Zwei Freunde, die sich gut verstehen und sich vertrauen. Habe es noch nicht geschafft, die Geschichten in eine reihenfolge zu bringen. Wer mag, kann es gern für mich tun.
Es war an einem Sonntagmorgen. Ich war mit meiner Wohnung beschäftigt. Hatte neue Ideen, die ich sofort umsetzen wollte. Mein Kaffee stand da und wurde immer kälter. Kam nicht dazu, ihn zu trinken. In meinem Kopf ging es heiß her. Ich konnte keine Pause machen. Nicht mal eine ganz kurze, um einen Schluck Kaffee zu trinken. Ich hatte Ideen und zu viel Energie. Alles musste raus. Vorher gab ich keine Ruhe.
Mein Hochbett erstrahlte im neuen Glanz. Rabenschwarz. Es hatte drei Etagen, wovon ich nur eine zum Schlafen nutzte und den Rest als Ablagefläche. Meine Wohnung war klein und ich musste mir Überlegen, wohin mit all dem Zeug, das sich angesammelt hatte, im Laufe der Jahrzehnte. Einiges davon würde ich bestimmt noch wegschmeißen, weil es kaputt war oder ich es nicht mehr gebrauchen konnte. Aber am ende blieb dann doch noch jede Menge übrig, von den ich mich nicht trennen konnte. Wie meine LTB's. Seit Jahren habe ich schon das Abo. Auch meine Langspielplatten werde ich nicht weggeben, oder wegschmeißen. Irgendwann werde ich sie mir digitalisieren. Aber dennoch behalten.
Ich rief Nadine R an. Es war Mittagszeit. Das sie gerade beim Mittagessen war, interessierte mich nicht. Ich aß auch nichts. Kam nicht dazu. Hatte auch kein Appetit. Vielleicht würde ich am Abend eine Kleinigkeit zu mir nehmen. Die Wahrscheinlichkeit war zwar gering, aber für einen Sekundenbruchteil dachte ich ernsthaft daran.
Ich sagte ihr, das ich ihre Hilfe brauchte. Bat sie darum, zu mir zu kommen. Genaueres erzählte ich ihr nicht. Sie würde es rechtzeitig erfahren, wenn sie bei mir war. Außerdem hatte ich keine Zeit für Erklärungen. Ich musste weitermachen. Meine Wohnung wartete darauf, das ich endlich fertig werden würde.
Es gab noch einiges zu reparieren. Man sollte eben nicht jeden in seine Wohnung lassen. Ich meine, es kann mal was passieren, das was runterfällt, oder so was. Aber manche übtreiben es wirklich. Ein Glas zu viel und sie wissen nicht, was sie tun. Oder taten sie mit Absicht? Bekamen sie zerstörungswut?
Nadine R ließ sich Zeit. Es war schon Kaffeeszeit. Da kam mir auch mein Morgenkaffee wieder in den Sinn. Auch wenn er schon sehr kalt war, wollte ich ihn nicht wegschütten. Früher hatte es mich auch nicht gestört, kalten Kaffe zu trinken. Aber da war ich auch noch jung gewesen.
Endlich kam sie. Nun konnten wir gemeinsam loslegen. Ich war schon kurz davor gewesen, zu glauben, sie lässt mich im Stich. Wäre nicht die Erste gewesen, die mich enttäuschte. Sie mit mir verabredete und dann nicht kam. Versprechen machte und nicht hielt.
„Also, wobei brauchst Hilfe.“, fragte sie, kaum das sie meine Wohnung betreten hatte.
„Ich hab da ein riesengroßes Problem. Da drüben steht eine Wand. Da wollte ich ein Bild dranhängen. Dazu müsste vorher ein Nagel in die Wand. Und genau da brauche ich dich. Du musst den Nagel halten, während ich ihn reinhämmere.“
Sie schaute mich eigenartig an. Ich kann es nicht beschreiben. Ihre berühmte Augenbraue stach mir ins Auge. Gleich würde sie explodieren. Es tut mir ja Leid. Aber ich hatte mir vorhin auf die Finger geklopft. Noch einmal wollte ich es nicht riskieren. Es tat höllisch weh. Wenn ich ihre Finger traf, würde es mir keine Schmerzen bereiten. Vorausgesetzt, ich war schneller, als sie.
Sie entriss mir den Hammer, nahm sich einen Nagel und klopfte ihn in die Wand. Ohne sich selbst zu treffen. Ich war beeindruckt. Wenn sie das konnte, konnte sie bestimt auch aufwaschen. In meiner Küche stapelte sich nämlich das Geschirr.
Wie viel ich schon getrunken hatte, wusste ich nicht. Mir drehte es schon leicht und ich schwankte ein wenig. Ich sah Nadine R an und fragte mich, wie sie noch geradeaus gehen konnte. Sie hatte doch mehr getrunken, als ich. Oder irrte ich mich?
Es war schon geil gewesen. Eigentlich hatte ich sie nur angerufen, weil mir langweilig war und ich die ganze Zeit an meine Frau denken musste, die mit irgendeinem anderen Typen ausging. Ich hatte sie verloren und wollte es nicht wahrhaben. Aus irgendeinem, mir unbekannten Grund, hing ich an dem Miststück. Ja, ich liebte sie. Und ich war nicht der Einzigste. So weit ich mitbekommen hatte, gab es da mehrere. Genau deswegen hatte ich Nadine R angerufen. Um mich abzulenken. Nicht an sie zu denken, wie sie womöglich mit ihm in der Kiste landete.
Papa Uwe war auch da gewesen. Wir spielten Karten und hatten einfach nur Spaß dabei. Skat macht wirklich erst richtig Spaß, wenn man nicht ernsthaft spielt. Eine Karte falsch gelegt? Nimm sie wieder rein und leg die Richtige hin. Du hast nichts auf der Hand? Zeig mal her... So ging es die ganze Zeit. Wir hatten jede Menge Spaß und ich hatte kaum an meine Frau gedacht.
Wenn man Spaß hat, vergeht die Zeit ziemlich schnell. Papa Uwe hatte sich, ungefragt, in mein Bett gelegt und schnarchte. Ziemlich laut. Wir schauten ihm dabei zu. Eine ganze Weile. Überlegten uns Scherze mit ihm. Machten aber keinen. Lieber tranken wir weiter. Unterhielten uns weiter. Spielten alleine weiter.
Sie war sehr neugierig. Wollte viel über mich wissen. Anfangs hatte ich keine Probleme damit, ihr zu antworten. Aber nach und nach wurde meine Zunge schwerer. Ob sie mich noch verstand? Ich verstand sie immer weniger. Sah ständig nur auf ihre Augenbraue, die gen norden zeigte. Sie tat es unbewusst. Konnte es nicht unterdrücken. Mir gefiel der Anblick. War irgendwie erheiternd. Vielleicht lag es daran, weil ich wusste, dass sie den Tick nicht lassen konnte. Aber es gerne könnte. Wer weiß.
Gase stiegen in mir auf. Ich konnte sie nicht unterdrücken. Ein Rülpser nach dem anderen. Ich kam kaum mit dem atmen hinterher. Nadine R schaute mich nur an und sagte kein Ton. Brauchte sie auch nicht. Ihre erhobene Augenbraue sagte alles. Es tat mir ja leid. Aber ich konnte es nicht unterdrücken. Es musste raus.
Als ich bemerkte, das nicht nur aus meinem Mund Gas entfleuchte, war es zu spät. Nadine R stand auf und verließ mich. Naserümpfend. Ich verstand es ganz gut. Denn es roch wirklich nicht angenehm. Ganz im Gegenteil. Ich musste selbst flüchten. Brachte sie daher freiwillig zur Straßenbahnhaltestelle, obwohl es sehr kalt gewesen war.
Der Wind wehte eisig, aber günstig. Denn ich hatte noch sehr viel Gas in mir, das entweichen wollte und auch entwich. Der Wind trug sie weit weg von uns.
Als ich die Bahn sah, nahm ich, aus alter Gewohnheit, Nadine R in den Arm und gab ihr einen Schmatzer auf die Wange. Sofort entschuldigte ich mich dafür. Ich kann ja nicht mal behaupten, das es am Alkohol lag. Es war eben Gewohnheit gewesen. Bei Mama Ilona tat ich es auch immer. Oder bei meinen anderen Freundinnen. Nur kannte ich sie alle viel länger und besser. Nadine R kannte ich erst seit ein paar Wochen. Fand sie aber sehr nett. Und ich fand heraus; wenn sie in meiner Nähe war, machten andere einen großen Bogen um mich. Das gefiel mir. Denn es gab Personen, bei denen es mir ganz recht war, wenn sie mich nicht ansprachen. Sie waren einfach zu peinlich, oder sonstwie schrecklich.
Nadine R stieg in die Bahn. Ich winkte ihr noch eine Weile nach und wedelte damit unangenehme Gerüche von mir. Als es mir besser ging, lief ich zu mir. Ohne mich zu entblättern, ließ ich ich auf mein Sofa fallen. Denn mein Bett war ja besetzt.
Was ich wollte? Einfach nur einen schönen Tag mit meiner Familie verbringen. Mit meinen Kindern und deren Mutter. Es lief auch sehr gut. Wir unterhielten uns über alles mögliche. Vor allem über uns selbst. Das hatten wir früher viel zu selten gemacht. Eigentlich so gut, wie nie. Das war unser Fehler gewesen. Außerdem waren wir zu schwach gewesen. Unsere Bekannten und verwandten hatten alle was gegen unsere Beziehung. Sie ließen keine Gelegenheit ausgehen, um uns dazu zu bringen, das wir uns trennten. Vor allem ihre Seite. Ich löste mich von meinen Freunden. Wenn sie mit ihr nicht klar kamen, war es eine Sache. Aber niemand hat das Recht, sie schlechter zu machen, als sie in Wirklichkeit war. Sie hatte ihre Fehler. Mehr als genug. Aber wer musste damit leben und klarkommen? Ich! Kein anderer, außer ich. Und ich lebte damit, auch wenn es mich oft auf die Palme brachte. Ich wusste, warum sie so war. Das sie nichts dafür konnte, das sie so war. Bei der Kindheit und den Eltern?
Sie hatte es nie geschafft, sich von alten Angewohnheiten zu befreien. Ich sah ihre Bemühungen. Hörte raus, das sie sich von ihren „Freunden“ und ihrer Familie lösen wollte. Aber sie schaffte es nicht. Immer wieder zog es sie zu ihnen hin. Und immer wieder redeten sie ihr ein, sie soll mich verlassen.
Sie hatten es geschafft. Nach zwei Kindern und sechs Jahren Ehe, verließ sie mich. Wollte alleine leben. Angeblich kam es von ihr aus. Aber ich wusste es besser. Sie konnte es nicht mehr hören, was ich für ein Arsch bin. Das es besser wäre, wenn sie mich verließe. Ich kannte sie alle zu gut. Hatte sie beizeiten durchschaut. Sie waren einfach nur das Letzte. Nutzten die Naivität und Hörigkeit meiner Frau aus. Nur selten gelang es mir, das sie nicht auf sie hörte und nicht das tat, was sie wollten.
Wir waren, an dem Tag, auf dem Rummel. Es war sehr schön gewesen. Sah wieder das Funkeln in ihren Augen, als sie mich ansah. Durfte sie wieder auf die Lippen küssen. Ich sah einen Lichtblick. In mir entflammte neue Hoffnung. Das wir wieder eine Familie werden. So, wie ich es immer gewollt hatte. Zugegeben, es war nur ein winziger Hoffnungsschimmer. Aber der brachte mich dazu, positiv in die Zukunft zu sehen.
Meine Kinder fuhren gerade Karussell, als Nadine R sich mir in den Weg stellte. Ausgerechnet, als ich mir ein Diesel holen wollte. Meine Frau und ich hatten doch so einen Durst. Und Nadine R wollte mich necken. Zum Glück war ich gerissen und flink. Kurz angetäuscht und weg war ich.
Sie blieb bei uns. Es stellte sich als Glücksfall heraus. Zum Einen unterhielt sie sich ernsthaft mit meiner Frau und zum zweiten half sie uns in einer unliebsamen Situation. Es war nämlich so.
Als wir gingen, kamen andere. Ihre Familie. Sie sahen uns zusammen und waren gleich auf 180. Ich fragte mich, was denen das anging. Sie hatten damals die Chance gehabt, sie zu erziehen. Nu war es zu spät. Sie war erwachsen und hatte mich und zwei Kinder. Es war ihr Leben. Warum mischten sie sich in dinge, die sie nichts angingen? Gerade er. Er war nicht ihr Vater. Nur der Ex ihrer Schwester und Vater ihrer Halbgeschwister. Aber er regte sich am meisten auf.
Nadine R stellte sich vor ihnen auf. So groß sie so schon war. Durch ihre Haltung, erschien sie noch größer. Sie zog ihre Augenbraue hoch und sagte kein Ton. Brauchte sie auch nicht. Denn ganz plötzlich wurden sie ganz kleinlaut. Zogen sich zurück. Verschwanden in den Massen.
Ich schaute ihnen hinterher. Dann schaute ich Nadine R an und dachte an Bier.
Nadine R sah mich merkwürdig an. Zumindest kannte ich den Blick noch nicht von ihr. Sie stand vor mir und stützte sich auf meinem Schreibtisch ab. Sah mich ernsthaft an. Ich ahnte, das sie mir etwas wichtiges sagen wollte.
Zwei bis dreimal die Woche wechselte ich mein Hintergrundbild vom Monitor. Da erschien Freddy Krüger, Jason Vorheers, Chucky die Mörderpuppe,... Einige meiner Mitschüler schienen sich Gedanken um mich zu machen. Aus gutem Grund? Keine Ahnung. Ich sah mir gern Horrorfilme an, oder las solche Geschichten. Das war wirklich eine andere Welt. Fern ab jeglicher Realität. In Krimis werden Menschen erschossen, ausgeraubt, überfallen und ähnliches. Das macht mir Angst, weil es zu jeder Zeit wirklich passieren kann. Aber gibt es wirklich einen Menschen, der seinen Geist in eine Spielzeugpuppe verpflanzen kann? Wer verbrennt bei lebendigen Leib und erscheint dann in den Träumen von Teenagern? Niemand.
Es waren auch Bilder dabei, die sahen wirklich gruslig und eklig aus. Aber mir gefiel es. Ich würde gern wissen, wie es ist, ein Vampir zu sein. Bärenkräfte zu haben und keine Angst zu fühlen. Nur Nachts unterwegs sein zu können. Stets auf der Suche nach Blut. Für mich interessant.
Es war dann später. Wie viel später weiß ich nicht mehr. Ich saß da und hörte dem Dozenten zu. Eigentlich war es ein interessantes Thema. Es ging um Zahlen und rechnen. Meine Welt. Aber ich bekam kaum was mit. Es lag nicht am Dozenten, sondern an mir. Ich konnte privat von beruflich nicht trennen. Die ganze Zeit dachte ich an meine Frau. An die Zeit, als sie zur Kur war. Ich hatte sie dort jedes Wochenende besucht. Mir war es egal, wie teuer es war. Auch, das ich mehrere Stunden Zugfahrt hatte. Wenn ich dort ankam, wartete sie schon auf mich. Strotzte jedem Wetter. Da zeigte sie mir, das sie mich liebte. Verbarg nicht ihre Gefühle zu mir. Wir küssten uns leidenschaftlich. Auch wenn ihre Lippen eiskalt waren, weil sie so lange am offenen Bahnhof gestanden hatte, genoss ich die zärtliche Berührungen unserer Lippen.
Grob erzählte ich Nadine R davon. Ich musste es jemanden sagen. Denn es schmerzte, weil es zu schnell Vergangenheit wurde. Kaum war sie zurück aus der Kur, fing alles von vorn an. Sie unterdrückte ihre Gefühle für mich. Ging zu dem Typ, den sie angeblich süß fand. Dabei machte er sie unglücklich. Ich sah es ihr an und sie hatte es mir auch gesagt. Nicht mit Absicht. Das sollte ich natürlich nicht wissen, das sie mit ihm nicht glücklich war. Sie wollte mir auch nicht sagen, was der Unterschied zwischen hie und dort war. Warum wir dort ein „Paar“ waren und hier nicht. Weshalb gab sie ihre Gefühle zu mir nicht öffentlich zu? Ich habe einen Kumpel die Meinung gegeigt. Entweder akzeptiert er, das ich sie liebe, oder wir gehen getrennte Wege. Ich war der einzigste Freund, den er noch hatte. Den wollte er nicht verlieren und so unterließ er die dummen Sprüche gegen meine Frau.
Ich hätte Nadine R vielleicht mehr über mich und meine Probleme erzählt, aber ich wollte nicht. Versank in Gedanken. Spielte ein dummes Spiel am Computer und wartete auf den Feierabend. Wartete darauf, das sich meine Frau bei mir meldete. Das sie einsah, wie dumm sie war auf andere zu hören, anstatt auf ihr Herz.
Da ihr Mann an jenem Wochenende arbeiten musste, traf ich mich mit Nadine R in der Stadt. Das Wetter war nicht das Beste. Kalt. Eiskalt. Der Wind war das Schlimmste. Meine Ohren taten weh. Waren knallrot. Auch ihre.
Wir gingen in ein Café. Peinlich berührt fragte ich sie, ob sie mir einen Kaffee ausgeben würde. Es war sonst nicht meine Art. Normalerweise sagte ich, lass dein Geld stecken. Egal zu wem. Vorausgesetzt, ich konnte die Person leiden. Verstand mich mit ihr.
Nonverbal gab sie mir einen Kaffee aus. Wir suchten uns einen Tisch am Rand aus, wo wir uns in Ruhe unterhalten konnten. Ohne, das irgendwer an unseren Tisch vorbei musste und uns dabei anrempelte. Ich konnte es nicht ab, wenn ich unterbrochen wurde. Meine Kinder machten es gern. Die ganze Zeit über sagten sie kein Ton. Kaum mache ich meinen Mund auf, um meiner Frau etwas mitzuteilen – meist wichtiges – reden sie dazwischen. Meine Frau versteht nur die Hälfte, wenn überhaupt. Streit ist vorprogrammiert.
„Hast dein Geld noch nicht bekommen?“, fragte mich Nadine R.
„Doch. Aber ich habe alles meiner Frau gegeben, um ihr zu beweisen, das ich nicht nur sage, das sie mir wichtiger ist, als Geld. Sondern, das ich es auch wirklich so meine. Ich bin lieber pleite, dafür glücklich mit ihr. Frag mich nicht. Ich liebe sie eben. Für mich ist sie die schönste Frau der Welt. Ich hege immer noch die Hoffnung, das sie sich untersuchen lässt. Das sie einsieht, das sie einen Spezialisten für ihren Kopf braucht und jenen auch in Anspruch nimmt. Sie ist meine große Liebe. Meine einzig wahre Liebe. Ich fühle es, wenn was mit ihr nicht stimmt. Kann ihre Gedanken lesen. Zum großen Teil. Wir sind ein eingespieltes Team. Brauchen kaum Worte, um uns zu verstehen. Das Problem ist nur, ihr Umgang. Und sie selbst. Jedes mal, wenn es wirklich gut zwischen uns läuft, tickt sie aus. Ich kann es nicht beschreiben. Manchmal habe ich das Gefühl, als... wie soll ich sagen?
Einfach so hatte ich sie mal gefragt: Die schönste Zeit, war doch die Zeit mit mir? Und sie meinte ja. Es war keine ernst gemeinte Frage von mir gewesen. Ich hatte es nur so in den Raum gestellt. Erwartete keine richtige Antwort darauf. War mehr Spaß gewesen. Aber als sie mir meine Frage bestätigte... Was hindert sie daran, es zu genießen, glücklich zu sein? Warum will sie lieber leiden?
Ob ich noch eine Chance bei ihr hab und wir je wieder zusammenkommen, weiß ich nicht. Mein Herz schlägt nur für sie. Sie ist der Sinn meines Lebens. Und natürlich unsere beiden Kinder. Auch wenn ich sie nicht immer erwähne, gehören sie, für mich, dazu. Wenn ich das Geld hätte, würde ich alle drei schnappen und von hier abhauen. Ganz egal wohin. Hauptsache raus aus dieser Stadt. Alle sind sie gegen uns. Versuchen uns auseinanderzubringen. Meine Frau ist nicht so stark, wie ich...
Tut mir leid. Wir wollten eigentlich einen schönen Nachmittag miteinander verbringen. Nun bin ich wieder depressiv. Es tut mir wirklich leid. Es vergeht kein Augenblick, wo ich nicht an sie denke. Sie bedeutet mir alles. Ohne sie will ich nicht leben. Kann ich nicht leben. Sie ist der Sinn meines Lebens. Und unser Umfeld will sie mir nehmen. Sogar das Jugendamt, das wir wegen ihrer damals besten Freundin auf dem Hals haben. Die reden ihr ein, das sie mir nichts sagen brauch. Das sie liebe falsche Freunde haben soll, als gar keine. Und so weiter. Außerdem darf ich alles machen. Achja, ich muss meine Kinder wichtiger nehmen, als die Schule. Das die Schule mir helfen soll, das ich einen Job kriege, Geld verdiene und meinen Kindern etwas bieten kann, fällt denen nicht ein. Denen ist es auch egal, das ich ein paar Tausender, die ich nicht habe, zahlen darf, wenn ich die Schule nicht bestehe. Aber das eine sage ich dir, sollte es so weit kommen, das ich wegen denen die Prüfung nicht bestehe, kriegen die die Rechnung. Bis zum Bundesgerichtshof würde ich gehen. Tut mir leid, aber ich kann die einfach nicht ab. Alles verwenden sie gegen mich und stellen mich als unfähig und das riesen Arschloch hin. Alles darf ich machen. Mich um meine Kinder kümmern. Ihren und meinen Haushalt. Sollte ich zwischendurch noch Zeit finden, darf ich in die Schule gehen. Meiner Frau reden sie immer nur gut zu. Sie gibt sich Mühe. Doch zwischendurch reißt es immer mal wieder ein. Das darf nicht sein.
Die Härte kommt noch. ICH muss darauf achten, das mein Jüngster seine Brille trägt. Sollte ich sie nicht finden, muss ich sie suchen. Die komplette Wohnung meiner Frau durchsuchen, bis ich die Brille gefunden habe. Wenn ich das mache, hat meine Frau, zu Recht, kein Vertrauen zu mir.
Ich weiß nicht. Irgendwie drehen sie alles so, das ich am Ende an allem Schuld bin. Das totale Arschloch. Dabei bin ich derjenige, der alles im Griff hat. Naja, fast. Ich denke nicht an mich. Eigentlich müsste ich mich nach einem Praktikumsplatz umsehen. Aber ich will nicht, das meiner Frau 30% abgezogen werden, weil sie keine fünf Bewerbungen im Monat abgibt. Es ist ein Fehler, das ich in erster Linie an sie denke, als an mich. Gebe ich zu. Aber ich kann nicht anders. Ich habe es versucht. Sie bedeutet mir alles. Ihr Glück ist mir mehr wert, als meines. Ja, ich weiß, was du mir sagen willst. Aber es ist zu spät. Ich habe mich ihr unterworfen. Es ist mein Schicksal, ihr zu dienen. Jeden Wunsch zu erfüllen. Ohne sie bin ich nichts. Fühle ich mich wertlos. Wie gesagt, sie ist der Sinn meines Lebens.
Ich habe es nur mit kranken Menschen zu tun. Entweder geistig, oder körperlich. Sie können nichts dafür, das sie so sind, wie sie sind. Ich helfe ihnen allen. Ziehe sie vor. Fehler von mir. Aber so bin ich nun mal. Eine Mutti ohne Brust. Ich hasse die Menschheit. Aber wenn jemand Hilfe braucht, dann bin ich da...“
Fragend sah ich Nadine R an. Sie war so ruhig. Ungewohnt, für mich.
Wortlos verließen wir das Café. Aus einer spontanen Reaktion heraus, umarmte ich sie. Ganz fest. Bedankte mich bei ihr, fürs Zuhören.
Ich hatte niemanden mehr. Die handvoll Menschen, zu denen ich noch Kontakt hatte, konnten nicht zuhören und wussten alles besser. Vielleicht hing ich deshalb so sehr an meiner Frau, weil sie mir zuhören konnte. Mich nicht unterbrach.
Nadine R wollte ein Gespräch mit mir. Ich hatte keine Ahnung, über was sie mit mir reden wollte. Es interessierte mich auch nicht. Ich war mit mir selbst beschäftigt. Meine Gedanken waren weit weg von der Schule. Das einzigste, was meine Konzentration halten konnte, waren Zahlen. Berechnungen.
Bruttolohn. Solidaritätszuschläge. Kinderfreibeträge. Kirchensteuer. Lohnsteuer... Jede Steauer und jeder Zuschlag wurde mit einer anderen Prozentzahl berechnet. Für mich war es nicht leicht, mir all die Prozente, mit denen ich rechnen musste, zu merken. Arbeitslosenversicherung mit 1,5%. Rentenversicherung mit 9,45%. Krankenversicherung wird aufgeteilt. Der Arbeitgeberanteil ist niedriger, als der Arbeitnehmeranteil. Und dann soll man sich noch merken, was steuerpflichtig ist und was nicht.
Meine Gedanken waren ganz woanders. Nur mit Mühe kam ich mit. Ich versuchte, mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Aber ich war zu sehr mit meiner Frau verbunden. Spürte zu sehr, das es ihr nicht gut ging. Ich weiß nicht, wann es begann. Irgendwann dachte ich ihre Gedanken und fühlte ihre Gefühle.
Trotz allem gingen die Stunden schnell vorbei. Ob es am Dozenten lag? Vielleicht lag es auch am Modul. Es ist nicht uninteressant, wie sich sein Gehalt zusammenstellt. Was alles abgeht. Und vor allem, was man sich wieder zurück holen kann. Man muss nur überzeugend sein.
Ich hatte mein Laptop mitgebracht. Irgendwas funktionierte nicht so, wie es sollte. Nadine R hatte da ein wenig Ahnung. Ich vertraute ihr, in der Hinsicht. Es hatte auch den Vorteil, das ich für ein paar Minuten auf andere Gedanken kam.
Ich hatte vergessen, was ich als Hintergrundbild hatte. Ihr zu erklären, was es für mich bedeutet, dazu kam ich nicht. Im Nachhinein muss ich sagen, ist es mir auch egal. Sollen sie alle denken über mich, was und wie sie wollen. Buddha trägt es unter sich. In Italien sieht man es in alten Mosaiken. Im hohen Norden fand man sie in Schwertern eingeritzt. Es war überall bekannt. Das Hakenkreuz. Und überall hatte es die selbe Bedeutung. Es galt als Glückssymbol. Und nur weil Hitler und Co das Zeichen für ihre Zwecke übernommen haben, ist es heutzutage verboten.
Viel Glück hatte es mir nicht gebracht. Aber wie sagte schon ein altes Sprichwort? Glück ist ein Rindvieh und sucht seinesgleichen. Ich bin kein Rindvieh, sondern ein Vollidiot. Als Menschenfeind, bin ich zu jederzeit für jeden da. Das passt. Jedem Kann ich helfen, außer mir und meiner Frau. Geil.
Oft wurde ich auch wegen unseren Kindern gefragt. Es ist für ich so, wenn ich von meiner Frau rede, zähle ich gleichzeitig unsere Kinder dazu. Die sind nicht dumm. Spüren, wenn was nicht stimmte. Nur wenn es meiner Frau gut ging, ging es mir gut und somit unseren Kindern. Leider gab es Personen, die gegen mich waren. Gegen unsere Ehe. So eine Familienhelferin. Jedenfalls gab sie mir das Gefühl. Warum sonst redete sie meiner Frau ein, das sie mir nichts sagen brauch. Obwohl dies einer der Gründe war, warum unsere Ehe nicht funktionierte. Meine Frau wollte nie mit mir reden. Haute lieber ab und ließ Gras über alles wachsen.
Ich hätte Nadine R alles erzählt. Aber ich wusste nicht, ob sie mich verstehen würde. Und auch bei ihr habe ich erlebt, das sie mich unterbrach und dadurch alles falsch verstand.
In den Mittagspausen dachte ich darüber nach, wie es wäre, wenn ich eine andere Frau hätte. Wie ich mich freuen würde, wenn sie mir ein Kind schenken würde. Eines, das ich jeden Tag sehen dürfte. Bei dem ich beweisen könnte, was in mir steckte. Das ich ein guter Vater sein könnte, wenn man mich nur ließe. Ich würde sogar ein Kind akzeptieren, welches schon da war. Es gab einige, die mich als Papa haben wollten. Aber ihre Mütter waren dagegen. Die wurden richtig wütend, bei dem Wunsch des Kindes. Dies steigerte mein Selbstwertgefühl extrem.
Wenn ich mich beobachtet fühle, kann ich mich nicht so geben, wie ich bin. Daher habe ich auch wenig Chance meine Kinder zu bekommen. Das Jugendamt ist nun mal, wie es ist. Wenn's zu spät ist, …
Ich sah Nadine R fest ins Gesicht und sagte ihr:
„Nimm's nicht persönlich. Aber du bist eine Frau. Ich kann dir nicht vertrauen.“
In Wirklichkeit wollte ich allein sein und darüber nachdenken, wie ich meiner Frau helfen kann. Wie ich sie wieder glücklich machen kann.
„Was hast du?“, fragte mich Nadine R, als sie mich sah.
Wir trafen uns wieder in einem Café. Es war meine Idee gewesen. Ich war deprimiert. Die Gefahr war zu groß, zu viel zu trinken. Lag in der Familie. Ich brauchte jemanden an meiner Seite. Jemanden, mit dem ich offen reden konnte. Dem ich meine Gedanken mitteilen konnte. Der zuhörte. Ich hatte nur noch sie. Mein Bekannter konnte nicht zuhören. War ständig am Reden und Besserwissen. Das konnte ich gar nicht gebrauchen. Das hätte mich nur dazu gebracht, mich sinnlos zu besaufen.
„Ich war auf der Bowlingbahn. Mit Frau und Kindern. Du hättest sie sehen sollen. Sie hatte gelächelt. Echt. Nicht gekünstelt. Wir waren eine glückliche Familie. Für einen Moment vergaß ich, das wir es nicht sind. Das sie sich von mir getrennt hatte und es jeden Tag mit einem anderen treibt. Ich hatte ihr einen Kuss auf ihre Lippen gegeben und sie hatte es zugelassen. Weder gemeckert, noch mich gehauen,oder zwischen die Beine getreten. Das macht es für mich schwerer daran zu glauben, das sie wirklich nichts mehr von mir will. Sie war glücklich. Mit mir und unseren Kindern.
Das Leben ist unfair. Da trifft man auf eine Frau, mit der man sich blendend versteht und alle sorgen dafür, das es nicht funktioniert. Eigentlich war ich das schwache Geschlecht, in unserer Beziehung. Aber das war nur körperlich. Vom Charakter her war ich stärker. Ließ es nicht zu, das es zwischen uns aus ist. Sah drüber weg, das sie es mit anderen trieb. Das sie ihren Frust nur an mir ausließ und mir für alles die Schuld gab. Nicht immer bei der Wahrheit blieb. Ich liebte sie zu sehr.
Es war die einzigste Frau, um die ich gekämpft hatte. Für die ich alles tat. Mich komplett ändern wollte. Außen, wie innen. Ich gab ihr alles, was ich hatte. Lag ihr zu Füßen. Sie war meine Königin und ich ihr Sklave. So sehr war ich ihr verfallen.
So, wie es aussieht, werde ich nie über sie hinwegkommen. Auch nicht nach meiner kommenden Therapie. Die ich auch nach anfange, weil mir alles über den Kopf wächst. Ich mit dem Leben und mir selbst nicht mehr klarkomme. Alles muss ich verstehen, aber ich bekomme nie eine Erklärung. Was wäre, wenn ein Lehrer von seinem Schüler verlangt etwas zu verstehen, ohne das er ihm es vorher erklärt? Kann ein Mathematiklehrer seinem Schüler eine Algebraaufgabe vor die Nase legen und von ihm verlangen, das er sofort versteht, wie es geht, ohne ihm zu erklären, wie man sie löst? Ich glaube nicht. Aber von mir wird es stets verlangt. Das macht mich wahnsinnig. Auch der Krach um ich herum. Immer wieder fällt mir jemand ins Wort. Nirgends kann ich mich in Ruhe mit jemanden unterhalten. Entweder kommt gerade ein lautes Gefährt, oder es klingelt ein Telefon, oder ich werde von jemanden unterbrochen und ich komme nicht mehr zu Wort.
Von der Therapie erhoffe ich mir, mich von meiner Frau zu lösen. Wieder alleine leben zu können, ohne mich einsam zu fühlen. Einen klaren Kopf zu bekommen. Mich und meine Nerven zu stärken. Hinterher einfach ein ganz normales Leben führen zu können. Ich konnte es jahrelang. Dann traf ich auf diese Frau. Ich bereue nicht, mit ihr den Bund der Ehe eingegangen zu sein. Was ich bereue, ist, in dieser Stadt geblieben zu sein. Wo alle gegen uns sind. Wer weiß, ob wir nicht doch ein glückliches Paar geworden wären. In einer anderen Stadt, wo uns niemand kennt.
Warum uns alle auseinanderbringen wollten, weiß ich nicht. Vermute Neid. Oder Hass. Langeweile. Weil sie alle blöd sind. Oder... Wer weiß. Die werden schon ihre Gründe haben – Vielleicht.
Wir werden uns eine Weile nicht sehen. Lasse mich freiwillig stationär behandeln. Sehe keine andere Möglichkeit. Ich schreibe dir ab und zu einen Brief, wenn ich dazu kommen sollte.“
Nadine R wollte mir irgendwas sagen. Deswegen kam sie zu mir, an meinen Platz. Doch ich ließ sie nicht zu Wort kommen. In mir brodelte es. Für mich gab es nur zwei Wege. Mord und Suizid. Ich wägte ab, was besser war. Suizid konnte ich nicht machen, da meine Frau alleine nicht klar kam. Und bevor sie sich wieder mit Schwuchtelpaula einließ... Einbildung war es keine von mir. Denn ihre Freundin bestätigte mir, das der Typ sie sozial runterzog. Aber für Mord kam man ins Gefängnis. Was nützte es mir am Leben zu bleiben, wenn ich im Knast war? Ja, meine Gedanken waren unschön. Aber das Leben fickte mich Tag für Tag. Trieb mich in den Wahnsinn und den Suff.
Mord war gar kein schlechter Gedanke. Wie vielen Eltern, vor allem Vätern, würde ich damit einen Gefallen tun. Sie war einfach nur der Hass. Hörte mir nicht zu. Hackte dauernd auf mir herum. Weil sie nichts besseres finden konnte, fing sie immer wieder mit dem gleichen Thema an, das schon hundert Jahre alt war. Es interessierte sie null, was ich dazu zu sagen hatte. Wie mein Tagesablauf wirklich war. Wie sollte ich Zeit finden, meine Wohnung in Ordnung zu bringen, wenn ich stets bei meiner Frau beschäftigt war. Sie hörte ihre Wecker nicht, deshalb musste ich sie und die Kinder wecken. Schließlich sollten die Kinder pünktlich im Kindergarten ankommen. Nebenbei machte ich denen ihr Frühstück und schmiss ihren Haushalt. Oft genug brachte ich sie in den Kindergarten und fuhr danach in die schule, um zu lernen. Etwas aus mir zu machen. Was natürlich falsch war. Schließlich musste ich mich um meine zwei Kinder kümmern. Für was sie eine Mutter hatten? Keine Ahnung. Sie chattete lieber den ganzen Tag.
Je mehr ich über alles nachdachte, desto mehr fragte ich mich, warum ich mich noch am Leben erhielt. Was wollte ich noch von meiner Frau? Angeblich hing sie n unseren Kindern. Wollte nicht, das sie wegkamen. Aber was tat sie dagegen? Sie verließ sich voll auf mich. Und ich Vollidiot...
Was ich auch mache, es ist falsch. Ich fing die Schule an, um Vorbild für meine Kinder zu sein. Ihnen etwas bieten zu können. Aber dadurch war ich zeitlich eingeschränkt. Hatte nicht so viel Zeit und Aufmerksamkeit für meine Kinder. Was sollte ich machen? Kündigen und für immer Assi bleiben?
Als Unfall geboren, als Arschloch werde ich sterben. Damit dies nicht so lange dauert, habe ich mir angewöhnt, täglich meinen Pegel zu saufen. Bevor ich meine Frau kennen und lieben gelernt hatte, soff ich jeden Tag und mir ging es gut. Sauwohl. Mir war alles egal. Ich sehne mich nach der Zeit zurück. Damals ging es mir gut. Kein Jugendamt, das mir immer mehr auferlegt. Vor allem immer nur mir. Was hat meine Frau zu tun? Die wissen ganz genau, das sie alleine nicht mit ihrem Haushalt klarkommt. Eine einzige Familienhelferin weiß, das ich derjenige bin, der alles im Griff hat. Ohne dem sie untergeht. Der Rest übersieht es. Schließlich bin ich keine Frau.
All das erzählte ich Nadine R. Dabei war ich ganz ruhig. Regte mich nicht auf. Scheute mich nicht zuzugeben, das ich an Mord und Selbstmord dachte. Es war mir egal, was sie über mich dachte. Warum sollte mich das noch interessieren. Mich interessierte es nicht einmal, ob sie alles wissen wollte. Ich wollte es einfach nur mal loswerden. Deshalb hatte ich es ihr erzählt. Aus keinem anderen Grund. Einmal wollte ich alles sagen können, ohne unterbrochen zu werden. Sonst durfte ich immer nur zuhören. Ob ich wollte, oder nicht.
Warum ich überhaupt noch in die Schule ging, wusste ich selbst nicht. Ich saß nur da und verstand nichts. Die Dozentin gab sich Mühe. Aber ich kapierte kein Wort, von dem, was sie mir erklärte. Es prallte alles an mir ab. Kein Wunder. Waren meine Gedanken ganz woanders. Meine Jungs wurden mit Lügen groß. Ihr Vater war das totale Arschloch, das kein Interesse an ihnen hatte. Er wollte nur über sie an ihre Mutter. Aber so ist es eben heute. Die wirkliche Wahrheit interessiert keinem. Alles wird so gedreht, das es dem Feindbild entspricht.
„Wie du siehst, habe ich jetzt viel Zeit. Kinder weg. Frau am rumhuren. Ich weiß, sie tat es schon vorher, bevor de Kinder weg waren. Geahnt hatte ich es schon lange. Bestätigt hatte es ihre Freundin erst jetzt. Sie war auch dagegen, was meine Frau macht. Aber die hört ja nicht auf jemanden, der es gut mit ihr meint... Sie fehlt mir. Trotz allem. Sie war so kuschlig. Weich. Warm. Im Grunde eine ganz liebe.“
Dann kamen mir die Tränen. Ich versuchte mir etwas einzureden. Seit Jahren tat ich das schon. Immer wieder verzieh ich ihr. Schob ihre Fehler auf ihre Vergangenheit. Gene. Dabei...
„Ach Nadine R. Ich kann nicht mehr alleine sein. Ich habe mich von ihr abhängig gemacht. Sie konnte mit mir machen, was sie wollte. Ich ließ mir alles von ihr gefallen. Ich weiß, ich bin ein Vollidiot. Aber ich brauche nun mal einen weiblichen Körper, an den ich mich anlehnen kann. Berühren darf. Ich roch so gern ihre Haut. Ohne sie fühle ich mich einsam. Ich kann keine Frau ansprechen. Warten, bis eine auf mich zukommt. Ich brauche Zärtlichkeiten jetzt und hier. Weibliche Nähe. Nicht dich. Für dich empfinde ich nichts. Deswegen. Ob ich für sie noch was empfinde? Keine Ahnung. Wahrscheinlich ja.“
„Hast du dich in letzter Zeit mal im Spiegel betrachtet? Dein Gesicht ist eingefallen. Auch sonst hast du stark abgenommen. Du siehst völlig fertig aus. Um nicht zu sagen, wie der Tod persönlich.“
„Kann ich mir vorstellen. Um ehrlich zu sein, kam ich nicht wirklich zum essen. Wie auch. Bei jedem Gespräch, mit dem Jugendamt, habe ich immer mehr Aufgaben bekommen. Meine Frau nichts. Sie kostete es aus.
Ich weiß, wie dumm ich war. Besser gesagt, wie dumm ich bin. Ich habe wirklich daran geglaubt, das sie und ich wieder zusammen kommen. Woher sollte ich wissen, was sie wirklich hinter meinen Rücken trieb? Hatte ich beweise? Geahnt hatte ich es ja. Aber sie behauptete felsenstark das Gegenteil.
Und dennoch würde ich zu ihr zurück kehren. Davon bin ich überzeugt.“
„Ich sage dir jetzt meine ehrliche Meinung. Du machst dich kaputt. Es ist vorbei. Aus. Ende. Sie hat dich endgültig verlassen. Belass es dabei. Fang an an dich selbst zu denken. Dein Leben zu leben. Vergiss sie einfach. So hart es auch klingt.“
„Du hast recht. Doch vergisst du etwas ganz entscheidendes. Mit ihr habe ich Kinder gezeugt. Ihretwegen sind sie weg. Aber ich glaube, ich habe einen Weg gefunden, um sie wieder zu bekommen. Es haben sich Menschen gefunden, die sich entschlossen haben, die Wahrheit preis zu geben. Zu meinen Gunsten. Ich liebe meine Kinder. Auch wenn ich es nicht immer so zeigen kann. Sie sind mir wirklich wichtig. Ich möchte sie bei mir wissen. Sehen, das es ihnen gut geht. Zeit mit ihnen verbringen. Ich weiß, was alles auf dem Spiel steht. Das ich mich nur für ein was entscheiden kann. Meine Kinder sind mir wichtig. Gehen mir vor. Ich bin es gewöhnt ab Abgrund zu sein. Aber ich kann versuchen, meinen Kindern eine bessere Zukunft zu bieten. Ihnen beizubringen, nicht die selben Fehler zu machen, wie ihre Eltern und Großeltern. Ich habe so viel Liebe in mir. Lebenserfahrung. Ich habe genug Blödsinn verzapft. Wahrlich mehr, als genug. Das ich meine Kinder nicht vor allem beschützen kann, ist mir bewusst. Aber ich kann versuchen, sie vor den Größten Gefahren zu beschützen.
Wenn du selber eigene Kinder hättest, würdest du mich besser verstehen. Wenn du mich bitte entschuldigen würdest. Ich spüre inneren Augendruck. Es wäre mir peinlich, wenn es jemand sehen würde.“
Nadine R war nicht besonders glücklich, das ich meiner Frau teure Konzertkarten geschenkt hatte. Recht hatte sie schon. Nach all dem, was gewesen war. Wie sie zu mir gewesen war. Verdient hatte sie es eigentlich nicht. Dennoch hatte sie sie verdient. Schwierig zu erklären.
Es gibt Momente, da erfahre ich etwas über ihre Vergangenheit. Es ist nicht schön, davon zu erfahren, weil es keine schönen Erinnerungen sind. So weit ich weiß, hatte sie nur ganz geringe schöne Augenblicke erlebt. Ich holte nach, was sie damals nicht haben konnte. Was ihr versprochen wurde, aber dann doch nicht gehalten. Freilich kann ich nicht alles nachholen. Die eine Band hatte sich aufgelöst. Gern wäre sie bei einem ihrer Konzerte gewesen. Es wurde ihr auch versprochen, das sie hindurfte. Aber dann kam alles anders. Irgendeine entfernte Verwandte hatte Einschulung, oder Geburtstag, oder so was. Zumindest kamen meine Frau und ihr Vater pünktlich zum letzten Lied beim Konzert an. Ein andermal wurde sie absichtlich woanders hingeschickt, damit sie ein Konzert nicht erleben durfte. Gern hätte ich es nachgeholt, was sie verpasst hatte. Aber die eine band hatte sich schon längst aufgelöst und der eine Sänger hatte das zeitliche gesegnet. Also nahm ich eine Band, die es noch gab. Von der sie riesen Fan war und die noch bestand. Auch wenn ihre Karten sehr teuer waren. Ich liebte sie nun mal. Auch wenn sie mir das heimzahlte, was ihre Eltern ihr angetan hatten.
Je mehr ich über sie und ihre Vergangenheit erfahre, desto mehr fragte ich mich, warum sie es immer wieder zu ihnen zog. Ihr Vater war tot. Seit Jahren schon. Hatte ihr oft und vieles versprochen, aber nur ganz selten gehalten. Dennoch liebte sie ihn. So weit ich weiß, hauten beide gern und schnell zu. Trotzdem hing sie an ihm. Ihre Eltern hatten sie, als sie noch ganz klein war, zu Hause vergessen. Warum trauerte sie um ihn?
Auch wenn sie es manchmal arg mit mir trieb. Ich liebte sie von ganzen Herzen. Wenn sie ihre Wut an mir aus ließ, wehrte ich mich nicht. Fragte mich nur, weshalb sie wütend ist. Ob es an mir lag. Wenn ich heute so darüber nachdenke, glaube ich, das es an ihrer Vergangenheit liegen könnte. Das da irgendwas hochkam.
Widerwillig kam Nadine R mit zum Konzert. Nur meinetwegen. Ich mochte die Band nicht so sehr. Es war nicht meine Musik. Auch wenn manche Lieder ganz gut klangen, war es nicht mein Ding. Meiner Frau zuliebe kam ich mit. Sie wollte, das ich sie zum Konzert begleite. Ich kann ihr nun mal keinen Wunsch abschlagen.
„Schau sie dir an. Siehst du wie glücklich sie ist? Ich scheiß auf das Geld, was mich die Karten gekostet haben. Nach dem Konzert gehe ich mit ihr noch zum Fanartikelstand. Hinterher bin ich pleite. Aber das ist mir egal. Sie ist glücklich und das macht mich glücklich.“, schrie ich Nadine R ins Ohr.
„Das musst du wissen. Ich halte mich da raus. Du kennst meinen Standpunkt.“
So nah war ich ihr schon lange nicht mehr gewesen. Sie legte ihren Arm um mich und gab mir sogar noch einen Kuss. Ich war glücklich.
Nadine R sah mich komisch an, als wir uns vorm Café trafen. Erschrocken, würde ich sagen. Weswegen nur, hatte ich mich gefragt. Doch gleich darauf, beantwortete ich mir die Frage selbst. Das hatte ich doch glatt vergessen. Trotz...
Ich hatte mich viel bei meiner Frau aufgehalten, da es ihr nicht gut ging. Sie hatte große Schmerzen, durfte fast nichts essen. Sechs Zähne wurden ihr auf einmal gezogen. Ich mochte mir nicht vorstellen, wie es für sie gewesen sein musste. Es sah schon gruslig genug aus. Die Schmerztabletten halfen kaum bis gar nicht. Sie tat mir leid.
Ich hatte Verständnis dafür, das sie nicht gut gelaunt war. Aber dennoch fand ich, das sie es übertrieb. Ich konnte mich nicht vernünftig mit ihr unterhalten. Meistens gifteten wir uns nur an. Oder schwiegen. Tauschten tödliche Blicke aus. Selbst im Bett, wo wir schon so oft wieder zu einander gefunden hatten, sprachen wir kein Wort zueinander. Weit von einander entfernt, schliefen wir zornig ein. Wir schauten uns nicht in die Augen, bevor wir einschliefen. Küssten uns nicht. Schenkten uns kein Lächeln.
Ich brauchte lange, um einzuschlafen. Wachte oft auf. Stand sehr früh auf. Wenn ich nachts wach wurde, schaute ich sie an und bemerkte, das sie auch schlecht schlief. Wir waren beide nicht gut drauf und das wollte ich ändern. Wenigstens nachts sollte sie sich erholen. Kraft für den Tag tanken.
Ich machte mir Gedanken, wie ich ihr helfen konnte, das sie weniger Schmerzen hatte. Gerne hätte ich sie ihr genommen. Aber wie? Da kam mir ein Gedanke. Gefiel mir persönlich zwar weniger, aber das war mir egal. Wenn es ihr half...
Ich stellte mich vor ihr hin. Sah ihr ins Gesicht. Mein Blick haftete auf ihr. Fragte mich selbst, ob ich es zulassen sollte. Ihr den Vorschlag wirklich machen wollte. Ja! Denn ich liebte die Frau und wollte, das sie ihre Schmerzen vergaß. Und wenn es nur für ein paar Minuten war.
„Schlag zu. Es ist mir egal, was du mit mir machst. Was ich für Schmerzen haben werde. Teile mit mir deinen Schmerz. Denn geteilter Schmerz, ist halber Schmerz.“
Sie sah mich an und schüttelte nur mit dem Kopf. Meinte, das ich es nicht überleben würde. Das sie deswegen nicht in den Knast wandern wollte.
Ich provozierte sie. Sprach auf sie ein. Schubste sie leicht. Redete weiter. Gab ihr mein Versprechen, das ihr nichts geschehen würde. Wenn sie wollte, würde ich es ihr schriftlich geben.
Es hatte doch ziemlich lange gedauert. Doch dann schlug sie zu. Waren das schmerzen. Doch ich blieb tapfer. Zeigte ihr nicht meinen Schmerz. Ließ es zu, das sie mich weiter schlug. Mir immer und immer wieder ins Gesicht haute. Mich kratzte. Biss. Tränen standen mir schon in den Augen. Aber ich weinte nicht. Schluckte alles tapfer runter. Stand immer wieder auf.
Wie lange sie mich geschlagen hatte, weiß ich nicht mehr. Als sie fertig war, blieb ich am Boden liegen. Sie beugte sich zu mir herunter und machte sich ernsthafte Sorgen um mich. Das freute mich. Zärtlich nahm ich ihren Kopf in meine Hände. Drückte ihn sanft zu mir herunter. Küsste sie.
Dieser Kuss und dieser Blick, ließen mich meine Schmerzen vergessen. Ich sah ihr an, das es ihr ein wenig besser ging. Sie konnte sogar lächeln. Das bracht mich zum Lächeln.
Sie half mir aufzustehen. Wir setzen uns an den Küchentisch. Sahen einander an und hielten unsere Hände. Sie war so wunderschön. Bezaubernd. Anmutig. Mein Ein und Alles.
Nadine R erzählte ich nicht die Wahrheit. Sie würde es eh nicht verstehen. Deshalb sagte ich zu ihr, das ich dumm gefallen war. Im Suff.
Natürlich glaubte sie mir nicht. Fragte aber nicht nach der Wahrheit. Das gefiel mir an ihr. Sie nervte nicht.
Was ich wollte? Einfach nur einen schönen Tag mit meiner Familie verbringen. Mit meinen Kindern und deren Mutter. Es lief auch sehr gut. Wir unterhielten uns über alles mögliche. Vor allem über uns selbst. Das hatten wir früher viel zu selten gemacht. Eigentlich so gut, wie nie. Das war unser Fehler gewesen. Außerdem waren wir zu schwach gewesen. Unsere Bekannten und verwandten hatten alle was gegen unsere Beziehung. Sie ließen keine Gelegenheit ausgehen, um uns dazu zu bringen, das wir uns trennten. Vor allem ihre Seite. Ich löste mich von meinen Freunden. Wenn sie mit ihr nicht klar kamen, war es eine Sache. Aber niemand hat das Recht, sie schlechter zu machen, als sie in Wirklichkeit war. Sie hatte ihre Fehler. Mehr als genug. Aber wer musste damit leben und klarkommen? Ich! Kein anderer, außer ich. Und ich lebte damit, auch wenn es mich oft auf die Palme brachte. Ich wusste, warum sie so war. Das sie nichts dafür konnte, das sie so war. Bei der Kindheit und den Eltern?
Sie hatte es nie geschafft, sich von alten Angewohnheiten zu befreien. Ich sah ihre Bemühungen. Hörte raus, das sie sich von ihren „Freunden“ und ihrer Familie lösen wollte. Aber sie schaffte es nicht. Immer wieder zog es sie zu ihnen hin. Und immer wieder redeten sie ihr ein, sie soll mich verlassen.
Sie hatten es geschafft. Nach zwei Kindern und sechs Jahren Ehe, verließ sie mich. Wollte alleine leben. Angeblich kam es von ihr aus. Aber ich wusste es besser. Sie konnte es nicht mehr hören, was ich für ein Arsch bin. Das es besser wäre, wenn sie mich verließe. Ich kannte sie alle zu gut. Hatte sie beizeiten durchschaut. Sie waren einfach nur das Letzte. Nutzten die Naivität und Hörigkeit meiner Frau aus. Nur selten gelang es mir, das sie nicht auf sie hörte und nicht das tat, was sie wollten.
Wir waren, an dem Tag, auf dem Rummel. Es war sehr schön gewesen. Sah wieder das Funkeln in ihren Augen, als sie mich ansah. Durfte sie wieder auf die Lippen küssen. Ich sah einen Lichtblick. In mir entflammte neue Hoffnung. Das wir wieder eine Familie werden. So, wie ich es immer gewollt hatte. Zugegeben, es war nur ein winziger Hoffnungsschimmer. Aber der brachte mich dazu, positiv in die Zukunft zu sehen.
Meine Kinder fuhren gerade Karussell, als Nadine R sich mir in den Weg stellte. Ausgerechnet, als ich mir ein Diesel holen wollte. Meine Frau und ich hatten doch so einen Durst. Und Nadine R wollte mich necken. Zum Glück war ich gerissen und flink. Kurz angetäuscht und weg war ich.
Sie blieb bei uns. Es stellte sich als Glücksfall heraus. Zum Einen unterhielt sie sich ernsthaft mit meiner Frau und zum zweiten half sie uns in einer unliebsamen Situation. Es war nämlich so.
Als wir gingen, kamen andere. Ihre Familie. Sie sahen uns zusammen und waren gleich auf 180. Ich fragte mich, was denen das anging. Sie hatten damals die Chance gehabt, sie zu erziehen. Nu war es zu spät. Sie war erwachsen und hatte mich und zwei Kinder. Es war ihr Leben. Warum mischten sie sich in dinge, die sie nichts angingen? Gerade er. Er war nicht ihr Vater. Nur der Ex ihrer Schwester und Vater ihrer Halbgeschwister. Aber er regte sich am meisten auf.
Nadine R stellte sich vor ihnen auf. So groß sie so schon war. Durch ihre Haltung, erschien sie noch größer. Sie zog ihre Augenbraue hoch und sagte kein Ton. Brauchte sie auch nicht. Denn ganz plötzlich wurden sie ganz kleinlaut. Zogen sich zurück. Verschwanden in den Massen.
Ich schaute ihnen hinterher. Dann schaute ich Nadine R an und dachte an Bier.
In letzter Zeit war ich häufig mit Nadine R unterwegs. Einige dachten wirklich, das ich was mir ihr hätte. Aber das war mir so was von egal. Sollten sie doch denken, was sie wollten. Für die Wahrheit interessierten sie sich eh nicht.
Wir saßen im Freisitz, genossen den warmen Tag und unser Bier. Nebenbei unterhielten wir uns über dieses und jenes. Da kam sie des Weges. Damit hatte ich gar nicht gerechnet. Was verschlug sie in diese Gegend? Ich hätte aufstehen, zu ihr hingehen und sie fragen können. Aber das wollte ich nicht.
„Siehst du die Frau da drüben? Die, neben der alten Schabracke. Das ist diejenige, von der ich nicht loskomme. Die mit mir alles machen kann. Von der ich mir alles gefallen lassen. Ich weiß auch nicht warum. Ich liebe sie über alles. Ich liege ihr zu Füßen.“
„Das ist sie also.“
„Und die alte Schachtel tut ihr und meinen Kindern gar nicht gut. Das weiß sie eigentlich. Es ist ein verlogenes Miststück. Sie erzählt so viel scheiß, hinter unserem Rücken. Frag mich nicht, warum sie sich dennoch mit ihr abgibt. Siehst du den Blick von meiner Frau? Das macht der Einfluss. Meine Kinder wollen zu mir und dürfen es nicht. Die beiden halten sie zurück. Sieh dir die Alte an. Wie giftig die mich ansieht. Sie stellt sich zwischen denen und mir. Sie will meine Frau und meine Kinder. Hab es mal ganz Zufällig erfahren. Ich war gerade bei meiner Frau. Die Alte rief bei ihr an. Soll sie jeden Abend machen. Meine Frau will es aber nicht. Sagt aber auch kein Ton. Jedenfalls kamen wir ein bisschen ins Plaudern und da hatte sie es erwähnt, das die Alte sie fragte, ob sie mit ihr zusammenziehen wollte. Zum Glück hat sie es nicht getan.
Meine Frau guckt sonst nicht so finster. Aber wenn sie mit ihr zusammenhängt, bin ich das Letzte für sie. Sie guckt mich noch nicht mal mit ihrem Arsch an. Dabei kann sie so schön lächeln.“
Ich wurde deprimiert. Brauchte unbedingt Ablenkung. Musste vergessen, was ich eben gesehen hatte. Also rief ich einen Bekannten an. Zu dritt spielten wir dann Karten, tranken Bier und waren einfach nur feuchtfröhlich.
Die Zeit rann dahin. Ehe es wir uns versahen, war es schon dunkel geworden. Zeit, um nach Hause zu gehen. Den Rausch auszuschlafen. Aber ich verspürte noch nicht den Drang, mein Bett aufzusuchen. Stattdessen machte ich einen langen, ausgedehnten Spaziergang. Hing meinen Gedanken nach. Irgendwie hatte ich stets Pech in der Liebe. Im Spiel aber auch. Wann würde ich einmal Glück haben? Die Richtige finden, oder wieder mit ihr zusammenkommen, was mir persönlich lieber wäre. Und dann abhauen. Weit weg von hier.
Ich sollte wirklich versuchen, von ihr loszukommen. Mal an ich denken. Geld sparen und selber gehen. Irgendwohin, wo ich niemanden kenne. Am besten ins Ausland. Japan, vielleicht. Aber nicht in die überfüllten Großstädte. Oder in den Dschungel. Da wächst meine Nahrung an Bäumen. Ich brauch nichts bezahlen. Nur ernten.
Leben, wie ein Urmensch. Der Gedanke gefällt mir. Fern ab, von der sogenannten Zivilisation. Keine Verpflichtungen mehr. Nur ich und die Natur. Gesunde Luft. Freiheit. Keine Herzeleid mehr. Ein Traum.
Warum lebte ich eigentlich noch? Immer wieder stellte ich mir die Frage. Zuerst will meine Mutter, das ich eine Freundin finde, gegen meinen Willen. Denn ich fühlte mich wohl, als Junggeselle. Hatte sowieso nie Zeit. Denn damals reiste ich noch zwischen Wohnung und Ausbildungsstätte. Das schlauchte. Das Wochenende diente zum ausruhen, ausschlafen und Kraft tanken.
Zufällig stand eine auf mich. Ich ließ mich auf sie ein und meine Mutter hatte was gegen sie. Gegen sie und all die anderen. Keine passte ihr. Aber alle waren anders. Wusste meine Mutter überhaupt, was sie wollte? Anscheinend nicht.
Ihr gefielen nicht nur meine Angebeteten nicht, sondern auch meine freunde, die sie nicht kannte und nie gesehen hatte, aber meiner Schwester halfen, weil sie niemanden hatte. Dabei hatte sie immer behauptet, das sie viele freunde hätte. Wo waren sie, als sie gebraucht wurden?
Sie war nicht die einzigste, die versucht hatte, mir was einzureden. Es umgaben mich zu viele davon. Alle gegen alle. Jeder gegen jeden. Ich wusste oft nicht, woran ich bin. Wem ich glauben sollte. Ich war fertig. Am Ende. Wusste nicht weiter. Überall nur Vorschriften. Nichts durfte ich selbst entscheiden. Und so erging es nicht nur mir. Es war keine perfekte Ehe. Aber ich war zufrieden. Jeder Tag war anders. Mein Gott, wie habe ich sie geliebt.
Ich saß mit Nadine R in der Kneipe. Sie hatte mich eingeladen, weil sie den Drang verspürte, mich näher kennenzulernen. Ich hatte sie gefragt, was ihr Freund davon hält. Sie gab keine Antwort. Klopfte mir nur auf die Schulter. Ich habe auch keine Antwort erwartet. Es war eh nur Spaß gewesen.
Es begann lustig zu werden. Ihre Aussprache eher feucht. Aber das störte mich nicht. Kostenlose Dusche. Was mich störte, war der ungebetene Gast. Anfangs war er noch lieb und nett. Freundlich. Unterhielt sich mit uns beiden. Ich hatte ihn lange nicht mehr gesehen, da er viel arbeiten war, hatte er auch keine Zeit für Freunde. Ich verstand es. Dennoch hätte er mal zurückschreiben können. Antworten, wenn ich ihm eine SMS schreibe. Sonst beschwerte er sich auch immer, das sich keiner bei ihm meldete.
Nadine R ging dem Ruf der Natur nach. Oder anders ausgedrückt, sie musste pinkeln. Ich eigentlich auch. Aber ich war zu faul zum Aufstehen. Naja, ich war es nun mal gewöhnt acht Stunden in der Schule zu sitzen. Seit dem ich mit dem Rauchen aufgehört hatte, war ich nur morgens, beim Ankommen und spätnachmittags, beim Heimgehen, draußen zu sehen. Es war Winter und kalt. Warum sollte ich mir den Hintern abfrieren wollen? Außerdem nutzte ich die Zeit, solange die Schule nicht mitbekommen hatte, das sie eine Seite übersehen hatte, wo ich mir Spiele auf die Festplatte laden konnte. Zu Hause hatte ich besseres zu tun, als auf unsichere Seiten zu gehen.
Irgendwas hatte er gegen sie. Ich weiß nur nicht was. Klar, ich hätte ihm zuhören können. Aber ich widerstand gerade dem Drang, mir eine zu schlauchen. Wenige Tage zuvor hatte ich an einer Zigarette gezogen und mich halb bekotzt. Ich kriegte den Gedanken nicht wieder aus meinem Kopf. Bis Nadine R vom Klo wiederkam. Plötzlich hatte er wieder ein Lächeln im Gesicht.
Mir war es zu blöd. Auch wenn ich sie nicht ausnutzen wollte, konnte ich nicht anders. Ich stellte mich an den Tresen und bestellte mir einen Likör. Danach noch einen. Insgesamt kam ich auf fünf oder sechs. Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten. Ich konnte wieder lächeln. Was wohl auch an der Bedienung lag. Denn sie trank mit mir. Zumindest hat sie ein Likör mit mir getrunken. Und entweder war ich völlig blau, oder sie war wirklich schön. Ich hätte ja gern mit ihr geflirtet, denn leider durfte ich es, aber sie musste auch noch die anderen Gäste bedienen.
Schwankend ging ich zu meinem Tisch zurück, zog Nadine R am Arm, an mich heran und sagte zu ihm: „Meine Frau. Bleibt meine Frau.“
Er guckte dumm aus der Wäsche. Dachte, das es wirklich so sei. Er wusste ja von meiner Scheidung. Nadine R gab mir einen Scheinkuss, denn sie hatte mitbekommen, das er was gegen sie hatte. Verstand es bloß nicht. Ob es sie interessierte, war mir egal. Wir zogen ab und gingen in die nächste Kneipe. Leider hatten wir vergessen zu zahlen. Peinlich.
Manchmal muss man sich entscheiden. Und ich hatte mich entschieden. Es fiel mir nicht so leicht. Aber schwierig war es auch nicht. Irgendwie ein Zwischending. Im Prinzip hatte er es mir leicht gemacht. War ja nicht das erste mal gewesen, dass er jemanden nicht mochte. Gut, ich kann auch nicht alle leiden. Es gibt eben Menschen, mit denen wird man nicht warm. Ganz egal, wie nett und vertrauenswürdig sie sind. Von Anfang an ist eine Antipathie vorhanden. Nur Gott weiß, warum es so ist.
Nadine R war eine nette Frau. Sie gefiel mir, da sie ehrlich war. Geheimnisse für sich behielt. Ich konnte ihr vertrauen. Wenn sie nicht zu mir gesagt hätte, das ich aus mir herauskommen soll. Das sie mich auffängt. Wer weiß, ob ich sie jemals so gut kennengelernt hätte. Deshalb habe ich mich auch für sie entschieden. Die Freundschaft zu ihr, war mir wichtiger. Denn sie hörte mir wirklich zu. Ließ mich ausreden. Verstand mich. Zumindest teilweise. Ich bin kein Typ, der alles von sich preisgibt. Den man in eine Schublade stecken kann. Das gefiel ihr an mir, so weit ich von ihr erfahren hatte. Ich bin anders, als die anderen. Teilweise mit Widersprüchen behaftet. Aber so bin ich und war ich und werde es auch bleiben. Ich werde mich nie wieder für andere ändern. Zu oft habe ich es getan. Und was hatte es mir gebracht? Wie oft habe ich gehört, wir bleiben in Kontakt. Der einzigste, der sich gemeldet hatte, war ich. Bis ich keine Lust mehr hatte. Warum sollte ich stets nur mein Geld vertelefonieren? Wenn sie Kontakt mit mir haben wollen, sollen sie sich auch mal bei mir melden. Ich habe doch nicht die Geldscheiße.
Wie oft habe ich versucht ihn zu erreichen? Ich kann schon gar nicht mehr mitzählen. Bekam ich Rückmeldung? Nein. Ich kann ja verstehen, das er nicht an sein Handy kann, während der Arbeit. Dennoch könnte er zurückschreiben. Ist das zu viel verlangt? Als ich Geburtstag hatte, meldete er sich auch bei mir. Zwar spät, aber er hatte es getan. Und nur darauf kam es mir an.
Auch wenn es schon lange her war. Ich kann es nicht vergessen. Es war ein Geheimnis gewesen, von meiner Frau und mir. Wir wollten es sagen. Das wusste er. Aber er konnte seinen Mund nicht halten. Auch wenn er behauptet hatte, das er es nicht verraten hatte. Es bleibt kein anderer übrig. Gynäkologe fiel aus aus. Meine Frau auch. Ich sowieso. Ansonsten wusste nur noch er davon, weil er zufällig anwesend war.
Es war nichts persönliches. Nur manchmal ging er mir tierischst auf den Sack. Nervte. Mir war bewusst, das ich ihn zu mir eingeladen hatte. Ich fragte mich dann, warum ich es getan habe. Ich kam nicht zu Wort. Viel zu oft hörte ich von ihm, das ich noch jung sei und deshalb... Klar war ich über zwanzig Jahre jünger, als er. Dennoch war ich kein Kind mehr. Hab einiges an Lebenserfahrung gesammelt. Wobei ich bemerken muss, das ich vieles lieber nicht erlebt hätte. Wenn es wenigstens lehrreich gewesen wäre, würde ich anders darüber denken. Lektion erhalten und daraus gelernt.
Nadine R konnte ich vertrauen. Sie war ehrlich. Auch wenn die Wahrheit manchmal wehtat. Ich wollte es so. Von Anfang an habe ich sie darum gebeten, mir ihre Meinung klar und direkt zu sagen. Das tat sie auch.
Ich hatte nicht mehr wirklich Kontakt zu ihm. Wir sahen uns zu selten. Er war ja nie da. Nie erreichbar. Warum sollte ich eine Freundschaft aufrecht erhalten, wenn keine mehr vorhanden war?
Die Entscheidung hatte ich ihm zwar noch nicht mitgeteilt, aber so dumm war er nicht gewesen, das er es nicht mitbekommen hatte. Zu oft hatte er mich mit ihr gesehen. Okay, nach dem letzten Kneipenbesuch, dachte er eh, das ich mit ihr zusammen bin. Soll er.