Anfangs waren sie ein glückliches Paar gewesen. Irgendwann fingen sie an, sich gegenseitig aus dem Weg zu gehen. Es war keine Ehe mehr, was sie führten. Wenn man sie sah, dann nur allein. Nur ganz selten ließen sie sich als Paar sehen. Wie kam es dazu?
Keiner weiß es so genau. Es geschah ganz plötzlich. Beide hatten kein Arbeit. Es waren nicht nur harte Zeiten gewesen und die Jobs rar. Er hatte einen kaputten Rücken und sie hatte keinen Abschluss. Es gab ihr auch keiner eine Chance den Abschluss nachzuholen, oder eine Ausbildung anzufangen. Und er hätte zu gern eine Umschulung gemacht, weil er in seinem gelernten Beruf nicht arbeiten konnte. Aber er durfte nicht. Selber zahlen konnte er nicht.
Wie oft hatte er gesehen, wie alte Menschen, die es nicht mehr weit bis zur Rente hatten, noch einmal die Schulbank drücken durften. Über zwanzig Jahre älter, als er und die bekamen einen Bildungsgutschein, ohne das sie ihn wirklich wollten. Und er, der sich seit Jahren darum bemühte einen zu bekommen und dem einer zusteht, weil er so krank war, bekam keinen.
Es war frustrierend, all dies mit anzusehen und nicht zu wissen, ob und was man dagegen tun kann. Irgendwann gab er dann die Hoffnung auf, das er jemals in Arbeit kommen würde. Er wurde depressiv und fing an zu trinken. Am Anfang war es noch überschaubar. Trank zwei bis drei Flaschen Bier, am Abend. Doch mit jeder absage, die in seinem Briefkasten flatterte, wurde es mehr. Bald schon fing er am Morgen an, um den ganzen Tag besoffen auf dem Sofa zu lungern und sich den größten Mist anzusehen, was das Fernsehen so hergab. Er selbst bekam nichts mit, was da in der Flimmerkiste lief. Hauptsache war, das Ding war an. Bunte Bilder bewegten sich und aus den Lautsprechern kamen Geräusche.
Seine Frau hatte eines Tages ein Angebot bekommen. Schule. Ein Jahr lang. Besser, als zu Hause rumhängen und meinem Alten beim Saufen zusehen, dachte sie sich damals. Doch ihre Meinung änderte sich schnell, als sie herausfand, wo die Schule war. Über eine Stunde brauchte sie hin und dann noch einmal zurück. Aber das wäre ja noch zu verkraften gewesen. Man kann nun mal nicht alles auf der Nase haben. Kompromisse musste man heutzutage eingehen. Was ihr gegen den Strich ging, waren zwei Dinge. Zum Ersten, war sie auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Die schule stand sonstwo. Von der Haltestelle aus, waren es noch über zwanzig Minuten zu laufen, bevor man das Schulgebäude sah. Dies hätte sie sich vielleicht noch gefallen gelassen. Aber als sie dann noch erfuhr, das sie nach dem Jahr nichts in der Hand haben würde, hatte sie keine Lust mehr darauf. Sie war pappensatt. Ein ganzes Jahr lang sollte sie sich den beschissenen Weg antun, um genau dort zu enden, wo sie gerade eben war? Wenn sie hinterher wenigsten einen Hauptschulabschluss gehabt hätte. Aber so hatte sie gar nichts. War nur ein ganzes Schuljahr von der Straße.
Ihren Frust ließ sie zu Hause ab. Ihre ganze Wut auf das Arbeitsamt und das ganze System. Sie trat ihn. Fauchte ihn an. Schleuderte ihn von einer Ecke in die andere, bis...
Sie sah es nicht gleich, da sie immer noch kochte, vor Wut. Aber als sie ihn reglos am Boden sah... Blut tropfte aus seinem Mund und seinem Kopf. Sie sah, das eine seiner Rippen stark nach inne gebogen war. Erschrocken kniete sie sich neben ihn und heulte sich die Augen aus. Das hatte sie nicht gewollt. Die letzten Monate waren nicht die schönsten gewesen. Aber dafür konnte er nichts. Er wollte arbeiten gehen. Man ließ ihn bloß nicht, weil er nicht schwer heben durfte und auch nicht lange stehen und sitzen genauso wenig. So gesehen war er ziemlich behindert. Aber nicht in den Augen des Arbeitsamtes. Es gab ja noch so viele Jobs, die er hätte machen können. Aber die hatte er nicht gelernt.
Sie dachte an ihre glückliche Zeit mit ihm. Damals, als sie noch jung waren. Wie schön war doch die Zeit gewesen. Warum blieb da die Zeit nicht stehen?
Sie legte sich zu ihm auf den Boden und kuschelte sich an ihm. Drückte ihn ganz fest an sich und weinte leise. So blieb sie liegen und rührte sich keinen Millimeter. Nie mehr.
Ein scheiß Gefühl, wenn der Partner, den man unsterblich liebt, auf einmal Schluss macht und obendrein keinen Grund nennt. So erlebte ich es. Ich fühlte mich beschissen und wusste nicht wohin. Daher ging ich in die Kneipe. Das Alkohol keine Lösung ist, weiß ich selbst. Ich hörte die Todesglocken läuten und wollte nicht nüchtern rübertreten.
Sie war meine große Liebe und konnte es nicht verstehen, warum sie mich einfach so verließ. Völlig am Ende, saß ich in der Ecke und hing meinen Gedanken nach. Nach meinem dritten Bier schaute ich nach, ob ich noch genug Geld habe, um weiter zu trinken. Es war schon weit nach neun. Die Kneipe war voll und nur noch an meinem Tisch war Platz gewesen. Genau dahin kamen ein paar junge Menschen. Sie waren gut drauf. So wäre ich auch gern gewesen. Stattdessen hing ich über meinem Bier und blies Trübsal.
Nach einer weile reichten sie mir einen Keks. Darauf hatte ich gar keinen Appetit. Dennoch griff ich zu. Kaute gelangweilt darauf rum und spülte es mit dem Bier runter. Danach wurde mir noch ein Keks angeboten. Da der erste gar nicht so übel war, griff ich noch mal zu. Und auch den dritten und vierten verdrückte ich. Meine Stimmung stieg. Plötzlich ging es mir gut. War heiter. Hatte keinen Gedanken an meine Ex verschwendet. Genau das hatte ich nötig gehabt.
Es waren wirklich nette Menschen gewesen. Nachdem ich ihnen mein Herz ausgeschüttet hatte und nebenbei erwähnte, das ich nicht wüsste, wo ich schlafen sollte, luden sie mich zu sich ein. Mir war es ganz egal, wer sie waren. Ich war gut drauf und hatte einen Schlafplatz. Zumindest erstmal für die eine Nacht. Was auf mich zukam, wusste ich nicht und war mir, wie schon erwähnt, völlig egal.
Wie es bei denen aussah, kann ich nicht sagen. Ich war blau und... Das wusste ich damals noch nicht. Die Welt drehte sich um mich. Mir ging es gut. Spitze. Unsagbar gut. Und so blieb es einige Tage lang. Jeden Tag gab es leckere Kekse und nette Gesellschaft. Die Woche verging, wie im Flug.
Eines Tages gingen die Kekse aus. Ich kam wieder zu verstand. Mir wurde wieder bewusst, das ich mich aufrichten und mein Leben in Griff bekommen musste. Scheiß auf die Frau. In den letzten Jahren hatte ich nur an sie und ihr Wohl gedacht. Schob meine Bedürfnisse beiseite. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, um endlich an mich selbst zu denken. Und meine neuen Freunde halfen mir dabei.
Zuerst suchten wir eine neue Wohnung. Um Möbel brauchte ich mir keine Gedanken zu machen. Jeder stiftete etwas. Innerhalb weniger Tage war die Wohnung voll möbliert. Ich zog ein und gab eine kleine Einweihungsparty. Noch im selben Monat hatte ich sogar Arbeit gefunden. Beziehungen sind eben alles. Der Job war zwar nicht das, was ich mir so vorgestellt hatte. Aber ich verdiente eigenes Geld. So viel, das ich nicht mehr zum Amt gehen musste. Für mich reichte es. Schließlich war ich Single. Und dieses Leben hatte seine Vorzüge. Nicht nur, das ich wieder Freunde hatte. Ich durfte wieder Frauen ansehen, ohne das Gefühl zu bekommen, das ich fremdgehe. Darüber hinaus durfte ich sie sogar anfassen, küssen und noch viel mehr. ICH LEBTE.
Als sie sich von mir trennte, tat es weh. Richtig weh. Aber dank ein paar Glückskekse und guter Freunde, bin ich nun endlich wieder glücklich. Und irgendwann werde ich auch wieder eine Beziehung haben. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Ich bin ein Nazi. Das heißt, ich werde als Nazi abgestempelt. Angefangen hatte es mit meinen kurzen Haaren. Schon von Kindheitsbeinen an, trage ich meine Haare ganz kurz. Meine Frau schert sie immer ganz kurz. Drei Millimeter. Laut ihrer Meinung, steht es mir. Und ich vertraue ihr. Ich schau mich selbst nicht im Spiegel an. Scheue mich davor, da ich mich selbst als unschön empfinde. Komplexe. Die habe ich schon seit Jahren. Ich kann damit leben.
Wieder einmal wurde ich in eine Maßnahme gesteckt, die mir nichts brachte. Angeblich sollte ich lernen, wie man sich bewirbt. Aber das brachten sie uns erst in den letzten Tagen bei. Jeden Tag hatten wir einen anderen Seminarleiter. Und jeder hatte andere Vorstellungen davon, wie man eine Bewerbung schreibt. Angeblich gibt es ja keine Vorschrift dafür. Warum durfte ich dann meinen Lebenslauf nicht so schreiben, wie ich ihn damals in der Schule gelernt hatte?
Beim Anschreiben wusste ich auch nicht recht, was ich tun sollte. Der eine sagte, meine Person sollte sich widerspiegeln. Daher schrieb ich ein Anschreiben, das ein Hauch Humor enthielt. Es kam gut an. Bis auf eine. Die schrieb für mich dann das Anschreiben. Standard. So, wie es jeder Arbeitgeber von seinen Bewerbern bekam. Das war nicht ich. So konnte ich die Bewerbung nicht absenden.
Beim Titelblatt schoss ich den Vogel ab. Ganz oben stand mein Name, darunter mein Bild und da darunter schrieb ich: „Gelernter DDR-Bürger“ Es war nur Spaß gewesen. Die meisten verstanden es auch so. Aber nicht alle. Spaßbremsen gibt es eben überall.
Ich änderte es. Anstatt „gelernter DDR-Bürger“, schrieb ich meine Adresse hin. Aber wieder bekam ich eine Schelte. Denn ich hatte mir eine ganz besondere Schriftart aus dem Internet heruntergeladen. Fraktur. Ich hatte keine Hintergedanken dabei. Mir gefällt die Schriftart. Auch lese ich gern mal ein Buch, welches in dieser Schrift geschrieben wurde. Meistens Liebesromane mit Happyend. Zwar kann ich diese Bücher nicht so flüssig lesen, wie „normalgeschriebene“ Bücher, weil sich manche Buchstaben doch ziemlich ähneln und nicht die neue deutsche Rechtschreibung verwendet wurde, aber es macht mir dennoch Spaß, solche Bücher zu lesen.
Die Skepsis stand in ihren Augen. Sie wollten mir nicht glauben, das mir die Schriftart einfach nur gefällt und rieten mir auch ab, sie zu wählen, da sich der Arbeitgeber seinen Teil denken würde, wenn er das sah. Ich sagte nichts dazu. Wählte, stattdessen, eine neutrale Schriftart. Sollten sie doch alle denken, was sie wollten. Es war mir egal. Mein Bekanntenkreis war bunt gemischt. Alles war vertreten. Schwarze, Punks, Skins. Rechte und Linke. Deutsche und Ausländer. Ich kam mit allen zurecht. War für alle da. Sie alle kannten meine Meinung und akzeptierten sie auch. Es kam vor, das ich mal über Ausländer schimpfte. Es gibt nun mal nicht nur die Guten, die sich in unsere Gesellschaft integrieren. Zu viele bauen nur Blödsinn. Raubüberfall. Drogenverkauf. Und weiß der Teufel. Als ob wir nicht schon genug Einheimische hätten, die nur Unsinn im Kopf haben. Leider Gottes kenne ich einige persönlich.
Einzig allein aus diesen Gründen, werde ich als Nazi beschimpft. Nur weil ich ganz kurze Haare trage, so wie eine B-Jacke, und weil ich die Schriftart Fraktur mag. Sie ist einfach nur Kunst, für mich. Ich habe versucht sie nachzuzeichnen und habe versagt.
Neben Sturmtrupp, Triebtäter und 0815, die ich nur höre, wenn ich absolut scheiße drauf bin, höre ich am liebsten Schlager, wie Wolfgang Petry, Drafi Deutscher und Christian Anders. Auch höre ich gern Beethoven, Mozart, Smetana und Brahms. Falco, Opus und Pur gehören auch zu meinem Musikgeschmack. Und noch vieles mehr, das weit weg von Nazi ist, wie Blutengel und Lacrimosa. Arbeiterklasse und Co höre ich gern, wegen der Musik. Sie lässt mich wieder runterkommen. Manche Texte sind auch wunderschön. Sie geben neuen Mut. Neue Hoffnung. Sind ehrlich. Traurig.
Mich kann man nicht in eine Schublade stecken. Meine Frau ist deutsche und schwarz. Gotik. Ich liebe sie. Ich liebe schwarz.
Gebannt sah ich zu. Ich konnte nicht anders. Natürlich hätte ich etwas dagegen unternehmen sollen. Aber ich konnte nicht. War gehemmt. Wie in Trance.
Ich hatte einen ganz langen Spaziergang gemacht. Über mehrere Stunden. Als ich bemerkte, das mir meine Füße wehtaten, machte ich eine Pause. Setzte mich auf eine Parkbank. Mir ging es gar nicht gut. Seit Tagen hatte ich Liebeskummer. Es tat höllisch weh. Dabei hatte ich alles versucht, um sie zu vergessen. Aber nichts hat geholfen. Weder das Auswendiglernen des Telefonbuches, noch die Arbeit. Spätestens nach Feierabend musste ich wieder an sie denken. An sie und die Zeit, die wir gemeinsam verbracht hatten. Es waren einige Jahre gewesen. Schöne Jahre. Warum sie mich verlassen hatte, ist mir immer noch ein Rätsel. Was hatte sie vermisst?
Leise weinte ich vor mich hin. Heimlich. Keine Träne drang nach außen. Ich konnte sie nicht vergessen. Nach all den Wochen, die wir nun schon getrennt waren, konnte ich nicht aufhören an sie zu denken. Ich fragte mich warum. Sie hatte kein Interesse mehr an mir. Was brachte es mir, noch weiter an ihr zu hängen? Schmerz. Unerträglichen Schmerz. Und schlaflose Nächte.
Die Sonne schien hell. Meine Ärztin meinte, das ein Spaziergang in der Sonne gegen Depressionen helfe. Da hatte sie sich wohl geirrt. Meine Wohnung war hell gestrichen und dennoch litt ich an Depressionen. Nun habe ich alle Wände schwarz angemalt. Es passte besser zu meiner Stimmung. Mir gefiel die Optik. Hatte nicht jeder. Man merkte auch, das ich einst Maler gelernt hatte. Keine Absätze waren zu sehen. Nirgends schaute auch nur ein Pixel weiß durch. Alles war tiefschwarz.
Ich hegte die Hoffnung, das ich sie dadurch vergessen würde. Schließlich war sie eine fröhliche Person gewesen. Sie liebte helle Farben und den Sonnenschein. Ich ließ kein Licht herein. Außer wenn ich lüftete. Dann musste ich die Fenster öffnen.
Sie liebten sich. Muss liebe schön sein, dachte ich mir. Wahrscheinlich waren sie erst seit kurzem zusammen. So glücklich, wie die beiden aussahen. Das erinnerte mich wieder an sie. Das Funkeln in ihren Augen. Die Freude, mich zu sehen. Bei mir zu sein. Mich zu spüren. Zu küssen. Und sie hatte wahnsinnig sinnliche Lippen gehabt. Jeder Kuss war eine Explosion von Gefühlen. Extase pur. Besser, als Sex. Damals war es noch Liebe. Warum ist es vorbei?
Das Liebespaar war gegangen. Ein paar Minuten war ich allein. Nur ich und die Natur. Ich lauschte dem Vogelgesang. Jener lud mich zum Träumen ein. Ach wäre es schön, in der Zeit zurückzureisen. Nicht nur ein paar Jahre. Am liebsten wäre ich in der Steinzeit. Die lebten noch im Einklang mit der Natur und starben mit dreißig Jahren.
Eingangs erwähnte ich, das ich gebannt zusah. Es war ein Pärchen, das sich stritt. Seiner Meinung nach, ging sie mit irgendeinem ins Bett. Hatte ihn hintergangen. Ihr tat es Leid. Er überhörte es. Schlug sie. Trat auf sie ein. Ließ seinen ganzen Hass und seine Wut an ihr aus, bis sie reglos am Boden lag. Ich stand auf, ging zu ihm, tippte auf seine Schulter und lud ihn in die Kneipe ein. Natürlich hatte er einen Mord begangen. Aber sie hatte es nicht anders verdient. Einst hatten wir eine glückliche Beziehung geführt.
Ich war frei und glücklich, bis meine Mutter mir einredete, das ich mir eine Freundin suchen solle. Irgendwie verstand ich den Sinn dahinter nicht. Was sollte ich damit? Ich fühlte mich wohl, so ohne. Mir ging es gut und ich hatte keine Sehnsucht danach. Lebte mein Leben, wie ich es wollte. Ohne Stress und allem drum und dran. Davon abgesehen befand ich mich mitten in der Ausbildung. War kaum zu Hause. Pendelte zwischen meiner Heimat und der über hundert Kilometer entfernten Ausbildungsstätte, wo ich mich unter der Woche befand. Ich hatte gar keine Zeit für eine Beziehung. Und dennoch erwischte es mich eines Tages. Das wurde mir zum Verhängnis.
Ziemlich schnell gewöhnte ich mich an das Gefühl zu lieben und geliebt zu werden. Es fühlte sich wirklich schön an. Jedenfalls für ein paar Tage. Danach machte sie schon wieder Schluss. Mein erster Herzschmerz. Unbeschreiblich scheiße. Glücklicherweise musste ich wieder zurück zu meiner Ausbildungsstätte. Das lenkte mich ab. Ziemlich schnell verging der Schmerz. Als ich sie wiedersah, war er auch wieder da.
Irgendwann hörte dies auch wieder auf. Heute kann ich ihr begegnen, ohne das es weh tut. Als wären wir nie zusammen gewesen. Schade, das es nicht auf Anhieb funktioniert hatte.
Ich hatte plötzlich Sehnsucht nach einem weiblichen Wesen an meiner Seite. Früher hatte es mich nicht gestört, wenn ich ein Pärchen sah, das sie liebte und küsste. Es war mir egal. Ich kannte das Gefühl nicht. Und was man nicht kennt, kann man nicht vermissen.
Es dauerte, bis ich meine nächste Freundin fand. Bis dahin war ich abgelenkt durch meine Ausbildung. Durch eine andere Stadt. Jeden Abend machte ich meinen Spaziergang am Ufer des Flusses. Außer es regnete. Denn dann hatte ich keine Lust dazu.
Mit der nächsten handelte ich mir Probleme ein. Wollte bei ihr sein. Dachte weder an meine Ausbildung, noch an meine Zukunft. Nur an sie und unsere gemeinsame Zukunft. Gut, das klappte nicht ganz so, wie gedacht. Auch mit ihr blieb ich nicht lange zusammen. Das rettete wahrscheinlich auch meine Ausbildung. Auch wenn ich nicht mehr übernommen wurde, so durfte ich wenigstens die Ausbildung beenden. Schließlich hatten wir beide ziemlich viel Geld reingesteckt. Die Unterkunft war nicht gerade billig. Ebenso wenig die Fahrt hin und zurück. Mein Lehrlingsgeld reichte nicht immer. Daher musste auch ein Dritter was dazustiften.
Das Leben ist hart. Und es gibt Dinge, an die gewöhnt man sich nie.
Nur wenige Tage später, als sie von mir gegangen war und ich mich allmählich daran gewöhnte, wieder alleine zu sein, kam ihr neuer Typ zu mir, um mich auszuhorchen. Es betraf meine Ex. Er kam nicht klar mit ihr.
Ich habe keine Ahnung, wie lange sie sich schon kannten. Meine Ex war viel und lange im Internet. Ab und an sah ich, wie sich ein Typ bei ihr meldete. Da war natürlich nichts. Rein gar nichts. Sie schrieben nur so. Meist über die Kinder. Mit mir sprach sie nicht so häufig. Eigentlich sogar, nur ganz selten. Angeblich konnte sie nicht mit mir reden. Aber da war ich der Einzigste. Denn mit allen anderen konnte sie reden.
Ich regte mich oft über sie auf. Das heißt, nicht direkt über sie, denn sie war nicht nur eine Person. Mindestens zwei Persönlichkeiten in einem Körper. Platz genug war ja. Nur hatte ich nicht genug Nerven dafür. Die eine Persönlichkeit war lieb und nett, hatte mich gern um sich und versuchte mit mir zu kommunizieren. Die andere war ein Biest. Es ödete sie schon an, wenn sie mich nur sah. Ganz egal was ich tat, es war falsch. Und es war auch ganz egal, was ich sagte. Sie bekam es stets in den falschen Hals.
Ich hatte einige Jahre gebraucht, um dies herauszufinden. Denn oft ließ sie mich allein. Ging fort, ohne ein Ton zu sagen. Nie wusste ich, wohin sie ging und wann sie wiederkam. Es kam auch vor, das sie über Nacht wegblieb. Ein anderer Kerl war da nie, behauptete sie. Ich war mir da nicht so sicher. Dennoch blieb ich bei ihr, weil ich ihr verfallen war. Lange hatte es gedauert, um mich von ihr zu lösen. Zumindest ein wenig.
Ich saß bei mir zu Hause und trank mein Morgenkaffee. Es war schon fast Mittag und meine letzte Tasse, als er klingelte. Ich weiß nicht so genau, warum ich aufgestanden war und ihm die Tür geöffnet hatte. Besuch hatte ich keinen erwartet. Auch keine Post und Pakete. Normalerweise reagiere ich auch nur äußerst selten, auf das Klingeln, wenn ich niemanden erwarte.
Er stand vor mir und überlegte, wie er anfangen sollte. Ich sah ihn an und konnte mir schon denken, was er mich fragen wollte. Deshalb sagte ich zu ihm:
„Kommst nicht klar, mit ihr. Ist grad mies drauf und du weißt nicht warum. Nun willst du von mir wissen, was mit ihr ist und was du tun kannst, damit sie wieder die liebe nette Dame wird, die du mir weggenommen hast. Vergiss es.“
Dann schlug ich die Tür zu. Ich sah es nicht ein. Zuerst spannt er mir meine Frau aus und dann soll ich ihm auch noch sagen, wie sie tickt und warum. Nicht mit mir. Soll er es selbst herausfinden. Er hatte doch auch herausgefunden, wie er sie mir wegnehmen kann.
Er klingelte noch ein paar mal bei mir. Aber ich reagierte nicht. Stattdessen öffnete ich mir eine Flasche Bier und feierte still und heimlich. Jahrelang musste ich mit ihren Launen leben. Herausfinden, was da nicht mit ihr stimmt. Versuchen, damit klarzukommen. Unter anderen Umständen hätte ich ihm vielleicht geholfen. Aber so nicht.
Ich bin mal gespannt, wie lange diese Beziehung geht. Eines kann sie auf jeden Fall wissen. Ich komme nicht zu ihr zurück. Hoffe ich, zumindest.
Er war gefürchtet. Man sagte, das er vor nichts und niemanden Angst hatte. Aber keiner wusste so recht, wie er aussah. Seine Opfer machten unterschiedliche Angaben. Gab es mehr, als nur einen? Die Polizei tappte im Dunkeln.
Er stand an der Haltestelle und wartete auf die Straßenbahn. Währenddessen las er in seinem Buch. Im Licht der Straßenlaterne sah er aus, wie ein leichtes Opfer. Schmächtig. Wehrlos. Sie kamen auf ihn zu. Zwei junge Burschen. Gerade mal fünfzehn und nur Flausen im Kopf. Sie waren, bei der Polizei, nicht unbekannt. Fast täglich gerieten sie aneinander. Doch heute Abend würden sie eine Lektion bekommen. Hätten sie gewusst, wer der Mann, unter der Laterne, wirklich war, hätten sie einen großen Bogen um ihn gemacht. Denn er war der Gefürchtete.
Großmäulig gingen sie auf ihn zu. Jeder hatte einen Totschläger in der Hand. Doch die nutzten ihnen nicht. Ganz im Gegenteil. Sie wurden ihnen zum Verhängnis. Flink, wie ein Wiesel, wich er den Schlägern aus. Im nächsten Augenblick, hatte er einen davon in der Hand. Gleich darauf den Zweiten. Verdutzt standen sie vor ihm. Er lächelte sie an und stieß ihnen ihre Totschläger in ihre Juwelen. Einmal. Zweimal. Und noch ein drittes mal. Ihnen blieb die Luft weg. Der Schmerz war immens. War es ihnen eine Lektion gewesen?
Er steckte die Totschläger ein, hob sein Buch auf und wartete weiter auf die Straßenbahn. Als sie um die Ecke bog, betrat er die Straße. Die zwei Jungen lagen zusammengekrümmt auf dem Fußweg. Entfernt vom Schein der Straßenlaterne.
Seine Sammlung wuchs. In der Zwischenzeit hatte er schon eine beachtliche Sammlung. Totschläger, Schlagstöcke, Schlagringe, Messer und was es sonst noch auf den Markt gibt. Für ihn waren es alle Feiglinge. Warum sonst brauchten sie Waffen? Sein Vater hatte ihm einst erzählt, das es früher alles anders war. Fairer. Damals hatte man noch eine richtige Chance gehabt, sein Geld zu behalten. Mann gegen Mann. Ohne Waffen.
Am folgenden Tag stand er wieder einmal in der Zeitung. Titelblatt. Wie es aussah, hatte er es diesmal übertrieben. Laut dem Bericht, würden die Jungen keine Mädchen glücklich machen können. Zumindest würden sie nie eigene Kinder bekommen. Er dachte eine Weile darüber nach, was er getan hatte. So arg sollte es eigentlich nicht werden. Aber andererseits pflanzten sich schon zu viele Idioten fort. Er hätten ihnen ja nichts getan, wenn sie ihn in ruhe gelassen hätten. So beruhigte er sein Gewissen.
Es vergingen ein paar Tage, bis er wieder seine Wohnung verließ. Einkaufen und wieder zurück. Keinen Ärger bekommen. Wenn welcher im Anzug war, einen großen Bogen darum machen. So hatte er es geplant. Doch dann kam alles anders. Die Bande überfiel zwar nicht ihn, aber eine alte Frau, die gerade erst ihre Rente geholt hatte. Das konnte er nicht zulassen. Auf dem Boden lagen ein paar dickere Äste. Er hob zwei auf und schlug zu. Überrascht drehten sie sich zu ihm um und erhielten Schläge ins Gesicht. Dank des Überraschungseffekts, hatte er sie schnell am Boden. ZACK! Die Stahlkappen, in seinen Schuhen, verstärkten seine Tritt. Immer wieder trat er zu und schlug zu. Ja, er war es. Der Gefürchtete. Winselnd lagen sie am Boden. Die alte Frau bedankte sich bei ihm und ließ sich von ihm nach Hause begleiten.
Bis zum späten Abend saß er bei ihr. Sie erzählte ihm ihre Lebensgeschichte. Beichtete ihm, das sie sehr einsam war. Ihre Freunde und ihr Mann waren schon lange tot. Nachwuchs hatte sie keinen. Als junges Mädchen wurden ihr die Eierstöcke entfernt. Bis heute wusste sie nicht, warum sie ihr entfernt wurden. Es war nicht notwendig gewesen.
Sie wurden Freunde, bis zu ihrem tot, der ganz plötzlich kam. Es stimmte ihn traurig, da sie die einzigste war, der er sich anvertrauen konnte. Sie wusste über ihn Bescheid. Nicht nur, weil sie gesehen hatte, wie er in die Juwelen der anderen trat. Er hatte es ihr auch gebeichtet. Begeistert war sie nicht gewesen. Aber sie sagte auch, das sie es nicht anders verdient hätten.
Die Polizei stand eines Tages vor seiner Tür, mit einem Hausdurchsuchungsbefehl. Emotionslos ließ er sie rein und alles durchsuchen. Auf Anhieb fanden sie die gesammelten Tatwerkzeuge seiner Angreifer. Die Polizisten nahmen alles mit. Ihm interessierte es nicht. Es waren ja nicht seine Waffen. Und er brauchte sie nicht.
Auf seinem Wunsch hin, bekam er keine Handschellen angelegt. Freiwillig ging er mit ihnen die Treppen hinunter. Man hätte denken können, das sie sich kannten. Sie unterhielten sich ganz normal über banale Dinge. So wollte er es auch. Es sollte keiner sehen, das er verhaftet wurde.
Auf dem Revier erzählte er ihnen alles. So, wie es wirklich gewesen war. Er verschönerte nichts. Hatte ja auch keinen Grund dazu. Die Polizisten hörten ihm zu und machten sich Notizen. Ab und zu sah er ein Kopfschütteln. Wie er es zu deuten hatte, wusste er nicht. War ihm auch egal.
Nach etwa einer Stunde war er fertig, mit seiner Erzählung. Die Polizisten sahen sich an und dachten über das Gehörte nach. Dann verließen sie den Raum und ließen ihn allein. Ein paar Minuten später kamen sie zurück. Sie waren sich einig, das es stets Notwehr gewesen war. Deshalb ließen sie ihn ungestraft gehen. Aber er musste ihnen versprechen, sich in Zukunft zurückzuhalten. Nicht mehr so brutal zu sein. Jeden Fall musste er sofort melden. Alle Waffen sofort bei der Polizei abgeben. Wenn er ihnen das versprach und sich daran hielt, würden sie ihn auf der Stelle freilassen.
Er zögerte keine Sekunde. Bevor sie es sich anders überlegten, stimmte er den Bedingungen zu. Er sah ihnen an, das sie müde und überarbeitet waren. Wahrscheinlich ließen sie ihn deshalb frei. Ihm war es egal gewesen. Hauptsache, er konnte wieder nach Hause.
So eine blöde Kuh. Erst sagt sie zu mir, das sie keinen Bock mehr hat und ich mich deswegen verpissen soll. Ich suche mir eine neue Frau, sie sieht mich mit ihr und macht mir, auf offener Straße eine Szene. Was soll der scheiß? Sie hat mich verlassen. Grund: „Ich habe keinen Bock mehr.“ Verstehe es zwar nicht, aber das ist uninteressant. Wann verstehe ich schon meine Dame. Dumm ist sie nicht. Sie weiß nur nicht, was sie wirklich will. Heute so, morgen so.
Als sie zu mir gesagt hatte, das ich gehen und mir eine Neue suchen kann, war ich sehr deprimiert. Meine Versuche, mich abzulenken, schlugen fehl. Überall Erotik und Sex. An fast jeder Straßenecke wurde geknutscht. Das war der ausschlaggebende Punkt. Was hinderte mich dran, etwas Neues aufzureißen? Sie hatte schließlich Schluss gemacht. Also war ich frei. Konnte tun und lassen, was ich wollte. Warum sollte ich da alleine bleiben? Ich hätte eh nur um sie getrauert. Schade um die Zeit.
Eigentlich hätte ich es mir denken können. Seit Anbeginn ist es schon so. Wir leben friedlich zusammen. Alles läuft super. Plötzlich macht sie Schluss. „Kein Bock mehr.“ Jedes mal das gleiche Theater. Und was mache ich? Heulen. Kaum geht es mir besser, sind wir wieder ein Paar. Warum ich das immer wieder mit mache? Weil ich blöd bin. Ihr verfallen. Aber nicht diesmal. Irgendwann muss einmal Schluss sein. Es tut jedes mal weh, wenn sie von mir geht. Auch wenn ich in der Zwischenzeit wusste, das es nur ein paar Tage dauert, bis sie wieder zurück kommt.
Ich liebte sie zu sehr. Selbst dann noch, als ich schon etwas Neues gefunden hatte. Meine neue Frau sah sehr schön aus und hatte einen hohen Intelligentsquotienten. Mit ihr führte ich Gespräche. Richtige Gespräche. Kein dummes Gelaber. Wir lästerten nicht über andere Menschen. Logen uns nicht an. Redeten lieber über die aktuellen Ereignisse, Wissenschaft und andere wichtige Dinge. Auf sie konnte ich mich verlassen. Wenn sie etwas sagte, blieb es auch dabei. Kurz gesagt, sie war langweilig. Ich sehnte mich nach meiner alten Beziehung. Da wusste ich nie, was auf mich zukam. Wenn wir uns etwas ausmachten, passierte es oft, das sie sich spontan anders entschied und mir nichts davon sagte. Regten uns über die Dummheit der anderen auf. Machten Witze über andere. Jeder Tag war anders. Sogar jede einzelne Sekunde. Nie wusste ich, was als nächstes geschah. Es blieb spannend.
Nun musste ich mich entscheiden. Entweder lästern, oder intelligente Gespräche. Ich wollte beides. Darum rief ich meine Ex an und bat sie, zu mir zurückzukommen. Unter Tränen gestand ich ihr, das sie mir fehlte. Gut, sie war nicht blöd und wusste, das ich nicht wirklich weinte. Dennoch kam sie wieder. Wir stellten keine Fragen. Ich wollte nicht wissen, ob sie mit einem anderen im Bett lag. Was ich wollte, war einfach nur sie.
Sie war gereift. Hatte die Zeit genutzt, um über uns und sich selbst nachzudenken. Jetzt macht sie zwar nicht mehr so häufig Schluss mit mir, aber ansonsten ist sie die Alte geblieben. Wir gönnen uns auch mehr Freiraum. Kleben nicht mehr aneinander. Ich nutze die Zeit mit der anderen Frau. Nur dummes Gerede ist nicht mein Ding. Manchmal möchte ich mein Hirn benutzen. Bescheid wissen, über die neuesten Erkenntnisse aus der Wissenschaft. Als Nichtwähler, ist mir Politik uninteressant. Ich habe keine Ahnung davon und es interessiert mich auch nicht. Das die nur Blödsinn raus bringen, ist mir auch so bewusst. Auch ohne, das ich mich darüber informiere.
In der Zwischenzeit sind wir auch verheiratet und haben zwei Wohnungen. Wie gesagt, sie macht zwar nicht mehr so häufig Schluss, aber sie macht es noch. Wahrscheinlich ein Hobby von ihr. Ich weiß es nicht. Und es ist mir egal. Ich liebe sie so, wie sie ist.
Nach über fünfzig Jahren kam ich wieder in meine Heimatstadt. Ein drittel, meines Lebens, verbrachte ich hier. Ich fragte mich, warum ich damals gegangen war. Eigentlich hatte ich mich doch ganz wohl gefühlt. War sehr heimatverbunden. Ja, ich liebte diese Stadt.
Ich suchte meine alten Gegenden auf, wo ich mich des öfteren aufgehalten hatte. Es war schwierig für mich, mich zurecht zu finden, da sich so vieles geändert hatte. Kaum etwas erkannte ich wieder. Das Rathaus sah aus, wie immer. Aber der Platz, wo es steht, hatte sich stark geändert. Oder trübten mich meine Erinnerungen? Erinnerte ich mich nur falsch daran?
Ich fuhr aus der Stadtmitte, an den Rand. Besuchte meine alten Stadtviertel, wo ich eine zeit lang gelebt hatte. Auch hier hatte sich einiges geändert. Nur noch wenig erinnerte an damals. Meine letzte Wohnung hatte eine komplette Sanierung bekommen. Hätte mich auch gewundert, wenn sie das Haus so gelassen hätten. Als ich wegzog, bröckelte schon leicht der Putz von der Wand. Und auch so, war es nicht besonders ansehnlich. Hier hatte ich mein erstes Kind gezeugt. Viele hatten behauptet, das dieses Kind nicht von mir stammte. Irgendwann hatte ich es fast selbst geglaubt. Kein Wunder. Eine ganze zeit lang war ich allein gewesen. Morgens verschwand sie und erst nachts kam sie wieder. Öfters erhielt ich Anrufe, das sie mit anderen Kerlen gesehen wurde. Meine anrufe ignorierte sie. Und wenn ich sie fragte, mit wem und wo sie gewesen war, erfuhr ich nichts. Sie sprach nicht mit mir. Diese Phasen hatte sie zu unterschiedlichen Zeiten. Auch die Zeitspanne war ungleich. Dennoch hatte ich sie geliebt.
Nach der Geburt lief es sehr gut, zwischen uns. Dann hatte sie wieder ihre Phase. Es war ein hin und her gewesen. Zwischendurch wollte sie sich von mir trennen. Dann wieder nicht. Gern ließ sich sich von ihren „Freunden“ reinreden. Sie bemerkte nicht, das sie von ihnen angelogen wurde. Glaubte jeden scheiß, den sie ihr über mich erzählten. Und irgendwann machte sie daher ganz Schluss. Eigentlich hätte ich mich darüber freuen sollen. Endlich frei. Das ganze Theater hinter mir. Aber ich hatte sie zu sehr geliebt, wie unser Kind.
Nach und nach kamen die Erinnerungen zurück. Mir fiel alles wieder ein. Auch der Grund, warum ich damals gegangen war. Zu oft wurde mir mein Herz gebrochen. Meine Kindheit war auch nicht die beste gewesen. All die Erinnerungen schmerzten. So sehr, das ich das Gefühl hatte, sie wären ganz frisch.
Warum musste ich damals so sehr leiden? Immer wieder wurde mir irgendwie wehgetan. Stets stand mir irgendwas, oder irgendwer, im Weg und ich kam nicht vorwärts. Kaum hatte ich mir was angespart, gab ich es wieder aus. Entweder verlieh ich es jemanden und bekam es nicht zurück, oder ich war so blöd, und gab es freiwillig für jemand aus. Meist für die, mit der ich gerade zusammen war. Auch wenn ich schon vorher wusste, das die Beziehung nicht lange hält. Lag es an mir, das es so schnell wieder auseinanderging?
Ich hatte keine Lust mehr. Knapp zwei Stunden, war ich in meiner Geburtsstadt gewesen. Die Erinnerungen schmerzten zu sehr. Ich wusste wieder, warum ich damals fortging. Zu viel Schmerz und Leid. Deshalb lief ich damals fort. Und ich hätte fernbleiben sollen.
Er hatte geglaubt, das sie die Frau war, mit der er seinen Lebensabend verbrachte. Sie war zwar keine Schönheit und konnte sehr launisch sein, aber er liebte sie dennoch. Jedes einzelne Milligramm an ihr. Irgendetwas hatte sie an sich, das er nicht von ihr loslassen konnte. Oft hatte sie ihm gesagt, das sie nichts mehr von ihm wollte. Keine Gefühle für ihn hätte. Sie schrieb mit anderen Männern über Messenger und traf sich gelegentlich auch mit ihnen. Es tat ihm weh. Sehr weh. Am liebsten hätte er sie einfach sitzen lassen. Aber er konnte es nicht. Es war seine Frau und er musste sie beschützen. Er wusste zu genau, das sie oft etwas tat, ohne darüber nachzudenken. Und es waren nicht nur Momente. Tage. Wochen. Sogar Monate lang konnte es so gehen. Sie war krank und wollte sich nicht kurieren lassen, weil sie schreckliche Angst davor hatte, sich mit ihrer Vergangenheit auseinander zu setzen. Er wusste nicht viel, über ihre Vergangenheit. Aber das, was er wusste, genügte ihm, um bei ihr zu bleiben und die Schmerzen zu ertragen. Noch hatte sie mit keinem etwas angefangen. Nur getroffen und miteinander geredet. Noch war er für sie da gewesen. Aber sobald er erfahren würde, das sie sich geküsst hatte, oder gar mit einem anderen geschlafen, würde er sie fallen lassen. Das hatte er sich ganz fest vorgenommen.
Es war an einem Wochenende gewesen. Ende des Sommers. Ein schlag ins Gesicht. Sie hatte sich entschlossen, ihn zu verlassen und mit einem anderen eine Beziehung anzufangen. Für ihn brach eine Welt zusammen. Trotz allem, was sie ihn angetan hatte, war es für ihn ein Schock, sie zu verlieren. Sein Herz krampfte sich zusammen. Ihm war übel. Alles drehte sich. Sein Magen zog sich zusammen. Nur mit mühe konnte er sich auf den Beinen halten.
Alleine saß er da und heulte. Die Tränen strömten aus seinen Augen. Warum nur hatte sie ihn verlassen? Wie konnte Gott ihm nur so was antun? Sein ganzes Leben drehte sich nur um sie. Sie war der Mittelpunkt seines Lebens gewesen. Seine große Liebe. Und nun war sie weg. Würde nie wieder kommen. Er war allein. Nach so vielen Jahren, war es nicht leicht für ihn gewesen, plötzlich ganz allein zu sein. Er hatte niemanden. Weder freunde noch Familie. Alle hatte er im Stich gelassen, weil er nur Augen für sie gehabt hatte.
Nur ganz langsam erholte er sich. Immer wieder wachte er nachts schweißgebadet auf, weil er von ihr und ihrem neuen Freund geträumt hatte. Sie sah glücklich aus. Aber war sie auch glücklich? Er glaubte nicht daran. Zu genau wusste er, wie sie war. Wie sie Gefühle verdrängte und überspielte. Das sie log. Sogar sich selbst. Nur gab sie es nicht zu, weil sie es nicht bemerkte, das sie sich selbst belog. Die Frau war schon einzigartig. Etwas ganz besonderes, was er nicht verlieren wollte, aber am Ende doch verloren hatte. Eigentlich hätte er darüber glücklich sein müssen. Schließlich hatte sie ihm sehr oft wehgetan. Aber er war todtraurig.
Unverhofft und ganz plötzlich stand sie vor ihm. Sie hatte geweint. Das sah er ihr an. Sie standen auf der Straße. Er sagte kein Wort. Sah sie nur an und hörte ihr zu, wie sie sich bei ihm entschuldigte. Sie wollte zurück zu ihm, weil sie gemerkt hatte, das sie ihn immer noch liebte.
„Du verlässt mich und lässt dich auf einen anderen Typen ein. Trotz meiner Warnung. Ich hatte dir gesagt, klär ihn auf, wie du bist. Du wolltest nicht auf mich hören. Wie so oft.“
Er ging zum Bordstein, schaute noch ein letztes mal zurück. Dann trat er auf die Straße. In dem Moment kam ein LKW angefahren und erwischte ihn. Bremsen war zu spät.
Lächelnd blickte er zum Himmel.
Traurig saß er in seinem Sessel und schaute stumpfsinnig in die Röhre. Sein Leben war vorbei. Denn sie war sein Lebensinhalt gewesen. Stets hatte er alles für sie getan. Zu viel. Sie kam sich vor, wie ein Baby, da er wirklich alles für sie getan und nicht zugelassen hatte, das sie einen Finger rührte.
Sie war seine große Liebe und er tat alles für sie. Dabei merkte er nicht, das er es übertrieb. Das sie nicht wollte, das er ihr alle arbeiten abnahm. Sie behandelte, als wäre sie ein kleines Kind. Er glaubte, das er ihr damit einen Gefallen tat, da sie nicht sehr Bewegungsfreudig war. Aber da irrte er sich.
Es war am 20.12.2012, als sie ihm sagte, das sie es nicht mehr aushielt und sie sich von ihm trennte. Für ihn brach eine Welt zusammen. Er dachte an Selbstmord. Ohne sie konnte er nicht weiter leben. Das war unmöglich. Sein ganzer Lebensinhalt. Alles, wofür er lebte, war sie. Wenn sie ihn verließ, war er zu nichts zu gebrauchen.
Tränen brachen aus. Doch es half nichts. Sie war fest entschlossen, ihn zu verlassen. Für eine Weile ganz alleine zu leben. Ohne ihn, oder sonst irgendwen. Endlich selber alles machen. Zeigen, das sie etwas kann. Doch sie ließ sich von ihm überreden, das sie noch über Weihnachten bei ihm blieb. Das sie jene Zeit miteinander verbrachten, bevor sie gänzlich aus seinem Leben verschwand.
Er spürte selbst, das sich etwas verändert hatte. Tiefe Trauer machte sich breit. Was sollte er machen, wenn sie weg war? Wen hatte er noch? Er war ratlos. Dachte an Suizid. Doch dann fiel ihm der Maya - Kalender ein. Am 21.12.2012 sollte die Welt untergehen. Nur noch eine Nacht. In dieser Nacht wollte er ihr noch ein letztes mal zeigen, wie sehr er sie liebte.
Es war eine erregende Nacht gewesen. Beide kamen zu ihrem Glück. Zufrieden lagen sie nebeneinander und hielten gegenseitig ihre Hand. Er wartete darauf, das es endlich passieren würde. Das die Welt unterging und er mit ihr ins Paradies. Doch nichts geschah. Die Uhr schlug zwölf. Eins. Zwei. Sie lebten immer noch. Er fing an zu weinen. Plötzlich hörte er es donnern. Blitze erhellten den Himmel. Ängstlich klammerte sie sich an ihm. Er genoss ihre Wärme. Roch ihren Duft. Dann war Stille. Sie lagen eng umschlungen in ihrem Bett und bewegten sich nicht. Kein Herzschlag mehr. Hatte sich der Maya – Kalender erfüllt?
Das Jugendamt. Was für Ärsche. Lauter Weiber, die zusammenhalten. Als Mann bist du der Arsch. Scheiß egal, wie die Frau ist und was sie angestellt hat, sie bekommt die Kinder und der Mann einen kräftigen Arschtritt. Der darf zahlen. Dafür ist er Mann geworden. Um Kinder zu zeugen und dafür zu zahlen. Als Mann wirst du doch nur ausgenutzt.
Früher war der Mann noch der Heer im Haus. Er hatte die Hose an. Über Jahrtausende lief es ganz erfolgreich. Dann emanzipierte sich die Frau. Von jetzt auf nun, musste der Mann der Frau gehorchen. Ein Mann hat, heutzutage, nichts mehr zu melden.
Ich hatte alles gesagt. Jede große und kleine Gegebenheit erzählt. Die ganze Wahrheit über meine Frau. Ihre Neigung zu Gewalt. Nicht einhalten von Abmachungen. Verbreitung von Lügen. Warum ich sie dennoch liebte und nicht wollte, das sie von mir geht, weiß ich nicht. Vielleicht lag es daran, das ich nicht allein sein wollte. Könnte auch andere Gründe haben. Ich wollte sie behalten. Dennoch erzählte ich dem Jugendamt alles. Das sie keine Rücksicht nimmt und mit Personen verkehrte, die nur saufen und vögeln im Kopf hatten. Die meine Kinder mit Nikotin verseuchten. Sie wuchsen in sozialen Brennpunkten auf. Denn auch Drogen wurden konsumiert. Wenn zwar nicht von meiner Frau, aber von ihren Bekannten, bei denen sie häufig war. Ich hatte verschiedenes versucht, damit sie bei mir blieb. Nicht mehr hinging. Aber es hatte alles nichts gebracht. Ganz im Gegenteil. Deshalb wendete ich mich ans Jugendamt.
Anfangs erzählte ich ihnen nur Bruchstücke. Schließlich wollte ich weder meine Frau, noch meine Kinder verlieren. Als meine Frau mit mir Schluss machte und sie die Kinder behielt, erzählte ich die ganze Wahrheit. Aber ich stieß auf taube Ohren. Anders gesagt; sie wollten mir nicht glauben. Sie hatten meiner Frau einen Besuch abgestattet, sich die Wohnung angesehen und mit ihr gesprochen. Es gab nichts zu beanstanden. Wohnung sauber und Frau geht nicht zu solchen Leuten. Frauen glauben nur Frauen.
Ich zog aus. Weit weg. Ich wollte nicht in ihrer Nähe sein. Konnte nicht zusehen, wie sie und meine Kinder verkommen. Mir glaubte ja keiner. Was sollte ich machen? Meine Kinder entführen? Dafür hätten sie mich hinter Gitter gebracht. Eine andere Möglichkeit fiel mir nicht ein. Außer verdrängen und vergessen. Es ging auch ganz gut. Hatte zwar eine Weile gedauert, aber dann lebte ich ganz zufrieden mit mir selbst. Das lag aber daran, das ich weit weg gezogen war und mir eine neue Frau gesucht hatte. Sie hatte ein Kind. Ein Mädchen. Wir verstanden uns auf Anhieb. Da sie damals noch ein Baby war, glaubte sie, das ich ihr biologischer Vater wäre. Meine Neue und ich ließen ihr den Glauben. Warum ihr etwas wegnehmen, was sie liebt!?
Es war reiner Zufall. Ich saß beim Arzt. Einmal zu viel Zehennagel abgeschnitten und schon wächst er ein. Es tat weh und eiterte. Deshalb bin ich zum Arzt. Und dort fand ich eine Zeitschrift. Ich blätterte sie gelangweilt durch. Plötzlich sah ich ein Bild. Das Gesicht kam mir bekannt vor. Der Junge hatte Ähnlichkeiten mit mir und war tot. Die Mutter im Gefängnis und das andere Kind im Kinderheim. Und nun? Mein Zeh, oder mein Kind? Eine schwierige Entscheidung. Schließlich waren schon ein paar Jährchen vergangen.
Ich wurde aufgerufen. Während mein Arzt, mein Zeh untersuchte, dachte ich darüber nach. Es half sogar, das ich keinen Schmerz spürte. Und mein Zeh war sehr empfindlich.
Mir war klar gewesen, das er mich nicht erkannte. Zu viel Zeit war vergangen. Die Zeitschrift war auch schon ein paar Monate alt gewesen. Ich verstand auch, warum er nicht mit mir mit wollte, obwohl ich sein biologischer Vater war. Jedenfalls glaubte ich es. Ich war mir da ziemlich sicher.
Ich erfuhr, das ich weder Sorgerecht noch Umgangsrecht hatte. Die Heimleiterin hätte ihn mir gern mitgegeben. Ich durfte ihn auch offiziell adoptieren. Aber mein Sohn wollte nicht. Es tat weh, aber ich akzeptierte es. Ich ließ ihn in Ruhe.
Noch viele Jahre später dachte ich daran. Hätte das Jugendamt mir geglaubt und die Kinder gegeben, anstatt ihr, wären sie beide noch am Leben. Und vielleicht wäre sie in ein Krankenhaus gekommen. Denn in ihrem Kopf lief es nicht ganz rund. Sie brauchte professionelle Hilfe. Schon allein deswegen, um ihre Vergangenheit aufzuarbeiten und zu verarbeiten. Sie hatte keine schöne Kindheit. Deswegen frage ich mich, warum es sie immer wieder ins alkoholisierte, gewaltliebende Elternhaus zurückzog. Warum kam niemand, um die Kinder dort rauszuholen? Jeder wusste doch Bescheid, wie es dort ist?
Es war ein sehr langer Weg gewesen. Am Anfang war sie sehr gegen mich. Ich konnte sie verstehen. Schließlich war ich nicht ihr Vater. Ihr Vater starb vor über zwei Jahren. So weit ich erfuhr, standen sie sich sehr nahe.
Ich hielt mich von ihr fern, so gut ich konnte. Ihrer Mutter gefiel es nicht, wie ihre Tochter zu mir war. Aber sie hatte ja auch noch ihre zwei Eltern. Sie wusste nicht, wie es war, wenn ein Elternteil, an den man besonders hing, nicht mehr wiederkam. Ganz egal, ob jenes abgehauen, oder verstorben war. Ich kannte das Gefühl auch nicht, konnte es mir aber vorstellen, da ich selbst jemanden verloren hatte, der mir sehr am Herzen lag. Niemand konnte die Person ersetzen. Auch nicht diese Frau. So sehr ich sie auch liebte.
Als wir beschlossen hatten, ein Paar zu sein, übernachteten wir bei ihr. Ich durfte ihre Tochter kennenlernen. Sofort bekam ich ihre Antipathie zu spüren. Ihre Mutter entschuldigte sich, für sie bei mir. Aber ich erwiderte, das das Verhalten ihrer Tochter ganz normal ist. Sie solle sich vorstellen, wie es wäre, wenn sie an ihrer Stelle wär.
Ich zog nicht bei ihr ein. Vor allem wegen ihrer Tochter. Ich respektierte sie und ihre Meinung. Sie hing nun mal an ihrem Vater. Niemand konnte ihn ersetzen. Ich würde es auch nie versuchen wollen. Es war schon so hart genug für sie. Ein Mensch, an dem sie sehr hing, mit dem sie über all ihre Probleme geredet hatte, war verstorben. Auch wenn es schon zwei Jahre her war, als ihr Vater starb... Manche Menschen brauchen eben ein wenig mehr Zeit, um die Trauer zu überwinden. Ihre Mutter hatte auch über zwei Jahre gebraucht, um einen neuen Partner zu suchen. Daher ging ich auch alles sehr sehr langsam an.
Es war an einem Sonntag. Ich wollte einen kleinen Ausflug mit ihnen machen. Das Mädchen hatte keine Lust dazu. Hatte noch Hausaufgaben zu erledigen. Ich fragte sie, ob sie Hilfe benötige. Auch wenn es schon lange her war, das ich in der Schule saß, habe ich noch lange nicht alles vergessen. Daraufhin fragte sie mich, ob ich mich mit Brüchen auskennen würde. Das war kein Problem für mich und ich bot ihr an, ihr zu helfen. Zögerlich und nicht wirklich wollend, nickte sie.
Es war nicht leicht, ihr etwas beizubringen. Sie war nicht dumm. Ganz und gar nicht. Sie begriff manches nur ein wenig spät. Und das machte sie aggressiv. Es grenzte schon an ein Wunder, das ich nicht laut geworden war. So oft, wie sie ausgerastet war, weil sie das Prinzip nicht verstehen wollte.
Am Ende hatte ich es doch noch geschafft. Da hatte ich aber keine gute Laune mehr gehabt. Sagte nur, so und so wird’s gemacht. Fertig. Basta. Mein Tonfall war sehr streng gewesen. Ich war ja auch fertig mit den Nerven. Seltsamer Weise hatte sie es plötzlich kapiert. Ruck zuck löste sie ihre restlichen aufgaben alleine und richtig. Der Tag war zwar zu ende. Aber ich hatte es geschafft, dem Kind etwas beizubringen. Das befriedigte mich innerlich und ich war ihr näher gekommen.
Nach dem sie eingeschlafen war, genoss ich die Nacht mit ihrer Mutter. Das hatte ich gebraucht.
Mit meiner neuen Freundin hatte ich ausgemacht, das ich die Nacht bei mir verbringe. Doch ihre Tochter änderte unsere Pläne. Wieder hatte sie ein schulisches Problem gehabt. Ihre Mutter durfte ihr nicht helfen. Ich musste ran. Warum ich es unbedingt sein sollte und nicht ihre Mutter, weiß ich nicht. Es war mir auch egal. Sie bat mich, ihr bei den Hausaufgaben zu helfen und ich tat es gern. Wohlwissend, wie sie sein konnte, wenn sie etwas nicht gleich verstand. So kamen wir uns näher. Sie akzeptierte mich nicht als Vater, oder Stiefvater. Aber als den neuen Lebensgefährten ihrer Mutter. Und als Nachhilfelehrer.
Das Leben ist hart. Die einen sind härter und die anderen welken dahin. Ich mochte ihn. Er war intelligent. Mein Lieblingspapa. Er stritt nie. Gab zu, wenn er im Unrecht war. Lehrte mich viel. Doch dann...
Wir hatten viel Spaß. Leider tranken wir oft zu viel. Aber es gab auch Treffen, da waren wir stärker, als der Alkohol. Wir widerstanden dem Feind. Es fiel uns nicht immer leicht. Aber wir schafften es.
Ich kann nicht mehr zählen, wie viele Konzerte wie besucht hatten. Wir standen nicht drin. War uns zu teuer. Ein Konzert wäre gegangen. Aber es gab so viele gute Bands. Wir konnten es uns nicht leisten in jedes Konzert zu gehen. Zum Glück hörte es man auch außerhalb der Halle, des Saals, …
Ich weiß nicht, wie alles begann. Plötzlich war alles anders.
Am Anfang trafen wir uns und tranken dann gemeinsam. Das war okay. Wir trafen uns nüchtern und wurden gemeinsam betrunken. Keinem vom uns fiel es auf, das der andere voll war, da wir es beide waren. So verstanden und vertrugen wir uns auch. Philosophierten über Gott und die Welt. Alte Zeiten. Frauen. Eben alles.
Eine Bekannte traf ihn täglich. Eigentlich waren sie nur Freunde. Aber für einen Außenstehenden sah es anders aus. Wie Mann und Frau. Und da sie auch schon silbriges Haar hatten, nannten meine Kinder sie Oma und Opa. Sonst hatten sie keine Großeltern, denn meine Frau und ich wollten mit unseren Familien nichts zu tun haben. Schlechte Erinnerungen.
Ich weiß nicht mehr wann genau es begann. Papa Uwe gesellte sich plötzlich zu den Säufern, die stets vorm Supermarkt standen. Anfangs wollte er nicht. Lief an ihnen vorbei. Später blieb er bei ihnen stehen, unterhielt sich mit ihnen, trank mit ihnen, verlieh Geld. Trank jeden Tag. Eigentlich wollte er es nicht. Gab uns den Auftrag, ihn davon abzuhalten. Aber wie sollten wir es machen? Ihn 24h lang überwachen? Wenn wir ihm was sagten, hörte er nicht darauf. Er versank immer mehr und wir konnten ihm nur dabei zusehen. Zuerst verlor er sein Geld. Denn niemand gab ihm das Geliehene zurück. Am Ende verlor er seine Wohnung. Aber lange blieb er nicht dort. Sein Körper war schon zu sehr angegriffen gewesen und machte nicht mehr mit.
Wir fanden ihn zufällig. Kleine Tränen verließen unsere traurigen Augen. Wir warfen Erde über seinen Körper, bis er komplett verdeckt war. Danach sprachen wir ein kleines Gebet für ihn.
Im Grunde genommen, war er ein netter Mann gewesen. Großzügig. Aber auch einsam. Er sehnte sich nach einer Frau an seiner Seite. Nur waren seine Ansprüche zu hoch gewesen. Nie im Leben hätte er eine Frau gefunden, die zwanzig Jahre jünger war, als er, rasiert und … keine Ahnung. Er war nicht mehr der Jüngste gewesen und die Zeit hatte ihre Spuren hinterlassen. Außerdem hatte er nichts zu bieten. Weder Auto, noch Geld, noch Erfolg.
Ich denke oft an ihn. Schade, das er so früh ging.