Bauer sucht Frau
Zum einen musste man sehen, dass man sich eine gewisse Wertigkeit in seinem sozialen Umfeld erarbeitete, zu anderen stellte das Leben einem in jeder unübersichtlichen Ecke Fallen.
Kleine böse Fallen, die man zwar kannte, in die man aber immer wieder hineintappte.
Evy war so eine Falle. Sie durchkreuzte mein Leben an jeder Stelle, an der ich Entscheidungen zu treffen hatte.
Wir hatte es zigmal miteinander versucht, hatten uns geliebt, gestritten und gehasst.
Aber irgendwie zogen wir uns an, wie zwei Magnete mit gleicher Polung. Kurz bevor sie sich aneinander legten, stießen sie sich wieder ab.
Wir wussten, dass wir eine gewisse Neigung füreinander hatten und versuchten das Beste daraus zu machen.
Wobei die Definition von “Das Beste” sehr verschieden war.
Für mich hatte es immer gereicht, sie ab und zu in meiner Nähe zu haben, mit ihr um die Häuser zu ziehen und gute Nächte zu verbringen.
Evy sah das anders. Sie sprach oft von Entscheidungen und Zielen.
An einem Abend, wir saßen gerade gemütlich vorm Fernseher und sahen uns “Casablanca” an, fragte sie mich, ob ich mir vorstellen könnte eine richtige Beziehung mit ihr zu führen.
Ich wusste nicht was ich darauf antworten sollte, aber ich nahm sie in den Arm, drückte sie an mich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
Manchmal machte man halt Fehler. Ich war ein Genie in solchen Sachen.
Am nächsten Tag stand sie mit einer großen Reisetasche vor meiner Türe.
“Nur mal so zum Versuch. Erst mal ein paar Tage, dann schauen wir, ob es Sinn macht.”
Ich musste schlucken, ließ mir aber nichts anmerken. Was sollte daran Sinn machen? Ich sah abends gerne Sportsendungen oder saß vor meinem Rechner, um was zu zocken. Ich ging schlafen wann ich wollte und aß das, was da war. Auf den ersten Blick konnte ich nicht erkennen, welche Verbesserung meines Lebens eintreten könnte, durch eine Frau, die sich in meine unstrukturierten Abläufe einbringt.
Gut, ich bräuchte Nachts nicht mehr auf die Straße, um auf Beutefang zu gehen, aber vielleicht war die Suche nach Liebe und Lust ein Teil von mir.
“Schön.”, sagte ich und nahm ihr die Tasche ab.
Wir gingen ins Wohnzimmer und setzen uns auf die Couch.
“Weißt du”, sagte sie, “ich habe immer gehofft, dass wir mal eine Chance bekommen. Wir verbringen so viel Zeit miteinander und verstehen uns gut, Irgendwann muss man die Schritte machen, die einem das Schicksal auferlegt.”
Sie lachte. Und ihr Lachen hörte sich an, wie eine Drohung. Eine Hyäne, die um das verendende Tier schleicht. Der Problem war nur, dass ich mich gesund fühlte.
“Wie lange bleibst du?”
“So lange du willst.”
Ich hätte sagen können, dass ich das gar nicht will, aber die Situation war mir längst aus der Kontrolle geraten. Ich war irgendwie nur noch Statist.
Sie ging ins Schlafzimmer und packte ihre Tasche aus. Ich war erstaunt wie viele Klamotten in eine Reisetasche passten. Und bei jedem neuen Teil, dass sie herauszog rechnete ich hoch wie viele Tage das bedeuten könnte. Es waren viele Teile.
Ich fand mich damit ab, dass es in den nächsten Tagen etwas anders werden würde und setze mich wieder aufs Sofa.
Ich schaltete den Fernseher ein.
“Bauer sucht Frau.”
Manfred aus Emden hat Tatjana aus Ludwigsburg zu Besuch.
Manfred hat sich in Tatjana verliebt und versucht sie zu überzeugen, dass sie auf seinem Hof bleibt.
Beide stehen sich gegenüber.
Manfred in grüner Latzhose und Gummistiefeln, Tatjana in Kostüm, schick manikürten Fingernägeln und Pumps.
Manfred weint und erklärt ihr seine Liebe.
Kühe laufen durchs Bild.
Dann sagt sie nein. Manfred zittert und schaut verzweifelt.
Tatjana schaut ihn an und versucht ihn zu trösten:
“Lass uns Freunde bleiben und uns regelmäßig besuchen. Ich habe dich sehr zu schätzen gelernt.”
Manfred nickt.
Dann umarmen sich beide.
Manfred umarmt Tatjana voller Freundschaft
Tatjana umarmt Manfred voller Erleichterung.
Ich hätte meinen Arsch darauf verwetten können, dass diese Frau nie wieder auch nur in die Nähe des Bauernhofes kommen würde.
Ich ging ins Schlafzimmer zurück.
“Evy, sei nicht sauer, aber pack deine Sachen wieder ein. Das wird nix.”
Sie sah mich enttäuscht und fragend an.
“Wieso kommst du darauf?”
“Ich habe gerade im Wohnzimmer so was, wie eine Vision gehabt. Lass uns lieber Freunde bleiben und uns regelmäßig sehen.”
Dann umarmte ich sie noch einmal.
Und ich schwöre bei Gott, ich konnte fühlen, was Tatjana durch den Kopf ging, als sie Manfred umarmte.
Wäre noch eine Kuh durchs Zimmer gelaufen, es hätte mich nicht gewundert.
Alles war gut.
