Die Zwerge von Urtargk Amag werden von einem riesigen Menschenheer belagert. Wie schon seit Jahrtausenden fühlen sie sich sicher hinter ihren steinernen Mauern. Doch dann wird der alte Runenzauber gebrochen und das Haupttor fällt...
Der Rammbock schnellte gegen das steinerne Tor Urtargk Amags, der mächtigen Minenstadt der Zwerge. Doch war die rohe Gewalt ihrer Angreifer nutzlos. Die eiserne Spitze der Kriegsmaschine brach unter lautem Krachen, Holz barst ächzend auseinander. Ein Regen aus Spittern ergoss sich über die vorderste Reihe der Soldatenformation, ein Haufen gerüsteter Bauern, welche panisch die Hände über Kopf und Gesicht warfen. Dennoch wühlten sich die abtrünnigen Holzstücke schmerzhaft in ihr weiches, verletzliches Fleisch. Einer der Männer schrie gellend auf, die Linke heftig auf das Auge gepresst. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor, doch niemand kümmerte sich um den jammernden Verwundeten. Alle Blicke waren gebannt auf das Tor gerichtet, in der Hoffnung das es endlich nachgeben würde. Voller Enttäuschung beobachteten sie, wie die magischen Runentafeln der Bergbewohner ein weiteres Mal grell aufflammten. Die riesige Forte, die ihnen den Zugang zu der Stadt verwehrte, hatte nicht einmal einen Kratzer. Der mächtige Schlag den sie geführt hatten, schien einfach an ihr abgeprallt zu sein. Wie ein unsichtbarer Wall stellte sich die uralte Macht der Runen gegen sie, verschluckte jeden einzelnen ihrer Angriffe. Eine Welle des Zweifelns und der Unzufriedenheit griff rasend um sich. Das erneute Scheitern hatte sich schnell bis zu den hintersten Reihen herumgesprochen, die ebenfalls begannen ihren Feldzug anzuzweifeln. Der Feldherr, welcher das Geschehen mit einigen Abstand beobachtete blickte nervös um sich. Die Moral seiner Leute war am Ende. Die Vorräte waren knapp, beinahe jeder hatten Erfrierungen an Fingern und Zehen. Zu viele hatten sie auf dem eisigen Pass sterbend oder tot zurück lassen müssen, um nicht selbst im mannshohen Schnee unter zugehen. Natürlich hatte auch er von den magischen Toren der Zwerge gehört, doch hatte jeder Einzelne aus seinen Reihen sie als Ammenmärchen abgetan. Nur dummes Zeug, eine der Geschichten mit denen das fahrende Volk ihren Lebenunterhalt verdiente. Sollte das mächtigste Heer, welches Alessia seit Beginn der alten Elfenherrschaft gesehen hatte an einer Legende scheitern? An ein Paar primitiven Schriftzeichen, deren Bedeutung niemand mehr kannte? Mächtige Priester sollten sie bereits vor Jahrtausenden in den Fels gesmeißelt haben, und sie überdauerten jedes Zeitalter um die Zwerge vor nahendem Unheil zu schützen, so sagte man, und so stand es in den Chroniken geschrieben. Jeder Versuch gewaltsam in die Minen vorzudringen hieß es, wurde durch sie vereitelt. Urtargk Amag galt desshalb als einziger Hort in ganz Alessia als uneinnehmbar: Jeder Herrscher, sei er Mensch, Elf oder gar Ork gewesen, scheiterte mit seinem Heer an diesen Toren. Wollte man in einen Krieg gegen die Zwerge der Frostigen Berge ziehen, so musste man allein schon auf dem Weg dorthin mit hunderten Verlusten rechnen. Der Eispass, die einzige Verbindung, zwischen den Minen und der Außenwelt, war ein Wagnis, welches viele bereits unterschätzt hatten. Bitter mussten sie für ihre Unwissenheit büßen, denn die wenigsten waren den ewigen Frost, die klirrende Kälte, und die gefährlichen Irrwege auf dem Pass gewachsen. So gehörte der eisige Norden des Landes seit je her den Zwergen. Ihrem Trotz hatte kein Herrscher den dieser Himmel jemals erblickt hatte etwas entgegen zusetzten.
Die Zwerge die dieses Bollwerk verteidigten waren überaus stolz darauf und wogen sich ohne jede Bedenken in Sicherheit. Neugierig, ja fast hönisch beobachteten sie die Wachen in den steinernen Türmen die rechts und links neben dem Tor aus dem Berg ragten, wie ihre Feinde immer wieder von Neuem mit ihren Rammböcken zum Schlag ansetzen. Ein weiteres Mal wurden ihre Gesichter vom Aufblitzen der Runen erhellt, lediglich ein weiterer fehlgeschlagener Versuch den steinernen Mauern zu schaden. Ihnen würde es sicher nicht so ergehen wie den törichten Elfen, die all ihre Macht binnen eines Mondes eingebüßt hatten. Hinterrücks wurden sie von den Menschen überfallen, die langjährige Hauptstadt des Landes dem Erdboden gleich gemacht. All der Glanz des alten Königreichs verteilte sich nun wie Staub in einem tosenden Sturm, und mit ihm die Freiheit der Völker ganz Alessias. Doch nun erreichte die Gier des neuen Königs die eisigen Gestade des hohen Nordens, das Ende seines Feldzuges, wie die Zwerge übermütig von den Wachtürmen hinunter riefen. "Geht nach Hause!" brüllte einer von ihnen, worauf sich einige Menschenköpfe gen Himmel reckten. Verärgert schleuderten sie den Türmen wüste Beschimpfungen entgegen, in denen sie die hochmütigen kleinen Gegner vermuteten. Die Stimmen der Solaten klangen trotz der Wut, die in ihnen mitschwang schwach und ausgelaugt. Zähne klappernd standen sie da, mussten sich Wesen demütigen lassen, die ihnen kaum bis zum Bauchnabel reichten. Man musste kein Hellseher sein, um den Blicken der Männer anzumerken, wie sehr ihr Kampfgeist und ihr überschwänglicher Stolz zerfressen wurde. Auch den Zwergen in ihren massiven Türmen war dies aufgefallen, wenn sie es sich nicht längst hätten denken können. "Da zeigt sich wieder, dass die Pantoffelträger nicht für unsere Berge geschaffen sind." bemerkte eine der Wachen, und warf einen Blick über die Brüstung. "Nein" schnaubte ein anderer, der einen Humpen mit dampfendem Kräuterbier in der Hand hielt. Die dünne Gebirgsluft, und der kalte Wind machen ihnen ganz schön zu schaffen, da haben sich die stinkenden Orks wirklich besser gehalten." "Naja, immerhin schlagen sie sich besser als die weibischen Elfen." entgegnete der Nächste, worauf dröhnedes Gelächter erklang. "Wie soll man auch besser sein, wenn man noch vor Einbruch der ersten Nacht wieder nach Hause läuft?" Sie stimmten alle in das heitere Lachen mit ein, die Angreifer am Tor beinahe vergessend. "Es ist schon ein Paar tausend Jahre her, seit sie es das letzte Mal versucht haben, vielleicht sind sie ja besser geworden!" Die anderen Wachen schüttelten gleichzeitig die haarigen Köpfe, während sie ihre Hände dem prasselnden Feuer entgegen reckten. " Nein, nein, niemals! Und wenn du doch Recht haben solltest, kämpfe ich fort an nur noch mit einem ihrer hübschen Bögen!" Verdutzt blickten seine Kameraden auf, der Anflug eines Lächelns lag in ihren herben Gesichtern, doch versuchten sie ernst drein zu blicken. "Du hast ein Bogen?!" schmetterte es ihm unbarmherzig entgegen. Der Zwerg mit dem Humpen in der Hand spie sein Bier auf den Boden. "Sie einer an, du hast wohl deine elfische Seite an dir entdeckt, was? Prusteten sie belustigt. Er stellte das Gefäß auf den steinernen Untergrund, und machte mit seinen wulstigen kurzen Fingern ihre Elfenohren nach. "Seht nur her" gackerte er, ich bin eine Elfenprinzessin!" Ein anderer stolzierte mit wackelndem Hintern an seinen Kumpanen vorbei, die sich vor lauter Belustigung schüttelten. Doch plötzlich hielt er inne, starrte wie zu Eis erstarrt die Zinne hinunter. "Kommt mal schnell her!" zischte er leise, und winkte die Anderen mit wilden Handbewegungen herbei. Die Stimmung in dem eben noch so belebten Wachturm hatte sich schlagartig geändert. Die Soldaten, die eben noch so hilflos drein geschaut hatten, rückten aufgeregt beiseite, um einen schmalen Gang zu schaffen. Ihre Minen hatten sich auffällig erhellt, Verzweiflung und Angst waren aus ihren Augen gewichen. Verwunderung stand den Zwergen ins Gesicht geschrieben, und ihre ratlosen Blicke zeugten von völliger Ahnungslosigkeit. "Vermutlich wird bei denen jetzt das Bier ausgeteilt" vermutete die haarige Elfenprinzessin, und warf einen verstohlenen Blick auf das halbleere Fass in der Ecke ihres Wachturms. Ein bärtiger Mann, in einen Mantel aus weißem Fell gekleidet schritt an den jubelnden Soldaten vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Er schien ein hohes Amt zu bekleiden,da ein jeder ihm hohen Respekt zollte, wenn er auch keineswegs wie ein Krieger aussah. Seine grauen Haare waren streng zurück gekämmt, in der Hand hielt er einen schwarzen Stab auf dem sich der Alte stützte. Er trug weder Rüstung noch Helm, kein Bogen und kein Schwert. "Der hat es aber eilig unter die Erde zu kommen" kicherte einer der Zwerge albern in seinen Becher hinein, wofür er die tadelden Blicke seiner Mitstreiter erntete. "Halt jetzt den Rand und sauf deinen Fusel!" schimpfte eine der anderen Wachen und winkte ihn ab. Sie beobachteten das Treiben vor dem Tor weiterhin aufmerksam und mit großer Vorsicht. Die stahlblauen Augen des eigenartigen Mannes blickten kühl zu ihnen hinauf und verrieten mehr über seine Absicht als jedes Wort es vermocht hätte. Welche Rolle er auch spielen mochte, sein Erscheinen schien nichts Gutes zu bedeuten. Der Graue blickte zu den steinernen Wänden auf, fasste die magischen Runentafeln fest in Auge. Er fixierte sie, lies sie nicht mehr los, und die Runen blitzten greller auf als jemals zuvor. Dann warf er dem Befehlshaber, welcher an seine Seite getreten war, einen sicheren, beinahe selbst verherrlichenden Blick zu. Den Wachen stockte vor Schreck der Atem. "Schnell! Blas Alarm!" rief einer beinahe panisch. Alle Ruhe war aus ihren Gemütern gewichen. Der Alte Mann hob seine knochige Hand mit dem schwarzen Stab darin und hielt ihn in Richtung der steinernen Wand auf der die schützenden Runen prägten. Weißer Schnee rieselte in großen Flocken auf ihn nieder, das gewaltige Heer hinter ihm verfolgte sein Tun so angespannt wie die Wächter in ihrem überdachten Turm über ihnen. Ein weiteres Mal leuchteten die Runen hellrot auf, dann schloss der vermeintliche Magier die Augen. Konzentriert legte er die Stirn in Falten, noch immer leuchteten die Schutzzeichen auf. Einer der Zwerge konnte den Anblick nicht mehr ertragen, er riss seine Axt in die Höhe und warf sie mit tötlicher Genauigkeit auf den Zauberer. Dieser erhob geistesgegenwärtig seine Linke und fing das todbringende Geschoss einfach ab. Der schwere Einhänder schwebte einen kurzen Moment lang in der Luft, ehe er kaum hörbar in den hohen Schnee stürzte. Die Zwerge wurden leichenblass, die Soldaten vor dem Tor schlugen klirrend ihre Schwerter gegen die Schilde. Sie waren überzeugt, das der Magier den Willen der Bergbewohner brechen würde wie einen Grashalm am Wegesrand. "Für Araphim!" donnerte die Menge, "Für unseren König!" und ihre Stimmen hallten grollend im Gebirge wieder. Der Zauberer blickte ein weiteres Mal zum Wachturm auf, er lächelte kalt und jede der verunsicherten Wachen fühlte sich bis ins Mark durchdrungen.Wieder konzentrierte sich der Graubärtige und wieder leuchteten die Runen der Stadtmauer feuerrot. Endlich hatten sich die Zwerge wieder gefangen, und das Horn Urtargks erklag dumpf und freudlos neben dem Schmettern der Schilde. Doch schien jede Hilfe für die einzige Zuflucht der Zwerge zu spät. Das Licht wurde immer greller, schließlich wurde es beinahe unerträglich die Augen geöffnet zu halten. Eine unerträgliche Wärme strömte auf das Tor zu, welches die Einzapfen, die von den Türmen herab hingen zu schmelzen brachte. Die Wachen hielten schützend die Arme vor ihre Gesichter, sie konnten nur erraten, welches Übel sich unmittelbar unter ihnen zutrug.
Plötzlich wurde das Gebirge von einer magischen Explosion erfüllt, wie niemand sie je zu vor gesehen wurde. Das Steinerne Tor, der einzige Schutz Urtagk Amags brach in sich zusammen. Die Zwerge hatten keine Ahnung wie das geschehen konnte, nicht weniger starr als das Frostgebirge selbst standen sie auf den Wachtürmen, unfähig irgendetwas zu tun oder zu sagen. Jeder von ihnen wusste, das das ungewarnte Volk der Zwerge nicht annähernd so zahlreich war, wie die Hälfte dieser gewaltigen Armee. Sie waren sprachlos bei dem Anblick der sich ihnen bot. Heiße Tränen liefen ihnen über die bärtigen Gesichter. Urtargk Amag war verloren. Unter tosendem Gebrüll zog das gewaltige Menschenheer in die Minenstadt ein, um die Kinder des Berges Demut vor dem neuen Herrscher Alessias zu lehren. Verzweifelt zogen die Wachen ihre Äxte, als sie erkannten, das sich der Blick des Magiers erneut auf sie gerichtet hatte.Seine blauen Augen durchdrangen sie noch intensiver als zuvor, in ihnen spiegelte sich grenzenloser Hass. Mit einer ruckartigen Handbewegung zuckte sein Stab nach vorn. Eine gewaltige Druckwelle erreichte den steinernen Turm, und brachte ihn unter lautem Krachen zum einstürzen. In nur einem einzigen Augenblick war das Bauwerk vernichtet, unter dessen Trümmern die tapferen Wächter begraben wurden. Der Graue zog gelangweilt eine Braue in die Höhe, als die knallenden Gesteinsbrocken im Schnee zum liegen kamen. Er hatte ihnen seine unerreichbare Macht demonstriert, doch spürte er auch nach dem Tod der aufbegehrenden Wächter keine Genugtuung. Sie waren seiner nicht würdig, taugten kaum mehr als zur Drecksarbeit in den modrigen Bergwerken. Für sie würde sich beizeiten etwas finden, etwas womit sie ihrem neuen Herrscher von Nutzen sein konnten. Siegessicher musterte der alter Zauberer das einziehende Menschenheer, das unter schallendem Kampfgeschrei in die bisher uneinnehmbare Minenstadt einzog. Sein Herr würde mehr als zufrieden mit ihm sein. Mit einem bösartigen Lächeln auf dem eingefallenen Gesicht, verschwand der Magier in einer dunklen Nebelschwade, die sich kurz darauf im Nichts auflöste. Die Zeiten des Friedens waren nun vorüber, die Ära der Menschen hielt ihren Einzug. Niemand sollte sich fort an mehr dem Willen Araphims widersetzen. Der große Umsturz hatte begonnen.
EagleWriter Re: Re: - Zitat: (Original von Elaya am 07.10.2012 - 15:59 Uhr) :-D Dankeee. Ich dachte ich mache es so wie du und veröffentliche meine Kapitel auch einzeln. Ich glaube die vielen Seiten schrecken sonst ganz schön ab :-) LG Ja leider tun sie genau das^^ lg E:W |
EagleWriter Auch beim zweiten mal durchlesen noch gut. lg E:W |