Einleitung
Auch wenn man den Zenit des Lebens überschritten hat, kann man durchaus noch Neues kennen lernen. Wie eine Oma und ein Opa im Tippi schlafen, Indianerrituale kennen lernen, für Kinder und Geister kochen, könnt ihr hier lesen. Taucht mit mir in die Erinnerungen dieser Erlebnisse ein.
Eine tolle Idee
Mir, Lena, wurde schon immer von meinen Mitmenschen bescheinigt, daß ich gern für Überraschungen sorge. Aber der Reihe nach. Meine große Tochter Ilona ist, wie man so schön sagt, ein Indianerfan. Sie ist jedes Jahr mit ihren Kindern in ein Camp gefahren. Voller Begeisterung kam sie dann immer zurück und erzählte, wie es war. Mir standen jedes Mal die Haare zu Berge. Kein Wasser aus Leitung, kein Strom, Unterkunft in Tipis bei Wind und Wetter. Mir grauste, als ich ihr Gepäck sah. Die Decken naß und muffig, alles schmutzig und die Familie sah auch
(Entschuldigung) etwas ungepflegt aus.
Einmal war ich zu Besuch, als sie gerade wieder aus dem Camp zurück war. Ihr Jüngster war da gerade knapp zwei Jahre alt. Ich fand es mit Verlaub zu sagen recht verantwortungslos von Ilona, daß sie mit dem kleinen Peter schon so etwas unternahm. Also ich vergaß zu erwähnen, das meine Tochter dort nicht zur Erholung war, sondern um für die Kinder zu kochen. Sie nahm extra im Sommer und Herbst Urlaub dafür. Da ich gerade in Frührente gegangen war, fragte ich sie, ob ich das nächste Mal im Oktober mitfahren könne, natürlich als Gast und nicht zum arbeiten. Im Herst waren es nur fünf
Tage und ich dachte, daß ich das schon durchstehen würde.
Also fuhr ich im Oktober mit meiner Tochter und meinen zwei Enkeln Frank und Peter für fünf Tage in ein Indianercamp. Mein Hund war auch mit von der Partie. Wie man mir dort erzählte, standen auf dem Gelände noch bis vor zwei Tagen Kühe. Ihre zahlreichen Hinterlassenschaften zierten immer noch in frischer Pracht den Rasen, des zugegebenermaßen sehr schönen Fleckchens Erde. Wald, Wiese, kleine Waldteiche, alles vorhanden. Man begrüßte sich, da sich ja sehr viele Camper kannten und mein Hund nutzte die Gelegenheit, sich in einem"
wundervoll duftenden Kuhfladen" zu wälzen. Da es ja dort, wie ich schon bemerkte, kein Wasser gab, brachte mich meine Tochter zu einer Bekannten im Dorf, wo mein Hund erst einmal geschrubbt wurde. Er stank bestialisch.
Danach bauten wir unsere Schlafstätten in einem der Tipis, die zum Glück schon aufgebaut waren. Als Küche fungierte ein alter Bauwagen, der auch schon bessere Tage gesehen hatte. Ein großer Propangaskocher mit drei Flammen, einige Töpfe und eine kleine Ablage bildeten die Einrichtung. Geschirr zum Essen hatte Jeder dabei. Meine Tochter zauberte dann für Alle ein Abendbrot. Frisches Brot vom Bauern und andere
schmackhafte Sachen gab es. Wasser wurde in kleinen Kanistern von den Leuten gebracht, wo mein Hund schon Fellpflege betrieben hatte. Wasser zum Abwaschen wurde im Topf gekocht, nur das keines der lieben Kleinen sein Geschirr abwusch. Sie ließen alles stehen und liegen. Es war doch viel interessanter erst einmal Neuigkeiten auszutauschen. Spätestens hier tat mir meine Tochter dann doch etwas leid. Obwohl "Gast" machte ich mich an den Abwasch, bekam dann aber von einigen Eltern etwas Hilfe. Nun, lange Rede, kurzer Sinn, ich half alle fünf Tage in der Küche und mir machte es sogar Spaß.
Gewöhnungsbedürftig waren die Nächte
im Tipi. Jeder zog Jedem die Decke weg. Es war ja Mitte Oktober und die Nächte schon bitter kalt. Hier ereilte uns auch der erste Frost. Die Tage waren noch herrlich warm, aber die Nächte waren ein Graus. Nun ja, um es kurz zu machen, ich wurde gefragt, ob ich nicht in Zukunft die Küche machen wolle. Meine Tochter konnte beruflich nicht mehr. Ich bat um Bedenkzeit und machte mich erst mal wieder aus dem Staub. Ich wollte nur wieder ein warmes bequemes Bett und eine warme Dusche, sonst Nichts! Aber ich muß sagen, in gewisser Weise hat es auch Spaß gemacht.
Es kam, wie es kommen mußte, ich sagte zum nächsten Camp zu.
Oma kommt
Ein Jahr später fand das nächste Camp statt. Ab diesem Jahr sollte es nur noch im Sommer ein Camp geben,dafür aber drei mal fünf Tage. Mein Mann kam mit, hatte aber auch arge Bedenken, genau wie ich im ersten Jahr. Das Sommercamp lag an einem schönen, großen See in einem Waldtal, mitten auf einer tollen Wiese, durch die ein Bach mit herrlich klarem Wasser lief. Dort stellten wir auch den Küchenwagen auf, drei Stufen zum Bach gegraben, einen großen Aluwagen ins Wasser und schon hatten wir einen Kühlschrank und "fließend Wasser". Wir hatten auch einen
neuen, größeren Küchenwagen, aber ansonsten wie gehabt. Ein lieber Papa baute uns noch Ablagen und Regale ein und schon konnte ich meine Vorräte gut verstauen und mußte nicht alles auf dem Fußboden stapeln. Dann kam noch eine Außentreppe an den Wagen und es konnte los gehen.
Mein Mann Klaus und ich hatten auch eine "Modernisierung". Wir bauten uns ein eigenes Zelt in Tipiform auf. Durchmesser fünf Meter und Höhe in der Mitte zwei Meter fünfzig. Wir hatten uns auch zwei Feldbetten zugelegt, wie es Oma und Opa mit über sechzig Jahren zusteht, glaub ich jedenfalls. Außer der Bequemlichkeit hatte es auch noch einen
anderen Vorteil, die Kinder konnten nicht mehr über uns hinweglaufen. Statt der selbstgeschaufelten Plumsklosetts vom Vorjahr gab es jetzt tolle Dixi-Hütten, aber das wurde von Amts wegen verlangt, hatte nichts mit Bequemlichkeit zu tun. Ansonsten, war Alles, wie gehabt. Der gleiche Prophangaskocher, die gleichen Töpfe und die gleichen faulen Kinder. Also gab es erst einmal ein paar klare Ansagen. Dabei kam mir die Erziehung meiner eigenen vier Kinder zu Gute. Läppische Dinge wie Abwaschen, aufräumen und dergleichen konnten wir schnell klären. Da fällt mir die Geschichte ein, als einmal das
Toilettenpapier alle war. Einige Betreuer und wir saßen vor dem Wagen und waren gespannt, wer denn mal die Rollen holt. Fehlanzeige! Nach einiger Zeit stellten wir mehrere Rollen besagten Papiers mitten auf den Weg. Alle gingen an den Röllchen vorbei. Ein kleiner Kommentar unsererseits beendete dann endlich das Drama. Aber langsam spielte sich alles ein.
Bei den Indianern gibt es ein Ritual. Dabei wird von jeder Mahlzeit eine kleine Portion auf einen besonderen Platz gebracht. Das soll die Geister erfreuen, damit sie immer ihre schützenden Hände über die Menschen halten. Erst, wenn dieses Ritual beendet
ist, darf gegessen werden. Auch daran gewöhnte ich mich und habe kein einziges Mal dieses Ritual vergessen, obwohl das auch Neuland für mich war. Ansonsten war es ein ziemlich anstrengender Job. Es waren immer so gegen dreizig hungrige Mäuler zu stopfen, aber meinem Mann und mir hat es immer Spaß gemacht
Wärend sich am Tag Betreuer und Praktikanten um die Kinder kümmerten, hatten wir alle Hände voll zu tun. Nach dem Frühstück ging es zum Einkaufen. Frische Sachen mußten täglich besorgt werden, da wir ja keine größeren Kühlmöglichkeiten hatten. Es mußte alles ganz genau geplant werden. Bei
Bedarf hatten wir auch fleißige Helfer. Wichtig war für die Kinder zu wissen, was es so zu essen geben würde. Hunger hatten sie immer wie kleine Wölfe. Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, daß mein Mann und ich für die Kinder der Mittelpunkt des Camps waren. Essen gut, Alles gut, bewahrheitet sich immer wieder.
Unser Camperleben
Der Morgen begann für mich meist gegen fünf Uhr. Schnell in die Sachen, eine Handvoll kaltes Wasser ins Gesicht und Zähne putzen nicht vergessen. Putzmunter war ich, wenn ich von der Nahrungssicherstellung aus dem Bach zurück war. Wasser für Tee und Kaffee aufsetzen, danach Klaus wecken. Dann rotierten wir. Brot und Wurst schneiden, den Tisch vor dem Wagen decken. Hier konnte sich dann zum Frühstück jeder selbst bedienen. Obst und Gemüse durften auch nicht fehlen. So gegen sechs kamen die Ersten aus ihren Tipis gekrochen. Weg zum Dixi, schauen, was
es Schönes gab und je nach Ergebnis, ging man noch einmal auf die Matte oder kam mit Geschirr zurück. Der Morgen war uns am Liebsten. Langsam kam Einer nach dem Anderen, kein Hetzen und kein Gerangel. Sogar wir konnten einen Happen essen ohne laufend Wünsche zu erfüllen. Um neun Uhr war Frühstück zu Ende, das konnten wir dann auch Stück für Stück den Betreuern beibringen. Mittagessen für die vielen Leute täglich, mußte von uns Beiden auch gestemmt werden.Da zählte jede Minute, da haben Langschläfer keine Chance.
Nach dem Abwasch fuhren wir zum Einkaufen. Ein großer Einkaufszettel
half uns enorm. Feldstabsmäßig arbeiteten wir uns durch alle Läden. Brot bekamen wir aus dem Dorf von einer Dame, die nach unseren Wünschen Brot und auch mal Kuchen buk. Bei unserer Rückehr in das Camp halfen uns meistens ein paar Kinder beim Ausladen. Manchmal mußten wir das auch allein machen, da niemand da war.
Im Camp gab es nämlich fünf Kanus mit Zubehör und einen selbstgebauten Steg am See. Da wir meistens mit dem Wetter Glück hatten, tobten die Kinder natürlich den ganzen Tag im Wasser. Sie hatten sogar für einige Zeit einen richtigen Lehrer für Kanufahren. Dieser hatte mit seiner Frau von dem Camp
gelesen. Eines Tages standen sie mit kompletter Indianerausrüstung im Camp und fragten, ob sie bleiben dürfen.Er brachte den Kindern das Kanufahren bei und seine Frau bastelte mit den Kindern tolle Sachen. Überhaupt war basteln und Handarbeit sehr beliebt. Schöne perlenbestickte Sachen gab es neben selbst hergestellten und bemalten T-Shirts. Windspiele gab es auch, Pfeil und Bogen und viele andere Indianerspiele. Der Campleiter und ein anderer Betreuer hatten schon viel Zeit in Amerika verbracht, wo sie Vieles von den Indianern lernten. Die Kinder verbrachten auch viel Zeit im Wald. Erfahrene Naturpädagogen konnten den
Kindern viele Dinge beibringen. Da fehlte keinem der Kids das elektronische Spielzeug von zu Haus, das sie nicht mitbringen durften.
Zwischen Eins und Zwei war es mal wieder Zeit zum Essen. Favorit war unbestritten der gute alte deutsche Eierkuchen!!! Damit es einigermaßen ruhig lief, gaben mein Mann und ich das Essen am Mittag aus. Wenn es Eierkuchen gegeben hatte, litt ich am nächsten Tag an Muskelkater, was den schweren Pfannen geschuldet war. Unsere Kinder waren mit uns immer zufrieden. Danach hatten wir dann etwas Ruhe, bevor die Abendbrotzeit ihre Schatten voraus warf. Ich nutzte die Zeit,
um eine Runde im See zu schwimmen. Wasserplätschern und Vogelgezwitscher war ja auch mal sehr erholsam.
Der Tag verging immer viel zu schnell und am Abend erkannten viele Kinder, daß sie das, was sie eigentlich machen wollten, nicht geschafft hatten., aber man hatte ja noch einige Tage. Sehr beliebt war bei den Kindern das Holzhacken. Wer von den Stadtkindern kennt das schon noch? Am Abend wurde natürlich viel Holz gebraucht. Warum, erzähl ichEuch in dem neuen Kapitel.
Abend
Ja, der Abend war auch für mich immer etwas Besonderes. Nach der Schlacht am Abendbrotsbuffet schnell abgewaschen, dann ging es auch schon los. Trommeln ertönten und alle im Lager setzten sich in Bewegung. Ziel war das große Versammlungstipi. Sogar mein Hund lief sofort hinein und suchte sich einen Platz.. Freunde fand er immer und jeder war glücklich, wenn Cliff sich zu ihnen legte.In der Mitte war ein Feuer angebrannt worden. Ganz indianermäßig, denn es qualmte selten, sondern prasselte leise vor sich hin. Der Zeltboden war mit vielen Decken
ausgelegt und auf ihnen wurde sich niedergelassen. Da fand sich für Jeden ein kuscheliges Plätzchen. Für Klaus und mich gab es eine "Sonderregelung". Als Altersbonus gab es für uns einen Campingstuhl.( Wie schön für die geschundenen Knochen). Als Erstes wurde ein Indianerlied gesungen. Den Text hatten Alle gleich weg und es hörte sich toll an. Dann kam die Gesprächsrunde. Dafür hatten wir eigens einen sogenannten Redestab.
Dieser wurde von einem zum Anderen gereicht und nur wer ihn in der Hand hatte, durfte reden, was auch immer so ziemlich klappte. Es war erstaunlich, was Jeder so zu sagen hatte. Ich hatte
immer das Gefühl, das der Redestab auch die Hemmungen nahm und die Kinder ganz offen reden ließ. Danach wurden noch Lieder gesungen und ein tolles Märchen durfte auch nicht fehlen. Der Campleiter war nämlich auch Märchenerzähler. Damit hat er sich auch außerhalb des Camps einen Namen gemacht. Es war nicht immer leicht, die offizielle Runde zu beenden, aber wer wollte, konnte sitzen bleiben solange es ihm beliebte.
Auf dem Platz brannte rund um die Uhr ein Feuer. Um das Feuer herum waren Holzbalken gelegt worden, die zum Sitzen einluden. So konnte man den Tag gemütlich ausklingen lassen. Musik gab
es auch. Wir hatten Gitarrespieler, auch gab es mal Geigensolos und an den Trommeln versuchten sich auch Etliche. Auch die Sterne waren ein Thema. Man staunte, was die Kids alles über Sternenbilder wußten.
Die Abende waren für mich das Schönste, aber das Feuer unter freiem Himmel konnte ich selten genießen. Die Anstrenung des Tages machte sich dann doch bemerkbar. Leise schlich ich Richtung" Bettchen". Einen Moment lauschte ich noch dem Lachen der Kinder, dann sackte ich in einen tiefen Schlaf, aus dem mich erst der nächste Morgen wieder auf die neue Umlaufbahn katapultierte.