. es konnte gar nicht anders sein. Und die ganze Zeit war es direkt vor ihrer Nase gewesen…
Und das Metallsegment… ,, Wo haben sie es gefunden ?“
,, Ich… kann ihnen die Koordinaten geben, aber… Die Kolonie. Sie haben gesagt… sie würden uns in Ruhe lassen wenn wir einfach ein paar Dinge für sie erledigen. Nichts Besonderes…“
,, Und das haben sie denen geglaubt ?“
,, Aber… was wird jetzt aus der Kolonie ?“
Seyonn wendete sich zum Gehen. ,, Ihre Kolonie ist verloren.“
Die Detonation irgendeines Geschosses hatte das Tor der Lagerhalle herausgerissen. Trümmerteile segelten durch die Luft und prallten an den Betonpfeilern ab. Hätten er und Aine sich nicht in Deckung gebracht, wäre vermutlich jeder von ihnen von den Schrapnellen getötet worden.
Wollten die ihre eigene Anlage in Trümmer legen? fragte er sich noch, als der aufgewirbelte Staub sich etwas Lichtete. Das Wellblechtor war, wie er schon vermutet hatte, aus einer Verankerung gerissen worden. Trümmerteile desselbigen hatten sich überall verteilt und Sektionen der Deckenverkleidung abgerissen. Einige lose Kabel hingen davon herab und eine der Lampen war halb herausgerissen.
Sein Verstand versuchte Fieberhaft die Waffe zuzuordnen. In dem Nebel aus Staub zeichneten sich die dunklen Umrisse einer großen Person ab. Die Gestalt stieß fast an die Decke des Raumes.
Ihr Gegner machte ein paar weitere Schritte in die Halle hinein. Offenbar hatte er bisher weder Coel noch Aine bemerkt.
Im Licht der teilweise beschädigten Lampen konnte Coel jetzt auch erkenne, wieso ihm der Mann so groß vorgekommen war. Er trug ein Exoskelett und die Waffe, die er mit sich trug…
Coel warf sich zur Seite als der Riese das Gaußgewehr auf ihn richtete und feuerte.
Die Säule hinter der er sich eben noch geduckt hatte zerbröselte in einem Feuerball.
Coel rappelte sich wieder auf und brachte sich erneut hinter einer Säule in Deckung, in der Hoffnung dass der Mann ihn nicht wieder entdecken würde.
Er hörte Aine Fluchen, die dem Angriff zwar ebenfalls entkommen war, aber einige versengte Haarsträhnen und Fellstellen zu verbuchen hatte.
So gesehen hatte sie noch Glück. Trotzdem warf er der Artheranerin einen besorgten Blick zu. Sie würde schon in Ordnung sein… Hoffte er.
Gaußgewehre gehörten zu den gefährlichsten Waffen, welche die Arsenale der GTDF beherbergten und auf vielen Kolonien war selbst dem Militär der Einsatz verboten. Was Coel natürlich zu der Frage führte, woher diese Waffe stammte. Im Augenblick jedoch hatte er andere Probleme.
An sich basierte ein Gaußgewehr auf einem ähnlichen Prinzip, wie eine Railgun. Jedoch wurde bei dieser ein längerer Beschleunigungsweg gebraucht, was es unmöglich machte, eine Railgun in einem handlichen Format für die Infanterie zu bauen.
Statt des Schienensystems der Railgun wurde hier jedoch eine Reihe von magnetischen Spulen verwendet, die ein Geschoss beschleunigten. Das Ergebnis war zwar nicht grade handlich, dafür aber enorm effektiv. Aufgrund des, trotz des einfachen Designs, immer noch immensen Gewichst der Waffe und des enormen Energiebedarfs konnte diese jedoch nur im Zusammenhang mit einer mechanischen Exoskelettpanzerung verwendet werden, an der gleichzeitig auch die benötigten Energiezellen befestigt waren und die dem so nicht grade beweglichem Kämpfer Schutz vor kleinen Projektilen boten.
Im Klartext hieß das, mit dem Revolver richtete er gegen ihren Gegner nichts aus. Um ein Exoskelett zu knacken brauchte man schon schwere Geschützte. Und die hatten sie nicht.
Das war vermutlich auch ihrem Gegner klar, denn der ging langsam, Schritt für Schritt weiter in die Halle. Mittlerweile war der Raum ziemlich mitgenommen . Neben der beschädigten Decke und der Tür hatte nun der Schutt von den Sülen einen kniehohen Berg gebildet.
Aine feuerte ein paar Mal auf die schwarze Außenpanzerung. Die Kugeln prallten funkenschlagend und ohne auch nur eine Beule zu hinterlassen ab.
,, Alles in Ordnung ?“, rief er Aine zu.
,, Soweit schon.“
,, Irgendwelche Ideen ?“
,, Nein, Sie ?“ , wollte die Artheranerin wissen.
,, Vielleicht.. aber dazu müsste ich näher an unseren Freund da ran.“
,, Das das eine dämliche Idee ist wissen sie oder ?“
,, Warten sie es ab, mein Kopf ist voller dämlicher Ideen.“
Er dachte an die Waffe, die Adams ihm geschickt hatte. Wenn diese tatsächlich funktionierte, dürfte sie auch die Steuerung eines Exoskeletts lahmlegen.
Während er noch darüber nachdachte, musste er bereits erneut zur Seite springen, als ein Geschoß direkt über seinen Kopf hinwegraste… und den Raum mit der Sendeanlage traf.
Die Detonation riss ein Loch in die Rückwand der Lagerhalle. Schlagartig wurde es dunkel, als die gesamte Stromversorgung zusammenbrach.
Vermutlich hatte die Zerstörung des Senders zusammen mit den guten Dutzend offenen Leitungen in der Hallendecke einen Kurzschluss ausgelöst.
Er wusste nicht wie viel Munition er mit den Prototypen hatte, aber Coel wollte kein Risiko eingehen. Um sicher zu sein, musste er so nah wie möglich ran. Da kam ihm die plötzliche Dunkelheit ganz recht.
Er spürte die schweren Schritte seines Gegners. Jeder davon brache den Boden spürbar zum Zittern. Er konnte nur hoffen, dass dieser nicht über eine Nachtsichtvorrichtung verfügte, sonst würde das eine ziemlich kurze Aktion werden.
Geduckt trat Coel aus seiner Deckung heraus und entfernte die Kontaktlinse aus seinem Auge.. Die würde ihn jetzt nur behindern.
Das durch die Wolkendecke draußen gedämpfte Mondlicht, das durch die entstandenen Lücken in Tor und Rückwand fiel reichte ihm aus um sich zu orientieren. Trotzdem brauchte er einen Moment um die dunkle Panzerung des Exoskeletts zu finden, die selbst für ihn in der Dunkelheit kaum auszumachen war. Langsam umrundete er die in der Panzerung Riesenhaft wirkende Gestalt bis er in deren Rücke gelangte. Dann legte er mit der Waffe auf diese an und zielte.
Kurz bevor er den Abzug drücken konnte sprangen sämtliche Lichter wieder an.
Die plötzliche Helligkeit blendete ihn einen Augenblick.
Als er wieder klar sehen konnte, zielte das Gaußgewehr direkt auf ihn.
Wenn er sich sofort in Sicherheit brachte, hatte er noch eine Chance… aber wenn er das tat hatte er vermutlich keine Gelegenheit mehr die Waffe einzusetzen. Dann würden sie hier beide sterben…
Oder er setzte alles auf eine Karte.
Ich hoffe wirklich das funktioniert. Ein lächerlicher letzter Gedanke. Ich hoffe es rettet zumindest einen von uns. Schon besser.
Er zog den Abzugsbügel der Waffe durch.
Das magnetische Projektil durchschlug die Panzerung des Exoskeletts nicht, allerdings prallte es auch nicht ab. Stattdessen heftete es sich an die Oberfläche. Ansonsten geschah jedoch nichts.
Coel hatte schon mit seinem Leben abgeschlossen, als plötzlich ein Impuls durch die Maschinerie des Exoskeletts zu laufen schien . Sämtliche Servomotoren blieben zeitgleich stehen. Langsam kippte das Konstrukt zur Seite und schlug auf dem ohnehin zerstörten Boden einen weiteren Krater.
Der Mann im inneren musste jetzt wohl große Probleme haben, denn ohne Steuerung konnte er sich nicht einmal daraus befreien. Coel kümmerte das eher weniger. Er wischte sich erleichtert mit einer Hand den Schweiß von der Stirn.
,, Das war viel zu knapp.“
,, Geht es ihnen gut ?“ Aine tastete schnell seine Schultern ab, als wollte sie sich überzeugen, dass er wirklich noch in einem Stück war.
,, Ähm.. ja, es geht mir gut, danke auch der Nachfrage…“ , meinte er ein wenig Überrascht über ihre plötzliche Besorgnis.
Sie trat hastig ein paar Schritte zurück, als hätte sie sich verbrannt.
,, Dann… einen Moment dachte ich wirklich sie sind tot.“
Endlos scheinende Sekunden des unsicheren Schweigens Folgten, bis Coel die Stille brach. ,, Haben sie das Datenlaufwerk noch ?“
,, Ja.“
,, Gut“ , er klopfte sich etwas Staub aus der Kleidung ,,dann verschwinden wir erstmals hier.“ Er trat durch die Trümmer des Hallentors auf den Platz draußen. ,, Ich informiere die GTDF, die sollen hier alles auf den Kopf…“
Das grelle Licht eines Schweinwerfers blendete ihn ohne Vorwarnung. ,, Nehmen sie die Hände über den Kopf und legen sie alle Waffen weg.“ Er versuchte etwas zu erkennen. Offenbar hatten sich auf drei der Gebäude um den Platz weitere Männer, Coel schätzte ihre Anzahl auf etwa fünfzehn, postiert und zielten auf ihn und Aine. Rasch versuchte er seine Chancen einzuschätzen. Nach links oder rechts zur rennen würde nur dazu führen, das er sofort getötet würde, sollten die Posten auf dem Dach das Feuer eröffnen.
Und zurück in die Halle war auch keine Option mehr.
Irgendwie musste er zumindest Zeit schinden.
,, Haben sie dafür auch eine dumme Idee ?“ ,fragte Aine.
,, Sogar eine richtig bescheuerte.“ , meinte er und trat auf den Platz heraus.
,,Hände über den Kopf.“ , reif eine autoritäre, aber auch nervöse Stimme.
,, Was jetzt ?“ , rief er und nahm die Arme hoch.
,, Waffen weg .“
,, Und wie bitte ?“
,, Waffen weg und dann Hände hoch verdammt noch mal.“ Coel verstand langsam warum der Mann nervös war. Vermutlich hatten sie Gedacht, der Soldat mit der Gaußwaffe wäre mehr als genug gewesen. Und dass zwei Personen damit fertig geworden sein sollten machte ihnen Angst.
,, Und wenn ich es nicht tue?“ , fragte er.
,, Erschießen wir sie und die Artheranerin.“
Coel musste sich zurückhalten nicht einfach laut loszulachen.
,, Ach kommt euch muss doch was Besseres einfallen. Wenn ich das tue bin ich doch auch tot.“
Ein näherkommendes dröhnendes Geräusch veranlasste die Soldaten auf den Dächern nervös den Himmel abzusuchen.
,, Also was ist jetzt ?“ , rief die leicht nervöse Stimme erneut.
Coel zögerte. Er hatte das Geräusch natürlich auch gehört und noch wichtiger, er konnte es zuordnen. Er wusste nicht wie das möglich war und es war ihm auch egal…
Ein heller Schein über der Wolkendecke machte ihm wieder etwas Hoffnung.
Sein Funkgerät schaltete sich ein und Martins Stimme meldete sich.
,, Coel, ich weiß nicht ob sie das hören, aber wenn rate ich ihnen besser den Kopf einzuziehen.“
,, Ja ich höre sie. Ich habe keine Ahnung wieso sie hier sind, aber sie haben sich den Richtigen Zeitpunkt ausgesucht. Ihre Ziele sind auf den Dächer, Fünfzehn Personen.“
,, Verstanden.“
In diesem Moment riss die Wolkendecke auf und ein Railgungeschoss zertrümmerte das Dach eines der besetzten Gebäude. Der Scheinwerfer, der Coel geblendet hatte erlosch, die fünf Söldner hingegen, die eben noch dahinter gestanden hatten, wurden in alle Richtungen davon geschleudert. Noch bevor sich die Lücke in den Wolken wieder schloss sank ein Koloss aus Stahl durch diese herab und kam auf Höhe der Gebäudedächer zum Stehen. Die großen Schlachtschiffe der Flotte waren zu groß um in der Atmosphäre eines Planeten oder geschweige denn in dessen Schwerkraftfeld zu fliegen. Sie würden dabei zerbrechen. Die Kronos hingegen war noch leicht genug um auch auf der Oberfläche eines Planeten noch kontrollierbar zu sein. Und Ägirs Talente als Steuermann taten ihr Übriges.
,, Wies aussieht, ist es jetzt an ihnen sich zu ergeben.“ , reif Coel zu den verbliebenen Schützen auf dem Dach herauf.
Die überlebenden Söldner warfen ihre Waffen fast augenblicklich weg. Wenige Sekunden später meldete sich eine Fremde Stimme über Funk.
,, Hier ist John Watergate von der Kronos. Wir sind zu ihrer Unterstützung hier.“
,, Danke würde ich mal sagen. Was verschafft mir die Ehre?“
,, Steel und dieser Professor Adams wurden nervös, nachdem sie sich ein Weile Nicht mehr gemeldet haben. Und da wir grade im Orbit über ihrer Position waren…“
,, Verstehe. Können sie ein paar Leute runterschicken die das Gelände sichern?“ , fragte er.
,,Sicher und gute Arbeit übrigens.“ , meldete sich eine neue Stimme. Diesmal eine, die Coel kannte.
,,Cain, sind sie das ?“.“
,, Ich habe es mir nicht nehmen lassen, selbst nach dem Rechten zu sehen. Wie gesagt, gute Arbeit. Auch wenn sie noch gar nicht wieder im Dienst sein sollten.“
,,Ich und Regeln Sir, das sollten sie langsam wissen und ich war nicht ganz allein.“ , meinte Coel.
Wenige Minuten später setzten die ersten Landungsshuttle der Kronos auf. Normalerweise befand sich maximal ein Kontingent von fünfzig Personen auf dem Schiff. Die Zahl der ankommenden Soldaten lies Coel jedoch vermuten, das Cain veranlasst hatte, einige Männer extra an Bord zu bringen. Die Soldaten begannen sofort, das Gelände und die verbliebenen vier Gebäude abzusichern. Das fünfte war durch den Treffer mit der Railgun zu instabil geworden und lag halb in Trümmern.
Ein gutes Dutzend Mitarbeiter, die wohl noch innerhalb der Gebäude gewesen waren wurden draußen im Hof versammelt, während die Söldner vom Dach entwaffnet und auf eines der Shuttles gebracht wurden.
Bei den Mitarbeitern würde man wohl klären müssen, inwieweit diese überhaupt in das ganze verwickelt waren. Coel jedoch vermutete, dass die meisten davon wohl nichts oder nicht viel gewusst hatten oder wussten. Nur wovon… blieb für ihn noch immer undurchsichtig. Solange niemand herausfand, welchem Zweck diese Chips dienten, wussten sie auch nicht, was der eigentliche Plan hinter all dem war. Er dachte an die Kisten in der Halle. Irgendwo mussten noch mehr davon sein, wenn er die Spuren auf dem Hallenboden richtig gedeutet hatte. Gekennzeichnet als medizinische Güter… aber wofür ?
,, So sieht man sich wieder.“ Die bekannte Stimme riss ihn aus seinen Gedanken, während er zusah, wie die Gebäude durchsucht wurden.
,, Martin.“ , begrüßte er den alten Freund. ,, Und sie dachten auf der Kronos würde ihnen langweilig.“
,, Nun… das war es auch. Bis auf einige kleinere Zwischenfälle. Sie auch hier Aine ?“
,, Ja, ich auch. Übrigens Danke nochmal.“
,, Keine Ursache, aber Watergate hätte mir fast das Fell über die Ohren gezogen.“
,, Habe ich irgendwas verpasst ?“ , fragte Coel, der aus der kurzen Diskussion nicht schlau wurde.
,, Ich erklär es ihnen später.“ , erwiderte Martin. ,, Allerdings…“ Er sah auf, als ein weiteres Shuttle landete. ,, Da kommt Watergate. Ich würde lieber warten, bis der wieder weg ist.“
Der Transporter setzte auf dem Platz auf und ein Mann in der Uniform eines Offiziers trat heraus.
,, Richter, ich brauche ihren Bericht. Und bringen sie Coel gleich mit. Die Artheranerin auch, aber bitte unbewaffnet… “ , rief er und verschwand in einem der Gebäude.
Martin zuckte mit den Achseln. ,, Wir gehen besser.“ , meinte Aine.
,, Was ist mit Steel ?“ , wollte Coel wissen.
,, Keine Ahnung, der trifft vermutlich erst ein wenn hier alles gesichert ist.“
,, Schade, ich glaube der wäre mir lieber gewesen.“ , erwiderte er.
,, Mir auch Coel, mir auch.“
Coel hatte Mühe, den Kommandanten der Kronos durch die Flure des Gebäudes zu folgen.
Überall waren Soldaten damit beschäftigt Akten sicherzustellen oder Räume zu durchsuchen.
,, Okay, Gentleman , wenn hier auch nur ein Fetzten Papier oder ein einziger Computer verloren geht, haftet ihr persönlich dafür.“ , rief Watergate, während er sich einen Weg zwischen Aktenschränken und Tischen hindurchsuchte, die man aus den dutzenden von Büroräumen auf den Flur befördert hatte.
,, Gibt es hier irgendwo einen freien Raum ?“ , wollte er wissen.
,, Im zweiten Stock ist glaube ich schon alles draußen.“ , antwortete eine Frau, die grade einige Unterlagen überflog. Coel bezweifelte, dass sie hier irgendetwas Nützliches finden würden. Für ihn stand fest, dass die CEHO nur eine Schachfigur war. Wenn es Informationen gab, dann auf dem Speicher des Zentralrechners, der sich jetzt in Aines besitz befand.
,, Gut, Sorgen sie dafür das irgendjemand sämtliche Ausgänge hier absichert bis der Admiral eintrifft.“
,, Jawohl Sir.“
Watergate hastete Coel, Martin und Aine immer noch im Schlepptau, eine Treppe hinauf und erreichte so das nächste Stockwerk. Hier sah es auch nicht besser aus. Stapel von Papieren und Rechnern, die allesamt aus den Büros geschafft wurden um sie abzutransportieren und zu untersuchen.
Vermutlich, überlegte Coel würde sogar eine Menge verloren gehen, bei dem doch recht unkoordinierte vorgehen.
Aber das war nicht sein Problem. Es schien unwahrscheinlich, das sich hier noch etwas wichtiges befand.
Sie betraten einen kleinen Raum, der bis auf einige Stühle und einen großen Konferenztisch völlig leer geräumt worden war. Watergate setzte sich demonstrativ an den Kopf des Tischs, ohne den anderen drei einen Platz anzubieten.
,, Wir..“ , setzte Coel an.
,, Fangen sie mal damit an, was sie überhaupt hier zu suchen haben.“ , unterbrach Watergate ihn,
,, Sie sind noch gar nicht wieder im Dienst.“
Coel hätte sich am liebsten mit der Hand vor den Kopf geschlagen. Der Mann hatte offenbar nur vor ihm zu zeigen, wer der Chef war. Da hatte er allerdings die Rechnung mit dem falschen gemacht.
,, Sie wissen ,dass ich weder Offiziell der GTDF und schon gar nicht ihnen unterstehe. Ich schulde ihnen als keinerlei Erklärung. Wobei ich übrigens erwähnen möchte, dass sie ohne mich wohl noch längst nicht so weit wären. Aine, haben sie eigentlich noch den Speicher des Zentralrechners?“
,, Habe ich.“ , meinte sie, machte allerdings auch keine Anstalten das Datenlaufwerk auszuhändigen.
Die etwa Handtellergroße, silberne Kassette blieb fest in ihrer Hand.
,,Was macht die Artheranerin eigentlich noch hier ?“ , fragte Watergate misstrauisch und genervt zugleich.
,,Die Artheranerin hier“ , erwiderte Aine. ,, Hat mehr Ahnung als ihre gesamte Abteilung, den offenbar war ich ja vor ihnen hier. Vielleicht sollten sie sich fragen, was sie immer noch hier machen. Und zweitens habe ich einen Namen. Ich würde sie bitten den zu benutzen… Mensch.“
Watergate sah wütend auf, sagte aber nichts.
Martin schaltete sich dazwischen. ,, Okay, bevor wir hier gleich den Artheriumkrieg wieder aufleben lassen, wiese beruhigen wir uns alle nicht wieder etwas ?“
,, Das hat hier nichts mit irgendwelchen alten Kämpfen zu tun. . Aber ein Artheraner hat bei einer militärischen Operation der Menschen noch dazu auf der Erde nichts verloren und sich auch nicht einzumischen. Und wenn sie auch noch Informationen zurück halten…“
,, Aine hat uns schon öfter geholfen.“ , bemerkte Coel, während die Artheranerin das Laufwerk auf den Tisch legte.
,, Das ist mir grade ziemlich egal. Bis der Admiral hier ist bin ich für die Sicherheit verantwortlich. Und wenn sie nicht von selbst geht lasse ich sie eben wegbringen.“
,, Das wird nicht nötig sein.“ , reif eine Stimme von der Tür her. Coel sah auf und entdeckte Cain Steel, der in Begleitung von zwei bewaffneten Soldaten den Raum betrat.
,, Darf ich ?“ , fragte er und streckte die Hand nach dem Datenspeicher aus.
Aine zögerte kurz, händigte dem Admiral dann aber den Gegenstand aus.
,, Watergate, sie werden zurück auf die Kronos gehen und das Gelände aus dem Orbit absichern, Verstanden ?“
,, Ja.. Jawohl.“ Die zuvor noch Selbstsichere und Überhebliche Fassade des Kommandanten bekam Risse. Mit einem kurzen Salut folgte er dem Befehl und verschwand aus der Tür.
Steel ließ sich in den Stuhl fallen, auf dem zuvor noch Watergate gesessen hatte.
,, Also , was haben wir bisher ?“ , fragte er.
Coel versuchte seinen Teil der Geschichte so gut wie möglich zusammenzufassen. Angefangen von dem Punkt, an dem er en ersten Chip bei dem Artheraner gefunden hatte bis zu dem Moment, in dem er die Zertrümmerte Lagerhalle verlassen hatte.
Aine wiederum fügte nur noch hinzu, wie sie Kerus Spur bis hierher gefolgt und so an das Datenlaufwerk gekommen war. Dabei ließ sie jedoch Martins Hilfe aus dem Spiel.
Dieser atmete merklich erleichtert auf, als Steel auch nicht nachfragte, woher sie gewusst hatte, wo der Artheraner verschwunden war.
Cain lehnte sich in dem Stuhl zurück. ,, Also haben wir es mit einem Bund aus den Via und den Tariden zu tun.“ , fasste er das ganze zusammen.
,, Richtig. Nur…“
,, Wissen wir immer noch nicht genau, welchem Zweck das ganze dient. Deshalb habe ich auch Adams und Helen herbringen lassen. Wir durchsuchen hier alles, wie sie sicher schon gemerkt haben und ich denke mal, wenn sich hier drauf wirklich etwas Nützliches befindet.“ Er deutete auf den Datenspeicher. ,, Dann werden wir es bald wissen.“ Er stand auf und sah aus einem Fenster auf den Hof hinab, wo grade ein letzter Transporter auf dem Platz aufsetzte.
,, Sie sind alle fürs erste freigestellt. Wenn es etwas Neues gibt, Sorge ich dafür, dass sie es erfahren. Und nochmal , gute Arbeit. Auch wenn sie nicht hier sein sollten.“
Coel, Aine und Martin verließen das Gebäude wieder. Mittlerweile konnte man am Horizont bereits den ersten Hellen Schimmer des anbrechenden Tages erkennen.
Coel tastete kurz seien Taschen ab. Etwas, das ihm entfallen war… Er förderte den Chip zutage, den er aus der Lagerhalle hatte. Kurz überlegte er, ob es besser wäre diesen Abzugeben, aber momentan schien nicht wirklich eine Bedrohung davon auszugehen und vermutlich hatten die meisten auch grade besseres zu tun.
Er ließ den Gegenstand wieder in seiner Manteltasche verschwinden. Seltsam… hatte sich das Metall des Chips grade aufgeheizt?
,, Schön sie zu sehen.“ Die bekannte Stimme riss ihn aus seinen Überlegungen. Der Chip war vergessen.
Aus dem Shuttle, das sie vom Fenster aus hatten landen sehen stiegen grade Adams, der einen schweren Koffer mitschleppte und Helen, die ebenfalls einiges an Ausrüstung mitbrachte.
,, Entschuldigt mich kurz.“ , sagte Coel und lief zu den Beiden herüber.
,, Kann ich irgendwie helfen? “ , wollte er wissen.
,, Und ob sie das können. Steel hat veranlasst das wir alles was wir brauchen könnten mitnehmen.“ , erklärte Helen. Offenbar war das gesamte Shuttle voll mit Ausrüstung. Aluminium-Kisten, mehrere Rechner…
,,Nun, das Ergebnis davon sehen sie ja.“ , meinte Adams, der einen schwarzen Koffer grade an einen Wachposten weitergab. ,, Bringen sie das irgendwohin, wo es möglichst nicht beschädigt wird.“
,, Was unser Professor hier eigentlich sagen möchte ist denke, Geht es ihnen gut ?“ , fragte Helen.
,, Ein paar Kratzer, das übliche eben.“ , antwortete er während er ihr einen weiteren Koffer abnahm.
,, Wohin soll der ?“
,, In die Halle, oder das was davon übrig ist. Steel möchte, dass wir uns Hauptsächlich auf die Chips konzentrieren. Oder besser ich. Adams hat sich ja erfolgreich gedrückt.“
,, Irgendjemand muss doch die Datenspeicher auswerten.“ , erwiderte der Doktor und rückte seien Brille zurecht. ,, Und sie sind soweit ich das weiß Expertin für Humankybernetik nicht für Datentechnik.“
,, Und sie sind Physiker.“
,, Eher Mädchen für alles wie es momentan aussieht.“ Es war seltsam , Adams so ausgelassen zu erleben.
,, Und sie dürfen jetzt drinnen an einem Schreibtisch hocken. Während ich versuche das Beste aus dem Chaos zu machen, das sie hinterlassen haben Rafail.“
,, Tja tut mir leid. Das nächste Mal, wenn jemand mit einem Gaußgewehr auf mich schießt werde ich ihn bitten besser zu zielen.“ , sagte er, während sie sich auf den Weg in Richtung Halle machten.
,, So habe ich das nicht gemeint und das wissen sie… .“
,, Ich weiß… hören sie haben sie nachher zufällig Zeit, ich bin für heute freigestellt worden und… ich wollte fragen..“
,, Wir das jetzt ein Date ?“
,, Ja.. also.. ich denke..“
Helen lachte. ,, Also, sie, der Mann der vor ein paar Stunden die halbe Anlage hier ins Schutt und Asche gelegt hat, sind Nervös wenn sie mich um eine Verabredung bitten ?“
,, Ich bin ruhiger wenn ich in Lebensgefahr bin. Das bin ich wenigstens Gewohnt.“
,, Das glaube ich ihnen sogar aufs Wort.“ , antwortete sie.
,, Also ? Haben sie Zeit?“
,, Tut mir leid, aber ich fürchte fast, das müssen wir verschieben. Sehen sie wir haben hier so viel zu tun und ich habe nicht mal angefangen….“
,, Verstehe.“
,,Wirklich ?“
,, Verschieben wir das bis zu dem Moment wo nichts versucht uns alle umzubringen.“ , meinte er.
,, Ich fürchte fast, das könnte eine Weile dauern.“
,, Ich hoffe nicht. Wir sehen uns.“ Er drehte sich um und ging zurück zu der Stelle wo Martin und Aine warteten.
,, Also, nachdem meine Pläne für heute über den Haufen geworfen wurden, was haben sie vor ?“ , fragte Coel die wartenden.
,, Ich müsste eigentlich zurück zu…“ , begann Aine, als Martin sie sofort mit einem Räuspern unterbrach. ,, Woran hatten sie gedacht ?“ , fragte er.
,, Tja ich kenne mich hier nicht wirklich aus.“ , sagte Coel.
,, Glück gehabt. Ich bin auf meiner Flucht vor der GTDF ein paar Mal hier gewesen. Weiter in der Innenstadt gibt es ein paar bessere Gegenden.“
,, Perfekt. Ich habe mich in einem Hotel in der Nähe eingemietet, ich gebe ihnen beiden die Adresse.“ Er durchsuchte seine Taschen nach einem Stück Papier und einem Stift.
,, Ich denke mal, ich werde erst mal etwas schlaf nachholen, aber wenn sie nachher…“ Er sah in Richtung aufgehende Sonnen und versuchte die Zeit abzuschätzen, ,, Sagen wir um acht vorbeikommen?“
,, Ich habe sonst nichts vor. Sie Aine ?“ , wollte Martin mit Nachdruck wissen.
Die Artheranerin schüttelte nur den Kopf.
,, Dann wäre das ja geklärt.“ , stellte Coel fest und machte sich auf den Weg den Zufahrtsweg des CEHO-Geländes hinab.
Es ging ihm merklich besser, wie er feststellte.
Seit er wieder aufgewacht war, hatte er ständig das Gefühl gehabt, zu etwas anderem geworden zu sein. Entmenschlicht, wäre vielleicht das richtige Wort. Und nun zum ersten Mal seit einer sehr langen Zeit glaubte er wieder so etwas, wie seinen Seelenfrieden gefunden zu haben. Die Dunkelheit, die ständig in seinem Geist zu lauern schien, war sicher nicht verschwunden, aber wenigstens war sie nicht mehr greifbar. Es wirkte jetzt weit entfernt. Natürlich, noch war da die ungebrochene Bedrohung durch die Via und tausend andere Dinge, über die er sich Gedanken machen musste und die ihm keine Ruhe ließen.
Aber zum aller ersten Mal, glaubte er, das diese Aufgabe nicht unlösbar sein würde. Die Antwort zu allem schien in greifbarer Nähe zu sein und nun… blieb ihm nur noch übrig abzuwarten.
Er hasste es normalerweise nichts tun zu können. Ein seltenes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, als er die Gebäude hinter sich ließ. Coel glaubte sein Leben wieder unter Kontrolle zu haben. Die bröcklige verfallene Fassade, gehörte wieder zu etwas ganzem.
,, Was sollte das denn eben ?“ , fragte Aine, als Coel außer Sichtweite verschwunden war.
,, Ach kommen sie schon. Coel lädt sie ein und sie haben nichts Besseres zu tun, als direkt abzulehnen?“ , wollte er nur halb ernst wissen.
,, Ich glaube wir haben im Augenblick wirklich genug Schwierigkeiten und außerdem…“
,, Und außerdem sind sie feige.“ , stellte Martin fest. ,, Richtig ?“
,, Ich und Feige ?“ , erwiderte die Artheranerin. ,, Martin, sie machen sich lächerlich.“
,, Man tut was man kann. Aber sie können nicht leugnen, dass ich recht habe.“
,, Sie wissen genau, dass das nicht so einfach ist.“
Der Pilot seufzte. ,, Muss ich ihnen nochmal Unmöglichkeit erläutern ?“
,, Sie wissen genau, das ihre Geschichte einen großen Hacken hat. Sie wären vielleicht gestorben, oder hätten vielleicht Probleme bekommen. Aber das hier… es gibt kein vielleicht. Nur ein ja oder nein.“
,, Und davor haben sie Angst ?“
,, Und wie ich dann dar stehen würde ? Ich würde doch wie wahnsinnig wirken.“ , erwiderte die Artheranerin. ,,Meine eigenes Volk hält mich jetzt schon für Verrückt oder einen Verräter. Es gibt so viel andere Probleme die wir momentan haben… da kann ich nicht noch mehr verursachen…“
,, Sie sind definitiv kein Problem Aine. Ich hätte nicht geglaubt, dass ich das einmal über einen Artheraner sagen würde aber… ohne sie wären wir vermutlich alle Tod. Wir hätten nie rechtzeitig von den Via erfahren…“
,, Das war zu Beginn nicht meine Absicht.“ , erklärte sie.
,, Aber sie haben es getan, das ist wichtig, nicht was sie anfangs vorhatten.
,, Ich weiß nicht ob sie das verstehen, aber ich bin es gewohnt, immer eine gewisse Kontrolle über alles zu haben. Artheraner lernen schneller als ihr Volk, das wissen sie. Damit Verbunden können wir auch schneller Entscheidungen treffen, folgen von etwas abschätzen, sie verstehen?“
,, Ich glaube schon. „ Martin schwieg eine Weile, während er zusah, wie mehrere Personen Kisten mit Akten zurück zu den Shuttles im Hof schleppten. ,, Also, wenn sie einen Stein lostreten, möchten sie vorher wissen, wo der landet.“
,, Genau.“
,, Vielleicht muss man manche Dinge einfach riskieren. Wenn sie das wert sind. Leben, Verstand… manchmal muss man auch einfach auf das ureigene Recht bestehen sich Lächerlich zu machen.“
,, Tun sie das ?“
,, Meistens.“ , antwortete Martin. ,, Sehr viel mehr bleibt mir nicht.“
Alles hatte mit einer unguten Vorahnung angefangen. Einer Suche, bei der er nicht wusste, was er finden würde.
Seyonn sah über die gewaltige fast leere Ebene unter ihm. Eine Ausgrabungsstätte.
Das Metallsegment, von dem der Direktor gesprochen hatte war riesig. Mindestens fünfhundert Meter lang und ein dutzend Meter hoch. Die Oberfläche wies zahlreiche Kerben und symmetrische Höcker auf, fast wie die Zähne eines Zahnrads.
Wusste sonst wer, wie die Minenarbeiter das bewegt hatten.
Kurz fragte er sich, wie viele Jahrtausende es schon dort unten lag…. Letztlich war es gleich. Was zählte war die Frage danach, was es war.
Unter dem Metall verborgen sich mehrere aus dem Sand ragende Kristallsäulen. Zwei Meter hohe Pfeiler ,die den Eingang zu einem dunklen Schacht umstanden.
,, Wie seit ihr rechtzeitig aus der Stadt gekommen ?“
Seyonn drehte sich zu der Stimme um, die ohne Vorwarnung neben ihm erklang.
Eine dunkelhaarige Gestalt mit alterslosen Gesichtszügen stand neben ihm auf dem Kamm der Schutthalde und spähte hinab in die Grube.
,, Mit Geschick, Asmodeus .“ , erwiderte Seyonn.
,, Es ist faszinierend nicht ?“ , fragte der Via, während er eine Hand nach dem Metall-Segment ausstreckte. ,, Wie es all die Jahrhunderte überstehen konnte… Schlafend, Wartend… Seiner Bestimmung harrend“
,, Wir alle sollten mittlerweile wissen, dass es so etwas wie Bestimmung oder Schicksal nicht gibt. Es gibt Pfade, auf denen sich alles bewegt, aber sie alle sind variablen, keine Konstanten. Das Universum hat keine Konstante.“
,, Aber Pfade. Und wir werden die Galaxie auf den Geordneten führen oder die Galaxie wird daran zerbrechen. Menschen sind das absolute Gegenteil eines geordneten Pfades.“
,, Aber ich habe Hoffnung für sie gesehen Asmodeus.“ , erwiderte Seyonn ruhig.
,, Hoffnung… oder Selbsttäuschung ? Ihr habt uns in der Dunkelheit einer sterbenden Galaxie zurück gelassen. Lies das Raum für Hoffnung?“
,, ihr habt uns keine Wahl gelassen. Die Frage kannte nur zwei antworten, die nicht miteinander existieren konnten. Ihr musstet gehen… oder sterben. Wie hätten wir ahnen können, dass uns ein Schiff entgangen ist? “
,, Heute endet dieses Exil endgültig Seyonn.“ , erwiderte Asmodeus. ,, Heute bricht euer Gefängnis.“
Er strich mit der Hand an dem Metallsegment entlang, das nun kaum wahrnehmbar zu vibrieren schien. Risse in der Oberfläche schlossen sich innerhalb von Sekunden, Rost und Staub von Jahrtausenden lösten sich auf.
Seyonn trat einige Schritte zurück.
Langsam, unmerkbar langsam, löste sich das Metall aus dem Sand, schwebte einen Moment darüber… und dann immer höher, mit rasender Geschwindigkeit in Richtung des Planetenorbits.
,, Es geht euch gar nicht um das Archiv.“ ,stellte Seyonn fest, während der Boden nicht aufhören wollte zu zittern. In einigen hundert Metern Entfernung brach der Sand nun ebenfalls auf, während ein weiteres Fragment ans Licht stieg. Und in der Ferne konnte er ebenfalls erkennen, wie sich der Sand hob. ,, Es geht euch um die Brücke.“
,, Das Archiv Seyonn hat Zeit die Rückkehr unserer Brüder hierher… nicht.“
,, Wie viele sind noch auf der anderen Seite ?“ , fragte er.
,, Genug. Das wissen wir.“
,, Das wird sich noch zeigen Asmodeus . Was habt ihr mit mir vor?“
,, Nicht alle von uns Hegen einen Groll gegen die Unity. Zumindest ich nicht. Ihr könnt nichts verhindern. Bleibt hier und seht meinetwegen zu.“
,, Und eure Aktionen auf der Erde ?“ , wollte Seyonn wissen.
,, Das werdet ihr noch sehen. Es scheint jedoch als hätte dieser Mensch, Coel, auf den ihr so viel haltet, mal wieder Probleme gemacht. Aber… das wird sich bald erledigt haben. Es bedeutet nur eine kleine Verzögerung. Selbst wenn unsere Pläne auf der Erde völlig fehlschlagen, so bedeutet das doch nur, das sie ihre Zurückführung auf einen geordneten Pfad etwas hinauszögern.“
,, Unterschätzt ihn nicht. Den Fehler habt ihr schon einmal gemacht.“
,, Unterschätzt ? Es wundert mich, dass er überlebt hat. Er ist ein Insekt, egal wie weit er seiner ganzen Art eurer Meinung nach voraus ist.“
,, Und doch fürchtet ihr ihn.“ , stellte Seyonn fest.
Der Via erwiderte nichts, sondern verschwand einfach. Die Gestalt zerfiel zu grauen Partikeln, die, wie vom Wind getragen, in Richtung der Kolonie davonwehten.
Seyonn blieb allein auf der windgepeitschten Oberfläche zurück. Asmodeus n hatte Recht. Weg konnte er nicht. Und verhindern längst nichts mehr.
Weitere Segmente strebten jetzt überall von der Ebene aus dem All entgegen. Getrieben von ihrer uralten, noch immer betriebsbereiten Maschinerie.
Aber er konnte sich das Archiv ansehen, das sie mit der Brücke gefunden hatten.
Ein intaktes Archiv…. Selbst dem Maschinenverstand des Unity-Gesandten schauderte bei dieser Vorstellung. Das Wissen… und die Macht die da drinnen lagerten, im Archivar, der in der Tiefe des Planeten, dort unten in der Grube, schlummerte.
Eine halbe Galaxie entfernt wusste von den Ereignissen auf der abtrünnigen Koloniewelt niemand etwas. Oder hätte sie zu deuten gewusst.
Rafail Coel lag seit mehreren Stunden wach. Er warf einen Blick auf die Uhr. Um Acht wollte er sich mit den anderen treffen. Mittlerweile war es halb sieben. Doch sein Geist ließ ihm keine Ruhe. Ihm entging etwas, das war ihm klar. Nicht etwas, das er nicht wissen konnte, sondern etwas, das ihm auffallen sollte. Es gab eine Lücke, die nicht passte. Irgendwie…war das alles zu leicht gewesen.
Aber warum sollte es nicht auch mal einfach sein ? Nein ihn störte nicht die Einfachheit. Ihn störte, wie ihn scheinbar alles hergeführt hatte. Ob der Artheraner Keru nun im Auftrag der Via oder in eigener Sache gehandelt hatte, man hätte damit rechnen müssen, dass der GTDF der Chip in die Hände fiel. Und auch, dass es ihnen irgendwann gelungen wäre, das Sendersignal zurückzuverfolgen, selbst ohne Hilfe von Hal.
Oder er machte sich völlig umsonst sorgen.
Coel gab den Versuch auf noch einzuschlafen und setzte sich auf die Bettkante. Draußen war es mittlerweile vollständig hell geworden und die ersten Leute waren bereits wieder auf der Straße. Entweder, die wenigen die in New Detroit dieses Glück hatten, auf dem Weg zur Arbeit, oder um tägliche Besorgungen zu erledigen.
Coel hingegen schlurfte Müde, aber nicht in der Lage seine kreisenden Gedanken zur Ruhe zu bringen in das zwar schlicht gehaltene, aber wenigstens saubere Bad
Er schöpfte mit einer Hand etwas Wasser, das nur in einer Variante zur Verfügung stand. Kalt und ab und an rostfarben.
Es ist doch schon seltsam, dachte er. Wir haben die Möglichkeit tausende von Licht Jahren zu den Sternen zu reisen, wir errichten Kolonien auf anderen Welten, aber wir sind trotz Klimawandel nicht in der Lage überall für sauberes Wasser zu sorgen. Das wäre mal eine echte Errungenschaft.
Kurz überlegte er, ob er es wagen sollte trotz des kalten Wassers zu duschen.
Er trug immer noch die mit Staub und auch einigen Blutflecken bedeckten Klamotten von Gestern. Oder von heute ?
Es war seltsam, wenn man zwischen zwei Tagen nicht schlief, wie er festgestellt hatte.
Man verlor bald jedes Zeitgefühl. Eine Erfahrung, die er auf Artherium schnell gemacht hatte.
Selbst den schweren Mantel trug er noch, in dessen Falten sich mehrere kleinere Trümmerstücke verfangen hatten, die zu Boden rieselten als er zumindest diesen jetzt Beiseite warf.
Die wenigen Leute, die sich, als er das Hotel betrat noch in der zur Bar umfunktionierten Lobby befanden, hatten ihn geflissentlich ignoriert. Besonders weil einigen von ihnen die Blutspuren sicher nicht entgangen waren.
Ohne den Mantel verbarg nichts mehr die Stelle, wo das Metall seiner Hand in seinen Arm überging. Eine kleine Plakette war darauf angebracht. Savior. Auch noch Brandmarken mussten sie ihn. Vorher hätte ihn der Gedanke wütend gemacht. Jetzt erscheine s ihm mehr wie ein schlechter Witz. Martin hätte sicher darüber lachen können.
Und natürlich konnte er bei einem Blick in den Spiegel unübersehbar sein Augenimplantat erkennen. Die Kontaktlinse, die er normalerwiese trug war ihm irgendwo in der Lagerhalle abhandengekommen. Er war sich sicher irgendwo Ersatz eingepackt zu haben…
Noch vor wenigen Stunden hatte ihn sein eigener Anblick wütend gemacht…
Doch nun schien es endlich so, als könnte er auch das akzeptieren. Coel wusste nicht, wie viele Implantate er mittlerweile wirklich im Körper trug, die er nicht sehen konnte, aber es war ihm egal. Er war noch immer wer er vorher war. Die alte Erinnerung an den Sternenhimmel kam wieder hoch. Und daran würde sich nie etwas ändern. Es mochte sein, das er nicht der Mann war, der er sein wollte, aber er war noch hier um es zu werden. Und für seine Überzeugungen einzutreten.
Politik hatte ihn nie wirklich interessiert, aber wenn das alles vorbei war, vorausgesetzt er lebte dann noch, sollte er es vielleicht versuchen. Was Helen wohl dazu sagen würde?
Martin spöttischen Kommentar konnte er sich schon vorstellen. Und Aine… sie würde ihn vermutlich für verrückt erklären.
Ein weiteres Lächeln stahl sich auf sein Gesicht.
Ein klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es mittlerweile kurz nach sieben war. Wer konnte das sein?
Vorsichtshalber warf er sich den Mantel wieder über um seine kybernetischen Implantate zu verbergen und setzte die Sonnenbrille auf. Ihm war klar , dass das seltsam wenn nicht sogar dämlich wirken musste. Aber lieber wollte er für dämlich gehalten werden, als den Leuten hier noch mehr Angst zu machen.
Aine kämpfte mit sich selbst. Sie war Zweifel nicht gewöhnt. Aber letztlich war sie hierhergekommen.
Verdammt, sie sollte den Mann auf der anderen Seite dieser Tür eigentlich hassen. Ein Teil von ihr wollte genau das. Das würde vieles einfacher machen. Aber jetzt war sie hier.
Du kannst anklopfen oder dich wieder umdrehen. So schwer ist die Entscheidung nicht, schalt sie sich selbst.
Die Artheraner gingen gerne davon aus, dass zumindest ihr Intellekt dem Menschlichen weit überlegen war, wenn auch ihre Technik noch nicht mithalten konnte. Für Aine zumindest traf das wohl grade nicht zu.
Bevor sie es sich noch anders überlegen konnte, klopfte sie ein paar Mal gegen die solide Holztür.
Und entdeckte erst da den kleinen Klingelknopf neben derselben.
Soviel zum Überlegenen Intellekt.
,, Aine?“ , fragte Coel überrascht, als er die Tür aufzog. ,, Ich hatte sie oder Martin eigentlich erst später hier erwartet.“ Er kniff die Augen misstrauisch zusammen. ,, Es ist doch nichts passiert ?“
,, Nein… das nicht. Ich wollte nur Nachfrage, wie es ihnen geht.“
Er trat Beiseite und ließ sie in das halb verfallene Zimmer.
,, Nun es geht mir gut.“ , erwiderte er. ,, Trotzdem, ich habe ständig das Gefühl, etwas zu übersehen.“ Er nahm den Chip, den er eingesteckt hatte aus der Tasche. Die Oberfläche war tatsächlich wärmer geworden…. Seltsam.
Coel legte das Metallplättchen auf den Schreibtisch.
,, Was ?“ , wollte die Artheranerin wissen.
,, Eben, wenn ich das wüsste…“ Seit sie Aine das erste Mal auf der vereisten Oberfläche von Isaari, begegnet waren, war viel geschehen. Eine kleine Welt, deren einzige Bedeutung daran bestand, das sie eine meteorologische Forschungsstation beherbergte, auf der sich wiederum die Stasis-Kapsel mit Adams befunden hatte.
Aber auf eine Frage hatte Coel nie wirklich eine Antwort bekommen.
,, Warum haben sie sich entschlossen uns damals zu helfen ?“
,, Wie meinen sie das ?“
,, Nun Anfangs haben sie sich sogar geweigert mit mir zu reden. Aber irgendwann haben sie sich entschieden zu helfen.“ Er zuckte mit den Schultern, ,,Ich habe nie verstanden warum.“
,, Die Wahrheit ?“
Es klang seltsam unsicher.
,, Die Wahrheit.“ , erwiderte er.
,, Anfangs war ich einfach nur neugierig. Sie können sich das Menschenbild der meisten Artheraner sicher vorstellen.“
Coel nickte nur. Das konnte er nur zu gut.
,,Die Monster die unsere Welten zerstört hatten. Die mit Giganten aus Stahl durch die Leere reisten und alles an sich rissen, das ihren Pfad kreuzte.“
,, Klingt als hielten ihre Leute uns für den Teufel in Person.“
,, Die meisten tuen das immer noch und das sollten sie auch nie vergessen.“ , erklärte Aine.
,, Was hat sich für sie geändert ?“
,, Nun Anfangs… ich war wohl einfach neugierig. Sie verhielten sich anders, als ich es erwartet hätte. Vielleicht auch irrational.“
Er hatte damals fast drei Tage lang nicht geschlafen gehabt und am Ende war er sogar fast zusammengebrochen. Das verschwieg er aber.
,, Ich vermute ursprünglich hatte ich einfach den Plan sie bei erster Gelegenheit umzubringen und zu verschwinden.“
Die Antwort überraschte ihn nicht wirklich. Aber einen Haken gab es doch daran.
,, Dazu hätten sie auf Artherium Gelegenheit gehabt.“ Sogar eine sehr gute, wie er sich erinnerte. Coel wäre beinahe in einen Krater gefallen, den ein Abbauschiff hinterlassen hatte. Was einen freien Fall von zwanzig Kilometern bedeutet hätte.
,, Ich hatte vorher schon ein dutzend Gelegenheiten. Aber wie gesagt, ich war neugierig. „
Er lachte kurz. ,,Das bringt eine zehnmal schnellere Auffassungsgabe wohl so mit sich, wie ?“ ,wollte Coel wissen.,, Ihnen wird schnell langweilig ?“
,, Glauben sie mir ein wirklich Gelangweilter Artheraner ist nichts, das sie miterleben möchten.“
Coel lachte wieder.
,, Ich kann es mir in etwa vorstellen. Wissen sie, im Grundtraining saß ich mit meiner Einheit mal geschlagene zwei Wochen auf einer kaum entwickelten Kolonie fest. Man kommt auf seltsame Ideen, wenn man Zuviel Zeit hat.“
,, Also, wie gesagt ich war anfangs neugierig.“
Coel zwang sich, wieder ernst zu werden. Seine Frage war nicht beantwortet.,, Und was hat sie überzeugt uns letztlich zu helfen ?“
,, Sie.“
,, Ich ?“ Coel blieb einen Augenblick stumm. Es war nicht so sehr die Antwort, die ihn überraschte. Aber... ,, Ich habe nie viel getan. Zumindest hatte ich das nicht vor.“
,, Ich glaube, wenn jemand in der Lage ist, von allen Menschen, uns zu verstehen, dann vielleicht sie.“
Es war Still geworden in dem kleinen Raum.
,,Ihr habt euch meinen Respekt verdient Rafail Coel und…“
,, Und ?“
,, Und…“ Aine zögerte…
,, Coe, sind sie da ?“ Er zuckte zusammen. Adams Stimme über Funk klang laut genug in Coels Ohr, dass er meinte der Mann würde direkt neben ihm stehen.
,, Ja ich bin hier.“ , erwiderte er.
,, Gut hören sie mir zu, ich habe keine Ahnung wie mir das entgehen konnte, das Signal sendet auf der gleichen Frequenz wie die Via, den Zusammenhang hätte ich vorher herstellen müssen verdammt… Und mit den Daten aus dem Speicher… Sie hatten doch damals berichtet wie…“
,, Adams, ganz ruhig. Was ist los?“ , unterbrach Coel den Redefluss des Doktors.
,, Wir sind tot das ist los… na ja nicht tot, aber…“
,, Sammeln sie sich erst mal.“ Coel sah zu Aine, die etwas unschlüssig daneben stand. Sie bekam natürlich nur die Häftle des Gesprächs mit. ,,Was dagegen wenn Aine mithört ?“ , wollte er wissen, während er schnell ein Funkgerät aus seinem nach wie vor gepackten Koffer holte.
,, Nein, denke ich… ist ja nicht geheim.. also eigentlich schon… Ich gebe ihnen die Frequenz.“
Adams schien völlig aufgelöst zu sein.
,, Danke“ Coel reichte der Artheranerin das Funkgerät. ,, Und jetzt noch mal langsam bitte ja, von Anfang an ?“
Er hörte wie der Professor ein paar tiefe Atemzüge machte.
,, Okay… Okay… also, sie hatten doch damals berichtet, das es den Via möglich war, die Codes für den Anflug auf die Erde direkt aus ihrem Verstand zu bekommen.“
Coel erinnerte sich nur ungern daran zurück. Er hatte geglaubt sterben zu müssen und dann….
Ihm schauderte bei der Erinnerung.
,, Also, wir wissen nicht, wie genau die Via das anstellen, aber wir wussten von Anfang an, das sie Einfluss auf die menschliche Psyche nehmen können. Vermutlich ähnlich wie die Unity Gedanken erraten können.“
,, Mir gefällt nicht, worauf das hinauslauft.“ , meinte Aine.
,, Mir auch nicht. Adams ?“
,, Hören sie ich habe ein paar Tests mit diesen Chips gemacht und ein Signal, gleich dem, das der Sender abgab eingesetzt, genug davon haben wir ja jetzt, und die an einigen Laborratten ausprobiert.“
,, Und ? Wollen sie mir jetzt damit sagen, die Via können den Verstand der Ratten auswerten?“
,, Sie sind Amok gelaufen.“
,, Was ?“
,, Sie haben mich schon richtig verstanden. Die Ratten haben sich selbst den Schädel eingeschlagen bei dem Versuch aus ihrem Käfig zu entkommen. Andere Tiere haben sich gegenseitig zerfetzt.“
,, Okay, das ist schlimm… aber…“
,, Können sie sich vorstellen, was passiert, wenn tausende davon mit menschlichen Trägern aktiv werden ?“
,, Wir haben den Sender zerstört, oder ?“
,, Der Sender… Coel, die können einfach Jederzeit einen neuen Aufstellen.“ , antwortete der Doktor.
,, Trotzdem, ich meine okay, das ist schlimm… aber wie viele Leute mit diesen Chips wird es schon geben. Die werden sich die Dinger ja kaum freiwillig anheften, es sei denn…“
Er hatte etwas übersehen. Jetzt wusste er was. ,, Scheiße, sie meinen doch nicht etwa….“
Die Erkenntnis raubte ihm fast den Atem. Deshalb die CEHO… dazu brauchten sie die Organisation.
,, Ich habe den Datenspeicher ausgewertet, den sie mir gebracht haben. „
,, Und ?“
,, Jedes verdammte Krankenhaus auf dieser Seite des Atlantik ist mittlerweile mit diesen Chips beleifert worden. Mit schönen grüßen von der CEHO und gekennzeichnet als ein ,, Beschleuniger zur Wundheilung.“ Die werden die Dinger jetzt Standardmäßig nach jedem einzelnen Eingriff verwenden…“
,, Was… lauter Leute im Rollstuhl die Amok laufen ?“
,, Das ist nicht witzig Coel. Die gingen auch ans Militär. Und es gibt genug Leute, die sich wegen Kleinigkeiten unters Messer legen und das Geld dazu haben. Coel, sobald die Via irgendwo einen neuen Sender installieren, bricht hier das absolute Chaos aus.“
,, Wie viele ?“
,, Ich habe das kurz hochgerechnet und…“
,, Adams, wie viele ?“
,, Wir müssen mit über 250.000 Betroffenen Rechnen.“
,, Wir haben nie im Leben genug Männer um eine Viertel Millionen Wahnsinnige aufzuhalten.“ Das war dich vollkommen unmöglich…
,, So was hat Steel auch gesagt.“ , meinte Adams.
,, Ist er schon informiert ?“ , wollte Aine wissen.
,, Natürlich ist der Informiert . Und er versucht grade alle Leute zusammenzuziehen, die wir haben. Darunter alle ehemaligen und jeden, der auch nur eine Waffe halten kann. Aber selbst mit den Abgezogenen Schiffsbesatzungen aus dem Orbit reicht das vorne und hinten nicht. Wir müssen den ganzen Kontinent überwachen.“
,, Was ist mit artheranischen Kräften ?“ , schlug Aine vor.
,, Wie bitte ?“
,, Wir haben noch ein Schiff inklusive Besatzung da draußen. Und weitere könnten innerhalb von ein paar Stunden hier sein…“
,, Ich glaube nicht das Steel das gefallen würde.“
,, Ich bürge persönlich für sie, sagen sie ihm das.“ , erwiderte Coel sofort. ,, Aine, suchen sie alle Artheraner zusammen, denen sie selbst trauen können.“
,, Sie wissen, dass das bei der jetzigen Situation einen Aufstand auslösen könnte ?“ , gab Adams zu bedenken.
,, Wenn sie oder Steele ein bessere Idee haben dann her damit.“ Irgendetwas in seinem Augenwinkel störte Coel. Der Chip…
,, Ich befürchte wir haben keine. Okay.. ich sag ihm Bescheid, das wir auf die Artheraner zählen könnten aber…“
,, Ich melde mich wieder.“ Er unterbrach die Verbindung. Die kleine Metallplatte des Chips glühte praktisch. Er hatte sich bereits halb in den Schreibtisch gebrannt
,, Was zur…“
Aine hatte es ebenfalls bemerkt. ,, Irgendwas sagt mir das ist nicht gut.“ Das Holz des Tischs auf dem der kleine Gegenstand lag verkohlte bereits und die Tapete fing Oberflächlich Feuer.
,, Wir sollten hier weg.“ , rief Aine. Coel nickte nur.
,, Raus.“ Er schubste sie Richtung Tür, während sein Verstand versuchte sich einen Reim darauf zu machen, was grade passierte. Vielleicht ein Sicherheitsmechanismus aber der hätte sich doch schon vor Tagen eingeschaltet. Eine gezielte Aktivierung ?
Was immer es war, hier ging es um mehr als nur sie. Er sah sich kurz auf dem Flur um, ob es irgendwo so etwas wie einen Hausalarm gab… nichts.
Coel rannte die Treppe hinab in die Rezeption, in der etwa ein Dutzend Leute herumsaßen.
,, Raus hier, das Gebäude fackelt gleich ab.“
Niemand rührte sich. Einige starrten nur Aine an , andere sahen zwischen ihm und dem Mann an der Rezeption hin und her.
Coel richtete seine Waffe auf die Decke und feuerte ein paar Mal in die Luft.
,, Wird’s bald ?“, wollte er wissen.
Jetzt endlich setzten sich die Leute in Bewegung und rannte in Richtung Ausgang.
Der Besitzer jedoch kam hinter der Rezeption hervor und hatte die Situation offenbar noch nicht richtig erfasst.
,, Hey Moment was wird das ?“
Coel hatte nicht die Absicht lange mit dem Mann zu diskutieren und packte ihn einfach am Arm um ihn nach draußen zu ziehen.
,, Ihr Hotel fackelt grade ab, das ist hier los.“ , meinte er. Solange es nur das Feuer war, war alles in Ordnung…
Sie hatten grade die ersten Schritte nach draußen gemacht, als eine Welle aus Feuer durch das Gebäude hinter ihnen raste. Der erste Stock wurde praktisch innerhalb weniger Sekunden zu Asche verbrannt. Coel, der noch vor dem Eingang stand, fühlte wie die Druckwelle der Explosion ihn davonschleuderte, als hätte ihn die Hand eines Riesen geschlagen.
Er spürte, wie er den Boden unter den Füßen verlor und eine gefühlte Ewigkeit später wieder auf dem Boden aufschlug. Dann wurde alles Schwarz.
,, Geht es ihnen gut ? Coel ?“ Die Stimme klang dumpf, als hätte ihm jemand die Ohren mit Watte verstopft. Aber trotzdem konnte er sie zuordnen. Langsam kämpfte sich sein Bewusstsein zurück ans Licht und er zwang sich, die Augen zu öffnen.
Coel blinzelte. Ein brennendes Stück Papier trieb durch die Luft. Merkwürdig…
Er lag auf dem Rücken, wie er erst langsam feststellte. Und er brauchte auch eine Weile um den Namen der bernsteinäugigen Gestalt zu finden, die sich über ihn beugte.
,, Aine… Was ist grade passiert?“
Sie half ihm auf. ,, Ich fürchte, das erklärt sich selbst.“
Das obere Stockwerk des Hotels war praktisch nicht mehr existent. Lediglich einige Stahlstreben standen noch, sämtliches Material, das sich dazwischen befunden hatte, war ehrausgesprengt worden und lag als feine Ascheschicht über der Straße verteilt. Sämtliche Fenster der umgebenden Nachbarhäuser waren durch die Druckwelle zerschmettert worden. Fetzen brennenden Materials wurden vom aufkommenden Wind durch die Straßen getrieben. Verwirrte Menschen waren aus ihren Häusern gerannt, suchten ihre Angehörigen oder starrten einfach nur auf das Inferno. Einige filmten das ganze sogar…
Coel selbst war fast unverletzt. Ein paar Kratzer und Schrammen. Hätte die Druckwelle ihn allerdings nicht weggeschleudert…
Der Eingangsbereich des Hotels war kaum noch zu identifizieren. In der Ferne hörte er bereits Sirene.
Offenbar war jedoch niemand mehr im Inneren gewesen.
,, Alles in Ordnung mit ihnen ?“ Aines Stimme zitterte leicht.
,, Das wäre dann für heute Gebäude Nummer 2.“ , stellte er trocken fest. ,, Ich sollte mir vielleicht eine Versicherung für so was zulegen.“
,, Was war das ? Ich meine ist der Chip grade explodiert?“
,, Ich fürchte es fast. Vielleicht ein Sicherheitsmechanismus damit die nicht in die falschen Hände fallen.“ Oder eine Überraschung, die die Via für sie bereitgehalten hatten, überlegte er.
,, Also Selbstzerstörung. Und das war nur einer, wenn ich mir vorstelle…“
Coel fiel wie Schuppen von den Augen, worauf sie hinauswollte.
,, Verdammt.“
,, Sie denken nicht etwa…“
,, In der Lagerhalle sind tausende davon.“
Adams starrte aus dem Fenster auf die über Detroit hängende Rauchwolke. Er machte sich sorgen. Seit Coel die Verbindung gekappt hatte, waren nur wenige Minuten vergangen und das fast zeitgleiche auftauchen der Wolke verhieß nichts Gutes. Nicht wieder, dachte er. Es erinnerte ihn an den Beginn der Artherium-Kriege. Seine Familie hatte in einer Kolonie auf dem Planeten gelebt. Eine Kolonie, die von den Artheranern ausgelöscht worden war. Das war der Moment gewesen, in dem er sich ganz in dem Dienst der GTDF gestellt hatte. Seine Forschungen und seine Rachepläne hatten zur Konstruktion der ersten funktionierenden Nova-Waffe geführt.
Und danach, nachdem sein Wahnsinn. sein Rachedurst eine Welt in Trümmern hinterlassen hatte, hatte er nicht mehr weiterleben wollen. Er hatte Gedacht, Rache würde es besser machen. Das hatte es nicht.
Er hatte lediglich das pervertiert wofür er lebte.
Ein Wissenschaftler sei im Frieden der Welt, im Kriege dem Vaterland verpflichtet hatte Fritz Haber vor fast 500 Jahren gesagt, oder in diesem Fall eben dem Universum oder seiner eigenen Art. Früher hatte er so denken können. Jetzt jedoch nicht mehr.
Anfangs hatte er glaubt an seinem Hass festhalten zu können.
Coel jedoch schien genau das eben verhindert zu haben. Der Mann hatte ihn gezwungen darüber nachzudenken. Und im Nachhinein war er dankbar dafür, auch wenn sie sicher nicht immer einer Meinung waren. Verflucht erst vor wenigen Tagen hatte er mit einem Artheraner an einem Tisch gesessen und sich ganz normal Unterhalten.
Er nahm seine Brille ab und drehte diese Nervös zwischen den Fingern, wie es seine Art war. Adams war vermutlich einer der wenigen wenn nicht sogar der einzige Mensch der überhaupt noch eine Brille trug. Mittlerweile konnten mit modernen Operationstechniken fast jede r Augenfehler dauerhaft behoben werden. Aber er hatte das abgelehnt. Die Brille war sein letzter Taustrick zu seiner Vergangenheit. Zu einer Zeit, wo er noch so etwas wie eine Familie hatte. Zu seinem selbst,
das einen Planeten in Feuer getaucht hatte. So konnte er es nie vergessen.
Doch möglicherweise konnte er…
Das wieder anspringende Funkgerät riss ihn aus seinen Gedanken.
,, Adams, hören sie mich ?“
,, Coel ? Sind sie das?“ , fragte er sofort. ,, Geht es ihnen gut?“
,, Ja es geht mir gut, warum fragt mich das jeder. Hören sie zu, diese Chips haben einen Selbstzerstörungsmechanismus. Einer davon ist grade direkt vor meinen Augen hochgegangen und…“
,, Sie Rauchwolke sieht man von hier…“
,, Und das war nur einer, hören sie, sie müssen jeden aus der Anlage rausschaffen, verstehen sie mich ?“
,, Ja.. verflucht…“ Er fuhr sich nervös durch die Haare. ,, in der Halle sind grade..“
Coel ließ ihn nicht ausreden.
,, Mir egal, schaffen sie einfach alle raus. Worauf warten sie noch?“
,, Achtung an alle. Hier ist Ethan Adams mit einer Warnung. Die Chips haben einen Selbstzerstörungsmechanismus. Jeder der damit arbeitet oder sich in der Nähe befindet, das Gelände ist sofort zu verlassen. Ich wiederhole es nochmal…“
Helen und die anderen, die in diesem Moment in der Halle arbeiteten begannen sofort alles zusammenzupacken und sich auf den Weg nach draußen zu machen. Überall sonst schienen die Leute nur noch darauf bedacht zu sein, so schnell wie möglich weg zu kommen, aber Helen ließ nicht zu, dass der Rückzug der Mitarbeiter aus der Halle zu einer heillosen Flucht wurde.
,, Okay, nehmt nur mit, was ihr braucht oder nicht ersetzen könnt und dann geordnet weg hier. Folgt einfach dem Zufahrtsweg.“
Mittlerweile stieg rauch von den Kisten an der Rückwand auf. Das war kein falscher Alarm…
Sie konnte nur abschätzen, wie viel Zeit ihnen noch blieb.
,, Sind alle draußen ?“ , fragte sie, als eine letzte Gruppe von fünf Personen sich auf den Weg aus der Halle machte.
,, Ich glaube schon.“ , antwortete einer von ihnen.
,, Glauben sie es oder wissen sie es ?“ , verlangte Helen zu wissen.
,, Ich.. habe niemanden mehr gesehen…“
,,Großartig. Okay, machen sie das sie weg kommen, ich sehe mich noch schnell um.“
,, Das fliegt gleich alles in die Luft.“
,, Deshalb sollen sie ja auch verschwinden.“
Die letzte Gruppe verschwand endlich und in der Halle wurde es still. Es war niemand mehr zu sehen. Helen drehte sich grade um, als die Welt in Flammen versank.
Schwarze Wolken bedeckten den sonst schon grauen Himmel. Fast schon klischeehaft, dass es ausgerechnet jetzt anfing zu regnen.
Regentropfen, die in ein leeres Grab fielen, die Erde aufweichten und versickerten.
Zwei Wochen waren vergangen. Zwei Wochen in denen so viel passiert war. Aber an Coel war es vorbeigezogen, wie in einem Traum.
Mit Unterstützung der Artheraner hatte die GTDF begonnen, sämtliche Krankenhäuser an die Chips gefiert worden waren zu durchkämmen. Mithilfe der Patientenlisten konnten die meisten, die einen Via-Chip trugen auswindig gemacht und diese entfernt werden.
Bisher hatte es keine Anzeichen dafür gegeben, dass irgendwo ein neuer Sender aufgestellt worden war, trotzdem herrschte Unsicherheit auf den Straßen. Niemand wusste wirklich, ob alle Chips gefunden worden waren oder wie viele noch unbemerkt mit einem herumliefen.
Das würde sich erst zeigen, wenn diese aktiv wurden.
Nach Adams Aussage würde das wohl dazu führen, dass eine betroffene Person zu extremer Aggressivität neigen würde. Vielleicht konnten die Via sogar in gewissem Rahmen das Ziel einer solchen Aggression steuern. Sollten sie also auch nur einen Übersehen haben, konnte das bereits zu einem Problem werden. Offiziell wurde natürlich behauptet, die Bedrohung sei vorbei, aber er brauchte nur über die Straße zu laufen, um sich vom Gegenteil zu überzeugen.
Straßensperren der Polizei an allen größeren Zufahrtswegen und sporadische Kontrollen wohin er auch sah. Ab und zu kam es zu kleineren Straßenschlachten, die jedoch mit der zusätzlichen Hilfe der Artheraner recht schnell beigelegt werden konnten.
Seltsamerweise hatte der Einsatz artheranischer Helfer kaum zu Problemen geführt, wie sie erst befürchtet hatten. Hier und da gab es natürlich bedenken, aber die meisten schienen sich zurückzuhalten.
Was natürlich auch daran liegen konnte, dass diese immer von mindestens einem Beamten der GTDF begleitet wurden , eine Maßnahme, auf die Steel bestanden hatte.
Trotzdem, von den fast Bürgerkriegsähnlichen Protesten der letzten Wochen war nichts mehr zu spüren, manche schienen sich sogar mit den ,, Neuen“ anzufreunden und die Gruppe derer, die immer noch auf einen sofortigen Abzug bestand schwand .
Vielleicht konzentrierte sich die Angst der Menschen sich jetzt auch lediglich auf ein neues Ziel. Die Vorstellung, das der eigenen Nachbar oder auch nur der Kerl neben dem man im Bus saß sich möglicherweise ohne Vorwarnung gegen einen Wende konnte war offenbar erschreckender als der artheranischer teilweise bewaffneter Sicherheitskräfte in den Straßen.
Zumindest fürs erste schien man die Situation unter Kontrolle zu haben und die seit Monaten andauernden Spannungen waren zum ersten Mal etwas abgeflaut.
Und jetzt schien es blieb nur noch eins zu tun. Die wenigen Gefallenen zu begraben.
Ein leeres Grab.. ein leerer Sarg. Von Helen Mabel war nichts geblieben.
Soweit er das sehen konnte, schien sich die halbe GTDF-Elite hier eingefunden zu haben um ein paar schöne Worte loszuwerden. Worte die letztlich doch nichts änderten.
,, Es tut mir leid. Wen ich sie früher gewarnt hätte…“ , begann Adams, der ein Stück neben ihm stand.
Der dunkle Anzug stand ihm nicht. Er ließ den Mann krankhaft blass aussehen.
,, Es gibt nichts was ihnen leid tun müsste Adams. Gar nichts. Sie trifft keine Schuld.“ , antwortete Coel. ,, Niemanden hier.“
Er, Adams, Martin und Aine standen etwas abseits von der eigentlichen Zeremonie.
,, Sie auch nicht.“ , meinte Martin.
,, Vielleicht… vielleicht auch nicht.“ Schweigen senkte sich über die kleine Gruppe.
Es war unwirtlich für ihn anzusehen. Martin hätte Coel am liebsten wach gerüttelt. Man verlor Leute. Auch welche die einem etwas bedeuteten und es war normal um diese zu trauern. Er und Coel hatten genug Freunde auf Artherium verloren um das zu wissen. Aber egal was passiert war, er hatte Coel nie so… absolut ziellos erlebt. Verzweifelt ja. Aber nie ohne diesen Funken in den Augen der zu sagen schien ,, wird schon wieder.“ ,egal wie mies die Situation auch war.
Verdammt Coel hatte glücklicher gewirkt, als sie nach der Zerstörung Artheriums auf der Horus gelandet waren.
,, Wenigstens ist es vorbei.“ , meinte er. Ihm war klar, dass das nicht unbedingt das schlauste war, aber ihm fiel sonst nichts ein. Was könnte er sagen ?Was könnte irgendwer hier noch sagen..
,, Und genau da irren sie sich.“ , erwiderte Coel.
,, Was ?“
,, Es ist noch nicht vorbei.“ Er schwieg kurz. Dann wendete Coel sich ohne Warnung zum Gehen. ,, Ich muss weg.“
,, Wo zum Teufel wollen sie hin ?“ , rief Martin ihm nach.
,, Mit Wilkonson reden.“ , rief er zurück. Seine Stimme war kalt und warnend. Sie sollten ihm besser nicht folgen. Es gab noch etwas, das zu tun blieb. Ein offenes Ende. Vielleicht das aller wichtigste.
Coel lief durch die fast menschenleeren Straßen in Richtung der nächsten Bahnstation. Die einzigen Lebewesen, denen er begegnete waren zwei Polizisten, die allerdings beide einen weiten Bogen um ihn machten. Und auch die Wartehalle der Bahnstation war praktisch verlassen. Lediglich über die Lautsprecheranlage war die, heute etwas weniger überschwängliche, Stimme des BSN Moderators zu hören.
,, Ja und hier bin ich wieder direkt aus meinen leider nicht befestigtem Studio. Ehrlich Leute, wenn ihr da draußen einem Artheraner über den Weg läuft, der seinen Kopf für euch hinhält, sagt einfach lieb danke, oder haltet die Klappe. Und nein, ich werde nicht bezahlt das zu sagen. Na ja… ein bisschen.“
Die Magnetschwebebahn traf ein und Coel setzte sich Kopfschüttelnd auf einen Platz.
Ein gebräunter Mann in einem Kapuzenpulli setzte sich neben ihn.
,, Sie haben gute Arbeit geleistet. Marcks scheint damit recht zufrieden zu sein.“ , meinte er.
Coel erkannte die Stimme wieder. ,, Reden sie gerne von sich in der dritten Person ?“
Der Mann lächelte, soweit Coel das erkennen konnte.
,, Sie sind schlau.“
,, Sie haben sich nicht grade Mühe gegeben ihre Identität geheim zu halten.“ , entgegnete Coel. Es war der gleiche Waffenhändler mit dem er damals gesprochen hatte. Nur war er kein einfacher Händler. ,, Also: Was wollen sie zum Teufel ?“ ,fragte er gereizt.
,, Mein Beileid aussprechen.“
Coel schüttelte den Kopf. ,, Jetzt verarschen sie mich.“
,, Nein, ist das so unwahrscheinlich ? Wie ich schon sagte… ich mag für viele ein Verbrecher sein, aber ich habe Ambitionen.“
,, Und die wären ?“
Marcks schüttelte ebenfalls den Kopf. ,, Wissen sie , die meisten die mit den Schatten arbeiten, haben dieses Leben nicht gewählt. Sie wurden dort reingeboren, weil sie keine Perspektive haben.“
,, Und sie ?“ , fragte Coel ohne besonderes Interesse. Er war nicht wirklich darauf erpicht, sich die Lebensgeschichte dieses Mannes anzuhören.
,, Ich habe es gewählt. Weil ich für die sogenannte High Society keine Perspektive mehr sah. Wir sind ein Haufen Korrupter, schwacher Narren. Es läge an uns etwas zu ändern, aber die Spitze der Gesellschaft ist Träge und erstarrt. Wie harter Beton.“
,, Was sie nicht sagen.“ Es interessierte ihn nicht.
,,Diejenigen mit denen ich arbeiten kann, die formbare Masse der Gesellschaft wenn sie so möchten, die findet man hier unten, in den Tunnel und an den Orten, die kein Mensch bei klarem Verstand aufsucht. Ich habe dieses Leben adoptiert und doch glaube ich es besser zu verstehen, als jeder andere.“
,, Sie nutzen die aus, die keine Wahl haben. Da hätten sie auch bei ihrer sogenannten High Society bleiben können.“
,,Sie mögen das denken. Ich arbeite seit Jahren daran die Leben dieser Leute zu verbessern. Ich habe einige Freunde weiter oben und bin der unangefochtene König hier unten .Ich sehe mich mehr als eine Art Vermittler.“
,, Aber sie machen Geschäfte. Mit Waffen, Drogen….“
,, Um Veränderungen durchzuführen braucht man Kapital. Und sie fordern immer Opfer.“
,, Sie halten sich für den Marx der Gegenwart, wie ? Daher der Name ? Eine Abwandlung, oder heißen sie wirklich so?“ , fragte er beiläufig. Es war nicht schwer wenn man einmal durchschaute, wovon dieser Mann sprach.
,, Sie gestatten, dass ich das für mich behalte. Namen spielen eigentlich keine wirkliche Rolle. Aber er ist kurz und hinterlässt einen Eindruck bei denen, die ihn brauchen. Namen haben Macht, sie können einen Unsterblich machen und die Jahrtausende überdauern. Aber das reicht manchmal nicht aus.“
,, Sind sie nur hier um über Philosophie zu sprechen ?“
,, Ich respektiere Leute wie sie Coel. Sie haben innerhalb einiger Wochen mehr erreicht, als ich in meinem ganzen Leben und ich bin mittlerweile schon recht lange im Geschäft. Wenn sie jemals ein Angebot haben, wissen sie, wo sie mich finden.“
Mit diesen Worten stand der Mann auf und verschwand den Gang hinab.
Die Bahn hielt mehrere Minuten später, aber als Coel nach Marcks suchte, war er nirgends zu sehen. Das war die Endhaltestelle….
Mit einem Schulterzucken tat Coel die seltsame Begegnung ab.
Als er die Treppenstufen zum Eingang des Parlamentsgebäudes hinaufstieg viel ihm als erstes auf, das trotz der neuen Bedrohung durch die Via-Chips weniger Sicherheitskräfte den Eingang bewachte, als nach den Protesten.
Von diesen wiederum war kaum noch etwas zu sehen.
Die Straßen waren gesäubert worden, die Brandspuren verschwunden. Aber trotzdem war die gespannte Atmosphäre zu spüren. Jeder wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis irgendetwas geschehen würde. Entweder die letzten Patienten mit Chips wurden gefunden, oder sie offenbarten sich von selbst.
Er passierte die überfüllte Eingangshalle ohne sich umzusehen und lief direkt die Treppe hinauf, die ihn zum Büro des Vorsitzenden führen würde.
Ein Posten wollte ihn aufhalten, aber er hielt nur kurz seinen Ausweis in die Höhe und marschierte vorbei. Der Mann sah im verwirrt nach, traute sich jedoch nicht, ihn aufzuhalten oder zu fragen, was er wollte.
Die Tür zum Büro des Vorsitzenden glitt zur Seite und er trat ein, ohne vorher anzuklopfen.
Henry Wilkonson sah von einem Bild, das er betrachtet hatte, auf, als Coel eintrat.
Irrte er sich, oder standen Tränen in den Augen des Parlaments-Vorsitzenden…
Mit einer Handbewegung des waren die selbigen Verschwunden und das Bild wieder an seinem Platz an einer Kante des Tischs.
,, Was wollen sie hier ?“ , fragte er mit einer Stimme, die klar machte, das ihm eigentlich vollkommen egal war, was er wollte.
,, Goodsprings.“ , antwortete Coel.
,, Bitte ?“
,, Die Kisten mit den Chips. Sie kamen aus Goodsprings.“
,, Und ?“
,, Das wissen sie ganz genau.“ , erklärte er wütend.
,, Coel, ich habe keine Ahnung was sie überhaupt wollen, die Via sind gescheitert, wir haben alles unter Kontrolle.“
,, Hören sie den ganzen Müll den sie reden eigentlich selbst ? Denken sie nach. Goodsprings steht mit den Via im Bund, oder wird von denen Kontrolliert. Und sie meinen alles unter Kontrolle zu haben.“
,, Sie führen das auf eine Aufschrift auf einer Kiste zurück. Selbst wenn ich ihrer Meinung wäre… haben sie eine Ahnung, was eine Militärische Intervention auf Goodsprings bedeuten würde? Es gibt ein Dutzend weitere Kolonien, die mit ihrer Abspaltung drohen. Wenn wir eingreifen, anstatt zu verhandeln…“ Er warf die Hände in die Luft ,,Das führt uns direkt in einen Bürgerkrieg.“
,, Dann schicken sie nur mich.“
,, Melden sie sich für eine Selbstmordmission ?“ , fragte der Vorsitzende, ,,Coel, ich werde niemanden nach Goodsprings schicken, sie am aller wenigsten.“
,, Sie können mich aber auch schlecht daran hindern.“
,, Und ob ich das kann. Sie kommen ohne meine Genehmigung nicht mal in die Nähe eines Schiffs Coel.“
,, Tja was das angeht…“ Er zog seinen Revolver und richtete die Waffe auf den Vorsitzenden.
,, Sie sind ja Wahnsinnig.“ , sagte dieser , aber seiner Stimme war die Nervosität anzumerken. Die Hand des Vorsitzenden wanderte unauffällig in Richtung eines kleinen Schalters für den Hausalarm.
,, Vielleicht. Wollen Sies rausfinden? Übrigens, der Alarm rettet sie auch nicht, wenn ich es drauf anlege. Die Kugel braucht etwa eine halbe Sekunde. Ihre Sicherheitsleute eine halbe Minute. Sie sehen das Problem hier.“
,, Coel, ich weiß das sie sich rächen wollen. Verdammt, ich kann es verstehen. Aber glauben sie, das bringt irgendwas?“
Er senkte die Waffe wieder. ,, Sie verstehen gar nichts.“ In einer fließenden Bewegung drehte er sich um und verschwand aus der Tür.
Wilkonson sah ihm einen Augenblick stumm nach.
,, Doch Coel. Mehr als sie ahnen.“ , flüsterte er. Er sah wieder auf das kleine Bild in einer Ecke des Schreibtischs hinter dem er saß. Eine ältere Frau. Aber die Ähnlichkeit mit Helen wäre Coel wohl nicht entgegen, wenn er das Foto gesehen hätte. ,, Und mehr als sie je wissen werden. Und deshalb kann ich gar nicht sagen, wie schwer mir das fällt…“
Er stand auf und stellte eine Funkverbindung zur GTDF-Verwaltung her.
,, Rafail Coel ist ab sofort vom Dienst suspendiert. Der Grund dafür…“ er atmete kurz durch, ,,Sind inakzeptables Verhalten und Befehlsverweigerung. Des Weiteren ist er notfalls unter Einsatz von Waffengewalt von sämtlichen interstellaren Transportmöglichkeiten fern zu halten. Das wäre alles.“
Wilkonson beendete die Verbindung. Dann trat er an das Fenster, das auf die Straße hinausging. Unten konnte er sehen, wie Coel das Gebäude verließ und in Richtung einer Bahnstation davonging.
Die Gestalt wirkte so verloren, wie er sich fühlte. Es war genug entschied er. Sobald das alles überstanden war, würde er seinen Rücktritt einreichen. Sollte doch sonst jemand seine Arbeit verrichten.
Der Spiegel zerbrach in tausend Splitter, die einen kurzen Moment funkelnd in der Luft zu hängen schienen, bevor sie dann doch Opfer der Schwerkraft wurden und über den Raum verteilt zu Boden fielen um das schwache Licht von draußen einzufangen
Coel trat von dem zerschmetterten Spiegel zurück. Schmerz spürte er keinen, auch wenn einige Splitter tiefe Schnitte auf seinem Arm hinterlassen hatten. Zumindest auf dem Teil, der noch menschlich war. Er würde sich später darum kümmern. Vielleicht. Oder auch nicht. Das Blut das auf den Teppich tropfte nahm er kaum wahr.
Sie ließen ihn nicht gehen. Schlimmer noch, er war praktisch unter Hausarrest gestellt. Natürlich nicht offiziell. Aber er wusste, dass er zumindest unter Beobachtung stehen würde.
Sein Spiegelbild war ihm unerträglich geworden und das bisschen Kontrolle, das er gedacht hatte zu besitzen…
Coel wankte aus dem Badezimmer seiner Wohnung und ließ sich auf das Sofa fallen. Ein Glas gefüllt mit honigfarbenem Whiskey stand auf dem niedrigen Tisch davor. In einem weiteren Anfall plötzlichen Zorns flog dieses nun quer durch den Raum und zerplatzte an der Wand.
Es war nicht Helens Tod… er wäre damit klar gekommen. Menschen starben, das war nichts Neues für ihn. Zumindest versuchte er, sich das selbst einzureden.
Aber man hatte ihm praktisch den Boden unter den Füßen weggezogen. Da war nichts mehr, das ihn ablenkte oder seine Gedanken aus der Trauer riss. Die mittlerweile Wut gewichen war. Zorn, der kein anderes Ziel zu kennen schien, als sich selbst.
Er hatte alle Antworten gefunden, die er gesucht hatte und jetzt schien alles Umsonst gewesen zu sein.
Er pickte eine Spiegelscherbe aus seiner Kleidung. Eine Hälfte seines Gesichts schimmerte darin und starrte zurück. Ausgebrannt. Das war das einzige Wort, das ihm dazu einfiel. Und es machte ihn erneut wütend, dieses Wort auf sich selbst beziehen zu müssen. Der Glassplitter wurde zwischen seinen Fingern zu Staub zermahlen, die sich ,ohne dass er Kontrolle darüber hatte, darum schlossen.
Schritte rissen ihn kurz aus seinen düsteren Gedankengängen. Von draußen aus dem Treppenhaus meinte er. Die Schritte schienen vor seiner Tür halt zu machen.
Er machte keine Anstalten, aufzustehen und die Tür zu öffnen. Er wollte niemanden sehen. Oder besser gesagt, wollte er auch nicht, dass ihn jemand sah.
Er schloss die Augen und lauschte, hoffte darauf, dass die Schritte wieder umdrehen und verschwinden würden. Aber nichts dergleichen geschah. Nachdem ein paar Mal angeklopft worden war, hörte er wie die Tür aufschwang.
Toll, dachte er, jetzt hat Wilkonson schon jemanden geschickt, der mich her überwachen soll. Dabei war er bereits schachmatt gesetzt. Natürlich, es gab sicher Wege… Aber sein Verstand war zu träge einen zu finden.
Oder vielleicht war es Martin, oder Adams… Es war ihm gleich.
,, Wollen sie jetzt einfach da sitzen bleiben ?“ , fragte eine Stimme.
,, Seit wann wissen sie wo ich wohne ?“ Vielleicht die Person mit der er als letzte gerechnet hatte.
,, Wir machen uns alle Sorgen um sie.“ , meinte Aine .
,, Das beantwortet nicht wirklich meine Frage.“
,, Martin.“
Er nickte. ,, Ich vermute mal, der musste gleich zurück auf die Kronos .
,, Und jetzt meine Frage. Wollen sie einfach da sitzen bleiben?“ , wiederholte sie.
,, Es ist vorbei Aine.“ , antwortete Coel. ,, Was denken sie sollte ich sonst tun?“
,, Ich weiß es nicht.“ Sie setzte sich langsam ihm gegenüber. ,, Aber sie sollten nicht aufgeben.“
,, Ich habe bereits Aufgegeben.“ , erklärte er.
,, Das glaube ich aber nicht.“
,, Ach ja ?“ , fragte er. ,, So ist es aber. “
,, Ich weigere mich wiederum, das zu akzeptieren. Leute wie sie geben nicht auf Coel.“
,, Leute wie ich ?“Er lachte böse, ,, Sie kennen mich überhaupt nicht.“
,, Lange genug.“
,, Und, was für ein Mensch bin ich ihrer Meinung nach ?“
,,Es… es gibt Menschen wie Artheraner, immer mindestens zwei Arten von Lebewesen. Die ersten lassen sich von Angst oder durch Bedenken von ihren Zielen und Idealen abbringen. Die, die Aufgeben, sobald es Wiederstände gibt.“
,, Rede sie von sich selbst ?“
,, Vielleicht.“ , antwortete die Artheranerin. ,, Aber dann gibt es die viel zu seltene zweite Gruppe. Die wieder aufstehen, wenn man sie zu Boden wirft, die selbst dann noch nach Antworten suchen würden, wenn die Sterne am Himmel verlöschen. Und ihren Glauben an sich nicht aufgeben. Die sich nicht von Politik oder Religion oder Meinungen blenden lassen. Ich glaube, dass sie einer davon sind.“
,, Das ist, was sie denken.“ , erwiderte er abwesend. Er höre zu, doch es war ihm
schlicht egal geworden. , ,Aber…“
,, Halten sie die Klappe.“ Coel zuckte angesichts der Wut in Aines Stimme unwillkürlich ein wenig zurück. ,, Sie glauben, sie könnten sich erlauben Aufzugeben? Nur weil einmal etwas nicht wie geplant läuft?“
,, Einmal ? Sie verstehen nichts..“
,, Dann bleiben sie hier.“ , erklärte Aine. ,,Aber wenn sie das tun, wenn sie glauben Aufgeben zu können, dann ist jeder, jeder einzelne Umsonst gestorben. Jeder Tote auf Artherium, jeder Tote auf der Erde. Adams Familie, Helen, Keru. Jeder einzelne ein weggeworfenes Leben. Ich habe fast jeden den ich kannte auf Artherium verloren und trotzdem stehe ich heute hier.“ Sie prang auf. ,, Aber sie würden all das zunichtemachen, einfach nur um ihrer Selbstgerechtigkeit zu dienen. Ich verstehe nichts Rafail Coel? Ich glaube ich verstehe, ich verstehe sogar sehr gut. Also entweder, sie stehen jetzt gefälligst auf, oder ich gehe wieder. Dann muss ich eben davon ausgehen, dass ich mich in ihnen getäuscht habe.“
Zum ersten Mal, seit sie den Raum betreten hatte, sah er auf.
,, Sie meinen, das sei so einfach ?“ , fragte er.
,, Das ist es. Wenn sie nur wollen.“ Aine streckte ihm eine Hand hin. Die Wut war aus ihrer Stimme verschwunden. ,, Wenn sie nur wollen.“
Er zögerte. Es gab keine Möglichkeit. Selbst wenn er… Oder doch ?
Ein Funken des alten Feuers schien in das vorher leere Auge zurückzukehren.
Es gab nur einen Weg das rauszufinden.
Aber eine letzte Frage galt es zu beantworten.
,, Wieso tun sie das alles ?“
,, Weil ich an sie glaube.“
Coel ergriff die angebotene Hand. ,, Danke. Ich denke mehr brauche ich für den Anfang auch nicht.“
Einen Augenblick lang schwiegen beide.
,, Also ich persönlich habe genug von diesem Planeten.“ , sagte er schließlich. ,, Kommen sie mit ?“
,, Sie haben einen Plan.“
,, Vielleicht… wahrscheinlicher ist jedoch, dass wir dabei draufgehen. Wobei… Es gibt da jemanden, der mir noch einen Gefallen angeboten hat.“
,, Sie sind verrückt.“ , erwiderte der Mann im Kapuzenpulli. Draußen vor dem Fenster der Magnetbahn flog die Landschaft vorbei. Soweit Coel das sehen konnte, waren er, Aine und Marcks die einzigen Personen in diesem Abteil des Zugs.
,, Vielleicht. Helfen sie uns?“ , fragte die Artheranerin.
,, Sie reden davon ein Schiff des Militärs zu stehlen.“ , gab der Mann zu bedenken.
,, Nicht nur irgendein Schiff.“ , verbesserte ihn Coel. Wenn sie nach Goodsprings kamen und die Via dort waren, würden sie mehr als ein simples Transportschiff brauchen um es überhaupt auf den Planeten zu schaffen. Abgesehen von den Tariden, die sich möglicherweise dort herumtrieben.
,, Okay, sie reden sogar davon, das neue Flaggschiff der Erdflotte zu stehlen.“
,, Und ?“
,, Sie bräuchten ein Shuttle, das sie hinbringt. Das dürfte kein Problem sein. Aber wie wollen sie Überhaupt an Bord gelangen? Wir reden hier davon fünfzig, wenn nicht mehr, vermutlich bewaffnete GTDF-Marines auszuschalten. Und selbst wenn sie das Schaffen… die Kronos verfügt über eine KI gestützte Schiffsverteidigung.“
,, Nun was die KI angeht.. wir sind sozusagen alte Freunde.“
,, Und das wird die davon abhalten, sie zu töten ?“
,, Wir werden sehen.“ , antwortete Coel.
,, Und wie wollen sie verhindern, dass die Kronos die gesamte Flotte alarmiert, das sie überhaupt an Bord kommen vorausgesetzt ?“
,, Hatte ich erwähnt, das auch ein Teil der Crew alte Freunde sind ?“ , wollte Coel wissen.
,, Sie sind wirklich verrückt.“ , antwortete der Mann. ,, Aber das ist nicht mein Problem. Die Frage ist nur… was springt für mich dabei raus?“
,, Ich dachte es genügt ihnen, das wir die Pläne der Via durchkreuzen und dabei wohl auch sie retten.“
,, Vielleicht.“ , erwiderte Marcks leise. ,, Aber ich muss auch an meine Geschäfte denken. „
,, Woran denken sie ?“ , fragte Aine.
,, Zugriff auf den artheranischen Markt, wenn sie so möchten.“
,, Was ?“
,, Jede Kultur entwickelt legale und illegale Güter.“ , meinte er, ,, Ich habe mich darauf spezialisiert, die illegalen zu Beschaffen. Doch jede Kultur definiert diese Illegalität anders. Die Artheraner werden mehr und mehr zu einem Teil dieses Universums. In absehbarer Zukunft ergeben sich dadurch völlig neue Möglichkeiten. Ich muss also die Spielregeln kennen.“
,, Wollen sie, das ich ihnen ein artheranisches Gesetzbuch bringe ?“ , fragte Aine unsicher.
Marcks lachte. ,, Nein, nein… Verstehen sie.. Aine Richtig ? Aine, ich brauche Leute, die sich damit auskennen. Ich will Kontakt zu jemand, der sich mit illegalen artheranischen Geschäften auskennt.“
,, Und sie meinen, ich kenne so jemanden ?“
,, Nein, nicht unbedingt persönlich. Aber ich will ihr Versprechen das sie mir ihre Hilfe garantieren.“
,, Wir reden hier von einem Zeitraum von möglicherweise Jahrzehnten in der Zukunft.“ ,stellte Coel fest.
,, Man muss weitläufig planen.“ , erwiderte Marcks. ,, Es gibt bereits zu viele Kurzsichtige Leute auf dieser Welt, das wissen sie genau so gut wie ich.“
,, Und sie glauben wirklich, das sie allein dagegen ankommen ?“
,, Ich muss es zumindest versuchen. Und wenn ich dabei sterbe… was soll es. Meine Idee ist unsterblich. Die Wahlphilosophie der Parlamentskandidaten besteht einfach darin, dass sie ihrer linken Hand erlauben, nicht zu wissen, was ihre rechte Hand tut, und so waschen sie beide Hände in Unschuld. Ihre Hosentaschen zu öffnen, keine Fragen zu stellen und an die allgemeine Tugend der Menschheit zu glauben - das dient ihren Absichten am allerbesten. Ich stelle das in Frage.“
,, Das Stammt von Marx richtig ?“
,, Ich bewundere einige seiner Ansätze. Aber gezielte Veränderungen… fordern neben Kapital eben auch Zeit.“
Coel versuchte das Gespräch wieder auf den Punkt zu bringen.
,, Sie helfen uns also ?“
,, Das werde ich. Sorgen sie nur dafür, dass ihre Leute bereit sind. Sie haben wohl nur eine Chance.“
Martin wurde das Warten leid. Immer wieder warf er nervöse Blicke auf seine Armbanduhr und auf Watergate, der das momentan ziellose Schiff in einen geosynchronen Orbit gebracht hatte, in dem es ohne Treibstoffverbrauch stabil blieb.
Es konnte nicht mehr lange dauern. Der Plan stand.
Ägir nickte ihm unbemerkt zu. Es würde alles gut gehen.
Nur eine Variable blieb ungeklärt… was würde HAL tun ? Martin hatte zwar die Gelegenheit genutzt und die KI in ihren oder besser Coels Plan eingeweiht, aber auf welche Seite sich die Maschine schlagen würde blieb doch trotzdem ungewiss. Und es hing viel davon ab.
Nun zumindest die Tatsache, dass Watergate sie nicht hatte verhaften lassen, schien doch für sie zu sprechen.
Hör auf dir über Dinge Gedanken zu machen, die du nicht ändern kannst.
Er sah zu Adams herüber. Der Wissenschaftler war kurz nach dem Zwischenfall in Detroit ebenfalls auf die Kronos versetzt worden, um dort weiterzuarbeiten. Soweit Martin das mitbekommen hatte, sollte der Nova-Generator des Schiffs Waffenfähig gemacht werden. Ob der Professor damit Erfolg gehabt hatte, war ihm aber nicht bekannt. Vermutlich aber nicht. Adams würde wohl alles tun um genau das zu verhindern.
Martin tastete mit einer Hand nach seiner Waffe. Er würde schnell handeln müssen wenn es soweit war. Auch Ägir trug eine Pistole und ob Adams bewaffnet war, war ihm nicht bekannt. Aber es war egal. Die meisten anderen Crewmitglieder würden unbewaffnet sein und sie mussten lediglich das Kommandodeck unter ihre Kontrolle bringen.
Sobald das Geschafft wäre, gehörte das Schiff so gut wie ihnen. Von hier konnten sie dann sämtliche Schiffsebenen abriegeln und die Steuerungssysteme übernehmen.
Aber alles hing vom richtigen Timing ab. Handelten sie, bevor Coel an Bord war konnte die GTDF-Flotte auf sie aufmerksam werden. Handelten sie jedoch wiederum zu spät könnte Watergate das Schiff bereits in Alarmbereitschaft versetzt haben. Was ihnen den Überraschungsmoment und somit jeglichen Vorteil nehmen würde.
Er warf einen letzten Blick auf die Uhr. Hier hing alles von ihm ab. Martin nickte Adams kurz zu, der daraufhin an der Tür in Stellung ging. Auf sein Zeichen würde er diese verschließen und das Kontrollzentrum somit abriegeln. Ägir wiederum trat in die Nähe der Computer, die für die Schiffsnavigation zuständig waren.
Der Offizier, der an für die Raumüberwachung dienst hatte sah auf. ,, Sir, da kommt irgendetwas auf uns zu. Sieht aus wie ein Shuttle. Aber ohne Offizielle Kennung.“
,, Im Auge behalten und…“
Es war Zeit. Adams versiegelte die Tür, während Martin mit gezogener Waffe auf Watergate zutrat. Ägir wiederum hielt das halbe Dutzend unbewaffneter Mariens in Schach, die sich verwirrt nach allen Seiten umblickten und wohl zu ergründen versuchten was grade vor sich ging.
,, Was zum Teufel soll das ?“ , fragte John Watergate.
,, Sie sind hiermit offiziell als Kommandant der Kronos abgesetzt.“ , teilte Martin dem sichtlich verwirrten Watergate mit. ,, Ich übernehme vorerst die Kontrolle.“
,, Das ist Meuterei. Verrat, ich lasse sie alle erschießen wenn…“ ,, Ägir unterbrach ihn.
,, Sehen sie : Eigentlich ist das keine Meuterei. Eine Meuterei ist ein Aufstand der Mannschaft, das hier jedoch ist mehr eine…“
,, Hal, Defensivsysteme aktivieren .“ , rief der Kommandant.
Das war der kritische Moment. Auf welche Seite würde sich die KI schlagen? Die der Befehlsgewalt.. oder die der freien Entscheidung.
,, Ich fürchte, das kann ich nicht tun John.“
,, Befehl ausführen.“ , brüllte Watergate nun fast.
,, Sie sind offensichtlich in einer Situation großer Emotionaler Belastung . ich muss davon ausgehen, dass sie die Situation nicht objektiv beurteilen können. Ihre Befehle haben damit offiziell keine Bedeutung mehr. Sämtliche Handlungsoptionen liegen jetzt bei Martin Richter, solange bis dieser durch einen höheren Offizier abgelöst wird.“
,, Höherer Offizier ?“ Die plötzliche Erkenntnis dämmerte in den Augen des Mannes herauf. ,, Sie sind doch alle Wahnsinnig.“
,, Manchmal muss man das eben sein.“ , erwiderte Adams, der sich daran machte , die einzelnen Schiffsebenen abzuriegeln.
,, Lassen sie einen Korridor vom Hangar bis hierher für Coel frei.“
,, Wird erledigt. Hal, wie sieht es mit unserem speziellen Gast aus?“
,, Das Shuttle landet grade.“ , antwortete die KI.
,, Perfekt.“ , meinte Adams ,, Ahnt die Defensivflotte schon was?“
,, Ich glaube noch nicht.“ , antwortete Ägir.
Coel sah das Schiff näherkommen. Beim Anblick der Geschütze wurde ihm etwas mulmig. Wenn Martin und die anderen keinen Erfolg hatten, könnte jedes davon das kleine Shuttle mit einem einzigen Treffer zerstören.
,, Nervös ?“ , fragte Aine, die diese Bedenken nicht zu haben schien.
,, Nun, wir könnten jede Sekunde tot sein.. ansonsten..“
,, Wir sind schon seit einer halben Minuten in Feuerreichweite, wenn es Probleme gäbe, hätten wir das vermutlich längst mitbekommen.“
,, Oder Watergate ist einfach ein Sadist.“ , erwiderte er.
,, Wenn wir das durchziehen, können wir nicht mit Unterstützung rechnen oder ?“ , fragte sie.
,, Ich denke mal nicht.“
,, Wie sehen sie unsere Chancen ?“
,, Ich will es mal so formulieren. : Wenn die Via da sind Rechnen sie besser nicht mit einer Rückflugkarte.“
Das Shuttle setzte im Hangar auf. Coel stand auf und trat nach draußen, wo ihn direkt eine Gruppe verwirrter Hangar-Arbeiter begrüßte. Zwei aus der Gruppe trugen Waffen und Sicherheitsuniform.
,, Wer sind sie ?“ , fragte der erste Wachposten und richtete ein Sturmgewehr auf ihn und Aine, die ihm soeben aus der Tür des Transporters folgte.
Er meinte einige der Leute wiederzuerkennen. Die meisten waren wohl auch schon während des Isaari-Einsatzes an Bord gewesen.
,, Da ist man mal drei Monate weg und schon erkennt einen keiner mehr.“
Der Sicherheitsmann senkte die Waffe. ,, Moment mal… Coel.. wir sind und glaube ich einmal begegnet.. aber..“ Er nahm die Waffe wieder hoch ,, Es hieß sie wurden suspendiert.“
,, Das ist korrekt.“
,, Was machen sie dann hier ?“ , fragte er misstrauisch.
,, Oh.. . Sie haben es noch nicht mitbekommen ? Ich übernehme das Schiff.“
,, Und das sagen sie einfach so ?“
,, Hey… halten sie mich auf.“ Mit diesen Worten lief er an dem Mann vorbei und verschwand mit Aine in Richtung des Treppenhauses des Schiffs. Den Fahrstuhl würde Hal vermutlich abgeschaltet haben.
,, Wollen… wollen sie ihn nicht aufhalten ?“ , fragte der zweite Sicherheitsmann.
,, Eigentlich nicht. Watergate ist ein Idiot.“
,, Ja aber... ist das nicht Meuterei?“
Er zuckte nur mit den Schultern. ,, Ich glaube einfach… wir haben ab sofort einen neuen Boss.“
Es klopfte zweimal an die geschlossene Tür des Kommandodecks.
,, Das dürfte er sein.“ , meinte Martin und öffnete diese.
,, Coel ich weiß ja nicht, was sie vorhaben aber…“ , setzte Watergate an.
,, Klappe halten.“ , erwiderte dieser nur, als er durch die Tür trat.
,, Wir haben das Schiff.“ , meldete Martin. ,, Hal, neuer Kommandant ist ab sofort Rafail Coel.“
,, Bestätigt.“ , meldete die KI.
,, Sie werden alle vor einem Kriegsgericht landen. Ich werde sie höchstpersönlich…“ , wollte Watergate fortfahren
,, Kann mir jemand einen Gefallen tun und den Kerl in eine Rettungskapsel stecken ?“ , fragte Adams, der weiterhin die Tür bewachte.
,, Ich.. ich könnte das übernehmen.“ , meldete sich einer der Navigatoren, der immer noch von Ägir in Schach gehalten wurde.
,, Sie werden nicht darüber nachdenken mit diesen Verrätern...“ Erneut kam der Mann nicht zum Ausreden.
,, Klappe halten. Gut, machen sie das.“ , meinte Coel.
Ägir trat zurück. ,, Ich begleite ihn.“ , sagte Martin und zog, gefolgt von dem Navigator den fluchenden Watergate mit sich.
Nachdem sich die Tür wieder geschlossen hatte trat Coel an einen der Sichtbildschirme heran.
,, Schon irgendwas von der Erdflotte ?“
,, Die wissen wohl noch nicht was los ist.“ , meinte Aine.
,, Vermutlich. Okay, Adams, Schiffslautsprecher, sorgen sie dafür, dass man mich überall hört.“
,, Einen Moment.“ Der Professor machte sich kurz an einer Konsole zu schaffen. ,, Fertig.“
,, Achtung , an die gesamte Crew. Dieses Schiffs untersteht ab jetzt nicht mehr der GTDF. Mein Name ist Rafail Coel, einige kennen mich vielleicht noch, und die Kronos ist ab sofort unter meinem Kommando.
Jeder der damit ein Problem hat, die Wege zu den Rettungskapseln sind frei und sie dürfen gerne gehen. Jeder Versuch das Schiff zurückzuerobern wird jedoch mit freundlicher Unterstützung der Bord-KI unterbunden werden. Für alle, die sich vielleicht entscheiden zu bleiben: Wo wie hin gehen können wir nicht mit Unterstützung rechnen. Wer bleibt, riskiert mit höchster Wahrscheinlichkeit sein Leben . Wir werden in exakt fünf Minuten zu einer sicheren Position springen. Jeder, der dann noch an Bord ist, sammelt sich in der Kantine. Das wäre alles. Coel Ende.“
,, Soweit so gut. Was jetzt ?“ , fragte Martin, der grade in Begleitung des Navigators zurückkam
,, Bringen sie uns weg hier. Erst mal egal wohin, Hauptsache dort warten keine Parlaments-Truppen auf uns.“
,, Isaari wäre eine Option.“ , schlug Aine vor.
,, Da ist zumindest niemand. Also gut Kurs setzten und in fünf Minuten springen, danach Besprechung in der Kantine.“
,, Ja… Sir.“ , meinte Martin.
,, Nun, das einfachste wäre geschafft.“ , bemerkte Ägir.
Coel nickte. Bis hierher war alles gut gegangen, aber die Kronos unter ihre Kontrolle zu bringen war der leichtere Teil der Übung. Ein kurzer Ruck ging durch das Schiff, als der Nova-Generator hochfuhr und sie quer durch die Galaxie beförderte. Das Bild der blauen Kugel, das die Sichtbildschirme zeigten wurde ersetzt durch das einer Welt, die an einen gewaltigen Schneeball erinnerte. Das Sonnenlicht, das von der vereisten Oberfläche reflektiert wurde blendete Coel.
Fürs erste hatten sie es geschafft.
John Watergate lief nervös in dem kleinen Büro auf und ab. Es war jetzt eine gute Stunde her, dass er die Kronos verloren hatte. Soweit er das aus der Rettungskapsel hatte verfolgen können, war das Schiff sobald diese gestartet war verschwunden.
Das hatte dann wohl auch endlich die Aufmerksamkeit der übrigen Schiffe im Erdorbit auf sich gezogen.
So hatte man schließlich die Kapseln geborgen, offenbar hatte sich auch ein kleiner Teil der Crew abgesetzt, und so war er schließlich hierher bestellt worden.
Ihm war klar, dass er ein Problem hatte. Er hatte den Befehl über die Kronos gehabt und sich das Schiff abnehmen lassen, als sei er ein absoluter Anfänger.
Die Tür öffnete sich und Cain Steel trat hindurch.
,, Also, was ist genau passiert ?“ , fragte er erstaunlich ruhig.
,, Wir haben das verdammte Schiff verloren, das ist passiert. Ich weiß nicht wie sie es geschafft haben einen Teil der Crew auf ihre Seite zu ziehen oder die KI aber…“
,, Watergate ! Ich habe gefragt was passiert ist, nicht nach ihrer Rechtfertigung. Die können sie sich sparen.“ , erklärte der Admiral.
,, Richter, Ägir und Adams haben die Kontrolle an sich gerissen, das Kommandodeck abgeriegelt und Coel zusammen mit einem Artheraner die Landung auf der Kronos ermöglicht.“ , fasste er die Ereignisse zusammen.
,, Ich hätte ehrlich nicht gedacht das er so dreist wäre. Ich meine mir war klar, dass Coel nicht so schnell aufgibt… aber die Kronos stehlen…“ Steel schüttelte den Kopf, ,, Dieser verrückte Bastard.“
,, Was will er überhaupt mit dem Schiff ?“
,, Ich glaube ich weiß es. Nein ich bin mir sogar ganz sicher.“
,, Dann sollten wir ihn verfolgen.“ , schlug Watergate vor. ,, Das Schiff ist zu wertvoll um es zu verlieren. Ich melde mich sofort freiwillig.“
,, Er will nach Goodsprings.“ , stellte Steel fest. ,, Verflucht, selbst wenn dort nicht die Via auf ihn warten nimmt die Verteidigung der Kolonie die Kronos immer noch auseinander.“
,, Was kümmert uns das ? Wilkonson hat jede Art der Intervention auf Goodsprings Verboten. Soll er sich umbringen.“
,, Es kümmert mich.“ , erwiderte Cain scharf. ,, Wilkonson hätte angesichts der neuen Gesetze die Befehlsgewalt längst an die GTDF abtreten müssen.“
,, Das klingt nach verrat.“
,, Vielleicht. Aber ich werde keinen meiner Leute in den sicheren Tod marschieren lassen.“
,, Sie denken nicht ernsthaft darüber nach Coel Verstärkung zu schicken.“ ,begehrte der Kommandant auf.
,, Eigentlich denke ich sogar genau darüber nach. Watergate, sie nehmen die Horus und die gesamte Defensivflotte. Holen sie die Kronos zurück. Und Coel. Lebend. Und noch etwas, wenn sie ihm irgendwie helfen können, tun sie das. Verstanden?“
,, Wie können sie erwarten..“
,, Das war ein Befehl. Und sie stehen mir persönlich dafür grade das er erfüllt wird.“
,, Jawohl.“
Coel sah sich auf dem hoffnungslos überfüllten Deck um. Er hatte damit gerechnet, dass einige bleiben würden. Aber soweit er das sehen konnte, waren fast die ganzen fünfzig Mann starke Besatzung noch an Bord.
Und sichtlich nervös. Ihm war ja selbst nicht ganz wohl dabei.
,, Wenn uns die GTDF erwischt sind wir alle unseren Job los.“ , meinte einer.
,, Ich glaube das ist dann unser geringstes Problem.“ Erwiderte jemand.
Coel stieg auf einen der im Raum verteilt stehenden Tische und Räusperte sich.
Die vereinzelten Gespräche verstummten und die Aufmerksamkeit wendete sich ihm zu. Er überlegte, was er sagen wollte. Verdammt ich bin kein Redner, dachte er und verfluchte sich selbst, das er darüber nicht vorher nachgedacht hatte.
,, Ihnen dürfte allen klar sein, das das was wir hier tun Verrat auf höchster Ebene darstellt. Deshalb möchte ich hier noch einmal jedem die Gelegenheit geben, sich um zu entscheiden.
Unser Ziel heißt Goodsprings und ich habe keine Ahnung, was genau uns dort erwarten könnte. Vermutlich werden wir auf schweren Wiederstand treffen und möglicherweise gibt es für einige, wenn nicht für alle keine Rückkehr. Wir können nicht mit der Unterstützung der GTDF rechnen, im Gegenteil, selbst wenn wir Erfolg haben sollten, enden wir vermutlich alle im Gefängnis oder schlimmeres.
Ich verstehe also jeden, der sich jetzt noch absetzten möchte. In der Hangar-Bucht stehen mehrere Shuttle zur Verfügung. Ich bitte also jeden der Unsicher ist, sich dorthin zu begeben.
Das wäre alles.“
Zwei Leute aus den hinteren Reihen machten sich auf den Weg über das Deck. Vermutlich Richtung Hangar.
Der Rest hingegen blieb. Er hatte nicht damit gerechnet. Für die meisten war es wohl mehr eine Kurzschlussreaktion gewesen an Bord zu bleiben und , wie er dachte, mehr mit Loyalität zum Schiff nicht zu ihm verbunden gewesen.
Offenbar hatte er sich geirrt. Die zwei, die sich aus den Reihen gelöst hatten, drängten sich nach vorne.
Natürlich, dachte er, würden diese versuchen, den Rest zu Überzeugen.
Coel würde sie nicht daran hindern. Er sprang vom Tisch, wurde aber auf halbem Weg von einem der zwei aufgehalten.
,, Ich denke ich spreche für alle hier Sir wenn ich sage, wir stehen hinter ihnen .“ , meinte er. Doch keiner der gehen wollte. Er salutierte kurz.
Coel nickte dem Mann zu. ,, Bringen wir das zu Ende. Also dann, alle wieder auf ihre Posten. Waffenstationen besetzten und bereithalten auf mein Kommando das Feuer zu eröffnen, alle Piloten in den Hangar, wenn wir kämpfen müssen werden wir alles einsetzten was wir haben um eine Chance zu bekommen, das Motto ist Shoot to kill, versucht nicht den Gegner lahmzulegen schaltet sie aus. Medizinische Notfallteams bilden und Trupps zur Schadenskontrolle einteilen. Sie haben nach dem Sprung in Richtung Goodsprings vielleicht ein paar Minuten bevor das Feuerwerk losgeht. Ägir, sie halten sich besser bereit für ein paar Ausweichmanöver, wenn wir getroffen werden, können wir uns nicht zurückziehen. Sobald wir nah genug dran sind und wissen womit wir es zu tun haben wird das weitere Vorgehen festgelegt. Noch jemand fragen?“
Niemand meldete sich.
,, Dann los.“
Die rund fünfzig Personen im Raum zerstreuten sich und hasteten auf ihre Posten. Coel selbst machte sich in Begleitung von Martin, Ägir, Adams und Aine auf den Weg zum Kommandodeck.
Auf dem Sichtbildschirm schimmerte noch immer die vereiste Kugel von Isaari.
,, Letzte Chance.“ , meinte er. ,, Will noch irgendjemand aussteigen ?“
,, Isaari ist mir zu kalt.“ , erwiderte Martin.
,, Dachte ich mir. Wann immer sie bereit sind Ägir.“
,, Also ich bin so weit.“
,, Los geht’s.“
Der Ruck der durch das Schiff ging als die Nova Generatoren ansprangen hätte Coel wie immer fast umgeworfen. Wirklich gewöhnen tat man sich wohl nie daran.
Als er sein Gleichgewicht wiederfand hatte sich das Bild auf den Sichtbildschirmen erneut geändert.
Das Sonnensystem zu dem Goodsprings gehörte war an sich recht erdähnlich. Die Sonne hatte etwa dieselbe Größe und auch der Abstand der Koloniewelt zu dieser entsprach etwa dem der Erde. Da der Planet jedoch eine fast doppelt so hohe Konzentration an Kohlenstoffdioxid in seiner Atmosphäre besaß, war die Temperatur und das Klima eher Wüstenähnlich. Lediglich an den Polkappen, wo die Sonneneinstrahlung abgeschwächt war, blieb das Klima moderat. Und dort lagen auch die größten Siedlungsgebiete soweit er wusste.
Im Orbit konnte er mehrere Strukturen erkennen, die an Schiffe erinnerten. Und noch etwas anderes. Es erinnerte ihn an zwei einander überlappende Ringe, die aus einzelnen Segmenten zu bestehen schiene. Aber was für Segmente… wenn er die Entfernung richtig abschätzte hatte jedes davon locker die Größe eines kleinen Schiffs . Und vor dieser seltsamen Anordnung schwebte eine gewaltige Kugel, die er sofort wiedererkannte.
Das Weltenschiff. Offenbar war es noch nicht vollständig repariert worden. Er konnte die Beschädigungen an der Oberfläche mit bloßem Auge ausmachen.
,, Wie sieht es aus ? “ , wollte Coel wissen.
,, Ich glaube, das sind Tariden-Schiffe. Der Baustil würde zumindest passen.“ , erklärte Ägir.
,Haben die uns schon entdeckt ?“ , fragte Aine.
,, Mit Sicherheit, ein Nova-Sprung ist alles andere als unauffällig und es sieht aus als würden sie in unsere Richtung abdrehen.“ , meinte Adams ,, Was zur Hölle ist das Ding?“
Er vergrößerte das Ringkonstrukt auf einem der Bildschirme.
,, Irgendwas sagt mir, das wir das nicht rausfinden wollen.“ , bemerkte Martin. ,, Wie ist der Status der Tariden-Schiffe?“
,, Nähern sich und sind in etwa zehn Minuten in Feuerreichweite.“
,, Dann kann die Party ja anfangen. “
,, Einen Moment…“ , Adams warf einen Blick auf die Kommunikationskonsolen, ,,Es sieht so aus als würden wir eine Nachricht bekommen, von der Oberfläche des Planeten.“
,, Es kann nicht schaden sich anzuhören was sie zu sagen haben. Mehr als ein paar Drohungen kann es ja nicht sein.“ , schlug Martin vor.
Coel nickte. ,, Also gut.“
Adams lies das Signal durch. Die Lautsprecher auf dem Kommandodeck sprangen an.
,, Hier ist Seyonn von der Unity mit einer dringenden Warnung an alle Schiffe, die sich Goodsprings nähern, sie…“
,, Seyonn ?“ , Coel ließ die Stimme nicht aussprechen. ,, Sind sie das wirklich ?“
,, Moment mal… Coel, was bei ihrem Teufel machen sie hier?“ , wollte der Unity-Abgesandte sofort wissen.
,, Ich könnte sie grade dasselbe fragen.“
,, Es könnte eine Weile dauern, das alles zu erklären.“ , gab Seyonn zurück.
,, Sie haben Schätzungsweise acht Minuten dafür, dann bricht hier oben die Hölle los.“ , erklärte Martin.
,, Das reicht vermutlich nicht. Können sie irgendwie auf den Planeten gelangen?“ , fragte Seyonn. ,, Ich schicke ihnen meine Koordinaten.“
,, Ich weiß ihnen entgeht das gerne mal, aber wir haben grade ganz andere Probleme.“ , antwortete Coel.
,, Es geht nicht anders. Sie müssen es selbst sehen.“
,, Was sehen ?“ , fragte Aine, aber Seyonn antwortete nicht mehr. Die Verbindung war abgerissen.
,, Okay, aber diesmal schuldet er mir wirklich eine verdammt gute Erklärung“ , murmelte Coel.
,, Das ist doch mal eine angenehme Überraschung.“ ,stellte Martin fest.
,, Nicht wirklich, dürfte ich erfahren, wie sie es auf den Planeten schaffen wollen, wenn zwischen uns und Goodsprings eine ganze Flotte steht ?“ , fragte Aine.
,, Nun wie sie wissen ist mein Kopf voll mit dummen Ideen für genau solche Fälle.“ , antwortete Coel.
,, Mir gefällt gar nicht worauf das wieder hinausläuft.“
,, Nun eigentlich ist es recht einfach…“
,, Wir werden alle sterben.“, wiederholte Martin. Den ganzen Weg um Hangar hatte der Pilot nichts getan als zu fluchen oder sich zu beschweren. Teils war das wohl seien übliche Art, teils aber auch echte Angst. Coel konnte es gut verstehen. Das war alles andere als Risikolos.
,, Das haben sie jetzt schon ein paar Mal gesagt Martin.“ , bemerkte Aine.
,, Weil es stimmt. Ich meine… was für ein bescheuerter Plan ist das denn…“
,, Die Art von bescheuerten Plan, den wir ständig haben.“ , meinte Coel.
,, Ich weiß mittlerweile könnte ich mich wahrscheinlich dran gewöhnt haben.“ , sagte Martin.
Coel versuchte den Mann etwas zu beruhigen. ,, Hey, sie schaffend das schon.“
,, Genau.. ich muss uns ja nur in einem Anflugwinkel von exakt 90 Grad nach unten bringen, währen die Kronos mehr oder weniger indirekt auf uns feuert.“ Martin setzte sich hinter das Steuer des Shuttles. Durch das Sichtfenster konnte er die Sterne sehen… und den Planeten. Ihr Ziel.
Er schüttelte einen Moment den Kopf.
Der Plan war wirklich bescheuert.
Die Kronos würde sich ,mit so weit wie möglich abgeschalteten Systemen Goodsprings annähern und die Tariden-Flotte in ein Gefecht verwickeln. Dabei würde Ägir allerdings vermeiden sich auf lange Feuergefechte einzulassen.
Dabei hätten sie so oder so keine Chance. Stattdessen würde er sie lediglich ablenken, in Bewegung bleiben und das Feuer auf sich ziehen. Sobald sie nah genug am Planeten dran waren würde das Shuttle mit Coel, Martin und Aine an Bord starten, während die Kronos ihre Flugroute sichern würde. Was im Prinzip hieß, das die Geschütze des Schiffs ihnen den Weg Freiräumen mussten.
Und das war der Punkt, der Martin am meisten Sorgen bereitete.
Damit das funktionierte müsste das Shuttle innerhalb eines kleinen sicheren Korridors bleiben. Eine Abweichung um ein paar Meter und sie würden von ihren eigenen Geschützen zerfetzt.
Er atmete einmal tief durch. Es konnte nicht mehr wirklich lange dauern.
,, Ich schätze mal, das ist ein schlechter Moment um anzumerken, dass ich noch Resturlaub gehabt hätte ?“ , fragte er.
,, Ein ganz schlechter Moment.“ , erwiderte Coel. ,, Will sonst noch jemand was loswerden ?“
Aine zögerte… Nicht jetzt, sagte sie sich selbst. Aber wann denn dann ? , fragte eine andere Stimme.
,, Ich wollte… sie sollten wissen das ich…“
Am Ende schüttelte sie einfach nur den Kopf. ,, Ist nicht so wichtig.“
Ägir hatte derweil das Kommando auf der Kronos übernommen und war nicht minder Aufgeregt. Allerdings konnte er das wohl besser verbergen. Mit einer geübten Handbewegung zündete er sich seine Pfeife an und beobachtete über den Sichtbildschirm die näherkommenden Taridenschiffe.
Natürlich könnte er deren Position über die Schiffsinstrumente viel besser einschätzen aber wozu… sie kamen näher und nur das zählte.
Auf dem Deck war es fast dunkel. Sämtliche nicht Lebenswichtigen Systeme waren abgeschaltet worden. Das würde es den Tariden schwerer machen sie als Ziel zu erfassen und würde ihnen einen Überraschungsvorteil sichern, wenn das jetzt lahmgelegt erscheinende Schiff wieder zum Leben erwachte.
,, Status ?“ , wollte er wissen.
,, Noch fünf Minuten bis wir in Reichweite sind.“ , meldete eines der Besatzungsmitglieder.
,, Gut und wie lange bis wir an den Abwurfkoordinaten sind ?“
,, Knapp acht.“ , meinte Adams, der auf dem Deck zurück geblieben war.
,,Drei Minuten Katz und Maus Spiel. Ich bin nicht wirklich wild drauf aber das sollte zu schaffen sein.“ , erklärte der Navigator.
Drei Minuten, die aber über alles entscheiden würden.
,, Merkwürdig… auch das Rauchen besänftigt mich nicht mehr. Es muss schlimm um mich stehen, wenn das mir nicht mehr helfen kann. Ich habe töricht gegen den Wind geraucht. Was soll ich noch mit dir, die du eigentlich für Wohlbefinden sorgen sollst Dein Rauch quillt nicht in mildes weißes Haar sondern in zerwühlte graue Locken.“
Ein letzter Zug. Ägir drückte die brennende Pfeife aus.
,, Ist ein schlechter Zeitpunkt um noch alte Angewohnheiten loszuwerden.“ , meinte Adams.
,, Vielleicht… aber darum geht es nicht.“
Das Deck versank in Schweigen, als jeder die letzten Augenblicke abwartete.
,, Wir sind in Feuereichweite Sir.“ , durchbrach ein Waffenoffizier die Stille.
,, Warten sie noch. Feuer erst auf meinen Befehl.“ , sagte Ägir. Das erste Schiff war jetzt praktisch direkt über ihnen. Zwischen den beiden Kreuzern lag vielleicht noch ein guter Kilometer abstand.
Das war ein Entermanöver. Nun, da würden sie Pech haben.
,, Die Tariden versuchen eine Funkverbindung herzustellen.“
,, Dann lassen sie mal hören was die uns sagen wollen.“ , befahl Ägir.
Der Kommunikationsoffizier schaltete die Sprechanlage ein.
,, Ergebt euch.“ , hörte Ägir fast sofort darauf eine leicht verzerrt Klingende Stimme.
,, Was mehr habt ihr nicht zu sagen ? Ich dachte wir stellen uns hier erstmals vor, also mein Name ist...“
,, Es spielt keine Rolle wer ihr seid, ihr seid Hoffnungslos in Unterzahl und umstellt. Nebenbei scheinen auch einige eurer Schiffssysteme ausgefallen zu sein. Es gibt sonst nichts zu bereden und ihr seid nicht in der Lage irgendwelche Forderungen zu stellen.“
,,Ich glaube da liegt ihr falsch.“ Eine Sekunde des zögern. ,, Jetzt.“
Die Systeme des Schiffs sprangen an und auf dem dunklen Kommandodeck wurde es schlagartig wieder hell. Die Triebwerke der Kronos erwachten zum Leben und begannen das Schiff mit Höchstgeschwindigkeit zwischen den Tariden hindurch zu lenken.
Diese schienen einen Moment zu brauchen um die Situation einzuschätzen, nahmen dann aber wie erwartet die Verfolgung auf.
,, Bereithalten dem Shuttle Feuerschutz zu geben sobald wir nah genug dran sind.“ , ordnete er an.
Jetzt wurde die Sache langsam spannend. Wenn sie zu langsam wurden, während sich das Shuttle absetzte, würden sie nicht mehr fliehen können. Wurden sie hingegen zu schnell, konnte sich das Shuttle nicht mehr im sicheren Korridor halten und wurde vermutlich zerstört.
,, Jetzt oder nie.“ , meinte Coel.
Ein Ruck ging durch das ganzen Innenraum, als das Schiff sich vom Boden löste und in Richtung der offen stehenden Hangar-Tore steuerte. Noch im Schutz der Kronos schwebte der Transporter einen Moment völlig frei im Raum.
Durch das Sichtfenster konnte er die Oberfläche des Planeten mittlerweile gut erkennen. Sie waren vielleicht noch gut 300 Kilometer davon entfernt. Es könnte zu schaffen sein.
In diesem Moment verdrängte ein greller Lichtblitz alles denken.
Die Aufflammenden Railgun-Geschütze waren in der leere des Alls nicht zu hören, was dem Anblick etwas beinahe gespenstisches verlieh. Wie Wetterleuchten auf der Erde. Man sah vielleicht die dunklen Wolken und die Blitze, erwartete den Donner und fühlte sich irgendwie enttäuscht, aber gleichzeitig auch erleichtert, wenn er ausblieb.
,, Alle bereit ?“, fragte Martin, der die Triebwerke anlaufen ließ. Geschwindigkeit war jetzt alles.
Der Feuerschutz durch die Kronos würde ihnen Zeit geben, mehr aber vermutlich auch nicht.
Aine nickte.
,, Dann los.“
Das Shuttle löste sich endgültig von der Kronos und steuerte, noch zusätzlich Beschleunigt durch die Schwerkraft des Planeten, auf diesen zu.
Die glühende Railgunprojektile bildete einen mehr oder weniger breiten Korridor um den Transporter herum und hinderte die Tariden daran, das schutzlose Gefährt als Ziel zu erfassen.
Ein Kreuzer versuchte trotzdem sich in den Korridor des Shuttles zu schieben und dessen Weg zu blockieren.
Martin sah, wie sich das Schiff direkt in ihre Flugbahn und somit allerdings auch in den Projektil-Hagel lenkte.
,, Sind die lebensmüde ?“ , fragte Aine, die die Situation auch erfasst hatte.
Die Tariden verfügten im Gegensatz zu den Schiffen des Parlaments nicht über eine eigene Schildtechnologie. Somit hatte der Kreuzer der zerstörerischen Gewalt des Beschusses nichts entgegenzusetzen.
Bereits das erste Geschoss durchschlug die Außenpanzerung und trat auf der anderen Seite des Schiffs wieder aus. Vermutlich hatten die Tariden damit sogar Glück. Ein Teil der Wucht des Aufschlags ging verloren. Das änderte allerdings nichts daran dass es ein Dutzend weitere schwere Treffer einstecken musste und langsam begann auseinanderzubrechen.
Allerdings nicht schnell genug.
,, Martin.. wir könnten etwas zu schnell sein, würden sie das Shuttle also jetzt abbremsen.“ , rief Coel.
,, Was glauben sie eigentlich versuche ich grade ?“ , gab der Pilot zurück ,, Wir sind im All, da ist nichts was einen Bremst. Wir sind fast doppelt so schnell wie empfehlenswert ist und der Gegenschub…“ ein metallenes kreischen, als würde irgendetwas langsam zerreißen. ,, Das Triebwerk für den Bremsschub hat sich grade verabschiedet.“
Im Rumpf des Kreuzers vor ihnen hatte sich mittlerweile ein breiter Riss gebildet, der einmal durch das gesamte Schiff hindurchging.
,, Können sie uns da durchbringen ?“ , fragte Aine.
,, Tja.. .“ Martin drehte sich einen Moment zu ihnen um und grinste breit. ,,Coel… erinnern sie sich noch an unsere Wette?“
,, Martin, wenn sie das schaffen, verdopple ich sogar den Einsatz.“ , erwiderte er.
,, Das ist ein Wort. Alle festhalten.“
Er konnte nachher nicht mehr genau feststellen was schief gegangen war. Anfangs sah es wirklich so aus, als würden sie es schaffen. Martin steuerte das Schiff geübt durch die Lücke im Rumpf des Kreuzers. Links und rechts konnte Coel die jetzt dem All ausgesetzten Räume erkennen. Vermutlich waren diese jetzt freilegenden Sektionen abgeriegelt worden, als das Schiff auseinanderbrach.
Kurz fragte er sich, wie wohl die Überlebenschancen der Tariden an Bord waren. Vermutlich nicht sehr gut. Selbst wenn überhaupt noch etwas an Bord des Kreuzers funktionierte, die Lebenserhaltungssysteme lagen auf einer der beiden Hälften.
Ein plötzlicher Schlag riss ihn aus seinen Gedanken. Vielleicht eine vorstehende Metallstrebe, vielleicht ein Trümmerstück.
Jedenfalls geriet das Shuttle plötzlich ins Schleudern. Alles schien sich zu drehen, wenn er aus dem Sichtfenster blickte, aber natürlich war das der Transporter, der um seine eigene Achse geschleudert wurde. Die Geschwindigkeit musste unvorstellbar sein und Coel konnte nur hoffen, dass die Trägheitsdämpfung nicht ausfallen würde. Das wäre ihr sicherer Tod.
Die Welt unter ihnen war mittlerweile bedrohlich nahe gekommen und wenn er aus dem Fenster sah… konnte er Flammen erkennen, die an der Außenhülle des Schiffs brannten.
,, Ich würde sagen wir sind in der Atmosphäre.“
,, Das merke ich selbst.“ , erwiderte Martin, der immer noch mit der Steuerung kämpfte. Zumindest hatte er den Transporter von seinem haltlosen Sinkflug in einen Winkel gebracht, der dem Schiff eine Landung erlauben würde.
,, Hüllentemperatur über zweitausend Grad. Wenn das so weiter geht verglühen wir…“ , gab Aine zu bedenken.
,, Denken sie das weiß ich nicht. Der Anflugwinkel ist zu steil und wir viel zu schnell. Wir…“
Der Erdboden… sie waren schon viel zu nach.
,, Alle festhalten.“
Mehr konnte er nicht mehr sagen, als das Shuttle unsanft aufsetzte und von seiner eigenen Restgeschwindigkeit getrieben mehrere hundert Meter über den Sandboden schlitterte.
Hinter ihnen stieg eine kilometerweit sichtbare Staubwolke auf.
Coel wurde aus dem Sitz geschleudert und stieß mit dem Kopf gegen irgendetwas. Schmerz lief durch seinen ganzen Körper und seine Sicht verschwamm…
Wenige Sekunden später wurde alles schwarz.
Sie schmeckte Blut als sie versuchte aufzustehen. Irgendwie schien die Welt nicht stillstehen zu wollen.
Sand und ein leichter Luftzug. Die Fenster des Shuttles waren zersplittert und die Nase des Schiffs hatte sich fast einen halben Meter tief in den Boden gegraben, der jetzt vom Wind ins Innere getragen wurde. Mühsam stand Aine auf und taumelte ein paar Schritte weit. Gehirnerschütterung dachte sie.
Wie zur Bestätigung sickerte etwas Blut ihre Stirn herab.
Wo waren die anderen?
,, Au. Verflucht… das erinnert mich an meinen letzten Trip zu den Kolonien.“ Coel stand schwankend im hinteren Teil des Schiffs auf und klopfte sich etwas Sand aus den Haaren.
,, Sind sie damals auch mit einem Shuttle abgestürzt ?“ , fragte Aine erleichtert.
,, Nein, aber in einer Bar.“ , erwiderte Martins Stimme vom Pilotensitz aus. Er war der einzige, der beim Aufschlag nicht durch das Schiff geschleudert worden war.
Er sah sich um und lachte einen Augenblick wie ein Wahnsinniger.
,, Okay, wir sind unten, wenn auch nicht ganz wie geplant.“ Auch Coel war Verletzt. Aus einem Schnitt in der Wange lief Blut und auch ansonsten waren sowohl sein Gesicht und seien Arme , als auch die von Martin mit kleineren Schnitten und Kratzer übersäht. Aber nichts bedrohliches, wie es aussah.
,, Geht es ihnen gut ?“ , fragte er an Aine gerichtet.
,, Nur ein Kratzer.“ , erwiderte sie.
,, Okay, Martin, wie sieht es aus, wo genau sind wir ?“
,, Tja… die Systeme sind alle tot, aber wenn sie mir einen Moment geben um die Navigation wieder online zu bekommen, kann ichs rausfinden.“
,, Lassen sie sich Zeit.“ Er sah aus dem zerbrochenen Fenster auf das unendliche Sandmeer hinaus.
,, Ich glaube nicht, das uns hier in nächster Zeit jemand besucht.“
,, Vermutlich denken die Tariden , wir seien beim Absturz alle gestorben.“ , meinte Aine.
,, Sonst wären die wohl auch schon hier aufgetaucht. Wie sieht’s aus Martin?““
,, Fast fertig. Jetzt hoffe ich nur, dass ich die Elektronik beim Wiederhochfahren nicht endgültig röste. Wünscht mir Glück.“
Mit diesen Worten sprang einer der Bildschirme vor dem Platz des Piloten wieder an. Zwei weitere brannten dafür hörbar durch und der Gestank von brennendem Plastik hing in der Luft.
,, Na bitte geht doch.“ , stellte Martin zufrieden fest und trat vor den Schirm. ,, Also, wenn unsere letzte erfasste Position stimmt… sind wir mitten in der Kolonie gelandet.“
Coel sah erneut aus dem Fenster. ,, Ich glaube, dann haben die einen sehr großen Parkplatz.“
,, Fast wie Ikea was ?“ , gab Martin zurück. Er trat einmal hörbar gegen den Monitor ,, Vermutlich hat es die Systeme eben doch geröstet.“ Einen Augenblick flackerte das Bild dann stabilisierte es sich wieder. ,, Na bitte, geht doch.“
,, Wo sind wir in Bezug auf Seyonns letzte Position ?“
,, Tja…“ bevor Martin dazu kam zu antworten schlug etwas mit Gewalt gegen die Luke des Shuttles, die sich daraufhin nach innen bog und aufsprang.
,,Es geht doch einfach immer schlimmer , sagte Seyonn , als er durch die jetzt offenstehende Tür ins Innere des Schiffs trat. ,, Euer Absturz war nicht zu übersehen.“
,, Seyonn, ich denke mal sie schulden uns eine Erklärung.“ , setzte Martin an, ,,Ich meine…“
,, Was machen die Via hier ?“ , wollte Coel wissen. ,, Das Weltenschiff habe ich schon gesehen… aber die sind doch nicht nur hier um sich zu verstecken.“
,, Nein… nein das sind sie sogar ganz sicher nicht. Aber…“ Ein Zittern lief durch das Wrack des Transporters.
,, Was zur Hölle ist das, ein Erbeben ?“
,, Kein Erdbeben.“ Seyonn trat wieder nach draußen. ,, Da aktiviert sich wieder ein Fragment.“
,, Was für ein Fragment ?“ , wollte Aine wissen, als sie Martin und Coel dem Unity-Abgesandten nach draußen folgten.
Die Sonne brannte vom Himmel und sofort sehnte sie sich nach dem Schatten im Inneren des Schiffs zurück. Aber für den Anblick lohnte es sich allemal.
Sand. Soweit man sehen konnte, schien es nichts anderes zu geben, als das. Vollkommen weißer, teilweise fast durchsichtiger Sand, der sie irgendwie an Glaskügelchen erinnerte. Die Sonnenstrahlen brachen sich auf dieser Oberfläche und ließen diese teilweise in den verschiedensten gelb und Rottönen erstrahlen.
Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, man hätte wohl Stunden damit zubringen können, einfach nur dem Lichtspeil zuzusehen.
Aber irgendwas stimmte nicht… Der Boden zitterte immer noch, wenn auch weniger stark. Und in ein paar Kilometern Entfernung erhob sich etwas aus dem Untergrund.
Ein gewaltiger Quader aus einem dunklen Metall, der wie von Geisterhand aus dem Wüstenboden aufzusteigen schien.
Langsam schwebte das Objekt nach oben, löste sich vom Boden und stieg in Richtung Orbit auf.
Coel identifizierte das Objekt als eines der Ring-Segmente, die er schon im Orbit gesehen hatte.
,, Was zur… haben die Via das gebaut ?“ , fragte er sprachlos.
,, Nicht gebaut gefunden.“ , antwortete Seyonn.
,, Wie meinen sie das ?“
,, Sie kennen doch inzwischen die Geschichte der Unity und der Via ?“ , fragte Seyonn
,, Sie meinen , das sie früher die am weitesten entwickelten Lebewesen in der Galaxie waren oder ? Und das sie diese beherrschten, bis es zu einem Aufstand kam, der letztlich in der Spaltung in Unity und Via endete, Richtig?“
,, Grob zusammengefasst, aber richtig. Wir beherrschten diese Galaxie aufgrund unserer überlegenen Technologie. Aber so vieles ging verloren. So vieles wurde vergessen.“
,, Was wollen sie damit sagen ?“
,, Ich sagte es bereits. Wir verloren so viel nach dem Krieg… das hier ist Teil davon.“ Er machte sich auf den Weg in die Richtung, aus der der seltsame Monolith aus Stahl aufgestiegen war, ,, Kommt ich erkläre es euch unterwegs.“
Ägir hatte große Mühe, die Taridenschiffe abzuhängen. Er wusste nicht, ob Coel oder die anderen es auf die Oberfläche von Goodsprings geschafft hatten. Seitdem das Shuttle in die Atmosphäre des Planeten eingetaucht war, hatten sie jeglichen Kontakt damit verloren. Und selbst wenn er es wüsste, momentan konnte er sich deshalb keine Sorgen machen.
,, Status der Schiffe ?“ , wollte er wissen.
,, Kommen rasch näher .“ Ein Ruck ging durch die Kronos. ,, Und haben uns unter Feuer genommen.“
,, Irgendwelche Schäden ?“
,, Nur minimal. Die Schilde halten. Ich darf aber darauf hinweisen, dass weitere Treffer trotzdem vermeiden werden sollten.“ , meldete sich HAL.
,,Moment…“ Adams zögerte unsicher.
,, Was ist ?“ , wollte Ägir wissen.
,, Ich weiß nicht genau… da tauchen noch mehr Schiffe auf. Sie schneiden uns den Weg ab.“
Ägir warf selbst einen Blick auf die Scanner. Tatsächlich hatten sich mehrere Schiffe vor ihnen positioniert und ließen ihnen keinen Raum mehr zum Ausweichen.
,, Okay, wenn sie unbedingt einen Kampf wollen, sollen sie einen bekommen. Schiff wenden, alle Waffenstationen vorbereiten und…!
,, Wir erhalten einen Identifizierungscode.“ , meldete ein Kommunikationsoffizier.
,, Wie bitte ?“
,, Von den neuen Schiffen… es ist… die Erd-Defensivflotte ?“
,, Durchstellen. Das soll doch wohl ein Witz sein. “
,, Ich versichere ihnen Mr. Mekkis , das ist kein Scherz. Wir sind zu ihrer Unterstützung hier.“ , erwiderte John Watergate über Funk von der Brücke der Horus aus.
,, Ich sage es ungern, aber ich bin grade echt froh sie zu hören.“ , erwiderte er.
,, Geht mir ähnlich. Vor allem da mein Schiff unbeschädigt ist.“
,, Können wir darüber streiten, wenn uns die Tariden nicht mehr angreifen ?“ , fragte Ägir.
,, Einverstanden.“ , antwortete Watergate und beendete die Funkverbindung.
,, Sir, die Tariden scheinen uns jetzt auch bemerkt zu haben, sie gehen in Gefechts Stellung.“ , wies ihn jemand hin.
,, Okay, an die gesamte Flotte, Feuer eröffnen nach eigenem Ermessen .“ und an seine Leute gerichtet. ,, Alles Bereit machen, Feuer konzentrieren. Die haben keine Schilde, wir schon, also nicht übermütig werden, dann kommen wir hier alle Lebend raus.“
,, Vor der Unity gab es die Erbauer. Unsere Ahnen in der Zeit des ersten Imperiums. Unser Streben beschränkte sich bald nicht mehr darauf, nur eine Galaxie zu beherrschen. Wir wollten mehr. Aber Nova-Generatoren können die gewaltigen Entfernungen zwischen Galaxien nur ungenügend überbrücken. Der Energieverbrauch für einen einzelnen Sprung wäre zu hoch. Somit blieb nur Etappenreisen. Eine Expedition würde Jahre oder Monate bis zu ihrem Ziel brauchen. Also errichteten wir gewaltige Konstrukte, ein Portal… sie kennen das Prinzip als Einstein-Rosen-Brücke. Das Projekt erwies sich jedoch als Fehlschlag. Wir wollten die Grenzen des Universums erforschen. Aber was wir fanden war eine sterbende, ausgebrannte Galaxie. Welten, bar jeden Lebens, sterbende Sterne und schwarze Löcher. Als wären sie geplündert worden. Nachdem mehrere Aufklärungsschiffe in dieser Leere verschwanden, wurde das Brückenprojekt eingestellt. “
,, Und was hat das hier mit zu tun ?“ , wollte Coel wissen.
,, Dazu muss ich wieder zum Krieg ,der großen Zwist springen. Nachdem die Via besiegt waren entschieden wir , dass es falsch wäre, sie zu töten. Es entspricht nicht unserer Philosophie. Und doch war klar, dass sie nicht mit uns Koexistieren konnte. Unsere Pfade waren zu entgegengesetzt geworden.
,, Moment… sie wollen damit sagen…“
,, Sie wurden durch die Brücke in die Leere geschickt. Jedoch war uns unklar, dass uns ein Schiff entging. Das Weltenschiff, das uns jetzt so viel Ärger bereitet. Jahrtausende lauerten sie auf die passende Gelegenheit zuzuschlagen. Und gleichzeitig nach einem Weg ihre verlorenen Brüder zurückzurufen.“
,, Sie wussten doch die ganze Zeit wo die Brücke war.“ , meinte Aine.
,,Nein. Diese Welt ging verloren. Ich kann nur vermuten, dass wir uns das wissen selbst nahmen. Ein Kollektives Virus in unserem Gedächtnis, das wir über unsere alten Welten verbreiteten. Damit niemand sie je zurückholt.“
,, Und die Brücke, diese Fragmente, sind der Schlüssel dazu ?“
,, Jahrtausende lang begraben im Sand dieses Planeten. Als diese Welt vergessen wurde, verfiel die Brücke in einen Schlummer. Vermutlich wurden die einzelnen Teile durch die Schwerkraft auf den Planeten gezogen, als ihre Energie zu Ende ging.“
,,Da ist sie noch intakt ?“ , fragte Martin ungläubig.
,, Eine erstaunliche Technologie. Die Technik kann sich selbst warten, selbst reparieren. Unser Imperium war einst für die Ewigkeit gedacht. Zumindest nahmen wir das an.“
,, Verflucht.. okay… das ist nicht gut.“ War die ganze Aktion auf der Erde nur ein Ablenkungsmanöver gewesen ? Hierfür ?,, Die Via haben also eine Flotte irgendwo da draußen. Und sie versuchen sie mithilfe dieser Brüche herzuholen.“
,, Das ist der Plan ja.“ , bestätigte Seyonn.
,, Großartig. Dann sollten wir besser Ägir informieren.“ , schlug Martin vor. ,,Er soll uns einsammeln wenn möglich und dann…“
,, Wir können noch nicht weg.“ , unterbrach ihn der Unity-Abgesandte.
,, Und warum nicht ?“
,, Auf dieser Welt haben die Via mehr gefunden, als nur die Brücke. Sie fanden außerdem ein Archiv.“
,, Was ist das wieder ?“
,, Martin ist schon einmal einem begegnet.“ , antwortete Seyonn.
,,Utgar ?“ , fragte der Pilot. ,, Ihr… Archivar ? Okay, ich schätze das macht Sinn.“
,, Und was genau ist… ein Archivar ?“
Die Frage sollte unbeantwortet bleiben.
Martin sah auf, als ein entferntes Donnern durch die Wüste um sie herum hallte. In der Ferne jagte ein verirrtes Geschoss über den Himmel und schlug irgendwo ein.
,, Klingt, als würde es da oben eine höllische Schießerei geben.“ , bemerkte Martin.
,, Okay, wie auch immer, wir sehen es uns an. Ich schätze einmal, alles was hier ist, ist besser in unseren Händen als in denen der Via.“ , entschied Coel.
,, Wie lange haben wir, bis die Via die Brücke vollenden?“ fragte Aine.
,, Vielleicht noch ein paar Stunden.“ , erklärte der unity-Abgesandte.
Coel versuchte derweil eine Funkverbindung zur Kronos herzustellen. ,, Ägir, hören sie mich ?“
,, Coel ? Ja ich höre sie. Wir sind immer noch hier zusammen mit der gesamten Erdflotte. Geht es ihnen gut?
,, Ich frage besser gar nicht, wieso die Flotte bei ihnen ist aber das trifft sich vielleicht ganz gut. Hören sie, wir haben Seyonn gefunden. Dieses Ding dort oben im Orbit ist eine Art Portal für die Via. Wenn sie die Gelegenheit dazu haben, pusten sie es weg.“
,, Verstanden. Wir können ein Shuttle zu ihrer Position…“
,, Nein.“ Coel zögerte. Es würde eine Ewigkeit dauern, alles zu erklären. ,, Ich… ich sehe mir noch etwas an und melde mich dann wieder. Coel Ende.“
,, Verstanden. Viel Glück da unten.“
,, Also, wo ist jetzt dieses Archiv ?“
,, Folgen sie mir.“ Der Abgesandte der Unity führte sie über eine Düne. Coel spähte über den Rand nach unten. Es sah aus, als wäre hier gegraben worden. Mehrere Säulen ragten aus dem Boden.
Aus der Ferne hielt Coel es erst für grauen Stein, dann jedoch erschien ihm das Material mehr Kristallin.
,, Dort unten.“ , erklärte Seyonn.
Coel konnte einen Eingang erkenne, der zwischen zwei der hoch aufragenden Monolithen lag
,,Wieso haben wir das vorher nie gefunden ?“ ,wollte Martin wissen.
,, Ihr habt nicht gezielt gesucht.“ , erwiderte Seyonn.
,, Das ist unglaublich.“ , meinte Aine. Sie stand am Fuß einer der dunklen Kristallsäulen.
Seltsame Schriftzeichen waren in die Oberfläche geritzt, die Coel irgendwie an Keilschrift erinnerten. Oder an Hieroglyphen…
Auch Martin ließ es sich nicht nehmen, sich einen der Monolithen näher anzusehen.
Aber was ihn am meisten faszinierte, waren die vereinzelt zu findenden Piktogramme. Manche davon zeigten Figuren, die sein Verstand sofort als menschlich oder zumindest menschenähnlich Einstufte. Und zwar auf den Knien vor etwas, das wie eine zweite Sonne an einem mit wenigen Strichen stilisierten Horizont hing.
Irgendwie beunruhigte ihn dieses Bild. Götter ? Nein nur höher Entwickelt. Es gab keine Götter… nur mangelndes Verständnis.
,, Beeindruckend.“ , sagte Coel, als er von einer weiteren Säule zurücktrat.
,, Nein, das hier, das ist nett. Das wirklich beeindruckende kommt noch.“ , meinte Seyonn, der sie zwischen den Stahl-Säulen hindurchführte. Auf den Eingang zu, der sich wie ein riesiger Schlund zwischen den Dünen öffnete. Als Coel den ersten Schritt in die Finsternis machte, flackerte plötzlich eine für ihn vorher nicht sichtbare Beleuchtung auf. Kugelförmige Lichter in den Wänden, die das Ganze in ein gespenstisches grün-blaues Licht tauchten. Als hätte dieser Ort etwas Religiöses.
Vielleicht war er das auch, überlegte sein Verstand in Erinnerung an die Piktogramme. Hatten sich diese Wesen, was immer die Unity auch einst gewesen sein mochte, wirklich verehren lassen, oder war es nur der Unverstand einer Kultur, die man nicht anders hatte nachvollziehen können.
Auch die Wände hier waren mit Schriftzeichen bedeckt.
,, Hey seht euch das mal an.“ Martin hatte eine Taschenlampe eingeschaltet und leuchtete auf ein bestimmtes Symbol in der Wand. Es war ein Zeichen, das er kannte. Vielleicht eines, das die meisten Menschen erkannt haben würden. Ein Horus-Auge. Und nicht nur ein Symbol, das zufällig Ähnlichkeit damit hatte.
Es war genau das. Gezeichnet im typisch ägyptischen Stiel und fast direkt daneben… eine verschlungene geometrische Figur. ,, Wenn mich nicht alles Täuscht, ist das eine Rune. Und zwar eine von der Erde.“
,, Seyonn, ist es möglich, das die Erbauer auch die Erde besuchten ?“ , wollte Coel wissen.
,, Wer weiß… der genaue Verlauf unseres Imperiums ist uns nicht mehr bekannt.“
Coel wendete sich von den Vertrauten Symbolen ab und sah das Aine ebenfalls auf eine Reihe von Symbolen starrte. Wiedererkennen. Das seltsame Gefühl, etwas an einem Ort gefunden zu haben, wo es nichts zu suchen hatte.
,, Was haben sie entdeckt ?“ , fragte er die Artheranerin.
,, Genug. Alte Zeichen. Ich meine wirklich alte…“ Sie deutete auf einige verschlungene Formen, die für Coel ungewöhnlich erschienen. Irgendwie schmerzte sein Kopf, wenn er versuchte den verschiedenen Schlangenlinien zu folgen.
,, Von Artherium ?“ ,fragte er.
,, Von Artherium.“ , bestätigte sie.
,, Seyonn, wenn sie jetzt noch irgendwelche Unity-Zeichen entdeckten, ist das Milchstraßen-Familienalbum komplett.“ , meinte Martin gut gelaunt.
,, Können wir weiter ?“
Sie rissen sich von den unzähligen Symbolen los. Ein Archäologe könnte vermutlich sein ganzes Leben damit verbringen allein diese zu studieren überlegte Coel. Und sie waren grade einmal am Eingang.
Das Licht wurde heller und schließlich öffnete sich der Gang dem sie folgten zu einer größeren kreisförmigen Kammer. An den Seiten zogen sich Regalähnliche Gebilde hoch. Allerdings vollkommen leer, wie er schnell feststellte.
Im Zentrum des Saals jedoch befand sich ein Podest mit einer Art Kanzel darauf. Der Raum war vollkommen unbeschädigt und sobald Coel die dicke Staubschicht von einem der Regale entfernte sah es aus, als wäre der Ort grade erst verlassen worden.
,, Sie hatten recht, die haben wirklich für die Ewigkeit gebaut. Also, was machen wir hier?“
,, Es zerstören.“ , antwortete der Unity-Gesandte. Irgendetwas stimmte nicht. Coel wurde kurz misstrauisch.
,, Ist das nicht ein wenig…extrem ?“ , fragte Martin.
,, Würden sie dieses Wissen lieber eines Tages in den Händen der Via sehen ? Denn das wird geschehen.“ , konterte Seyonn. ,, Momentan ist es inaktiv. Aber das Wissen hier ist zu wertvoll und gefährlich.“
Coel war derweil auf die Plattform in der Mitte getreten.
,, Sieht irgendwie aus wie ein Rednerpult.“ , meinte er, als er auf die Kanzel zutrat.
,, Ich glaube nicht, das sie da oben bleiben sollten.“ , meinte Aine. Ein ungutes Gefühl hatt sich breitgemacht, das sie nicht abschütteln konnte.
,, Nein nein… Es sollte sicher sein.“ , erklärte Seyonn.
Coel machte noch einen Schritt nach vorne… und schreckte zurück, als plötzlich eine Gestalt vor ihm auftauchte.
Martin wirbelte herum und richtete seine Waffe auf das Wesen.
Viel zu erkennen war nicht. Es schien eine Robe zu tragen, nicht unähnlich der eines tibetischen Mönchs, allerdings mit einer Kapuze, die nur Schwärze zurückließ, wo das Gesicht sein sollte. Auch die Gliedmaßen blieben unter den Ärmeln verborgen.
Das Wesen machte einen Schritt vorwärts und…flackerte.
,, Nur ein Hologramm.“ , meinte Coel.
,, Was haben sie gemacht?“ , wollte Seyonn wissen. Aber er klang nicht überrascht. Obwohl seien Stimme selten Emotionen verriet, es schein fast, als hätte er das erwartet.
Coel zuckte mit den Schultern. ,, Gar nichts.“
,, Das Archiv reagiert auf sie.“ , stellte der Unity-Abgesandte fest.
,, Was ? Das ist jetzt irgendwie mal...lächerlich. „
Wie zum Beweis trat er einen Schritt auf das Hologramm zu.
,, Hallo.“
Coel stolperte erneut zurück.
,, Woher kennen…können…“
,, Ihre Sprache wurde analysiert und anhand von Beispielen Übersetzt. Dieses Programm wurde entwickelt um auf jede gewünschte Art zu kommunizieren. Interessant das sich ein ,,Erbauer“, wie uns ihre Sklaven nennen, sich die Mühe gemacht hat, die Sprache der niederen zu lernen. Aber wenn sie so sprechen möchten…“
,, Moment, Auszeit. Ich bin alles nur kein Erbauer.“ , erwiderte Coel. Was ging hier bitte vor?
,, Die Tatsache, dass sie vor mir stehen, beweist das Gegenteil. Laut meinen Aufzeichnungen hat sich dieser Planet seit dem letzten Besuch eines Erbauers Achtundfünfzigtausend -mal um den Stern dieses Systems gedreht.“
,, Wenn ich das mit Erdjahren gleichsetzte… macht das rund 5.000 Jahre.“ , meinte Seyonn.
,, Wir hinken technisch 5.000 Jahre hinterher ?“ , fragte Aine.
,, Ihre Leute vermutlich sogar etwas mehr.“ , erklärte der Unity-Botschafter.
,, Ist das der Archivar. Wie Utgar ?“ , wollte Martin wissen.
Seyonn schüttelte den Kopf. ,, Älter… und offenbar beschädigt.“
,, Beschädigt ?“ , fragte Coel.
,, Diese Einheit ist leider nicht vollständig aktiv. Ich kann keinen indirekten Zugriff auf die Datenbanken herstellen.“
Martin musterte das Hologramm während es sprach. ,, Utgar war um einiges… freier, kann das sein ?“
,,Die Archivare sind organische KIs wenn man so will. , erklärte der Botschafter. ,, Wer weiß schon was die Jahrtausende mit einem Verstand in der Finsternis anrichten.“
,, Was soll ich mir darunter vorstellen ?“
,, Wie wir und doch nicht ganz wie wir.“ , antwortete Seyonn. ,,Jede Enklave unserer Rasse hatte einmal einen, aber der einzige noch bekannte ist Utgar.“
Aines ungute Vorahnung wuchs. ,, Hatten die Via denn einen Archivar ?“
,,Ich weiß es nicht.“ , gestand Seyonn. ,, Vielleicht... Aber wenn dann ist dieses Wissen ebenfalls zerstört worden.“
,, Also, Seyonn, warum zur Hölle hält mich dieses Ding für einen Erbauer ?“
,, Ich kann nur Vermutungen anstellen… vielleicht wegen ihrer Technologischen Anpassung oder es hat einen anderen Grund.“
,, Hey, du woher weißt du das ich ein Erbauer bin ?“ , verlangte Coel zu wissen.
,, Diese Anlage wird durch eine Reihe von Sicherheitsbarrieren geschützt. Leider scheinen die meisten davon ausgefallen zu sein. Doch die Datenbankzugangssicherung funktioniert immer noch. Sie besitzen fünf von fünfzehn Genmarkierungen, nach denen ich suchen muss. Das reicht um sie als Erbauer zu erkennen. Bezieht man den Zeitraum ein, der vergangen ist, seit die letzten eurer Art hier waren, sind Änderungen zu erwarten. Diese Anlage wurde darauf programmiert, auf alle Eventualitäten eine Antwort zu haben, auch den, das sie vergessen werden sollte. Die Datenbank steht ihnen jetzt frei.“ Mit diesen Worten….füllten sich die Regale mit Bücherähnlichen Tafeln, aus dem gleichen grauen Metall, wie die Säulen draußen.
Aus Neugier versuchte Martin eines davon aufzuheben. Seien Hand ging direkt hindurch. ,, Das sind nur Hologramme.“ , rief er zu Coel herauf.
,, Möchten sie Zugriff nehmen ?“ , fragte das Hologramm erneut.
,, Seyonn, was meinen sie ?“
„ So wie es aussieht, ist der Archivar nicht in der Lage, die Informationen gezielt zu durchsuchen.“, antwortete er. ,, Die Wahrscheinlichkeit, dass wir etwas Nützliches finden, würde ich als sehr hoch einstufen.“
,,Und die anderen ?“
,, Ich weiß nicht… das klingt irgendwie etwas zu gut.“ , meinte Martin. ,, Seien sie Vorsichtig, aber ich denke, es ist ihre Entscheidung. Wir können auch einfach den ursprünglichen Plan durchziehen und alles dem Erdboden gleich machen.“
,, Aine ?“
,, Ich habe kein gutes Gefühl dabei.“
,, Was soll schon passieren ?“ , fragte er schulterzuckend.
,, Zugriff herstellen ?“
,, Ich bitte darum.“
Ein seltsames elektrisches Summen erfüllte ohne Vorwarnung den Raum.
,, Was zum ?“ Bevor Coel Zeit zum Reagieren fand legte ihm die Hologramm-Gestalt eine Hand an den Kopf. Ein Lichtblitz und alles war vorbei.
Coel sank zu Boden und in dem Raum wurde es dunkel. Die Bücherhologramme verschwanden, ebenso die Gestalt…
,, Was war das Grade ?“, rief Martin, der seine Taschenlampe einschaltete.
,, Die Anlage muss grade ihre letzten Energiereserven aufgebraucht haben. Vielleicht wurden die Systeme auch einfach alle überlastet.
,, Wo ist Coel ?“ , fragte Aine.
Langsam gingen die Lichter wieder an. Allerdings schwach und flackernd. Offenbar war die Energiereserve dieses Orts wirklich grade am verlöschen.
Coel lag immer noch an genau der gleichen Stelle, an der er zusammengebrochen war. Absolut reglos.
,, Er atmet noch.“ , stellte Aine erleichtert fest. ,, Können sie mich hören ?“
,, Ich hatte nicht damit gerechnet.“ , erklärte Seyonn fast entschuldigend.
,, Womit hatten sie nicht gerechnet ?“ , wollte sie wissen.
,, Das Archiv hat nicht auf mich reagiert. Ich war bereits hier, habe alles versucht… aber eine Maschine erhält keinen Zugriff. Aber Coel… Wie ich schon sagte, er ist uns ähnlich. Ähnlich genug für den Archivar.“
Das hieß.. . sie wussten das das passieren würde?“ , rief Aine wütend.
,, Ich wusste es nicht."
,, Bastard sie…“ Martin sah einen Augenblick zwischen ihm und dem bewusstlosen Coel hin und her. ,, Sie haben uns , sie haben Coel als Schlüssel benutzt ?“
,, Ich wusste nicht was geschehen würde“ , verteidigte Seyonn sich weiter. ,, Ich…
Coel blinzelte. Seine Sicht war leicht verschwommen. Kein Wunder, schaffte er es irgendwie zu denken. Zweimal ausgeknockt an einem Tag ist definitiv einmal zu viel. Sein ganzer Kopf war Chaos…aber…kein unangenehmes Chaos. Zeichen, Symbole… Sie schienen vor seinen Augen zu tanzen, auf dem Boden im Staub gezeichnet zu sein… aber sie bedeuteten nichts.
,, Wow.“ , war das erste, das er zustande brachte.
Aine wich etwas von ihm zurück. ,, Alles in Ordnung ?“ , wollte sie wissen.
Er sprang ohne Vorwarnung auf, lief hin und her und versuchte Ordnung in das tobende Nichts zu bringen…
,,Wow,wow,wow,wow…Nein.“ Er wurde ruhiger und setzte sich auf die Kante der Plattform und stütze den Kopf auf die Hände.
,, Seyonn.. was ist mit ihm los?“
,, Datenbankzugang. Wir haben alle mit etwas visuellem, vielleicht einem Computer gerechnet.. aber…“
,, Aber ?“
,, Das Ding hat die Informationen direkt in Coels Kopf gepackt. Oder es zumindest versucht. Es hatte schlicht nicht genug Energie.“
,, Und das ist schlecht ?“ , fragte Martin.
,, Sehr schlecht, haben sie einen Ahnung, wie umfangreich dieses Archiv ist ? Da ist als wollten sei eine Starkstromleitung mit einer Verlängerungsschnur flicken. Selsbt wenn er nur einen Teil abbekommen hat…“ Seyonn schüttelte den Kopf. ,, Ich bitte um Verzeihung. Er hat vermutlich Glück gehabt, das die Energie nicht gereicht hat.“
,, Also, so schlecht fühle ich mich gar nicht.“ , erwiderte Coel. Er kniff die Augen zusammen. Die Symbole verschwanden langsam aus seinem Kopf.
,, Sie fühlen jetzt nichts.“ , erklärte Seyonn. ,,Aber die Langzeitfolgen… Ich habe keine Ahnung.“
Eine Gestalt trat aus der Dunkelheit des Zugangstunnels in das unstete Licht. Ein alterslos wirkendes Gesicht und dunkle Haare. Zwei weitere Via begleiteten ihn.
,, Ich muss ja sagen Seyonn, danke dass sie das Archiv für uns… gesichert haben.“
,, Asmodeus. Das hätten sie wohl gerne.“
,, Sie beide kennen sich ?“ , fragte Coel, der eine Hand gegen den Kopf presste. Er zog etwas aus seiner Tasche ohne es selbst wirklich zu bemerken. Adams Prototyp-Waffe. Primitiv… Sie würde so nicht funktionieren, das sah er. Coel schüttelte den seltsamen Gedanken ab. Woher wusste er das?
,, Wir… sind uns ein paar Mal begegnet.“ ,erwiderte Seyonn.
,, Genug.“ Asmodeus nickte seinen zwei Begleitern zu. ,, Holt sie euch.“
Der erste Via trat vor und ging beinahe desinteressiert auf die kleine Gruppe zu. Martin und Aine gaben ein paar Kugeln auf die Gestalt ab, die aber lediglich hindurch flogen ohne Schaden anzurichten.
Coel jedoch saß einen Moment mit der Waffe in der Hand da. Dann begann er zu arbeiten. Beinahe automatisch wie es schien. Er entfernte die Abdeckung am Magazin. Einige isolierte Schaltkreise und ein kleiner, daumengroßer EMP-Generator…. Was tat er?
Der Unity-Botschafter trat dem Via in den Weg.
,, Beiseite Unity-Abschaum.“
Seyonn tat etwas, das Coel das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er grinste breit. ,, Nein.“
Ein Funken schien zwischen den Beiden hin und her zu springen.
Mit einer Bewegung so schnell, das man ihr kaum mit den Augen folgen konnte, hatte er den Via gepackt und schleuderte ihn quer durch den Raum.
Statt sich, wie erwartet, in Partikel aufzulösen krachte der unglückliche in die Archiv-Wand. Er blieb regungslos liegen.
,, Was haben sie mit ihm gemacht ?“ , verlangte Asmodeus zu wissen.
,, Nur seine Motorik lahmgelegt. Keine Sorge.“
Er ging zusammen mit seinem noch aktiven Begleiter auf Seyonn los. Sie kamen aber nicht weit.
Coel war aufgestanden und zielte auf Asmodeus Begleiter. Was tat er ? , fragte er sich erneut. Im nächsten Moment hatte er den Abzug gedrückt.
Die Kugel hätte den Via in die Brust getroffen, hätte sich das Ziel nicht genau in diesem Moment in graue Partikel aufgelöst und wieder zusammengesetzt.
Aber etwas stimmte nicht.
Der Via sah ungläubig an sich herab. In seinem Brustkorb klaffte ein gewaltiges Loch. Die fehlenden Partikel hingen allesamt an dem Projektil, das ihn verfehlt hatte. Es war durch das plötzlich zusätzliche Gewicht einige Meter entfernt leigengeblieben.
Coel schoss noch einmal auf ihn. Diesmal riss es seinem Gegner den Kopf weg, der als Ansammlung rauer Partikel der Kugel hinterherjagte und sich zerstreute.
Die Gestalt brach in einem Haufen aus Staub zusammen.
Bevor Asmodeus reagieren konnte, hatte Coel die Waffe auch auf ihn gerichtet und drückte den Abzug durch. Die Kugel prallte jedoch wirkungslos von der Gestalt ab.
,, Glauben sie ein wenig magnetisierte Munition kann uns wirklich dauerhaft aufhalten ?“ , fragte er.
,, Ich bekomme das Archiv.“ , erklärte Asmodeus ruhig.
,, Wenn es das ist was sie wollen, sollten sie es sich holen.“ , meinte Coel. ,, Der Archivar ist wohl hinüber. Aber ich bin hier.“
,, Es wundert mich, dass sie noch sprechen können. Diese Prozedur hätte die meisten als Sabbernde Irre zurückgelassen.“ , der Via schien fast bewundert oder anerkennend zu sprechen.
,, Ich bin eben nicht jeder.“ , antwortete er, die jetzt nutzlose Waffe nach wie vor auf den Asmodeus gerichtet . Natürlich… wenn der Via einmal wusste womit er es zu tun hatte, konnte er sich wohl auch davor schützen.
,, Coel, sind sie verrückt ? Sie können in dem Zustand nicht kämpfen.“ , meinte Martin entsetzt.
,, Etwas vertrauen.“ , sagte er ruhig. ,, Ich bin momentan ein wenig schlauer als sie.. .und vermutlich mehr als gut für mich ist.“ Er atmete einmal tief durch. ,, Sie verschwinden hier. Lassen sie Ägir ein Shuttle fertig machen. Und egal was passiert, sorgen sie dafür, dass diese Brücke zerstört wird.“
,, Sie sind verrückt.“ , erklärte Seyonn.
,, Ein wenig und jetzt los, verschwinden sie. Alle.“ Er sorgte dafür, dass es deutlich war.
,, Rafail …“ , setzte Aine a.
,, Aine, sie auch.“
,, Ich lass sie nicht nochmal zurück.“ , erklärte die Artheranerin.
Coel lächelte. ,, Ich fürchte, dir bleibt keine Wahl.“
,, Ich wollte noch, das sie wissen…“
,, Würden sie jetzt bitte nichts sagen, was wir beide in zwei Stunden bereuen ?“ , unterbrach Coel sie. ,, Wenn wir dann noch leben können wir weiterreden und jetzt weg mit ihnen.“
Keiner wagte es, noch etwas zu erwidern.
Asmodeus verfolgte das ganze lediglich schweigend.
Die drei liefen an dem wartenden Via vorbei, der keine Anstalten machte, sie aufzuhalten.
,, Wie lange beschießen wir das Ding jetzt ?“ , wollte Ägir wissen.
,, Zwanzig Minuten.“, antwortete Adams.
Inzwischen waren die verbliebenen Tariden weit genug zurück gedrängt worden um der Flotte einen Angriff auf den Brückenknoten zu ermöglichen. Bisher allerdings ohne Erfolg. Es schien fast so, als würden ihre Projektile einfach von den Segmenten abprallen und selbst dort, wo es ihnen gelang, die Ringe oberflächlich zu beschädigen, setzten diese sich innerhalb weniger Minuten einfach wieder zusammen.
,, Irgendwelche Ideen ?“ , wollte der Navigator wissen.
,, Hören sie, ich habe grade mal eine Hypothese , wie das Ding funktionieren könnte. Die Ringe sind der Schlüssel. Ich würde vermuten, dass diese irgendwie exotische Materie erzeugen, oder beinhalten, das ist eine der Grundvoraussetzungen für die Bildung eines Wurmlochs. Aber mehr kann ich ihnen auch nicht sagen.
Aber.. egal wie hochentwickelt diese ,,Erbauer“ waren, selbst wenn und ich sage wenn man
irgendwie ein Wurmloch erschaffen könnte oder würde… Allein die Gezeitenkräfte in dem Ding würden alles was man hindurchschickt zerfetzten. Glaube ich.“
,, Wir haben also keine Ahnung ?“
,, Genau das sage ich.“
,, Nein, sie äußern Mutmaßungen.“
Adams seufzte entnervt.
Die Ringe begannen sich zu bewegen. Langsam, dann immer schneller drehten sich die zwei größeren Segmente in einer Art selbstmörderischem Tanz um ihren gemeinsamen Mittelpunkt, in dem sich langsam ein heller, kugelförmiger Punkt zu bilden begann.
,, Ich schätze mal, sie haben die Brücke grade aktiviert.“
,, Und wie lange haben wir noch bis uns eine Via-Armee vor der Tür steht ?“
Adams zuckte mit den Schulter. ,, Minuten, Stunden, Tage. Ich weiß ja nicht einmal, wie sie das Ding mit Energie versorgen.“
Watergate meldete sich über Funk. Während der Schlacht standen die Schiffe allesamt in Funkkontakt miteinander.
,, Adams, glauben sie eine Nova-Waffe würde etwas ausrichten.“
,, Ich bezweifle es, aber… etwas anderes fällt mir auch nicht mehr ein.“
,, Verstanden.“
Watergate sah von der verglasten Brücke der Horus aus zum Portal. Feuergarben prallten an dem Konstrukt ab und wurden einfach absorbiert.
Die Flotte hatte sich in einem Halbkreis darum positioniert. Trotz des Dauerbeschusses war kein Erfolg in Sicht. Wenigstens verhielt sich das Weltenschiff im Planetenorbit noch still. Vermutlich wollten sie mit den Schäden keinen Kampf riskieren.
,, Nova-Generatoren aufladen und einen Angriff auf das Portal vorbereiten.“ , befahl er.
,, Jawohl Sir. Feuerbereit in zirka 2 Minuten.“
Adams lief auf dem Kommandodeck der Kronos auf und ab.
Irgendetwas übersah er doch?
Ein Problem, das ihm auffallen müsste… Energieversorgung. Dieses… Ding war Jahrtausende im Wüstensand begraben gewesen. Es konnte unmöglich noch viele Reserven haben. Trotzdem lud es sich auf, wieso? Woher konnte es noch Energie beziehen?
Die Antwort fiel ihm wie Schuppen von den Augen.
,,Sie benutzen unseren Beschuss als Energiequelle, deshalb verteidigen sie sich nicht.“
Ägir drehte sich ungläubig zu ihm um.
,, Wie bitte ? Sind sie sicher?“
,, Natürlich bin ich mir nicht sicher. Aber… was könnte es sonst sein?“
,, Watergate will das Ding grade mit Nova-Waffen angreifen lassen.“
,, Dann sollten wir ihn da dran hindern. Ein Nova-Angriff würde ihnen nur die Energie liefern, die sie brauchen.“ , erklärte er.
Ägir zögerte nicht. Innerhalb von Sekunden stand die Verbindung zur Horus. ,, Sie müssen den Angriff sofort abbrechen.“
,, Wieso, was ist los ?“ , wollte der Kommandant wissen.
,, Adams glaubt, dass das Portal unsere Angriffe lediglich zur Energiegewinnung nutzt. Wenn sie eine Nova-Waffe einsetzen dann…“
,, Und da ist er sich ganz sicher ?“ , wollte Watergate wissen.
Ägir sah einen Moment zu Adams herüber. Dieser schüttelte den Kopf. ,, Es ist nur eine Hypothese, aber wenn auch nur die geringste Chance besteht das ich recht habe…“
Watergate seufzte, als er sich auf einen Stuhl fallen lies
,, Sir, Waffe feuerbereit in einer Minute.“ , meldete jemand.
,, Ich sehe nicht, das wir eine Wahl haben. Ihre Idee wäre, das Feuer einzustellen und zu beten, das sie recht haben.“
,, Ich weiß.“ , antwortete Adams ,, Aber wenn sie…“
,, Wir sind in Reichweite Sir. Nova-Generatoren aufgeladen.“
,, Ich glaube nicht, das wir eine Wahl haben. Tut mir leid Doktor.“
,, Dan hoffen wir alle, das ich mich irre.“ , erwiderte Adams und beendete die Verbindung.
,, Das hoffe ich auch.“ , meinte Watergate. ,, Freigabe für Waffeneinsatz erteilt. Einsatz sobald möglich.“
Ein Kegel aus Licht raste auf aus mehreren hundert Schächten auf dem Schlachtschiff hervor und hüllte die Brücken-Segmente ein.
Einige Augenblicke war es zu hell um etwas zu erkennen. Als das Licht schließlich verschwand sah Watergate nur ungläubig zu dem noch vollkommen Intakten Konstrukt hinauf. Das hatte überhaupt nichts genutzt.
Im Gegenteil. Die einzelnen Segmente wirbelten jetzt so schnell um ihre eigene, gemeinsame Achse, das man ihnen kaum noch mit den Augen folgen konnte.
,, Sie müssten uns doch eigentlich verstehen.“ , begann der Via, der sich selbst Asmodeus nannte.
,, Was soll ich verstehen ? Dass sie uns töten wollen?“ , gab Coel zurück.
Sein gegenüber schüttelte den Kopf. ,, Auslöschen ? Töten ? Das ist nicht unser Ziel. Was wir wollen Coel, ist doch eigentlich dasselbe. Ein Universum unter unserer Kontrolle, wäre eine Welt ohne Leid, ohne Kriege. Wenn wir das Leben kontrollieren können wir es zum Besseren für alle wenden. Es wird keine Zusammenbrüche mehr geben, keine Genozide im Namen eines Gottes oder eines Volkes…“
Coel schüttelte nur den Kopf. Würde er diesen Worten nicht gerne glauben? Ja.. vielleicht ein paar mehr Sätze und er hätte geglaubt. Wenn er unwissend gewesen wäre, blind.
Aber so gab es nur eine Wahrheit. ,, Vorher werden Milliarden sterben.“
,, Ein geringer Verlust.“ , erklärte der Via.
,, Erkennen sie eigentlich die Ironie ?“ Ein scharfer Schmerz in seinem Kopf zwang ihn dazu sich die Schläfe zu reiben. ,, Erkennen sie eigentlich die Ironie dahinter ? Sie reden von Frieden… und meinen Unterwerfung. Sie reden davon, das Imperien zu schrecken führen und wollen selbst eines errichten.“
,, Ihnen erscheint das Paradox.“
Coel hatte die Waffe nach wie vor auf Asmodeus gerichtet, senkte sie jetzt aber. Wenn der Via ihn diesmal wirklich töten wollte, würde er ihn kaum aufhalten können. ,, Es ist paradox.“
Asmodeus wendete sich ab. ,, Diese Diskussion wurde bereits vor Jahrhunderten mit der Unity geführt. Wir kamen damals schon nicht zu einem Kompromiss. Und sie sind nicht einmal Objektiv. Dieses Gespräch ist beendet.“
Mit diesen Worten wendete sich der Via ihm wieder zu. ,, Ich werde das Wissen der Erbauer bekommen, egal ob sie mir dabei helfen wollen.“ Er hielt inne, ,,Aber eine Frage habe ich noch. Wieso ?“
,, Wieso was ?“
,, Wieso ? Wieso kämpfen sie noch, wo es sonst keiner mehr tut? Wieso bleiben sie hier, allein? Sie verhalten sich nicht wie jemand, der den tot fürchtet. Aber suchen sie ihn? “
,, Ich bin dem Tod schon zu oft von der Schippe gesprungen. Vielleicht bin ich es ja einfach leid?“ , meinte Coel.
,, Der Fluch der Unbesiegbarkeit. Ich fürchte das wird zu einem Ende kommen. Und doch beantwortet es nicht meine Frage. Warum, wofür, kämpfen sie?“
,, Was soll ich sagen, ich bin halt stur. “
Der Via schüttelte nur den Kopf. ,, Gehen sie.“
Coel glaubte einen Moment sich verhört zu haben. ,, Was ?“
,, Gehen sie. Und wenn wir uns das nächste Mal treffen, falls es ein nächstes Mal gibt, haben sie eine bessere Antwort für mich. Draußen stet ein Shuttle. “ Der Via drehte sich um und verschwand den Gang hinab in der Finsternis.
,, Einer von uns beiden muss verrückt sein!“, rief er ihm hinterher .
,, Und ich hoffe, dass sie das sind.“ , kam die Antwort, bevor Asmodeus Schritte in der Ferne verstummten.
Noch während sie die große Glasfront passierten, welche die Shuttlebuchten vom restlichen Deck trennte, schalteten sich die Lautsprecheranlagen des Schiffs ein.
,, Sie sind zurück.“ , begrüßte Ägir Martin, Aine und Seyonn, sobald sie den Hangar der Kronos verließen. Niemanden war wirklich nach Antworten zu mute, als die kleine Gruppe sich rasch einen Weg zum Kommandodeck suchte.
Das gesamte Schiff war in heller Aufregung. Crewmitglieder liefen hin und her um dutzende von Systemen gleichzeitig zu überwachen. Die Falcon-Jäger, die die Kronos losgeschickt hatte, mussten koordiniert werden, jemand musste aufpassen, dass die Railguns nicht überhitzten und mehrere Wartungstechniker wiesen Trupps zur Schadenskontrolle ein.
,, Wo ist Coel ?“ , fragte Adams, als ihm auffiel, das dieser fehlte.
,, Zurückgeblieben.“ , erwiderte Martin nur.
,, Was zur Hölle meinen sie mit zurückgeblieben ?“ , verlangte Adams zu wissen.
Martin antwortete nicht. ,, Wie sieht es aus ?“
,, Nicht gut.“ ,erklärte Ägir. ,, Die Brücke ist aktiv. Und all unsere Versuche, auch nur einen Kratzer da rein zu bekommen, sind fehlgeschlagen.“
,, Soll das heißen, wir können nichts tun als abwarten ?“ , fragte Aine.
,, Ich fürchte ja.“ , erklärte der Doktor.
Die Artheranerin sah einen Moment unschlüssig in die Runde. ,, In diesem Fall möchte ich sie bitten mir ein Shuttle zu leihen.“ , sagte sie schließlich.
,, Wofür?“ , wollte Ägir wissen.
,, Ich weiß vielleicht, wo ich uns noch etwas Unterstützung besorgen kann.“
,, Sie reden von den Artheranern. Sind die Nicht alle immer noch ziemlich sauer auf sie ?“ , fragte Martin.
Aine zuckte mit den Schultern. ,, Einen Versuch ist es wert. Und ich kann recht… überzeugend sein.“
,, Tun sie, was sie für richtig halten. Nur.. kommen sie wieder. Coel reißt mir den Kopf ab… würde er…“ Martin verstummte.
,, Hierherzukommen… mit einem Schiff der GTDF… das war wirklich dumm. Dachtest du wirklich, du kommst damit weit ?“ Aine war kurz nachdem sie den artheranischen Raum erreicht hatte von einer Flotte abgefangen worden.
Es gab mehrere Außenposten um das, nun von den Artheranern für sich beanspruchte, System. Nach der Flucht von Artherium hatten sich die wenigen tausend überlebenden hier niedergelassen in der Hoffnung auf einen Neuanfang.
Der Neuanfang war auch gekommen. Und mit ihm die Via und der Gedanke auf Rache. Ein Gedanke, der die Artheraner dazu getrieben hatte innerhalb weniger Jahre eine Flotte aufzustellen, die es durchaus mit dem menschlichen Imperium aufnehmen konnte.
Die Assailant war Teil dieser Flotte und kontrollierte jeden Neuankömmling im System.. Ein Schlachtschiff, das einen nicht unerheblichen Teil der artheranischen Flotte befehligte.
Und nachdem Aine nicht wirklich verheimlicht hatte, wer sie war, hatte der Kommandant sie auf die Brücke bringen lassen. Ein Mann namens Skelaw.
Wie sie erwartet hatte, war hier wirklich niemand begeistert sie zu sehen.
,, Ich habe mich aufgreifen lassen um euch um Hilfe zu bitten. Grade jetzt erwarten die Parlamentsflotten einen Angriff durch die Via.“ , erklärte Aine ruhig. Sie befand sich in einem Besprechungsraum wie es aussah. Vermutlich hatte das Schiff einfach keine Zellen.
Es war nicht ihr Problem.
Ein Glasfenster am anderen Ende des Saals erlaubte einen Blick hinaus auf die Sonne des Systems. Zwei Wachen blockierten die Tür in ihrem Rücken.
Skelaw hatte sich über einem Tisch mit holografischen Karten Gebeugt. Jetzt sah er auf.
Der artheranische Schiffskommandant lachte. ,, Ich nehme alles zurück. Du bist nicht dumm.. du bist wahnsinnig zu glauben, wir würden den Menschen helfen.“ Er nickte einem Wachposten zu. ,, Tötet sie.“
Aine reagierte blitzschnell. Mit einer fließenden Bewegung entriss sie dem Wachposten die Waffe und richtete diese auf den Kommandanten.
,, Bin ich das ? Wir können es ja herausfinden…“
Coels Kopf dröhnte, als er das Shuttle im Hangar landete. Als er sich über Funk gemeldet hatte, waren Ägir und auch die anderen offenbar ziemlich überrascht.
,,Wir dachten wir haben sie verloren.“ , war das erste, das er hörte, als er etwas schwankend aus dem Schiff stolperte. Sein Kopf schien einfach nicht stillstehen zu wollen.
Tja, das dachte ich auch.“ , antwortete Coel, als er das Kommandodeck erreichte.
,, Wie geht es ihnen ?“ ,wollte Martin wissen.
,, Kopfschmerzen… da ist einfach zu viel Zeug drin, verstehen sie ?“
,, Ich habe vielleicht eine Idee, was das angeht, aber zuerst die schlechte Nachricht.“ , meinte der Unity-Botschafter.
,, Die schlechte ?“
Zur Antwort schallte Watergates Stimme über die Funkanlage.
,, Das Portal ist aktiv und all unsere Bemühungen es zu zerstören sind bisher leider ergebnislosgeblieben. Außerdem…“ Die Stimme verstummte kurz. ,, Da passiert grade schon wieder was.“
,, Was ?“ , wollte Ägir wissen.
,, Massiver Energieanstieg an der Brücke.“ , meldete Hal, der sofort die Sichtbildschirme auf das Portal fokussierte. Die sich drehenden Segmente wurden langsamer. Wie ein Uhrwerk das ablief. Dafür brandete ihnen jetzt Licht aus einem Kugelförmigen Bereich mitten zwischen den Ringsegmenten entgegen.
,, Adams ? Was passiert da grade ?“ , wollte Coel wissen.
,, Ich fürchte fast, sie haben es vollständig aktiviert.“ , antwortete Seyonn für den Doktor, der nur sprachlos das Schauspiel beobachtete.
Coel rüttelte sie alle auf. ,, Okay. Nachricht rausgeben an alle Schiffe. Die Brücke ist aktiv und Einsatzbereit. Sie machen sich besser auf einen Kampf gefasst.“
Adams riss sich los. ,,Verstanden.“
Die Ringe standen mittlerweile wieder still. Dafür hatte die seltsam verzerrte Kugel im inneren dieser mittlerweile Gestalt angenommen. Es war ein wenig, als würde man durch eine Seifenblase oder etwas Ähnliches sehen, bloß, dass das keine Seifenblase war. Fremde Sterne schimmerten im inneren des Objekts.
Ein, zwei, drei, vier und weitere Schatten schienen sich aus dem Farbenspiel zu lösen und vor dem Ringkonstrukt zu manifestieren. Schiffe. Das Design erinnerte Coel definitiv an nichts, das er kannte.
Sie waren kleiner als das Weltenschiff ,wobei kleiner relativ war. Selbst im Vergleich zu Horus wirkten diese Schiffe noch immer gefährlich. Pfeilförmige Konstrukte, deren Kanten leicht nach oben gebogen schienen. Die Oberfläche bestand vollkommen aus Metall. Coel konnte keine Positionslichter oder Fenster erkennen. Das war aber nicht das einzige, das ihm auffiel.
,, Das sind nur acht Schiffe.“ , stellte er fest.
,, Das heißt bei denen nichts und das wissen sie.“ , erinnerte ihn Seyonn.
,, Ist vermutlich nur ihre erste Welle. Ein Spähtrupp, schätze ich.“
,, Dann sollten wir verhindern, das es zu einer zweiten kommt.“ , meinte Ägir.
,, Eines der neuen Schiffe sendet uns eine Nachricht.“ , meldete Hal.
,, Ein Nachricht ?“ , fragte Adams verwirrt. ,, Ich glaube nicht, das es hier viel zu verhandeln gibt.“
,, Spielen sie sie schon ab.“
Eine dunkle, mechanische Stimme erklang über die Lautsprecher. ,, Alles Unbeugsame, alles niedere wird zertreten. Ergebt euch hier und euer Leben kann geschont werden. Er öffnet ihr das Feuer werdet ihr nicht geschont.“
,, Klingt ja freundlich.“ ,stellte Martin fest.
Adams sah kurz zu den Schiffen und dann wieder auf die Konsolen der Kronos. ,, So wie es aussieht, machen die ihre Waffen klar.“
,, Dem sollten wir zuvor kommen.“ , erklärte Coel. ,,Alle Batterien, Ziel erfassen und Feuer eröffnen und….“
,, Sir da kommen noch mehr Schiffe.“ , meldete jemand.
Coel seufzte. Es konnte ja nur schlimmer werden.
,, Noch mehr Via ?“ , wollte Ägir wissen.
,, Ich fürchte da muss ich sie enttäuschen Ägir.“ , antwortete Aine über Funk. ,, Entschuldigt, das ich etwas spät komme. Es gab ein paar… Meinungsverschiedenheiten.“
,, Besser spät als nie.“ , erwiderte Coel. Die artheranischen Schiffe waren jetzt auch auf den Sichtschirmen der Kronos. Zwanzig oder mehr Stahlkolosse. Coel schöpfte wieder etwas Mut. Sie hatten eine Chance…
,, Sind sie das Coel ?“ , fragte Aine.
,, Ja ich bin immer noch hier, auch wenn mich das mittlerweile selbst wundert.“
,, Ich nehme ein Shuttle zur Kronos. Sie haben wieder das Kommando.“ , sagte die Artheranerin zu irgendjemanden.
,, Er warten sie etwa das ich…“ , protestierte eine fremde Stimme.
,, Wenn sie fliehen sind sie ein Feigling.“
Offenbar war die Angelegenheit damit erledigt.
Vom Kommandodeck der Horus aus beobachtete Watergate den Beginn der Schlacht.
Die Geschütze sämtlicher Schiffe nahmen die kleine Via-Flotte unter Beschuss. Mehrere dutzend Projektile rasten auf die ersten Schiffe zu…. Und prallten an den Schilden ab.
Watergate konnte das Inferno beobachten.
Ein Railgunprojektile nach dem anderen verglühte praktisch wirkungslos, bis die erste Salve verraucht war.
,, Status der Schiffe ?“ , wollte er wissen.
,, Sind immer noch da. Nur minimaler Schaden, wenn überhaupt.“
Watergate sah durch die verglaste Brücke in Richtung der Fremden Flotte.,, Verflucht.“
Ein Warnton sirrte los.
,, Was ist jetzt schon wieder ?“
,,Sir, ihre Waffen haben uns erfasst.“
Wie zur Bestätigung eröffneten nun die Via-Schiff ihrerseits das Feuer auf die menschliche Flotte.
Blaue Lichtbalken zusammen mit dutzenden von Geschossen lösten sich den grauen Metalloberflächen.
Mehrere Projektile trafen die Horus. Das gesamte Schiff erzitterte unter den Treffern, irgendwo schrie jemand. Ein Bildschirm implodierte, als einige Leiter überlastet wurden.
,, Schadensbericht und Flottenstatus“ , verlangte Watergate während er versuchte auf den Beinen zu bleiben.
,, Triebwerke ausgefallen, Schilde haben kaum Energie mehr, Steuerung reagiert nicht. Die Zeus meldet sich nicht mehr, die Shangdi hat schwere Schäden erlitten. Ein weiteres dutzend Schiffe ist Manövrierunfähig.“
,, Bringen sie die Triebwerke wieder online. Ausweichmanöver. Und Jäger startklar machen.“ , wies Watergate sie an.
,, Wozu ?“ , fragte ein Offizier mit weit aufgerissenen Augen, als ein ausgebranntes Wrack, wohl die Zeus, an dem Schlachtschiff vorbeisegelte.
,, Wir werfen jetzt alles in den Kampf was wir haben, oder haben sie eine bessere Idee ?“
Die Kronos hatte ebenfalls mit Problemen zu kämpfen.
,, Hülle mehrfach beschädigt , die Bereiche wurden abgeriegelt.“ , meldete Hal.
,, Sonst noch was ?“ , wollte Coel wissen. Er sah hektisch zwischen einer kleinen holografischen Karte mit der Position der Flotte und den Bildschirmen für die Außensicht hin und her. Ein Schiffssignal war ganz verschwunden und mehrere meldeten kritische Schäden.
,, Triebwerkehaben nur noch fünfzig Prozent Leistung . Wir sind halb manövrierunfähig.“ , antwortete die K.I.
,, Vergessen sie die Antriebe, Feuer frei mit allem was wir noch haben.“ , schlug Martin vor.
,, Das ist nicht mehr viel, ein Teil der Flotte wurde beim ersten Angriff bereits beschädigt oder zerstört.“ , gab Aine zu bedenken.
,, Der Tag wird mit jeder Sekunde besser.“ Coel rieb sich die Schläfen.
,, Alles in Ordnung mit ihnen ?“ , wollte die Artheranerin wissen.
,, Schätze schon. Ich wette, sie bereuen es jetzt wieder hier zu sein.“
Sie lachte. ,, Ich glaube nicht.“
Coel nickte lediglich. ,, Adams, irgendeine Idee ?“
,, Nun das wir so gegen ihre Schiffe keine Chance haben sollte klar sein.“
,, Ich meine die Brücke… Wir sollten zumindest verhindern das sie Verstärkung bekommen.“ , antwortete Coel.
,, Und wie ? Hören sie, wir haben es mit unseren eigenem Waffenfeuer aufgeladen und jetzt versorgt sich das Portal selbst mit Energie.“ , antwortete Seyonn.
,,Wenn wir etwas von dieser Seite hier durch schicken… es könnte es destabilisieren und so abschalten.“ , antwortete Coel.
,, Woher wissen sie das ?“ , fragte Adams.
,, Nur so ein dummes Gefühl. Eine… extrem dumme Idee.“ , erklärte er. Aber es war mehr als das. Es war das gleiche, als er mit Adams prototyp-Waffe gearbeitet hatte.
Martin sah ihn ungläubig an. ,, Also müssen wir da durchfliegen ?“
,, Ich sehe nicht, das wir Zeit für eine andere Option haben.“ , meinte Aine.
,, Ich weiß ich werde das bereuen.“ , sagte Ägir. ,, Alle festhalten.“
Die Kronos löste sich aus der Formation der übrigen Flotte und steuerte einen Kurs an, der direkt zu den nun still schwebenden Brückensegmenten führte.
Die Via-Schiffe ignorierten den einzelnen Ausreißer praktisch vollkommen. Sie hatten sich auf den Hauptteil der Flotte eingeschossen.
Jeder Geschützsalve folgte das verlöschen eines oder mehrerer Schiffssignale.
,, Verdammt ich habe ein ganz mieses Gefühl dabei.“ , meinte Martin.
Sie hatten die langsam vorrückende Via-Flotte jetzt im Rücken und vor ihnen… vor ihnen lag die Brücke. Das irisierende Zentrum des Wurmlochs schien sich ständig leicht zu verschieben. Sterne auf der anderen Seite überlappten sich mit denen , die hier zu sehen waren.
,, Okay… bringen wir es hinter uns ?“
,, Ich hoffe das Schiff hält das aus.“ , meinte Ägir.
,, Wir sind die ersten Menschen, die dumm genug sind sich durch eine völlig unbekannte Transportvorrichtung zu begeben… und ihre einzige Sorge ist das Schiff ?“ , wollte Martin wissen.
,, Wir sollten eigentlich durchkommen.“ , meinte Seyonn.
,, Ich dachte sie und die Unity haben keine spezifischen Erinnerung mehr an die Brücke gehabt ?“
,, Habe ich auch nicht, aber wir sind auch irgendwie durchgekommen.“
,, Also dann…“ , sagte Aine.
Coel nickte. ,, Also dann.“
Die Kronos wirkte vor den zwei Ringen fast winzig. Jedes einzelner der Segmente war bereits halb so groß wie das Schiff. Vorsichtig steuerte Ägir das Schiff in einen graden Anflugkorridor. Dann zündeten die Triebwerke und lenkten sie in das aktive Zentrum.
Im nächsten Moment schien alles um das Schiff herum zu verschwimmen. Coel wurde von den Füßen geschleudert, während die Kronos in den Mahlstrom gezogen wurde und verschwand.
Ein Alarm heulte auf, als die Triebwerke überlastet wurden. Im nächsten Moment war bereits alles vorbei.
Die Kronos stürzte unsanft zurück in die Existenz, Mehrere elektrische System brannten einfach durch, während das Schiff führungslos in die Leere driftete.
Aber so leer war es gar nicht.
Ein Stern lag nur wenige tausend Kilometer vor ihnen. Ein roter Gigant, aus dem sich Sonnenfackeln lösten, die fast bis an die Kronos heranreichten. Ein sterbendes Feuer, das sich gegen den Tod stemmte.
In einiger Entfernung lagen verbrannte, öde Welten, die sich um den toten Stern drängten.
In der Ferne schimmerten schwache, ausbrennende Sterne. Kaum mit dem bloßen Auge sichtbar. Und dazwischen, Dunkelheit, nur Dunkelheit und leere. Diese ganze Galaxie lag im Sterben.
Und Schiffe… Coel zählte nicht, wie viele es waren. Hunderte, tausende ? Und immer mehr strömten durch das offene Portal hindurch. Ein dutzend mussten schon durchgekommen sein . Vielleicht ein paar mehr. Coel wusste es nicht.
Hinter ihnen lag das Portal, hier ohne Ring-Brücke. Als hätte jemand ein Stück aus der Realität geschnitten und es mit einem anderen Vertauscht.
Jedoch hatte sich etwas verändert. Energieblitze lösten sich aus dem schillernden Mahlstrom. Ein Via. Schiff, das damit in Kontakt kam, wurde zerfetzt. Ein weiteres schwer beschädigt.
,, Es funktioniert.“ , stellte Adams erleichtert fest.
,, Ja, das sehe ich.“ , meinte Aine.
,, Und deshalb sollten wir uns beeilen da wieder durch zu kommen.“ , erklärte Coel. ,, Zurück, sofort. Ich will nicht ewig hier bleiben.“
Ägir zögerte nicht lange. Er wendete das Schiff sofort und nutze, was die Triebwerke noch hergaben. Ohne Rücksicht stürzte die Kronos zurück in das Portal. Ein Blitz löste sich aus dem Mahlstrom und traf das Schiff, kurz bevor es verschwand.
Derweil setzten die Via-Schiffe, die es durch die Brücke geschafft hatten ihren Angriff weiter fort.
Die Horus war erneut getroffen worden. Diesmal jedoch hatten die Schilde der Attacke nichts mehr entgegenzusetzen gehabt. Das halbe Kommandodeck lag in Trümmern. Aus einer Konsole schlugen Flammen. Irgendwie faszinierend, dachte Watergate. Es gab nichts ehr, das er tun konnte… mehr als drei Viertel der Flotte waren Wracks.
,, Sir , Befehle ?“ , fragte jemand.
Er sah sich langsam auf der Brücke um. Es hatte keinen Sinn mehr.
,, Das Schiff aufgeben.“ , befahl Watergate mit monotoner Stimme. Eine Annäherungswarnung ertönte . Offenbar wurden sie erneut unter Feuer genommen.
,, Das Schiff…“ , setzte ein Offizier an.
,, Ist nicht mehr zu retten. Befehl an alle, sofortige Evakuierung.“
,, Ja.. und.. sie ?“
,, Ich bleibe und bringe die Horus auf eine ballistische Anflugbahn zu den Via-Schiffen. Vielleicht bringt wenigstens das etwas.“
Der Mann salutierte kurz. ,, Viel Glück.“ Und verschwand den Gang hinab.
,, Ihnen auch.“ Watergate setzte sich an eine der wenigen noch funktionierenden Steuerkonsolen. Er müsste das Schiff nur auf den richtigen Kurs bringen… ein kleiner Schubs und..
Wieder die Annäherungswarnung . Er ignorierte sie . ,,Nur einen Moment…“
Wenig später wurde die Horus getroffen und der ehemalige Stolz der Parlamentsflotte ging in einem Feuerball unter.
Brennende durchs All treibende Wracks.Ersterbende Flammen, wo sich der austretende Sauerstoff endgültig verflüchtigte.
Und mittendrin einige pfeilförmige Schiffe, die zusammen mit einem großen Objekt, dem Weltenschiff, einen Kurs aus dem System heraus ansteuerten. Im nächsten Moment verschwanden sie, als ihre Nova-Generatoren sie zu einem unbekannten Ziel trugen.
Zurück blieb Stille. Und eine sich langsam drehende Ringkonstruktion, in deren inneren eine Kugel zu erkennen war, die kleiner wurde und verlosch.
Zwischen all den zerstörten Schiffen trieb eines, das noch Leben beherbergte. Die Hülle war stellenweise aufgeschlitzt worden und Flammen schlugen an Sauerstoff-Lecks ins All. Feuer bei Schwerelosigkeit war etwas Wunderschönes und Schreckliches zugleich.
Auf einem vorbeitreibendem Wrackteil war ein Schriftzug zu erkennen. Kronos.
Rafail Coel schlug die Augen auf.
DoktorSeltsam Re: Re: Re: Re: Sag einmal, Eagle, - Zitat: (Original von EagleWriter am 08.02.2013 - 19:23 Uhr) Zitat: (Original von DoktorSeltsam am 08.02.2013 - 19:09 Uhr) Zitat: (Original von EagleWriter am 08.02.2013 - 19:05 Uhr) Zitat: (Original von DoktorSeltsam am 08.02.2013 - 19:01 Uhr) hast Du schon mal mit dem Gedanken gespielt, am Story Battle No. 21 teilzunehmen? Franz Kafka, "Die Verwandlung". Nur der erste Satz wird verwendet - der Rest bleibt der eigenen, abgründigen Fantasie überlassen... Ich hab so das Gefühl, das könnte Dir liegen... Beste Grüße Doc Étrange Ich Habe überlegt mitzumachen, habe aber momentan leider wenig Zeit, da das Abitur vor der Tür steht. Aber ich denke sobald das durch ist, werde ich wohl auch wieder bei den Storybattles mitmachen. lg E:W Da hab ich natürlich vollstes Verständnis! Drücke Dir beide Daumen. Liebe Grüße Dok Und jetzt habe ich doch angefangen was zu schreiben.^^ Noch nix verbindliches, aber ich Versuchs mal. Bis wann läuft das Battle denn noch ? Bis zum 18.02, also noch jede Menge Zeit. Mach dir keinen Stress... Dok |
EagleWriter Re: Re: Re: Sag einmal, Eagle, - Zitat: (Original von DoktorSeltsam am 08.02.2013 - 19:09 Uhr) Zitat: (Original von EagleWriter am 08.02.2013 - 19:05 Uhr) Zitat: (Original von DoktorSeltsam am 08.02.2013 - 19:01 Uhr) hast Du schon mal mit dem Gedanken gespielt, am Story Battle No. 21 teilzunehmen? Franz Kafka, "Die Verwandlung". Nur der erste Satz wird verwendet - der Rest bleibt der eigenen, abgründigen Fantasie überlassen... Ich hab so das Gefühl, das könnte Dir liegen... Beste Grüße Doc Étrange Ich Habe überlegt mitzumachen, habe aber momentan leider wenig Zeit, da das Abitur vor der Tür steht. Aber ich denke sobald das durch ist, werde ich wohl auch wieder bei den Storybattles mitmachen. lg E:W Da hab ich natürlich vollstes Verständnis! Drücke Dir beide Daumen. Liebe Grüße Dok Und jetzt habe ich doch angefangen was zu schreiben.^^ Noch nix verbindliches, aber ich Versuchs mal. Bis wann läuft das Battle denn noch ? |
DoktorSeltsam Re: Re: Sag einmal, Eagle, - Zitat: (Original von EagleWriter am 08.02.2013 - 19:05 Uhr) Zitat: (Original von DoktorSeltsam am 08.02.2013 - 19:01 Uhr) hast Du schon mal mit dem Gedanken gespielt, am Story Battle No. 21 teilzunehmen? Franz Kafka, "Die Verwandlung". Nur der erste Satz wird verwendet - der Rest bleibt der eigenen, abgründigen Fantasie überlassen... Ich hab so das Gefühl, das könnte Dir liegen... Beste Grüße Doc Étrange Ich Habe überlegt mitzumachen, habe aber momentan leider wenig Zeit, da das Abitur vor der Tür steht. Aber ich denke sobald das durch ist, werde ich wohl auch wieder bei den Storybattles mitmachen. lg E:W Da hab ich natürlich vollstes Verständnis! Drücke Dir beide Daumen. Liebe Grüße Dok |
EagleWriter Re: Sag einmal, Eagle, - Zitat: (Original von DoktorSeltsam am 08.02.2013 - 19:01 Uhr) hast Du schon mal mit dem Gedanken gespielt, am Story Battle No. 21 teilzunehmen? Franz Kafka, "Die Verwandlung". Nur der erste Satz wird verwendet - der Rest bleibt der eigenen, abgründigen Fantasie überlassen... Ich hab so das Gefühl, das könnte Dir liegen... Beste Grüße Doc Étrange Ich Habe überlegt mitzumachen, habe aber momentan leider wenig Zeit, da das Abitur vor der Tür steht. Aber ich denke sobald das durch ist, werde ich wohl auch wieder bei den Storybattles mitmachen. lg E:W |
DoktorSeltsam Sag einmal, Eagle, - hast Du schon mal mit dem Gedanken gespielt, am Story Battle No. 21 teilzunehmen? Franz Kafka, "Die Verwandlung". Nur der erste Satz wird verwendet - der Rest bleibt der eigenen, abgründigen Fantasie überlassen... Ich hab so das Gefühl, das könnte Dir liegen... Beste Grüße Doc Étrange |
EagleWriter Re: Top - Zitat: (Original von LostAngel am 23.10.2012 - 18:53 Uhr) Wenn man einmal angefangen hat zu lesen kann ich nicht mehr aufhören.^^ Einfach spannent wie du schreibst. Freu mich schon auf das nächste Buch was du raus bringst Lg Angel Vielen dank lg E:W |