Die Novizin Elanor und ihre Meisterin Asrah stoßen auf ein verlassenes Schlachtfeld. Hier haben Menschen und Zwerge gemeinsam gekämpft. Was hat sich im Frostgebirge zugetragen, dass sich die Zwerge auf die Seite des Feindes gestellt haben? Asrah und Elanor folgen einer Spur, die in die Wälder Dundrobs führt...
Vorsichtig setzte Elanor einen Fuß vor den anderen. Ihre Haltung war verkrampft, ihr Augen starr nach vorn gerichtet. Auf dem Boden unter ihr tummelten sich Berge von Leichen, die bereits zu verwesen begonnen hatten. Ihr Gestank war unerträglich, ihren Anblick würde das Kind wohl nie vergessen. Angestrengt versuchte sie an etwas anderes als an die Toten Männer zu denken: An ein ruhiges Wäldchen, eine bunte Wiese, oder gar an ihr altes zu Hause... Doch der Gedanke daran versetzte ihr nur einen harten Schlag in den Magen. Denn von dem Ort den sie einst ihre Heimat nannte war nur noch Asche übrig. Bilder von jener Nacht in der das Reich der Elfen gefallen war tauchten vor ihren Augen auf. Eine Wand aus Feuer, Flammen die auf die Häuser der Unschuldigen übergriffen, die Ermordung ihres Königs und seiner Getreuen. Selbst für die Maßstäbe eines Menschen war es noch nicht lange her. Elanor blickte hinab zu den Toten. Ihre Körper waren grausam zugerichtet, zermalmt und verstümmelt. Ihr Volk war es die vor lauter Hass und Machtgier zu dieser Schandtat fähig gewesen waren. Es war ihre Schuld das sie alles verloren hatte, und dennoch fühlte sie Mitleid für die jungen Männer die ihr Leben hier verloren hatten. Hinter ihr erklang ein leises Knacken, welches für jedes andere Volk unhörbar gewesen wäre. Ihre Meisterin näherte sich ihr langsam und Elanor wandte sich um. Die Augen der älteren Elfe waren wasserblau und kristallklar, ihr langes schwarzes Haar umrahmte ihr blasses Gesicht. Sie war hochgewachsen und schlank, ihre Züge ebenmäßig und kühl. Sie trug eine schwarze Lederrüstung und zwei lange Messer gekreuzt auf ihrem Rücken. Sie war von zierlicher Gestalt, vermutlich wurde sie deshalb so oft unterschätzt. Diesen Fehler machten ihre Gegner allerdings auch nur einmal, eine zweite Gelegenheit bekamen sie meist nicht. Asrah zählte zu den besten Schwerkämperinnen im alten Reich. Vielleicht lag das daran das sie keine Gnade kannte? Elanor wusste es nicht. Ihr erschien die Elfe jedoch nicht selten kalt und gnadenlos. Trotzdem war sie froh darüber an ihrer Seite sein zu dürfen. Auf Asrahs Schulter ruhte ihr Nachtfalke, er war ihr ständiger Begleiter und ihr treuester Freund, so sagte sie. Sein Gefieder war von der gleichen Farbe wie Asrahs Haar und man hätte meinen können, das es nahtlos in das glänzende Gefieder des Falken überging. Der Anblick des Raubvogels war wirklich majestätisch. Voller stolz blickte er von der schmalen Schulter seiner Besitzerin auf sie hinunter. Man könnte meinen er beobachtete sie wie eine Feldmaus, die er sich gerade zur Beute auserkoren hatte. Schattenschwinge... ein guter Name für einen Nachtfalken befand sie, als sie in die bernsteinfarbenen Augen des Tieres blickte.
Erwartungsvoll blickte sie zu ihrer Meisterin auf, welche ihren Blick ebenfalls über den toten Soldaten kreisen lies. "Asrah?" fragte sie vorsichtig um auf sich aufmerksam zu machen. Die schmalen Lippen der Kriegerin formten ein flüchtiges Lächeln, ihre Augen durchdrangen ihre Schülerin nun bis ins Mark. "Was glaubst du ist hier passiert? erwiederte sie prüfend, ihre Stimme war so rein und klar wie das Eis des fernen Frostgebirges. Elanor zögerte, sie wollte Asrah nicht enttäuschen, doch fiel ihr keine Antwort ein mit der sie sich zu frieden gegeben hätte. "Dies sind die Soldaten Araphims." begann sie, wobei sie es stets vermied in die kalten Augen der älteren Elfe zu blicken. "Es können nicht viele gewesen sein, vielleicht dreihundert, keineswegs mehr. Vermutlich war es ein Trupp der sich mit einem Anderen verbiden sollte, Damroth liegt bekanntlich nicht weit von hier... Aber sie wurden überrascht, nachts als sie alle schliefen." Sie deutete auf die Zelte, oder viel mehr auf das was noch von ihnen übrig war. Asrah nickte ihr anerkennend zu, und bedeutete ihr mit einer Geste fortzufahren. " Doch kann nicht nicht sagen wer es gewesen sein könnte, es gibt niemanden mehr der es wagen würde sich gegen Araphim zu stellen. Die Brutalität ihres Vorgehens..." sie zog ihre Unterlippe beim Anblick eines abgetrennten Kopfes erschrocken nach unten, vom Gesicht des Unglücklichen waren nichts als blutige Fleischfetzten übrig geblieben. "Ich denke es könnten Orks gewesen sein." Asrah hob eine ihrer schwarzen Brauen, eine überaus hochnäsige Geste wie ihre Schülern fand. "Du musst lernen deinen Verstand zu gebrauchen, bevor du den Mund aufmachst! Tadelte sie, aus ihrer Stimme lies sich weder Zorn noch Enttäuschung heraushören. "Die Orks sind brutal und primitiv, da hast du natürlich Recht. Doch sind sie nicht die einzige verdorbene Rasse in unserem Land! Elanor wollte sich gerade verteidigen als ihre Meisterin auf einen der toten zuging und ihm den Stiefel auf den Bruskorb stellte. Mit eisernem Griff packte sie den Speer der aus dem Körper ragte und riss ihn mit einem kräftigen Ruck heraus. Es gab ein hässliches Geräusch als die Rippen unter dem Gewicht der Elfe brachen, angewiedert verzog Elanor das Gesicht. "Sie ihn dir an!" rief Asrah nun mit einer Spur Zorn in der Stimme, denn sie hatte die Grimasse der jungen Elfe sofort bemerkt. Sie warf den Speer ihrer Schülerin zu, unbeholfen fing sie ihn auf. Er war über und über mit Blut bespritzt, mit dem Blut eines Menschen. Mit spitzen Fingern drehte und wendete Elanor die Waffe. Sie war aus Holz, und an ihrer Spitze prangte ein riesiger Reißzahn, welcher zu keinem Tier passen wollte das ihr in den Sinn kam. Dazu war sie mit bunten Federn verziert, die frei hingen wenn sie die den Speer bewegte.
"Es waren die Bamuri." Bemerkte Asrah schließlich als sie bermerkte das ihr Gegenüber keine Ahnung hatte. Sie sind ein wildes Volk von Kanibalen, jedoch entfernt mit den Menschen verwand." Elanor bemerkte sofort das sie "mit den Menschen verwand" betonte als wolle sie ironisch sagen: Wer hätte das gedacht! "Sie leben in Stämmen, überall in Alessia verstreut." setzte sie ihre Erklärungen fort. " Sie sind Wilde, im Gegensatz zu uns weit unterentwickelt und ebenso primitiv wie die Orkstämme im Süden. Vermutlich haben diese Soldaten ihr Territorium betreten und diese ... Wesen haben sich in irgendeiner Weise bedroht oder beleidigt gefühlt." "Aber wenn sie gegen die Menschen kämpfen, dann sind sie unsere Verbüdeten! rief Elanor aufgeregt, doch Asrah gebot ihr mit einer Geste schweigen. Aber... stammelte sie noch, wofür sich die Mine ihrer Meisterin noch zusätzlich verfinsterte. "Die Bamuri sind ganz sicher keine Verbündeten" herrschte sie sie an, genauso wenig wie Orks welche wären. Alessia wäre ohne sie weit besser dran, niemals könnte man sich mit ihnen verbünden! "Können oder Wollen? fragte Elanor trotzig ohne über ihre Frage nachgedacht zu haben. Sofort bereute sie ihr Verhalten, denn es schickte sich für eine Elfe keineswegs einem höher gestellten zu wiedersprechen oder ihn gar anzuzweifeln. Beides hatte sie gerade getan. " Können und Wollen!" zischte Asrah und ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Verlegen blickte Elanor an ihr vorbei, es fiel ihr schwer sich an ihre neue Meisterin zu gewöhnen. Sehnsüchtig dachte sie an ihren alten Meister Melodin, der sie viele Jahre in der elfischen Heilkunst unterrichtet hatte. Melodin war keineswegs so ernsthaft und verbissen wie Asrah, dennoch war er ein großartiger Lehrer gewesen, den sie sehr vermisste. Er war einer der großen Heilkundigen Zauberer, die an der Akademie des Nordens gelehrt hatte. Doch musste er nach dem Fall des Elfenreiches fliehen und hatte sie, seine beste Novizin in Domriel zurückgelassen, wo sich Asrah ihrer annahm. Diese war immer noch damit beschäftigt ihr eine ausschweifende Prädigt über Benehmen und guten Ruf eines Elfen zu halten. Elanor hörte absichtlich weg und musterte ein weiteres Mal sie Soldaten zu ihren Füßen. Asrah war gerade am wichtigsten Teil ihrer Rede angekommen als ihr etwas sehr merkwürdiges in den Überresten des Schlachtfelds auffiel. Sie öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch Asrah schien geradezu sehr mit ihrer Predigt beschäftigt. Also lies Elanor sie einfach stehen, um sich die Sache näher anzusehen. Asrah hinter ihr war verstummt. doch lies sich ohne sie anzusehen kaum erahnen ob sie verstanden hatte oder ob es erneute Fassungslosigkeit über das Verhalten ihrer Schülerin war. Elanor ging zielstrebig auf eines der wenigen Zelte zu, welches nicht verbrannt oder zerstört worden war. Ihre Meisterin, da war sie sich sicher hätte es nicht einmal als Zelt bezeichnet, denn es war lediglich eine wackelige Konstrucktion aus einigen Stöckern und einer zerschlissenen Decke. Doch genau sie war es die die volle Aufmerksamkeit der jungen Elfe auf sich zog. Sie war aus braunem Leinen gefertigt und ein aufweniges Muster war daraufgetickt. Sie riss die Decke von den Hölzern und hob sie an, um sie besser betrachten zu können. Ein brüllender Bärenkopf zierte das einfache Tuch welches keinesfalls einen Menschen vor Sturm und Kälte geschützt hatte. "Das ist das Wappentier der Zwerge von Urtargk Amag! Rief Elanor ihrer Meiserin verwundert zu. Diese näherte sich ihr mit großen Schritten, offenbar ebenfalls sehr überrascht. Sie warf die Decke auf den Boden und ihr Blick fiel nun auf das Innere des nun dachlosen Zeltes. Darin lag ebenfalls ein toter Körper, doch war er sehr viel kleiner und kräftiger als die der Menschen. Ein Zwerg... murmelte Asrah die nun neben ihrer Schülerin stand, und krampfhaft nachzudenken schien. "Sie haben Zwerge für ihre Heere rekrutiert." Meinte Asrah abwesend. "Rekrutiert? Unterbrach Elanor ihre lauten Gedanken, du meinst wohl eher versklavt! " Ihre Augen ruhten nun wieder auf dem Boden. Langsam schritt sie an den nahe gelegenen Zelten vorbei, verfolgte die wenigen Fußspuren die vom Kampfgeschehen fort führten - und tatsächlich! Ihre Schritte wurden schneller, sie bewegte sich auf den nahen Waldrand zu. Die kleinen Fußspuren wurde immer deutlicher, es waren zwei, und sie mussten gerannt sein, versuchten aus dem Schlachtgetümmel zu entkommen. Sie folgte ihnen weiter, stets in der Hoffnung die Spuren nicht zu verlieren. Als sie die ersten Tannennadeln unter ihren Stiefeln knirschen hörte blickte sie auf. Es war ihnen tatsächlich gelungen das Schlachtfeld lebendig zu verlassen. Sie blickte in das finstere Unterholz, welches selbst für einen Elfen schaurig anzusehen war. Elanor versuchte sich in die Situation der Flüchtlinge zu versetzten, ihnen war keine andere Möglichkeit geblieben, wenn sie nicht getötet werden wollten. Sie mussten in den Wäldern Schutz suchen.
"Wir müssen ihnen folgen." entschied Asrah die nun ebenfalls die schwarzen Tannen des Waldes betrachtete. "Wenn sie noch am Leben sind, müssen wir sie finden und erfahren was im frostigen Gebirge geschehen ist, dass die Zwerge sich Araphim angeschlossen haben! Elanor nickte wobei sie ein Lächeln nicht unterdrücken konnte. "Ich werde eine Nachricht nach Domriel schicken, bevor wir gehen." Entschied die Meisterin und fasste in ihre Gürteltasche. Schattenschwinge watete bereits unruhig ihre Schultern auf und ab. Artig hielt er still als Asrah ihm die winzige Rolle Pergament am Hals festband. "Schattenschwinge." Sagte Asrah ruhig und strich ihm liebevoll durch das schwarze Gefieder. "Bring diese Nachricht Meister Alrahir, die Arkanen müssen gewarnt werden! Der Falke begann mit den Flügeln zu schlagen und erhob sich elegant vor ihnen in die Lüfte. "Flieg schnell mein Freund, bring die Kunde nach Domriel!" Rief sie ihm hinterher. Nur einen Augenblick später war von ihm nur noch ein kleiner dunkler Punkt am Horizont übrig, der einen Herzschlag später verschwunden war. Asrah blickte auf ihre Schülerin hinunter. (Wie Elanor das hasste!) Sie schwieg, und musterte sie so eindringlich wie immer bevor sie sie auf die Probe stellte. "Fürchtest du dich in den Wald zu gehen? Es heißt Dundrob sei ein verfluchter Ort. "Ich weiß das er verflucht ist!" Entgenete das Mädchen eine Spur trotziger als sie eingendlich klingen wollte. "Meister Meldodin hat mich neben der Heilkunst auch das Lesen alter Schriften gelehrt. In ihnen heißt es der Wald wäre von dem reinen Bösen durchtränkt. Es wäre dumm ihn nicht zu fürchten, was nicht heißt das ich mich nicht trauen würde es doch zu tun! Asrah musterte sie eindriglich, dabei schürzte sie Nachdenklich die Lippen. "Meister Meldodin hat das also gesagt..." Führte sie für Elanor weiter aus. Ihr Tonfall klang zynisch, ja herablassend! Wäre Elanor ein Mensch gewesen wäre sie vermutlich rot angelaufen, noch niemals hatte sie sich so bloßgestellt gefühlt! Als wäre sie ein dummes kleines Kind, das alles was man ihr sagte nachplapperte! "Jetzt sage ich dir mal etwas." Hob Asrah schwermütig an. "Seit fast drei Jahrhunderten diene ich nun als Kingentänzerin seiner Majestät. Ich habe in vielen nicht unbedeutenden Schlachten gekämpft und bin lange genug auf dieser Welt um zu wissen, das diese Spukgeschichten reiner Unfug sind! Es gibt keine Geister oder Dämonen oder was auch immer angeblich diesen Wald beheimatet. Und es ist mir egal was dein Meister Melodin für Schriften besitzt." "Er besitzt sie nicht! Sie stehen in der Bibliothek von..." "Elanor!" Die junge Elfe schluckte hart. Sie blickte betreten zu Boden. Schon wieder war sie ihrer Meisterin einfach ins Wort gefallen. "Schon wieder so eine Respektlosigkeit von dir. Das geht so nicht weiter! Was soll aus dir werden wenn du dich so benimmst? Sollen den alle denken du bist bei irgendwelchen Wilden aufgewachsen?" Elanor blickte stumm zu ihr auf. Vermutlich war es besser wenn sie jetzt einfach nichts mehr sagte. Die Kriegerin seufzte wobei sie ihre Schülerin mit einer Mischung aus Zorn und Mitleid betrachtete. "Komm jetzt, endlich. Die Zwerge werden zwar langsam sein, aber sie werden nicht kriechen. Wenn wir sie einholen wollen sollten wir uns wenigstens etwas beeilen!" Gewand wie eine Katze setzte sie über einen schmalen Graben hinweg der die Grenze Dundrobs markierte. Man hatte keine drei Schritt in den Wald gesetzt, da wurde es schon zunehmend dunkel. "Besser du spannst deinen Bogen, Elanor. Vielleicht treffen wir ja tatsächlich ein Paar Gespenster." Spöttelte Asrah die mit größer werdendem Abstand vor ihr ging. "Wir werden ja sehen!" Murmelte das Mädchen und nahm einen Pfeil aus dem Köcher.
Elaya Re: - Das Kapitel gibt es schon länger, aber ich habe es in den letzten Monaten stark abgeändert. Cool das es dir aufgefallen ist :-) Ja, die beiden spielen in der Tat noch eine größere Rolle und noch ein weiterer Hauptcharakter stößt in Kapitel 5 dazu! Ganz liebe Grüße Elaya |
EagleWriter Das Kapitel ist neu oder ? Auf jeden Fall wieder sehr detailliert und gut geschrieben. Bin doch mal gespannt welche Rolle die beiden noch spielen werden lg E:W |