Kurzgeschichte
Working every Day - Ängste von Heute sind ist die Welt von Morgen

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"Working every Day - Ängste von Heute sind ist die Welt von Morgen"
Veröffentlicht am 13. Oktober 2012, 24 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Working every Day - Ängste von Heute sind ist die Welt von Morgen

Working every Day - Ängste von Heute sind ist die Welt von Morgen

Damals

Mein Vater erzählte mir einmal, dass es Zeiten gab, in denen es Staaten und Regierungen gab. Menschen getrennt, durch Grenzen. Nationen separiert durch Kultur. Das war weit vor meiner Zeit, Selbst er kannte es nur als Kind. Doch was erwartet man wenn die Autorität durch schnöden Mammon bedingt wird. Wenn sich Ideale nur durch die Höhe ihres Kaufpreises unterscheiden.

Hat sich nun ein System genug Geld geliehen, dass es niemals die Chance hat auch nur eine Rate zu tragen, wollen die Geldgeber, andere Vergütungen, zum Beispiel mitentscheiden. Dabei ist es egal welche Rolle ein Unternehmen oder eine Regierung einnimmt. Schlussendlich entsteht eine einfache Vermischung zwischen Regierung und Wirtschaft. Der Anfang vom Ende.

Heimweg

Ich entflammte mein Zippo, steckte mir eine Zigarette an, ließ das Feuerzeug wieder in der Manteltasche verschwinden. Der Rauch füllte meine Lungen, durfte dort seine Wirkung tun, bis ich ihn sachte wieder ausstieß.

Eine weitere Zwölf-Stunden-Schicht war vorbei. Auf den Tag genau war das meine 2088 Schicht, weitere 8351 bis mein Arbeitsverhältnis beendet wird, anders ausgedrückt, war heute mein 22ter Geburtstag. Vater hatte auch hierzu eine Geschichte, doch in sieben Jahren ununterbrochenem Arbeiten verdrängt man sie, will nicht daran denken, was interessiert einen heute die Vergangenheit. Es war eine Zeit der Not und des Elends. Es ärgerte mich, das die Menschen damals so unproduktiv waren.

Ich war schon fast Zuhause angekommen. Weite Arbeitswege senkten die Produktivität. Meine Bleibe befand sich in einem Zwölfstöckigen Haus. Auf jedem Stockwerk befanden sich Acht-Einzimmer-Wohnungen. Zu viel Raum macht dekadent. Unterschiede riefen Neid und Überlegenheitsgefühle hervor.

Die Zigarette auf den Boden geworfen trat ich sie aus. Ungesunder Umgang mit der eigenen Gesundheit konnte mit bis zu 15 Sonderschichten bestraft werden. Wozu hatte denn sonst ein Tag 24-Stunden? Eine kleine Spritze mit den richtigen Medikamenten konnten den Körper Leistungsfähiger machen. Aufgrund der hohen Nebenwirkungen wird es aber nur zu Bestrafung angewendet.

Einmal hatte ich eine Packung Zigaretten gefunden, da habe ich angefangen und konnte oder wollte nicht mehr aufhören. Es war nicht einfach, aber nach ein paar Anträge gelang es mir eine Gewächskammer mit Tabak zu bekommen. Pflanzen machen Glücklich, damit erhöhen sie die Produktivität. Fast keiner wusste mehr was man damit machen konnte, nur die älteren Generationen kannten noch Zigaretten. Dannach war es auch möglich – wenn auch schwerer – die nötigen Gerätschaften zu beschaffen die mir den Tabak zu Kippen machen konnten. Zur Sicherheit versteckte ich sie dennoch nach jeder Benutzung. Hin und wieder rauchte ich auf dem Weg von und zur Arbeit eine.

Der Eingangsbereich und sowieso alle Stockwerke sahen identisch aus. Neid und so 'was. Ein regelmäßiges Zehneck. Acht Seiten führten zu Wohnungen. Im Erdgeschoss diente eine weitere Seite für den Eingang und an der gegenüberliegenden, letzten befand sich der Fahrstuhl.

Der Hausmeister putzte den Boden. Dreck verursachte Krankheiten, was die Produktivität senkte. Er blickte nicht auf, ich grüßte ihn nicht; Höflichkeit kostete Zeit was die Produktivität senkte.

Die mysteriöse Fremde

Intuitiv ging ich in den Fahrstuhl, drückten den Knopf für die sechste Etage. In diesem Moment sah ich vor der Tür eine Frau. Sie wohnte im selben Stockwerk. Hin und wieder habe ich sie gesehen. Sie war etwa in meinem Alter. Was mich auch immer dazu veranlasste, hielt ich die Tür des Aufzugs offen. Es erregte Aufmerksamkeit. Nicht nur das ich ihn so blockierte, wäre es schneller gegangen wenn ich hochgefahren wäre und sie ihn sich wieder geholt hätte. Zeitverschwendung in diesem geringen Maße, ist keine Straftat, doch wurde es sehr ungern gesehen. Die Frau beeilte sich – unnötige Eile wurde auch nicht gerne gesehen, da sie das Unfallrisiko erhöhte.

Sie hatte lange braune Haare, ein zierliches Gesicht, große dunkle Augen. Ein Mantel, ähnlich dem meinen verhüllte ihren Körper, doch war klar was sie darunter trug. Zu dieser Jahreszeit: flache Mokassins, eine hellbeige Stoffhose, und eine ebensolche Bluse. Die Straßenkleidung für Frauen., nicht das es sich groß von meiner, oder aller Männer unterschied. Auf der Arbeit hatte jemand erzählt,, bei anderen Firmen trugen sie andere Farben, er kannte noch hellblau.

„Danke, nett von Ihnen“, sagte sie schnell, als sie mit eingestiegen war. Sie hatte eine süße Stimme. „Ich heiße Selina.“ Dabei streckte sie mir ihre Hand entgegen.

Verwirrt starrte ich darauf. Bei Vertretern zweier Unternehmen habe ich es schon gesehen, wie sie sich die Hände reichten, doch niemals zwei einfache Arbeiter. Sowieso sie hatte sich mir vorgestellt. Wurde sie in meinen Betrieb versetzt? Unsicher ergriff ich die Hand. Für ihre schmale Statur hatte sie einen beeindruckend kräftigen Händedruck.

„1227-W“, antwortete ich sofort. Im selben Moment war es mir peinlich meine Personalnummer zu nennen. „Ich meine natürlich William.“

Sie lächelte, es war ein bezauberndes Lächeln, strahlend weiße Zähne. Mir wurde ganz warm in der Brust.

Mit einem sanften Bing, erreichten wir unser Stockwerk. Ich ließ ihr den Vortritt. Ohne es zu wollen schaute ich auf ihren Hintern. Natürlich sah man nicht viel, geschuldet durch den Mantel, doch das war meiner Fantasie egal.

Trotz alledem verabschiedete ich mich: „Ich wünsche dir einen erholsamen Abend und morgen einen produktiven Tag.“

Es ließ sie kichern. Hatte ich etwas falsches Gesagt?

Mit wehenden Haaren wandte sie sich herum: „Klar Großer, dir auch einen guten Abend und süße Träume heute Nacht.“ Sie zog einen Kussmund und schon verschwand sie in ihrer Wohnung.

Selten hatte eine Frau mir so den Verstand durcheinander gebracht. Zweimal vertippte ich mich, bis endlich die Tür aufging. Wie in Trance stolperte ich hinein, zu dem Stuhl und ließ mich darauf fallen.

Der Tägliche Alltag

Wie die Faust auf 's Auge sah ich den Notizzettel auf den Schreibtisch. Es ging um Fortpflanzung. Ich sollte einen Fragebogen ausfüllen, das eine passende Frau für mich gefunden würde. Bisher hatte ich keine Lust dazu gehabt, doch der Abgabetermin rückte immer näher. Nach dem Ereignis im Fahrstuhl, war wohl heute der richtige Tag dazu. Nach dem Essen, beschloss ich.

So erhob ich mich wieder. Meine Wohnung war alles anderes als spektakulär. Ein einfach Bett im Zentrum. Unter dem einzigen Fenster befand sich der Schreibtisch mit einem PC, davor stand der Stuhl, auf dem ich eben noch saß. Auf der anderen Seite war das Bad abgegrenzt. Ein Waschbecken, Dusche und Klo. Es war anders wie das Zimmer komplett gefliest, nicht nur der Boden, dafür war es ebenso vollständig in weiß gehalten, weshalb es sich von der Tapete kaum abhob. Gegenüber dem Fenster, neben der Eingangstür, befand sich der Essensaufzug, oder Fressluke, wie sie liebevoll genannt wurde. Der Ausgang zu einem Verteilersystem, der den ganzen Block mit Nahrung versorgte.

Das grüne Licht neben der stählernen Tür verriet mir das mein Essen bereits auf mich wartete. Schweinebraten mit Kartoffelknödel, dazu ein Teller mit Möhren- und Eisbergsalat. Warum sollte man selbst kochen, wenn andere extra diesen Beruf lernten. Es war ein wunderbares System. Man konnte aus einer Auswahl – die sich aus einer Vielzahl Faktoren bestimmte, wie Arbeit, Vorlieben, Geschlecht, Weg zur Arbeit, Alter, Erkrankungen, bereits gewählte Gerichte – wählen was man wann wollte. Das Essen wurde heiß oder kalt, je nach dem, in die Wohnung geliefert.

Die zwei Teller und das Besteck genommen, setzte ich mich an den Schreibtisch, oder besser jetzt Esstisch und schaltete den PC an. Wollte wissen ob etwas Wichtiges anstand.

Bereits beim ersten Bissen Braten, musste ich nachdenken; Was würde Selina heute zu Abendessen und was zum Teufel interessiert es mich? Mit Mühe versuchte ich mich auf das Essen und die Nachrichten zu konzentrieren. Man legte mir Nahe einen Kurs für Druckverbindungen zu belegen. In einem anderen Stockwerk in meinem Betrieb arbeitete man viel mit Druck und Pneumatik. Wahrscheinlich wollte man das ich dort demnächst Vertretungen übernehmen kann. Schon wieder dachte ich an Selina, welche Kurse würde sie angeboten bekommen. Lautlos stieß ich einen Fluch aus.

Neugierde außerhalb des Betriebs war verpönt. Obwohl; nach ihrer Arbeit fragen war für die Firma, vielleicht könnte man Synergien knüpfen. Entnervt warf ich das Besteck auf den Tisch.

Auf dem ganzen Weg zu ihrer Tür überlegte ich was ich sagen sollte. Man besucht keine anderen Leute, so etwas schädigt doch normal immer die Produktivität. Eine scheinbare Ewigkeit blieb ich vor ihrer Tür stehen, auch wenn ich versuchte mich zu beruhigen wurde ich es nicht, ganz im Gegenteil. Also hatte sich meine Hand dem Konflikt entsagt und sich selbstständig gemacht. 'Elendiger Verräter'.

Grenze zum Gesetz

„Die Tür ist offen“, trotz der Wand zwischen uns hörte man ihre Freude. Sie hatte darauf gewartet, dass ich vorbeikomme.

Die Tür öffnete sich durch sachten Druck. Sie saß auf ihrem Stuhl, zur Tür gewandt. Den Mantel hatte sie einfach auf das Bett geworfen, die Schuhe ebenso rücksichtslos hin geknallt. Fehlende Ordnung war ungern gesehen. Die oberen Knöpfe ihrer Bluse waren geöffnet. Nicht das ein tiefer Ausschnitt die Folge war – dazu fehlte noch ein Stück, außerdem hatte sie alles anderes als eine üppige Oberweite – doch würde es genügen eine Verwarnung wegen Sittenverstoßes zu bekommen, oder sogar eine Bestrafung. So etwas konnte Männer den Kopf verdrehen und Frauen neidisch machen. Beides senkte die Produktivität.

Selina sah mich an wie ein Welpe. Mir wurde schon wieder ganz warm. Erst jetzt merkte ich, das ich noch meine Schuhe und den Mantel trug. Bevor ich deswegen noch rot wurde, begrüßte ich sie – zu mindestens versuchte ich es, besser ich stotterte: „Hallo, i...i...ich...“

Es ließ sie noch breiter lächeln. „Komm doch rein.“

„Ich wollte nur fragen, ob wir zusammen essen wollen“, der Satz gelang mir nur, weil ich die Augen geschlossen hielt und viel zu schnell sprach.

Es war ihr deutlich anzusehen, wie es sie amüsierte. Unklar blieb ob ich mich so verhielt weil ich im Begriff war eine Straftat zu begehen, oder nur wegen dem Unbekannten mit dem anderen Geschlecht.

„Du hast dein Essen nicht gleich mitgebracht?“

Nachdem die erste Hürde genommen war, fielen die Worte mir leichter, nicht viel, aber doch ein wenig: „Ich wusste ja nicht wie du antwortest.“

„Als ob ich bei einem so süßen Gesicht Nein sagen könnte. Dann gehen wir mal rüber zu dir. Schauen wir was das Essen bringt.“

Mein Puls war alles andere als ruhig, noch ein wenig schneller und es würde nur noch vibrieren. Kalter Schweiß lief mir den Rücken herab. Fühlt man sich immer so elend, wenn man an der Grenze des Gesetzes steht?

Sie nahm einen Teller den sie eben noch im ihrem Körper verborgen hatte. Belegte Brote mit Salat, Gurken, Tomate, Schinken, Salami, Käse und noch einer Kräutersoße lagen darauf. In meinem Zimmer setzte sie sich ungefragt auf mein Bett. Mit überschlagenen Beine, den Teller vor sich finge sie das Essen an.

Selina nahm kleine Bisse, kaute diese Lange. Für sie war Essen mehr als nur Zufuhr von Energie. Sie genoss den Geschmack. Ich zwang mich es ihr gleichzutun. Meine Speise enthielt Nuancen und Noten von denen ich noch nie etwas geschmeckt hatte, Gewürze wie Pfeffer oder Kräuter wie Thymian. Es waren so viele. Bildeten eine Kakophonie von Eindrücken. Was hatte ich all die Jahre in der Eile sonst noch verpasst?

„Mhm“, machte sie, wobei sie eine Pause in ihrem Essen einlegte.

Neugierig sie musternd, fragte ich: „Stimmt etwas nicht?“

„Die Stille, sie... Ich finde sie unangenehm, doch fällt mir nichts ein, über das wir reden könnten, ohne das ich das Wort Arbeit in dem Mund nehmen muss:“

Verwirrt fragte ich: „Was ist so schlimm an Arbeit?“

„Es kann nicht alles sein.“

So kann es nicht gehen

Ihre Worte waren schlimm. Sie machten keinen Sinn und waren nicht gesellschaftskonform. Was für ein Subjekt habe ich kennen gelernt und warum saß sie auf meinem Bett? Während ein Großteil von mir von ihrer Einstellung abgestoßen war, machte sie den Rest so neugierig, dass er überwog. Das schönste dabei war in ihr niedliches Gesicht zu sehen.

Um ihren Standpunkt näher zu erleuchten widersprach ich: „Arbeit ist das einzige in unserem Leben was Sinn gibt. Es stärkt die Gesellschaft und bringt uns Voran. Das System der Arbeit ist das was uns von Tieren unterscheidet.“ Noch während ich sprach erkannte ich, dass ist meine Weltanschauung.

Du kennst Ameisen?“, ihre Frage war bar jeden Spottes. „Unser System hat uns zu niederen Insekten gemacht. Von allen bekannten Lebewesen hat der Mensch das am stärkst entwickeltem Gehirn, doch wir benutzen nur noch die rudimentären Funktionen und wozu? Das es einer kleinen Gruppe dort oben gut geht.“

„Du meinst die Vorstände und Geschäftsführer? Ihnen geht es nicht besser als uns. Sie müssen die Firmen leiten. Verantwortung tragen. Vielleicht haben sie sogar eine schlimmere Position als wir.“

„Das bezweifle ich. Es war von der Geschichte her immer so, dass es ihnen besser geht. Ich muss es wissen. Die dort Oben, während wir unsere Schichten absitzen, uns weiterbilden oder Gemeinschaftsdienst vollziehen, können Golf und Schach spielen und reiten. Ich kennen Pferde nur aus Büchern aus der Vergangenheit, doch weiß ich, das unser Geschäftsführer einen eigenen Stall hat. Gerechtigkeit ist etwas anderes.“

Während unseres Gesprächs ist mein Essen kalt geworden, mein verlorener Appetit tröstete mich darüber hinweg.

„Mein Vater hat mir erzählt, zu Großvaters Zeiten gab es Krieg, Mord, Zerstörung, Armut und Hunger“, versuchte ich weiter den Status Quo zu verteidigen.

Selinas Lächeln wurde zu einer traurigen Farce von dem eben da gewesenem. „So gibt es das nicht mehr, das Stimmt, doch führt jeder Weg aus dem Fegefeuer in den Himmel? Muss die ganze Menschheit für die Taten weniger büßen? Welche Gerechtigkeit ist das?“

„Woher weißt du das alles?“

„Mein Beruf ist unsere Vergangenheit zu studieren, das man die Zukunft manipulieren kann und deiner?“ Sie ging vom Bett, stellte ihren Teller auf meinen Tisch.

„Ach ich darf eine Horde Roboter überwachen.“

Eine weitere Demonstration ihres gesundes Selbstvertrauens gab es, als sie sich auf meinen Schoß setzte. Einen Arm um meinen Hals gelegt.

„Lass uns bitte kurz die Arbeit vergessen. Das schlägt mich immer so nieder“, schnurrte Selinas süße Stimme sanft.

Nicht wissend, ob sie den Notizzettel gesehen hatte, oder nur gut geraten hatte, fuhr sie fort; „Dir wurde noch keine Frau zugeteilt, braucht 's auch nicht.“ Ehe ich das 'Warum' erfragen konnte, lieferte sie es mir.

So zärtlich wie ihre Stimme, berührte sie meine Lippen mit den ihren. Wie Funken sprang es über. Funken auf trockenem Gras. Wie ein Buschfeuer sich entzündet, entzündete sie ein Feuer in mir. Ohne zu wissen was ich tat, erwiderte ich den Kuss.

Scheue Schlangen krochen aus ihren Höhlen, begaben sich in Umarmungen, kämpften mit einander, doch wird es nie einen Sieger geben. Der Herzschlag beschleunigte sich – wurde er je langsamer? Flammen schossen durch die Adern. Die Sicht verzerrte sich. Meine Arme erkundeten ihren Körper, ihre taten es mir nach.

Aus einer spontanen Eingabe ließ ich von ihr ab, nahm sie in der Kniekehle sowie am Rücken und trug sie zum Bett. Ich wollte, über sie gebeugt, sie wieder in die Arme nehmen, weiter machen, doch Selina erwehrte sich erfolgreich und fing augenblicklich an, unter meinem Mantel das Hemd aufzuknüpfen.

Ihre Finger waren Eis auf meiner Haut, wobei ich nur am Anfang zuckte, schon bald spürte ich die Schönheit davon. Es war sonderbar von einer anderen Person entblößt zu werden. Es war eine Aktion zwischenmenschlicher Beziehung, die man nicht mehr kannte.

Noch schwerer fiel es, sie auszuziehen. Diese angenehm Fremde Haut. Die schlecht vertraute Form ihrer Brüste. Der ganze weibliche Körper war so unbekannt – ja man kannte ihn, hinter Kleidung verborgen, von der Arbeit wo man kaum Aufmerksamkeit auf solche Unterschiede legte. Der erste Mann auf dem Mond musste sich ähnlich gefühlt haben. Konnte man ihn jede Nacht am Himmel sehen, doch wenn man auf ihm Stand, war es etwas ganz anderes.

Wir räkelten uns fest verschlungen nur noch in Unterhosen. Diese sollte sie nun auch verlieren. Mein Körper löste sich leicht von ihren, die Hände wanderten nach unten, mit ihm mein Blick.

Da sah ich es.

Die Finger waren gerade im Bund versunken. Sie hatte ihre Hüfte hilfsbereit entgegengestreckt.

Jegliche Bewegungen erstarrten. Es dauerte ein Augenblick bis sie es merkte. Den Kopf erhoben sah sie wohin mein Blick gerichtet war. Seufzend ließ sie sich komplett auf die Matratze fallen. Dabei rutschte meine Finger hörbar mit einem Schnalzen aus dem Bund, verharrten in der Luft.

Nach einer gefühlten Ewigkeit gelang es mir sie auf das Laken zu legen, nochmal so lange brauchte ich bis ich los stotterte: „Du bist, du hast, du...“

Sie fand auch nicht sofort ihre Sprache, aber als es ihr gelungen war klangen ihre Worte verständlicherweise traurig, doch versucht sachlich: „Sie wissen es nicht. Ich hatte eine Totgeburt. Die Ursache hatte man nie untersucht. Es bestand kein Bedarf.“

Selina legte sich auf die Seite. Auch wenn das Schluchzen ausblieb, wusste ich das sie weinte. Sich hinter sie gelegt, nahm ich sie in die Arme. Dankbar hielt sie eine Hand mit ihren beiden fest.

„Und dennoch hat man dich dafür gekennzeichnet?“, fragte ich flüsternd.

„Auch den Vater, aber was hilft es?“

„Also hat man zwei Menschen wegen vielleicht eines Unfalls ein Leben lang gekennzeichnet, degradiert, Liebe und Kinder verwehrt“, ich klang nun ebenso traurig. Den sachlichen Ton konnte sie sich erst aneignen, als sie es überwunden hatte, so wie sich ein Messer in mein Leib bohrte, musste es bei ihr Jahre gedauert haben.

Selina löste sich aus der Umarmung, drehte sich herum,blickte herab, zog die Haut um die Tätowierung in der Größe eines Flaschenbodens straff auseinander. Das Bild stellte ein Dreieck wie ein Warnschild mit abgerundeten Ecken mit einem einbeschrieben roten X dar, positioniert über ihrer linken Hüfte, neben ihrem Bauchnabel.

Sex mit einer solch gekennzeichneten Person war eine schlimme Straftat. Denn Geschlechtsverkehr ohne den Sinn der Reproduktion ist Genusssucht.

Ihre Stimme war erschreckend kalt: „Gut beschrieben und in einer solchen Welt willst du leben. Ziehst sie Hunger und Armut vor?“

„Nein, doch unsere Chancen es zu Ändern haben wir verpasst. Weißt du wie man eine Firma leitet? Eine Revolution wäre schlimmer als ein Krieg. Eins beschert uns mit Sicherheit das Chaos und die Steinzeit. Etwas in der wir nicht mehr leben können.“

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