Die Via wurden zurückgeworfen. Doch es scheint, als würden die Schwierigkeiten damit erst anfangen. Unruhen und Proteste erschüttern die Erde. Die Verhandlungen zwischen Menschen und Artheranern verlaufen ins Chaos... Und als wäre das nicht genug beginnt für den grade erst genesenen Rafail Coel ein Wettlauf mit der Zeit, dessen Ziel er nicht kennt, bis es fast zu spät ist. Bild : A Blue color design/ Fotolia.com
Die Detonation irgendeines Geschosses hatte das Tor der Lagerhalle herausgerissen. Trümmerteile segelten durch die Luft und prallten an den Betonpfeilern ab. Hätten er und Aine sich nicht in Deckung gebracht, wäre vermutlich jeder von ihnen von den Schrapnellen getötet worden.
Wollten die ihre eigene Anlage in Trümmer legen? fragte er sich noch, als der aufgewirbelte Staub sich etwas Lichtete. Das Wellblechtor war, wie er schon vermutet hatte, aus einer Verankerung gerissen worden. Trümmerteile desselbigen hatten sich überall verteilt und Sektionen der Deckenverkleidung abgerissen. Einige lose Kabel hingen davon herab und eine der Lampen war halb herausgerissen.
Sein Verstand versuchte Fieberhaft die Waffe zuzuordnen. In dem Nebel aus Staub zeichneten sich die dunklen Umrisse einer großen Person ab. Die Gestalt stieß fast an die Decke des Raumes.
Ihr Gegner machte ein paar weitere Schritte in die Halle hinein. Offenbar hatte er bisher weder Coel noch Aine bemerkt.
Im Licht der teilweise beschädigten Lampen konnte Coel jetzt auch erkenne, wieso ihm der Mann so groß vorgekommen war. Er trug ein Exoskelett und die Waffe, die er mit sich trug…
Coel warf sich zur Seite als der Riese das Gaußgewehr auf ihn richtete und feuerte.
Die Säule hinter der er sich eben noch geduckt hatte zerbröselte in einem Feuerball.
Coel rappelte sich wieder auf und brachte sich erneut hinter einer Säule in Deckung, in der Hoffnung dass der Mann ihn nicht wieder entdecken würde.
Er hörte Aine Fluchen, die dem Angriff zwar ebenfalls entkommen war, aber einige versengte Haarsträhnen und Fellstellen zu verbuchen hatte.
So gesehen hatte sie noch Glück. Trotzdem warf er der Artheranerin einen besorgten Blick zu. Sie würde schon in Ordnung sein… Hoffte er.
Gaußgewehre gehörten zu den gefährlichsten Waffen, welche die Arsenale der GTDF beherbergten und auf vielen Kolonien war selbst dem Militär der Einsatz verboten. Was Coel natürlich zu der Frage führte, woher diese Waffe stammte. Im Augenblick jedoch hatte er andere Probleme.
An sich basierte ein Gaußgewehr auf einem ähnlichen Prinzip, wie eine Railgun. Jedoch wurde bei dieser ein längerer Beschleunigungsweg gebraucht, was es unmöglich machte, eine Railgun in einem handlichen Format für die Infanterie zu bauen.
Statt des Schienensystems der Railgun wurde hier jedoch eine Reihe von magnetischen Spulen verwendet, die ein Geschoss beschleunigten. Das Ergebnis war zwar nicht grade handlich, dafür aber enorm effektiv. Aufgrund des, trotz des einfachen Designs, immer noch immensen Gewichst der Waffe und des enormen Energiebedarfs konnte diese jedoch nur im Zusammenhang mit einer mechanischen Exoskelettpanzerung verwendet werden, an der gleichzeitig auch die benötigten Energiezellen befestigt waren und die dem so nicht grade beweglichem Kämpfer Schutz vor kleinen Projektilen boten.
Im Klartext hieß das, mit dem Revolver richtete er gegen ihren Gegner nichts aus. Um ein Exoskelett zu knacken brauchte man schon schwere Geschützte. Und die hatten sie nicht.
Das war vermutlich auch ihrem Gegner klar, denn der ging langsam, Schritt für Schritt weiter in die Halle. Mittlerweile war der Raum ziemlich mitgenommen . Neben der beschädigten Decke und der Tür hatte nun der Schutt von den Sülen einen kniehohen Berg gebildet.
Aine feuerte ein paar Mal auf die schwarze Außenpanzerung. Die Kugeln prallten funkenschlagend und ohne auch nur eine Beule zu hinterlassen ab.
,, Alles in Ordnung ?“, rief er Aine zu.
,, Soweit schon.“
,, Irgendwelche Ideen ?“
,, Nein, Sie ?“ , wollte die Artheranerin wissen.
,, Vielleicht.. aber dazu müsste ich näher an unseren Freund da ran.“
,, Das das eine dämliche Idee ist wissen sie oder ?“
,, Warten sie es ab, mein Kopf ist voller dämlicher Ideen.“
Er dachte an die Waffe, die Adams ihm geschickt hatte. Wenn diese tatsächlich funktionierte, dürfte sie auch die Steuerung eines Exoskeletts lahmlegen.
Während er noch darüber nachdachte, musste er bereits erneut zur Seite springen, als ein Geschoß direkt über seinen Kopf hinwegraste… und den Raum mit der Sendeanlage traf.
Die Detonation riss ein Loch in die Rückwand der Lagerhalle. Schlagartig wurde es dunkel, als die gesamte Stromversorgung zusammenbrach.
Vermutlich hatte die Zerstörung des Senders zusammen mit den guten Dutzend offenen Leitungen in der Hallendecke einen Kurzschluss ausgelöst.
Er wusste nicht wie viel Munition er mit den Prototypen hatte, aber Coel wollte kein Risiko eingehen. Um sicher zu sein, musste er so nah wie möglich ran. Da kam ihm die plötzliche Dunkelheit ganz recht.
Er spürte die schweren Schritte seines Gegners. Jeder davon brache den Boden spürbar zum Zittern. Er konnte nur hoffen, dass dieser nicht über eine Nachtsichtvorrichtung verfügte, sonst würde das eine ziemlich kurze Aktion werden.
Geduckt trat Coel aus seiner Deckung heraus und entfernte die Kontaktlinse aus seinem Auge.. Die würde ihn jetzt nur behindern.
Das durch die Wolkendecke draußen gedämpfte Mondlicht, das durch die entstandenen Lücken in Tor und Rückwand fiel reichte ihm aus um sich zu orientieren. Trotzdem brauchte er einen Moment um die dunkle Panzerung des Exoskeletts zu finden, die selbst für ihn in der Dunkelheit kaum auszumachen war. Langsam umrundete er die in der Panzerung Riesenhaft wirkende Gestalt bis er in deren Rücke gelangte. Dann legte er mit der Waffe auf diese an und zielte.
Kurz bevor er den Abzug drücken konnte sprangen sämtliche Lichter wieder an.
Die plötzliche Helligkeit blendete ihn einen Augenblick.
Als er wieder klar sehen konnte, zielte das Gaußgewehr direkt auf ihn.
Wenn er sich sofort in Sicherheit brachte, hatte er noch eine Chance… aber wenn er das tat hatte er vermutlich keine Gelegenheit mehr die Waffe einzusetzen. Dann würden sie hier beide sterben…
Oder er setzte alles auf eine Karte.
Ich hoffe wirklich das funktioniert. Ein lächerlicher letzter Gedanke. Ich hoffe es rettet zumindest einen von uns. Schon besser.
Er zog den Abzugsbügel der Waffe durch.
Das magnetische Projektil durchschlug die Panzerung des Exoskeletts nicht, allerdings prallte es auch nicht ab. Stattdessen heftete es sich an die Oberfläche. Ansonsten geschah jedoch nichts.
Coel hatte schon mit seinem Leben abgeschlossen, als plötzlich ein Impuls durch die Maschinerie des Exoskeletts zu laufen schien . Sämtliche Servomotoren blieben zeitgleich stehen. Langsam kippte das Konstrukt zur Seite und schlug auf dem ohnehin zerstörten Boden einen weiteren Krater.
Der Mann im inneren musste jetzt wohl große Probleme haben, denn ohne Steuerung konnte er sich nicht einmal daraus befreien. Coel kümmerte das eher weniger. Er wischte sich erleichtert mit einer Hand den Schweiß von der Stirn.
,, Das war viel zu knapp.“
,, Geht es ihnen gut ?“ Aine tastete schnell seine Schultern ab, als wollte sie sich überzeugen, dass er wirklich noch in einem Stück war.
,, Ähm.. ja, es geht mir gut, danke auch der Nachfrage…“ , meinte er ein wenig Überrascht über ihre plötzliche Besorgnis.
Sie trat hastig ein paar Schritte zurück, als hätte sie sich verbrannt.
,, Dann… einen Moment dachte ich wirklich sie sind tot.“
Endlos scheinende Sekunden des unsicheren Schweigens Folgten, bis Coel die Stille brach. ,, Haben sie das Datenlaufwerk noch ?“
,, Ja.“
,, Gut“ , er klopfte sich etwas Staub aus der Kleidung ,,dann verschwinden wir erstmals hier.“ Er trat durch die Trümmer des Hallentors auf den Platz draußen. ,, Ich informiere die GTDF, die sollen hier alles auf den Kopf…“
Das grelle Licht eines Schweinwerfers blendete ihn ohne Vorwarnung. ,, Nehmen sie die Hände über den Kopf und legen sie alle Waffen weg.“ Er versuchte etwas zu erkennen. Offenbar hatten sich auf drei der Gebäude um den Platz weitere Männer, Coel schätzte ihre Anzahl auf etwa fünfzehn, postiert und zielten auf ihn und Aine. Rasch versuchte er seine Chancen einzuschätzen. Nach links oder rechts zur rennen würde nur dazu führen, das er sofort getötet würde, sollten die Posten auf dem Dach das Feuer eröffnen.
Und zurück in die Halle war auch keine Option mehr.
Irgendwie musste er zumindest Zeit schinden.
,, Haben sie dafür auch eine dumme Idee ?“ ,fragte Aine.
,, Sogar eine richtig bescheuerte.“ , meinte er und trat auf den Platz heraus.
,,Hände über den Kopf.“ , reif eine autoritäre, aber auch nervöse Stimme.
,, Was jetzt ?“ , rief er und nahm die Arme hoch.
,, Waffen weg .“
,, Und wie bitte ?“
,, Waffen weg und dann Hände hoch verdammt noch mal.“ Coel verstand langsam warum der Mann nervös war. Vermutlich hatten sie Gedacht, der Soldat mit der Gaußwaffe wäre mehr als genug gewesen. Und dass zwei Personen damit fertig geworden sein sollten machte ihnen Angst.
,, Und wenn ich es nicht tue?“ , fragte er.
,, Erschießen wir sie und die Artheranerin.“
Coel musste sich zurückhalten nicht einfach laut loszulachen.
,, Ach kommt euch muss doch was Besseres einfallen. Wenn ich das tue bin ich doch auch tot.“
Ein näherkommendes dröhnendes Geräusch veranlasste die Soldaten auf den Dächern nervös den Himmel abzusuchen.
,, Also was ist jetzt ?“ , rief die leicht nervöse Stimme erneut.
Coel zögerte. Er hatte das Geräusch natürlich auch gehört und noch wichtiger, er konnte es zuordnen. Er wusste nicht wie das möglich war und es war ihm auch egal…
Ein heller Schein über der Wolkendecke machte ihm wieder etwas Hoffnung.
Sein Funkgerät schaltete sich ein und Martins Stimme meldete sich.
,, Coel, ich weiß nicht ob sie das hören, aber wenn rate ich ihnen besser den Kopf einzuziehen.“
,, Ja ich höre sie. Ich habe keine Ahnung wieso sie hier sind, aber sie haben sich den Richtigen Zeitpunkt ausgesucht. Ihre Ziele sind auf den Dächer, Fünfzehn Personen.“
,, Verstanden.“
In diesem Moment riss die Wolkendecke auf und ein Railgungeschoss zertrümmerte das Dach eines der besetzten Gebäude. Der Scheinwerfer, der Coel geblendet hatte erlosch, die fünf Söldner hingegen, die eben noch dahinter gestanden hatten, wurden in alle Richtungen davon geschleudert. Noch bevor sich die Lücke in den Wolken wieder schloss sank ein Koloss aus Stahl durch diese herab und kam auf Höhe der Gebäudedächer zum Stehen. Die großen Schlachtschiffe der Flotte waren zu groß um in der Atmosphäre eines Planeten oder geschweige denn in dessen Schwerkraftfeld zu fliegen. Sie würden dabei zerbrechen. Die Kronos hingegen war noch leicht genug um auch auf der Oberfläche eines Planeten noch kontrollierbar zu sein. Und Ägirs Talente als Steuermann taten ihr Übriges.
,, Wies aussieht, ist es jetzt an ihnen sich zu ergeben.“ , reif Coel zu den verbliebenen Schützen auf dem Dach herauf.
Die überlebenden Söldner warfen ihre Waffen fast augenblicklich weg. Wenige Sekunden später meldete sich eine Fremde Stimme über Funk.
,, Hier ist John Watergate von der Kronos. Wir sind zu ihrer Unterstützung hier.“
,, Danke würde ich mal sagen. Was verschafft mir die Ehre?“
,, Steel und dieser Professor Adams wurden nervös, nachdem sie sich ein Weile Nicht mehr gemeldet haben. Und da wir grade im Orbit über ihrer Position waren…“
,, Verstehe. Können sie ein paar Leute runterschicken die das Gelände sichern?“ , fragte er.
,,Sicher und gute Arbeit übrigens.“ , meldete sich eine neue Stimme. Diesmal eine, die Coel kannte.
,,Cain, sind sie das ?“.“
,, Ich habe es mir nicht nehmen lassen, selbst nach dem Rechten zu sehen. Wie gesagt, gute Arbeit. Auch wenn sie noch gar nicht wieder im Dienst sein sollten.“
,,Ich und Regeln Sir, das sollten sie langsam wissen und ich war nicht ganz allein.“ , meinte Coel.
Wenige Minuten später setzten die ersten Landungsshuttle der Kronos auf. Normalerweise befand sich maximal ein Kontingent von fünfzig Personen auf dem Schiff. Die Zahl der ankommenden Soldaten lies Coel jedoch vermuten, das Cain veranlasst hatte, einige Männer extra an Bord zu bringen. Die Soldaten begannen sofort, das Gelände und die verbliebenen vier Gebäude abzusichern. Das fünfte war durch den Treffer mit der Railgun zu instabil geworden und lag halb in Trümmern.
Ein gutes Dutzend Mitarbeiter, die wohl noch innerhalb der Gebäude gewesen waren wurden draußen im Hof versammelt, während die Söldner vom Dach entwaffnet und auf eines der Shuttles gebracht wurden.
Bei den Mitarbeitern würde man wohl klären müssen, inwieweit diese überhaupt in das ganze verwickelt waren. Coel jedoch vermutete, dass die meisten davon wohl nichts oder nicht viel gewusst hatten oder wussten. Nur wovon… blieb für ihn noch immer undurchsichtig. Solange niemand herausfand, welchem Zweck diese Chips dienten, wussten sie auch nicht, was der eigentliche Plan hinter all dem war. Er dachte an die Kisten in der Halle. Irgendwo mussten noch mehr davon sein, wenn er die Spuren auf dem Hallenboden richtig gedeutet hatte. Gekennzeichnet als medizinische Güter… aber wofür ?
,, So sieht man sich wieder.“ Die bekannte Stimme riss ihn aus seinen Gedanken, während er zusah, wie die Gebäude durchsucht wurden.
,, Martin.“ , begrüßte er den alten Freund. ,, Und sie dachten auf der Kronos würde ihnen langweilig.“
,, Nun… das war es auch. Bis auf einige kleinere Zwischenfälle. Sie auch hier Aine ?“
,, Ja, ich auch. Übrigens Danke nochmal.“
,, Keine Ursache, aber Watergate hätte mir fast das Fell über die Ohren gezogen.“
,, Habe ich irgendwas verpasst ?“ , fragte Coel, der aus der kurzen Diskussion nicht schlau wurde.
,, Ich erklär es ihnen später.“ , erwiderte Martin. ,, Allerdings…“ Er sah auf, als ein weiteres Shuttle landete. ,, Da kommt Watergate. Ich würde lieber warten, bis der wieder weg ist.“
Der Transporter setzte auf dem Platz auf und ein Mann in der Uniform eines Offiziers trat heraus.
,, Richter, ich brauche ihren Bericht. Und bringen sie Coel gleich mit. Die Artheranerin auch, aber bitte unbewaffnet… “ , rief er und verschwand in einem der Gebäude.
Martin zuckte mit den Achseln. ,, Wir gehen besser.“ , meinte Aine.
,, Was ist mit Steel ?“ , wollte Coel wissen.
,, Keine Ahnung, der trifft vermutlich erst ein wenn hier alles gesichert ist.“
,, Schade, ich glaube der wäre mir lieber gewesen.“ , erwiderte er.
,, Mir auch Coel, mir auch.“