Einleitung
Rotes Haar,
von Kraft durchleuchtet,
spricht von Tod und Krieg.
Eine Frau
zum Kampf bereit,
weiß um ihren Sieg.
Goldene Aura
sie umgibt,
um das Unheil zu blenden.
Werwölfe
im Nachtschauerlied,
beginnen zu verende
Erinnerungen
Geständnisse
Eine Hochzeitseinladung flatterte ins Haus. Meine beste Freundin Tabea heiratete ihre Jugendliebe, Frederik. Eine Überraschung war die Einladung nicht, nur eine Formsache.
Ihre Liebe feierten die beiden groß, sogar die Verlobungsfeier war eine halbe Hochzeit, nur ohne Brautkleid.
Seit dem ersten Kindergartentag, waren wir unzertrennlich und das war auch an diesem Tag so.
Ich hörte wie ihre Mutter, im Scherz, flüsterte:
"Wenn ich nicht mit deinem Vater verheiratet wäre, hättest du jetzt eine große Konkurrentin." Sie gab Tabea einen liebevollen Kuss auf die Wange und sagte: "Herzlichen Glückwunsch, eine bessere Wahl hättest du nicht treffen können."
Schmunzelnd betrachtete ich wie meine so hübsche Freundin rot wurde. Klar, so ein Geständnis der eigenen Mutter würde jeden umhauen, für Tabea war es das größte Kompliment, das man machen konnte. Ich glaube, wenn die zwei sich nicht so gut verstanden hätten, wäre Tabea ihrer Mutter ins Gesicht gesprungen und hätte ihr die Augen ausgekratzt.
"Alte Schachtel", murmelte jemand neben mir.
Tabea war es nicht, es kam aus einer anderen Richtung. Ihre Cousine gesellte sich zu uns und hatte jedes Wort gehört. Entrüstet sahen wir sie an, jeder wusste, dass sie ein Auge auf Frederik geworfen hatte. Selbst an seiner Verlobung versuchte sie mit ihm zu flirten, es kam bei ihm nicht so an wie sie es sich vorstellte. Mühelos ließ er sie abblitzen und widmete seine volle Aufmerksamkeit Tabea. Das machte ihre Cousine so wütend, dass sie versuchte schlechte Laune zu verbreiten. Als sie merkte, dass es nichts brachte, stolzierte sie von der Feier.
Der Hochzeitstermin rückt näher und meine kleine Freundin kam mir auf einmal Erwachsen vor. Die Vorbereitungen schienen ihr leicht von der Hand zu gehen und sie kaum zu stressen. Wenn sie nicht weiter wusste, fragte sie nach meiner Meinung oder nach der ihrer Mutter. Tabea wollte eine wunderschöne Hochzeit.
Vor dem großen Tag musste ich versprechen, dass ich die letzte Nacht bei ihr bleiben würde. Die Nervosität machte sich bemerkbar und sie wollte nicht unbedingt alleine sein.
Am Morgen fühlte sie sich nicht besser, im Gegenteil, es war noch schlimmer.
Kicherte, machte sich über mögliche Pannen sorgen, lief im Zimmer hin und her.
"Sie wird ausflippen. Sie wird ausflippen", murmelte sie.
Wen sie meinte wusste ich nicht, aber es war unmöglich sie so zurechtzumachen.
"So! Das reicht jetzt!" Wie wir alle, war auch ihre Mutter genervt. "Nimm das hier."
In ihrer Handfläche lagen zwei Kapseln, die sie der Braut reichte.
"Was ist das?", wollte sie wissen.
"Du drehst völlig am Rad, es wird dich beruhigen", beschwichtigte ihre Mutter sie.
"Na gut", seufzend nahm Tabea die Tabletten/Pillen/Kapseln.
Bis zur Übergabe der Braut am Altar, wurde Tabea ruhiger und vernünftiger.
Die Feier war gelungen, Tabea strahlte und die Gäste amüsierten sich. Mir blieb kaum Zeit zum Erholen, denn ich hatte versprochen, dass ich mich um die Spiele kümmern würde: organisieren und auch ausführen.
In einer kleinen Kammer suchte ich die Utensilien. Ich stand mit dem Rücken zur Tür und erschrak, als sich jemand hinter mir räusperte. Wirbelnd drehte ich mich um und sah in ein paar grün-graue Augen. Mir blieb der Mund offen, denn sie waren mir bekannt, doch ich konnte mich nicht erinnern.
"Kati, wo bleibst du denn?", fragte er frech grinsend.
Verzweifelt überlegte ich, woher ich ihn kannte, denn auch seine Stimme kam mir bekannt vor.
"Bin gleich soweit", stammelte ich.
Schnell sammelte ich die Gegenstände ein und drängte mich an ihm vorbei.
In der großen Halle bat ich um die Aufmerksamkeit der Gäste und forderte ein Pärchen, außer das Brautpaar, zum Spiel auf. Innerlich erschrak ich erneut, als der Mann aus der Kammer, sich meldete. Doch er hatte keine Partnerin. Also riss ich mich zusammen und forderte eine Frau auf um beginnen zu können.
Unerwartet meldete sich Tabeas Cousine. Sie schmollte immer noch, weil Frederick Tabea heiratete und nicht auf ihre Avancen einging. Zu meinem Erstaunen, benahm sie sich auf der Hochzeitsfeier.
Kurz erklärte ich die Regeln und gab mein bestes mich auf das Geschehen zu konzentrieren. Einfach war das nicht, denn meine Gedanken drifteten immer wieder ab. Ich beobachtete den Mann, aber erinnern konnte ich mich dennoch nicht. Ich war am Rande der Verzweiflung, bis ich hörte was er zu Tabes Cousine sagte: "Danke liebe Cousine."
Da ging mir ein Licht auf.
Gregor! Tabeas Halbbruder!
Der Schock ließ meinen Atem stocken.
In meiner Erinnerung wurde ich zehn Jahre zurück geschleudert.
Mit zehn fing ich an für ihn zu schwärmen, damals war er sechzehn. Als er fort ging, war ich traurig. Kurz nach seiner Abreise, verriet mir Tabea, dass er sich ständig mit seiner Stiefmutter gestritten hatte.
Nach der Scheidung wurde das Erziehungsrecht dem Vater zugesprochen, da war Gregor drei Jahre alt.
Einige Monate danach lernte er Tabeas Mutter kennen. Er fühlte, dass sie die Richtige war. Sie heirateten ein Jahr darauf und weitere zwei Jahre später wurde Tabea geboren.
Die Traurigkeit weilte nicht lange und ich vergaß die grün-grauen Augen und das schiefe Grinsen, verschwendete keinen einzigen Gedanken an Gregor.
Der Schock verblasste und ich konnte wieder atmen, doch in der Halle wurde es mir zu stickig. Draußen an der frischen Luft atmete ich mehrmals ein und aus. Meine Glieder zitterten vor Aufregung und meine Magen rebellierte.
Im Garten, vor dem Gebäude, sah ich eine Holzbank die neben einem Baum stand.
Seufzend nahm ich platz und rieb meine Hände, die vor Schweiß trieften.
Warum bin ich so nervös, fragte ich mich. Ich kenne ihn nicht! Ich habe ihn zehn Jahre lang nicht gesehen.
Das Mädchen von damals rührte sich und ich musste mir selbst gestehen, dass ich ihn nie vergessen hatte, nur verdrängt. Damals war alles soviel einfacher. Langsam lehnte ich mich zurück und schloss die Augen, die Stimmen(?) hinter mir ignorierte ich.
Leises Rascheln eines Stoffes zwang mich die Augen zu öffnen. Es war Tabea. Sie verließ ihre Feier um nach mir zu sehen. Natürlich wusste sie warum ich gegangen war.
"Tut mir Leid, ich habe es ihm versprechen müssen dir nichts zu sagen", gestand sie quälend.
Ungläubig sah ich sie an. "Ich weiß nicht was du meinst."
"Gregor", sie verdrehte die Augen und lächelte.
Bei seinem Namen wurde mir schwindelig. Mein Herz pochte, der Magen zog sich zu einem nervösen Klumpen und mein Atem stockte erneut. Ich erstarrte zu einer Statue.
"Ich ... verstehe immer noch nicht", stammelte ich.
Tabea wusste was in mir vorging, nicht selten hatte ich ihr von ihrem Bruder vorgeschwärmt. Am Tag ihrer Hochzeit machte sie sich Sorgen um mich, jetzt verstand ich ihr Gemurmel vom Vormittag.
Sie lächelte und sagte, "Es ist nicht meine Aufgabe es dir zu erklären, denn das hat er mir versprechen müssen, aber eines kann ich dir versichern, DU warst ihm nie egal."
Tabea verwirrte mich noch mehr. Was sollte er mir erklären? Und was meinte sie damit, ich wäre ihm nie egal gewesen?
"Er wartet am Eingang. Willst du mit ihm reden?"
Mit ihm reden? Aus meiner Zeit der Pubertät habe ich erfahren dürfen, das solche Typen wie Gregor keinen Wert auf solche wie mich legten. Warum sollte er dann mit mir reden wollen?
"Ich glaube nicht, dass ich das möchte", quetschte ich mühselig raus.
"Na gut", kurz schnaufte sie. "Ich werde es ihm sagen."
Lächelnd stand sie auf und ging wieder zurück. Ihr Kleid hatte Flecken bekommen, von der Holzbank.
"Tabi", rief ich ihr nach.
"Ja?."
"Du solltest jemanden mit in den Waschraum nehmen, dein Kleid ..." Ich zeigte mit dem Finger auf den Fleck.
"Gut", sie grinste. "Dann hilf mir."
"Nein, ich werde es nur noch schlimmer machen. Meine Mutter versteht mehr von solchen Flecken."
Bei dem Gedanken musste ich schmunzeln, nicht wenige Flecken hatte meine Mutter aus meiner Kleidung waschen müssen.
"Kommst du dann wieder zurück?", fragte sie traurig.
"Vielleicht", sicher war ich mir nicht, ob ich Gregor sofort wieder sehen wollte.
Kaum war sie weg, schloss ich erneut meine Augen und versuchte mich wieder zu fangen. Es dauerte nicht sehr lange und ich hatte wieder Gesellschaft. Ich spürte förmlich wie mich jemand ansah und versuchte dem Drang zu widerstehen, meine Augen zu Öffnen, doch es war vergebens.
Verlegen stand er vor mir und lächelte. Kein freches Grinsen, keine Selbstsicherheit war zu sehen.
"Du versaust ihr das Fest, wenn du gehst."
"Ja", zum Sprechen war ich nicht in der Lage. Nicht in seiner Gegenwart.
"Es tut mir Leid", Gregor verzog sein Gesicht, als hätte er Schmerzen.
"Was?"
"Ja, du hast recht", ein Lächeln huschte über sein Gesicht. "Ich muss wirklich alles erklären."
Mir lag es schon auf der Zunge: Dann fange an. Verkniff es mir. Ich war mir sicher, es würde nicht das raus kommen, was ich gedacht hatte, also wartete ich.
Gregor sah nicht so aus, als ob er anfangen würde etwas zu erklären. Fieberhaft suchte er nach Worten. Rieb immer wieder seine Hände aneinander und am Hosenbein.
Der Anblick war mir so fremd, keinem Mann verschlug jemals die Sprache in meiner Gegenwart.
Wie ein Donner fiel es über mich ein, und ich fing an zu lachen.
Warum lachte ich?
Bis vor ein paar Minuten war mir zum Heulen zumute. Die Augen tränten, die Lungen schmerzten, aber ich konnte nicht aufhören.
"Bist du jetzt fertig?", fragte er amüsiert.
"Ja", und fing von neuem an zu glucksen. "Nein." Ich konnte nur hoffen, dass er es richtig verstand, ich war mit Lachen doch nicht fertig, trotz Schmerzen konnte ich nicht aufhören.
Das Lachen wurde zu einem Schluchzen. Ich wollte nicht, dass er es sieht und bedeckte mein Gesicht mit beiden Händen.
Sanft zog er mich an sich.
"Nicht weinen", flüsterte er.
"Warum ...", ich konnte nicht zu Ende fragen.
Ich hatte viele Fragen! Mit welcher hätte ich anfangen sollen?
Warum bist du wieder da? Seine Schwester feierte Hochzeit!
Warum bist du gegangen? Tabi hatte es mir schon erzählt!
Warum ich ihm wichtig war? Wollt ich das wissen? Ja, wollte ich! Sehr sogar! Aber sollte ich ihn das fragen?
Das Weinen wurde zu einem Schluchzen, aber meine Hände wollte ich nicht senken.
Ich sah fürchterlich verheult aus und das wollte ich ihm nicht zeigen.
"Wie soll ich dir das erklären?", fragte er sich. "Ich musste gehen um uns nicht zu gefährden. Um uns eine Chance geben zu können."
Uns gefährden? Wer ist "uns"? Für wen eine Chance? Für ihn und mich? Aber was meinte er dann mit "gefährden"? Noch mehr Fragen, aber keine Antworten, keine Erklärungen.
Langsam ließ ich mein Hände sinken. Starrte vor mich hin.
"Du und Tabi, ihr versteht es gut mir heute nur Fragen zu hinterlassen. Ihr erzählt viel, aber erklärt nichts!"
Gregor seufzte.
"Es ist nicht einfach für mich die Gräueltaten meiner männlichen Familienmitglieder zu erzählen. Die waren der wirkliche Grund warum ich gegangen bin. Das weiß nicht mal Tabi. Sie denkt immer noch, es war wegen Streitigkeiten mit ihrer Mutter. Dabei war sie mir mehr Mutter als meine eigene", er schnaufte und erzählte leise weiter. "Ich war dreizehn, als mein Vater mich zur Seite nahm und meinte Gisela habe Veränderungen an mir festgestellt, was dich anging. Da erzählte er mir, was ihm meine Mutter erzählt hatte, noch bevor ich geboren war", eine kurze Pause, es fiel ihm schwer darüber zu reden. "Er meinte, die Männer ihrer Familie seien Schänder kleiner Kinder gewesen. Als Gisela meine Veränderung zu dir feststellte, drängte sie meinen Vater mich darüber in Kenntnis zu setzen. Du warst damals sieben und ich kam in die Pubertät. Ich habe sie beide angeschrien, habe beide Lügner genannt, habe alles verleugnet, was dich anging. Damals war es mir selber nicht klar, dass du die bist die ich in mein Herz schließen würde. Doch mit der Zeit wurde es stärker. Ich fühlte mich sehr zu dir hingezogen, wollte aber Vater und Gisela nicht Recht geben, belog mich selbst, also stritt ich mich öfters mit Gisela. Doch es war unerträglich, ich habe versucht dir fern zu bleiben, es war sehr schwer für mich, du bist mit meiner kleinen Schwester befreundet und mit fünfzehn verlangte ich zu meiner leiblichen Mutter zu ziehen. Ich hatte Panik bekommen, denn ich verstand, was mein Vater mir mit dreizehn zu erklären versuchte. Ich hatte Angst, dass es vererbbar ist. Mit sechzehn hab ich es endlich geschafft von dir weg zu können. Meine Mutter willigte ein, dass ich zu ihr darf. Wenn ich geblieben wäre, wäre ich genau so ein Monster geworden. Ein Pädophiler. Ich hatte Angst, dass ich nicht die Finger von dir lassen könnte. Mein Gott du warst noch ein Kind!"
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LG Natalie