Die Via wurden zurückgeworfen. Doch es scheint, als würden die Schwierigkeiten damit erst anfangen. Unruhen und Proteste erschüttern die Erde. Die Verhandlungen zwischen Menschen und Artheranern verlaufen ins Chaos... Und als wäre das nicht genug beginnt für den grade erst genesenen Rafail Coel ein Wettlauf mit der Zeit, dessen Ziel er nicht kennt, bis es fast zu spät ist. Bild : A Blue color design/ Fotolia.com
Alles hatte mit einer unguten Vorahnung angefangen. Einer Suche, bei der er nicht wusste, was er finden würde.
Seyonn sah über die gewaltige fast leere Ebene unter ihm. Eine Ausgrabungsstätte.
Das Metallsegment, von dem der Direktor gesprochen hatte war riesig. Mindestens fünfhundert Meter lang und ein dutzend Meter hoch. Die Oberfläche wies zahlreiche Kerben und symmetrische Höcker auf, fast wie die Zähne eines Zahnrads.
Wusste sonst wer, wie die Minenarbeiter das bewegt hatten.
Kurz fragte er sich, wie viele Jahrtausende es schon dort unten lag…. Letztlich war es gleich. Was zählte war die Frage danach, was es war.
Unter dem Metall verborgen sich mehrere aus dem Sand ragende Kristallsäulen. Zwei Meter hohe Pfeiler ,die den Eingang zu einem dunklen Schacht umstanden.
,, Wie seit ihr rechtzeitig aus der Stadt gekommen ?“
Seyonn drehte sich zu der Stimme um, die ohne Vorwarnung neben ihm erklang.
Eine dunkelhaarige Gestalt mit alterslosen Gesichtszügen stand neben ihm auf dem Kamm der Schutthalde und spähte hinab in die Grube.
,, Mit Geschick, Asmodeus .“ , erwiderte Seyonn.
,, Es ist faszinierend nicht ?“ , fragte der Via, während er eine Hand nach dem Metall-Segment ausstreckte. ,, Wie es all die Jahrhunderte überstehen konnte… Schlafend, Wartend… Seiner Bestimmung harrend“
,, Wir alle sollten mittlerweile wissen, dass es so etwas wie Bestimmung oder Schicksal nicht gibt. Es gibt Pfade, auf denen sich alles bewegt, aber sie alle sind variablen, keine Konstanten. Das Universum hat keine Konstante.“
,, Aber Pfade. Und wir werden die Galaxie auf den Geordneten führen oder die Galaxie wird daran zerbrechen. Menschen sind das absolute Gegenteil eines geordneten Pfades.“
,, Aber ich habe Hoffnung für sie gesehen Asmodeus.“ , erwiderte Seyonn ruhig.
,, Hoffnung… oder Selbsttäuschung ? Ihr habt uns in der Dunkelheit einer sterbenden Galaxie zurück gelassen. Lies das Raum für Hoffnung?“
,, ihr habt uns keine Wahl gelassen. Die Frage kannte nur zwei antworten, die nicht miteinander existieren konnten. Ihr musstet gehen… oder sterben. Wie hätten wir ahnen können, dass uns ein Schiff entgangen ist? “
,, Heute endet dieses Exil endgültig Seyonn.“ , erwiderte Asmodeus. ,, Heute bricht euer Gefängnis.“
Er strich mit der Hand an dem Metallsegment entlang, das nun kaum wahrnehmbar zu vibrieren schien. Risse in der Oberfläche schlossen sich innerhalb von Sekunden, Rost und Staub von Jahrtausenden lösten sich auf.
Seyonn trat einige Schritte zurück.
Langsam, unmerkbar langsam, löste sich das Metall aus dem Sand, schwebte einen Moment darüber… und dann immer höher, mit rasender Geschwindigkeit in Richtung des Planetenorbits.
,, Es geht euch gar nicht um das Archiv.“ ,stellte Seyonn fest, während der Boden nicht aufhören wollte zu zittern. In einigen hundert Metern Entfernung brach der Sand nun ebenfalls auf, während ein weiteres Fragment ans Licht stieg. Und in der Ferne konnte er ebenfalls erkennen, wie sich der Sand hob. ,, Es geht euch um die Brücke.“
,, Das Archiv Seyonn hat Zeit die Rückkehr unserer Brüder hierher… nicht.“
,, Wie viele sind noch auf der anderen Seite ?“ , fragte er.
,, Genug. Das wissen wir.“
,, Das wird sich noch zeigen Asmodeus . Was habt ihr mit mir vor?“
,, Nicht alle von uns Hegen einen Groll gegen die Unity. Zumindest ich nicht. Ihr könnt nichts verhindern. Bleibt hier und seht meinetwegen zu.“
,, Und eure Aktionen auf der Erde ?“ , wollte Seyonn wissen.
,, Das werdet ihr noch sehen. Es scheint jedoch als hätte dieser Mensch, Coel, auf den ihr so viel haltet, mal wieder Probleme gemacht. Aber… das wird sich bald erledigt haben. Es bedeutet nur eine kleine Verzögerung. Selbst wenn unsere Pläne auf der Erde völlig fehlschlagen, so bedeutet das doch nur, das sie ihre Zurückführung auf einen geordneten Pfad etwas hinauszögern.“
,, Unterschätzt ihn nicht. Den Fehler habt ihr schon einmal gemacht.“
,, Unterschätzt ? Es wundert mich, dass er überlebt hat. Er ist ein Insekt, egal wie weit er seiner ganzen Art eurer Meinung nach voraus ist.“
,, Und doch fürchtet ihr ihn.“ , stellte Seyonn fest.
Der Via erwiderte nichts, sondern verschwand einfach. Die Gestalt zerfiel zu grauen Partikeln, die, wie vom Wind getragen, in Richtung der Kolonie davonwehten.
Seyonn blieb allein auf der windgepeitschten Oberfläche zurück. Asmodeus n hatte Recht. Weg konnte er nicht. Und verhindern längst nichts mehr.
Weitere Segmente strebten jetzt überall von der Ebene aus dem All entgegen. Getrieben von ihrer uralten, noch immer betriebsbereiten Maschinerie.
Aber er konnte sich das Archiv ansehen, das sie mit der Brücke gefunden hatten.
Ein intaktes Archiv…. Selbst dem Maschinenverstand des Unity-Gesandten schauderte bei dieser Vorstellung. Das Wissen… und die Macht die da drinnen lagerten, im Archivar, der in der Tiefe des Planeten, dort unten in der Grube, schlummerte.
Eine halbe Galaxie entfernt wusste von den Ereignissen auf der abtrünnigen Koloniewelt niemand etwas. Oder hätte sie zu deuten gewusst.
Rafail Coel lag seit mehreren Stunden wach. Er warf einen Blick auf die Uhr. Um Acht wollte er sich mit den anderen treffen. Mittlerweile war es halb sieben. Doch sein Geist ließ ihm keine Ruhe. Ihm entging etwas, das war ihm klar. Nicht etwas, das er nicht wissen konnte, sondern etwas, das ihm auffallen sollte. Es gab eine Lücke, die nicht passte. Irgendwie…war das alles zu leicht gewesen.
Aber warum sollte es nicht auch mal einfach sein ? Nein ihn störte nicht die Einfachheit. Ihn störte, wie ihn scheinbar alles hergeführt hatte. Ob der Artheraner Keru nun im Auftrag der Via oder in eigener Sache gehandelt hatte, man hätte damit rechnen müssen, dass der GTDF der Chip in die Hände fiel. Und auch, dass es ihnen irgendwann gelungen wäre, das Sendersignal zurückzuverfolgen, selbst ohne Hilfe von Hal.
Oder er machte sich völlig umsonst sorgen.
Coel gab den Versuch auf noch einzuschlafen und setzte sich auf die Bettkante. Draußen war es mittlerweile vollständig hell geworden und die ersten Leute waren bereits wieder auf der Straße. Entweder, die wenigen die in New Detroit dieses Glück hatten, auf dem Weg zur Arbeit, oder um tägliche Besorgungen zu erledigen.
Coel hingegen schlurfte Müde, aber nicht in der Lage seine kreisenden Gedanken zur Ruhe zu bringen in das zwar schlicht gehaltene, aber wenigstens saubere Bad
Er schöpfte mit einer Hand etwas Wasser, das nur in einer Variante zur Verfügung stand. Kalt und ab und an rostfarben.
Es ist doch schon seltsam, dachte er. Wir haben die Möglichkeit tausende von Licht Jahren zu den Sternen zu reisen, wir errichten Kolonien auf anderen Welten, aber wir sind trotz Klimawandel nicht in der Lage überall für sauberes Wasser zu sorgen. Das wäre mal eine echte Errungenschaft.
Kurz überlegte er, ob er es wagen sollte trotz des kalten Wassers zu duschen.
Er trug immer noch die mit Staub und auch einigen Blutflecken bedeckten Klamotten von Gestern. Oder von heute ?
Es war seltsam, wenn man zwischen zwei Tagen nicht schlief, wie er festgestellt hatte.
Man verlor bald jedes Zeitgefühl. Eine Erfahrung, die er auf Artherium schnell gemacht hatte.
Selbst den schweren Mantel trug er noch, in dessen Falten sich mehrere kleinere Trümmerstücke verfangen hatten, die zu Boden rieselten als er zumindest diesen jetzt Beiseite warf.
Die wenigen Leute, die sich, als er das Hotel betrat noch in der zur Bar umfunktionierten Lobby befanden, hatten ihn geflissentlich ignoriert. Besonders weil einigen von ihnen die Blutspuren sicher nicht entgangen waren.
Ohne den Mantel verbarg nichts mehr die Stelle, wo das Metall seiner Hand in seinen Arm überging. Eine kleine Plakette war darauf angebracht. Savior. Auch noch Brandmarken mussten sie ihn. Vorher hätte ihn der Gedanke wütend gemacht. Jetzt erscheine s ihm mehr wie ein schlechter Witz. Martin hätte sicher darüber lachen können.
Und natürlich konnte er bei einem Blick in den Spiegel unübersehbar sein Augenimplantat erkennen. Die Kontaktlinse, die er normalerwiese trug war ihm irgendwo in der Lagerhalle abhandengekommen. Er war sich sicher irgendwo Ersatz eingepackt zu haben…
Noch vor wenigen Stunden hatte ihn sein eigener Anblick wütend gemacht…
Doch nun schien es endlich so, als könnte er auch das akzeptieren. Coel wusste nicht, wie viele Implantate er mittlerweile wirklich im Körper trug, die er nicht sehen konnte, aber es war ihm egal. Er war noch immer wer er vorher war. Die alte Erinnerung an den Sternenhimmel kam wieder hoch. Und daran würde sich nie etwas ändern. Es mochte sein, das er nicht der Mann war, der er sein wollte, aber er war noch hier um es zu werden. Und für seine Überzeugungen einzutreten.
Politik hatte ihn nie wirklich interessiert, aber wenn das alles vorbei war, vorausgesetzt er lebte dann noch, sollte er es vielleicht versuchen. Was Helen wohl dazu sagen würde?
Martin spöttischen Kommentar konnte er sich schon vorstellen. Und Aine… sie würde ihn vermutlich für verrückt erklären.
Ein weiteres Lächeln stahl sich auf sein Gesicht.
Ein klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es mittlerweile kurz nach sieben war. Wer konnte das sein?
Vorsichtshalber warf er sich den Mantel wieder über um seine kybernetischen Implantate zu verbergen und setzte die Sonnenbrille auf. Ihm war klar , dass das seltsam wenn nicht sogar dämlich wirken musste. Aber lieber wollte er für dämlich gehalten werden, als den Leuten hier noch mehr Angst zu machen.
Aine kämpfte mit sich selbst. Sie war Zweifel nicht gewöhnt. Aber letztlich war sie hierhergekommen.
Verdammt, sie sollte den Mann auf der anderen Seite dieser Tür eigentlich hassen. Ein Teil von ihr wollte genau das. Das würde vieles einfacher machen. Aber jetzt war sie hier.
Du kannst anklopfen oder dich wieder umdrehen. So schwer ist die Entscheidung nicht, schalt sie sich selbst.
Die Artheraner gingen gerne davon aus, dass zumindest ihr Intellekt dem Menschlichen weit überlegen war, wenn auch ihre Technik noch nicht mithalten konnte. Für Aine zumindest traf das wohl grade nicht zu.
Bevor sie es sich noch anders überlegen konnte, klopfte sie ein paar Mal gegen die solide Holztür.
Und entdeckte erst da den kleinen Klingelknopf neben derselben.
Soviel zum Überlegenen Intellekt.
,, Aine?“ , fragte Coel überrascht, als er die Tür aufzog. ,, Ich hatte sie oder Martin eigentlich erst später hier erwartet.“ Er kniff die Augen misstrauisch zusammen. ,, Es ist doch nichts passiert ?“
,, Nein… das nicht. Ich wollte nur Nachfrage, wie es ihnen geht.“
Er trat Beiseite und ließ sie in das halb verfallene Zimmer.
,, Nun es geht mir gut.“ , erwiderte er. ,, Trotzdem, ich habe ständig das Gefühl, etwas zu übersehen.“ Er nahm den Chip, den er eingesteckt hatte aus der Tasche. Die Oberfläche war tatsächlich wärmer geworden…. Seltsam.
Coel legte das Metallplättchen auf den Schreibtisch.
,, Was ?“ , wollte die Artheranerin wissen.
,, Eben, wenn ich das wüsste…“ Seit sie Aine das erste Mal auf der vereisten Oberfläche von Isaari, begegnet waren, war viel geschehen. Eine kleine Welt, deren einzige Bedeutung daran bestand, das sie eine meteorologische Forschungsstation beherbergte, auf der sich wiederum die Stasis-Kapsel mit Adams befunden hatte.
Aber auf eine Frage hatte Coel nie wirklich eine Antwort bekommen.
,, Warum haben sie sich entschlossen uns damals zu helfen ?“
,, Wie meinen sie das ?“
,, Nun Anfangs haben sie sich sogar geweigert mit mir zu reden. Aber irgendwann haben sie sich entschieden zu helfen.“ Er zuckte mit den Schultern, ,,Ich habe nie verstanden warum.“
,, Die Wahrheit ?“
Es klang seltsam unsicher.
,, Die Wahrheit.“ , erwiderte er.
,, Anfangs war ich einfach nur neugierig. Sie können sich das Menschenbild der meisten Artheraner sicher vorstellen.“
Coel nickte nur. Das konnte er nur zu gut.
,,Die Monster die unsere Welten zerstört hatten. Die mit Giganten aus Stahl durch die Leere reisten und alles an sich rissen, das ihren Pfad kreuzte.“
,, Klingt als hielten ihre Leute uns für den Teufel in Person.“
,, Die meisten tuen das immer noch und das sollten sie auch nie vergessen.“ , erklärte Aine.
,, Was hat sich für sie geändert ?“
,, Nun Anfangs… ich war wohl einfach neugierig. Sie verhielten sich anders, als ich es erwartet hätte. Vielleicht auch irrational.“
Er hatte damals fast drei Tage lang nicht geschlafen gehabt und am Ende war er sogar fast zusammengebrochen. Das verschwieg er aber.
,, Ich vermute ursprünglich hatte ich einfach den Plan sie bei erster Gelegenheit umzubringen und zu verschwinden.“
Die Antwort überraschte ihn nicht wirklich. Aber einen Haken gab es doch daran.
,, Dazu hätten sie auf Artherium Gelegenheit gehabt.“ Sogar eine sehr gute, wie er sich erinnerte. Coel wäre beinahe in einen Krater gefallen, den ein Abbauschiff hinterlassen hatte. Was einen freien Fall von zwanzig Kilometern bedeutet hätte.
,, Ich hatte vorher schon ein dutzend Gelegenheiten. Aber wie gesagt, ich war neugierig. „
Er lachte kurz. ,,Das bringt eine zehnmal schnellere Auffassungsgabe wohl so mit sich, wie ?“ ,wollte Coel wissen.,, Ihnen wird schnell langweilig ?“
,, Glauben sie mir ein wirklich Gelangweilter Artheraner ist nichts, das sie miterleben möchten.“
Coel lachte wieder.
,, Ich kann es mir in etwa vorstellen. Wissen sie, im Grundtraining saß ich mit meiner Einheit mal geschlagene zwei Wochen auf einer kaum entwickelten Kolonie fest. Man kommt auf seltsame Ideen, wenn man Zuviel Zeit hat.“
,, Also, wie gesagt ich war anfangs neugierig.“
Coel zwang sich, wieder ernst zu werden. Seine Frage war nicht beantwortet.,, Und was hat sie überzeugt uns letztlich zu helfen ?“
,, Sie.“