Die Stadt Galor ragt als letzte Festung aus dem Trümmerfeld auf, in das die Invasion der Orks den Kontinent Fiondral verwandelt hat. Flüchtlinge aus allen Ecken und Enden des Landes suchen Zuflucht hinter den dicken Mauern. Doch während sich die feindlichen Heerscharen unter den hohen Zinnen sammeln, zerfressen Zwietracht und Hass die Reihen der Verteidiger, bis es schließlich an wenigen wackeren Streitern liegt, das Schicksal aller zu bestimmen. (Weitere Kapitel folgen in Kürze)
39. Mondweihe. 53 n.V.
Chevalier Asbel, ein stämmiger Mann mit gelockten, braunen Haaren, haderte mit seinem leichten, silbernen Brustpanzer, der sich partout nicht um seinen Oberkörper schließen wollte.
„Fast einen Monat Schiffszwieback und Schildkrötensuppe und ich passe immer noch nicht in dieses verdammte Ding“, fluchte er in Gedanken, wobei er ein weiteres Mal versuchte, den ledernen Gurt an der Seite des Panzers durch die dafür vorgesehene Schnalle zu ziehen. Als er es endlich geschafft hatte, schien selbst das Gebälk über ihm von vor Erleichterung aufzustöhnen, doch er wusste es besser.
„Sie korrigieren den Kurs“, dachte er, während ihn ein jähes, unangenehmes Aufstoßen daran erinnerte, dass sein Magen sich immer noch nicht an den Seegang gewöhnt hatte. Eilig stürmte er aus seiner spartanischen Koje und fand sich in einem finsteren, klaustrophobisch anmutenden Gang wieder. Obwohl das vor ihm liegende Deck in diesem Bereich keinerlei durchgehende Wände besaß, schränkten doch etliche Balken, Netzte, Kisten, Stapel seine Sicht so ein, dass sich vor ihm nur ein enorm schmaler Durchgang bot, über dem tief und schwer die modrige Decke hing. Licht fiel lediglich durch ein paar schmale Luken in der Schiffswand ein, weshalb vereinzelte Strahlen wie Speere in die Dunkelheit stachen, ansonsten war es dämmrig und bis auf das ewige, monotone Tropfen des Wassers totenstill.
Langsam tastete sich der Chevalier zwischen den Kisten und Fässern hindurch, stetig fürchtend über ein Tau zu stolpern.
„Ich könnte mit dem Gesicht voran in einer Pfütze aus Erbrochenem landen oder in einer austrocknenden Qualle…das wäre wirklich ekelig“, die Vorstellung stach wie eine Nadel in seine Schläfen, während aus einer Luke zu seiner Linken eine frische Brise heranwehte und sich salzig in seine Lungen brannte.
„Nein, die See ist kein Ort für mich…wirklich kein Ort für mich“, murmelte er und tapste weiter durch die Dunkelheit, bis er einige Meter weiter eine hölzerne Säule mit Leitern erreichte, die nach oben führten.
Rasch kletterte er hinauf, wobei ihn schon auf halbem Wege das Schnarchen rauer Seemänner und der beißende Duft der Kombüse einhüllten. Doch er stieg höher, schlug sich durch einen weiteren dunklen Korridor voller leerer Hängematten bis zu einer breiten Treppe, die er hinaufstieg. Einige Stufen weiter machte sie eine Kehrtwende, hinter der das gleißende Sonnenlicht in seine Augen stach, dass er die letzten Schritte blind setzten musste.
Dann war er an Deck, vor ihm bäumten sich die Masten auf, die gewaltigen, weißen Segel blähten sich im Wind, Matrosen schrien aus der Takelage, Offiziere brüllten Befehle, Männer sangen, während sie die Planken schrubbten, eine Brise Meerwasser schlug ihm ins Gesicht und verwischte für einen Moment die Sicht auf den fast siebzig Meter langen Rest jenes gigantischen Schiffes.
Die Hydra war das Größte, Fortschrittlichste und Schlagkräftigste, was die Königlich-Serpendrianische Werft jemals hervorgebracht hatte, der Stolz der Alten Königreiche.
Wie jedes Mal, wenn er das Deck betrat, fragte er sich, wie es den Menschen möglich gewesen war, etwas derart riesiges zu bauen, und als sein Blick den Mast entlang in die Höhe fuhr, schauderte er vor Ehrfurcht. Diese jedoch jagte eine jäh in ihm aufkommende Übelkeit mit solcher Wucht davon, dass der junge Paladin instinktiv an die Reling sprang.
Sekunden später trauerte er seinem Mittagessen nach, das nun von den schäumenden Wellen hinfort getragen wurde, bis es irgendwann zwischen der Hydra und der Gabrielle, jener kleineren Fregatte, welche das Flaggschiff begleitete, verloren ging.
„Verdammter Mist!“, fluchte er in Gedanken, bevor er sich noch ein weiteres Mal in das tiefblaue Meer erbrach, wobei er seine Finger hart in die Reling krallte.
Mit seinen Kuppen ertastete er die etlichen, asymmetrischen Rillen, welche sich durch das Holz zogen, doch da er wusste, worum es sich handelte, erschien es glasklar vor seinem inneren Auge:
„Was rechtschaffen ist, wird niemals fallen!“, tausendfach hatte es die Besatzung in die Planken geritzt.
Ob aus Angst, Wut, Glaube oder Stolz, er wusste nicht, was die anderen dazu bewegt hatte, aber als seine Finger über die Gravuren glitten, entsann er sich schlagartig des Gefühls, das er beim Schnitzen seiner eigenen Gravur gehabt hatte. Unter jenen vier Gründen gab es einen, den, so glaubte er, niemand freiwillig zugeben würde, und dieser war auch der seine gewesen.
Mit verkrampfter Miene starrte er zur Gabrielle hinüber, während er dem bösartigen Zischen seines Magens lauschte und sich für den flüchtigsten aller Augenblicke wünschte, dem Ruf nicht gefolgt zu sein.
„Asbel“, unvermittelt erklang eine Stimme hinter ihm, ein wohlbekannter, höhnischer Tonfall untermalt von einer feinen Note Brüderlichkeit, ein Tonfall der ihn dazu brachte, sich sofort umzudrehen.
Er blickte auf einen hochgewachsenen, schmalschulterigen Mann von hagerer Statur, dessen falkenartiges, fahles Gesicht von einem leichten, schwarzen Stoppelbart geziert wurde. Sein militärisch kurzer Haarschnitt vermittelte Strenge wie Disziplin, ebenso wie der tadellos sitzende, schwarze Waffenrock, welcher in einem rautenförmigen Muster gepolstert war und auf dessen Brust das silberne, ledrianische Lilienwappen prangerte. Darunter schimmerte eine leichte Kettenrüstung wie Platin im Strahlen der Sonne.
Wenn es jedoch zwei Dinge gab, die sein Gegenüber vor allem auszeichneten, so waren es der schwere, schwarze Schal, den er stets trug und der seinen gesamten Hals verdeckte, sowie der klobige, silberne Ring, welcher am Zeigefinger seiner behandschuhten Rechten glänzte.
Darauf war die Miniatur eines silbernen Engels mit ausgebreiteten Flügeln und zu Boden gesenktem Richtschwert zu sehen, das Wappen des Iurionismus, welches den Ring zu einem Insignie der Mitglieder seines Ordens machte.
„General Toulessé“, grüßte Asbel seinen alten Freund, der ihn von dem Boden mancher Kneipe aufgekratzt, der ihm unzählige Male einen guten Rat erteilt und zu jeder Gelegenheit mit Wort oder Klinge zur Seite gestanden hatte.
„Wir haben endlich wieder Wind“, lobte Toulessé, „Ah, die Seeluft erinnert mich an Travelle…“
„Nur dass ich von dem Schnaps dort nicht halb so oft reihern musste wie von dem Seegang hier“, scherzte Asbel.
„Dem Herrn sei Dank, sonst hätte man uns sicher aus jeder zweiten Taverne geworfen…es kommt mir vor, als sei es schon eine Ewigkeit her“, seufzte Toulessé.
„Eine Ewigkeit“, stimmte Asbel zu, wobei die Erinnerung an das süße Leben eines jungen, ledrianischen Adligen jäh über ihn schwappte.
Der General fuhr währenddessen mit seinen schwarzen Lederhandschuhen, die mit stählernen Nieten besetzt waren, über die Schnitzereien in der Reling, was ihm ein spöttisches Lachen entlockte.
„Wie ist das…mit deiner Entscheidung?“, erkundigte sich sein Kamerad mit einer Stimmlage, die ebenso sehr schwankte, wie das Schiffsdeck.
„Welche Entscheidung?“, erkundigte Toulessé harsch.
„Nun ich meine…bezüglich des Umkehrens“, antwortete Asbel, wobei ihn eine jähe Übelkeit befiel, die nichts mehr mit Seekrankheit zu tun hatte.
„Da gibt es keine Entscheidung“, dementierte Toulessé, dessen Worte hart und unveränderlich wie Stahl klangen.
„Aber…die Nahrungsmittel, die Flaute hat…“, begann der Chevalier, bevor er mit einem Donnern unterbrochen wurde:
„Ich sehe hier keine gottverdammte Flaute!“
„Nein…natürlich nicht, Herr General.“
„Verzeih, alter Freund…“, sprach dieser, „aber wo mich weder Piraten noch Drachen aufhielten, werden es schon gar nicht leere Schiffszwiebacksäcke und der verfluchte Wind tun!“
„Wie du meinst, ich kann nur wiedergeben, was meine Berechnungen mir sagen. Alles andere liegt bei dir.“
„Wenn es doch nur so einfach wäre…“, murmelte der General mehr zu sich selbst, bevor er sich wieder an Asbel wandte, „Bitte Kaito und den Kapitän in meine Kajüte, ich will sie umgehend sprechen. Deine Anwesenheit ist im Übrigen auch vonnöten.“
„Ich werde mich darum kümmern“, bestätigte der Chevalier.
„Nichts anderes hatte ich erwartet“, lobte Toulessé, der ihm brüderlich auf die Schulter klopfte, bevor er sich abwandte.
Eilig stapfte der General in Richtung Heck, bis er die bogenförmige Doppeltreppe erreichte, hinter der sich das mächtige Achterdeck auftürmte. Direkt vor ihm lag, umrahmt von den beiden Flügeln der Treppe, eine schwere, hölzerne Tür, die er, ohne zu zögern, aufstieß, um in ein Labyrinth hölzerner Gänge zu geraten. Souverän durchquerte er es, sodass er schließlich vor der schweren Doppeltür seiner eigenen Kajüte stand. Die beiden ledrianischen Soldaten, die davor Wache hielten, salutierten voller Respekt, als er sie passierte.
Hinter dem Eingang entfaltete sich der gewaltige Raum seiner Kajüte, beleuchtet von den Lichtstrahlen, die durch die milchgläserne Fensterfront in der Rückwand fielen. Während ein Bad und eine Schlafkoje von dem Hauptraum getrennt waren, befanden sich in diesem hauptsächlich Bücherregale, ein mächtiger, zentraler Schreibtisch aus Tropenholz und ebensolche Schränke wie Kommoden.
Toulessé trottete langsam über das glänzende Parkett, bevor er sich in den lederbezogenen Sessel hinter seinem Schreibtisch sinken ließ. Routiniert streifte er den Handschuh seiner Linken ab und begann damit, ihre Finger über den Ring an seiner Rechten streichen zu lassen.
„Wie konnte mich das Schicksal nur so im Stich lassen?“, fragte er sich und jeder Triumph, alle Erfolge, die er auf seinem steinigen Weg erfahren hatte, wurden jäh von der zehrenden Finsternis verschluckt, die ihn geißelte, seit die Flaute der Hydra den Wind aus den Segeln genommen hatte.
Das Durchsetzen seiner Interessen vor den Königshäusern, seine Beförderung zum General, zum Vertreter der alten Königreiche selbst, der Sieg in der Seeschlacht, das Bezwingen des Drachen, all das verblasste in dem See der Vergangenheit, die hinter ihm lag, ruhig, still und unbedeutend. Glanz und Glorie getrübt von einem einzigen Misserfolg, einem lächerlichen Fehler im Plan, einer irrigen Kalkulation, einer falschen Zahl auf einem Pergament. Fast drei Wochen hatte die Flaute sie in ihrem eisernen Griff gehalten, drei Wochen, die er verloren hatte, drei Wochen, die ihm nun das Genick zu brechen drohten, denn dies war der letzte Tag, den sie nach Osten segeln konnten, bevor der Proviant für die Rückreise zu knapp werden sollte.
Als er über die Gravur seines Rings fuhr, versuchte er sich eines Fehlers in der Vergangenheit zu entsinnen, versuchte, jenen Verstoß gegen Iurions heiliges Gesetz zu finden, der ihm diesen Fluch eingebracht hatte.
„Sollte ich gar noch naiv werden? Niemand empfängt den Segen des Herrn in dieser Welt, denn was hier geschieht, das haben allein wir zu besorgen“, schollt er sich selbst, „Nein, nur wenn etwas Bedeutsames auf dem Spiel steht, wenn geopfert werden muss, wird sich zeigen, wer wahrhaft glaubt.“
Dass er, wie alle wahren Iurionisten, den eigenen Tod weniger fürchtete als das Versagen, war ihm klare Gewissheit, und so ergriff ihn eine jähe Erkenntnis, die ihn wie ein Faustschlag ins Gesicht traf:
„Ich habe nie eine Wahl gehabt.“
Während er von der schlichten Simpelhaftigkeit, mit der seine Entscheidung gefallen war, niedergeschmettert in seinem Sessel saß, ertönte durch das schwere Holz der Tür gedämpft die Stimme eines Wachsoldaten:
„Herr General, Kapitän Chimerosa, Hauptmann Kaito und Chevalier Asbel erbitten eine Audienz.“
„Lasst sie eintreten!“, befahl er, worauf die Tür geöffnet wurde und die angekündigten Personen eintraten.
Allen voran ging der Kapitän Aleandro Chimerosa, der für eine Person seines Rangs äußerst ungepflegt auftrat: Seine rabenschwarzen Haare fielen ihm ungekämmt über die Schultern, von wo aus sie noch fast bis zu den Ellenbogen reichten, zugleich verunzierte ein sich asymmetrisch lichtender Bart, der sich um Mund und Kinn schloss, sein knochiges Gesicht, aus dem eine gewaltige Hakennase ragte. Die hochdekorierte, marineblaue Uniform trug er, ebenso wie das ausgewaschen weiße Leinenhemd darunter, offen, sodass nichts seine hagere Statur verbarg. Das linke Hosenbein steckte im Stiefel, das rechte hing locker heraus.
Ihm folgte ein muskulöser Mann namens Kaito Mikuzu, dessen Bänderrüstung laut schepperte, als er eintrat. Ein Blick in sein höhnisches Gesicht, die bleiche Haut, die schlitzförmigen Augen ließ keinen Zweifel zu: Er war Nogroner.
Der einzige an Bord, wie Asbel, der ihm hinterhertrottete, wusste, ein Flüchtling, der zum Iurionismus konvertiert war und es bis zum Offizier geschafft hatte. Hauptmann Kaito Mikuzu war zweifellos ein Exot, ein Einzelfall.
„Ah“, begann der Kapitän gedehnt, wobei er seine äußerst leiernde Stimme zum Besten gab, „Hallo, Toulessé.“
„Herr General“, grüßte Kaito, von dessen Gesicht jeder Hohn verflogen war, unter respektvollem Salut, wobei er die Hacken derart hart zusammenschlug, dass seine stählernen Stiefel laut wie die Becken eines Schlagzeugs klangen.
Asbel hingegen, der sich im Hintergrund aufhielt, verbeugte sich unauffällig, bevor der General sie bat, bis zum Tisch vorzutreten.
Als sie dies getan hatten, erhob er sich, deutete auf den Chevalier und ergriff das Wort:
„Würdet Ihr, Chevalier, den Herren bitte mitteilen, was sie ohnehin schon wissen werden.“
„Natürlich“, gab er ohne weiteres zurück, „Nach meinen letzten Berechnungen werden unsere Nahrungsmittelvorräte nicht mehr für eine sichere Rückkehr reichen, wenn wir auch nur mehr als einen weiteren Tag gen Osten segeln.“
„Das ist nicht von Belang!“, entgegnete Kaito sofort.
„Das war absehbar“, merkte der Kapitän an, „Nach der Flaute.“
„Wozu ratet Ihr mir also, Chevalier?“, fragte Toulessé unbeirrt.
„Nun, wir müssen umkehren, Herr General.“
„Müssen wir das?“, sprach der General gedehnt, „Sagt mir, Chevalier, wann wären wir mit den momentanen Knoten in Fiondral, wenn alles so wäre wie zu dem Zeitpunkt, als Eure Karten gezeichnet wurden?“
„In…etwa einer Woche…“
„Dann haben wir es doch. Wir werden einfach, wie geplant, nach Fiondral segeln und können dort nach unseren Untersuchungen neue Vorräte für die Rückreise aufnehmen“, wandte Kaito ein.
„Was wenn sie Recht haben? Was wenn es nicht mehr da ist?“, erwiderte Asbel.
„Bauerngeschwätz!“, zischte der Nogroner zurück, „Glaubt Ihr etwa Fiondral wurde vom Mahlstrom in den Schlund des Infernos gesogen? Das ist lächerlich!“
„Was meint Ihr, Kapitän?“, wandte sich Toulessé an Aleandro.
„Mir liegt vor Allem das Wohl meiner Männer und Schiffe am Herzen“, antwortete dieser, „Bedenkt, dass wir auf dem Hin- wie auf dem Rückweg erneut in eine Flaute geraten können. Wir können das stolzeste Schiff der serpendrianischen Marine doch nicht einfach so opfern.“
„Wir sind schon gegen Piratenflotten und Drachen gesegelt und jedem, der königlichen Familie, die uns dieses Schiff stellte, wie auch den Soldaten, die mir für diese Mission die Treue bis in den Tod schworen, war die Gefahr bewusst. Ich zweifle daran, dass diese Männer, die sich eines Drachen erwehrt haben, den Hunger fürchten“, erwiderte Toulessé, „Ich werde nicht zulassen, dass wir aufgrund einer falschen Berechnung, heidnischen Geschwätz‘ und unbegründeter Angst in unserer heiligen Mission scheitern. Fiondral braucht uns, die Welt braucht uns!“
„Mir ist klar“, begann Aleandro, „dass du dich niemals von dieser Mission abbringen lassen wirst, aber ich fürchte, die Besatzung könnte meutern, wenn sie von den Umständen erfährt.“
„Ein Iurionist würde seinen Herrn niemals verraten!“, herrschte der General den Kapitän an.
„Es sei denn, er glaubt, zuerst von diesem verraten worden zu sein“, meldete sich Asbel zu Wort.
„Was, wenn die Besatzung nichts von dem Unheil wüsste, das uns droht?“, sinnierte Kaito.
„Ich bediene mich keiner Lügen, Kaito. Das wäre schwach“, erwiderte der General.
„Natürlich“, gab der Hauptmann ergeben zurück.
„Aber zu diesem Zweck…“, wandte Chimerosa ein.
„Wer damit beginnt, seine Taten durch den Zweck zu rechtfertigen, der fängt mit Lügen an und hört bei Folter auf.“
„Ja… da magst du Recht haben. Aber in diesem Falle…“, sprach der Kapitän gedehnt, worauf Toulessé ihn ebenso wie Asbel lange, durchdringend und schweigend anstarrte.
„Ich“, begann er schließlich, „habe jeden von euch, die hier anwesend sind, für dieses Mission erwählt, weil ich ihn schon seit Jahrzehnten kenne, weil ich mit ihm bereits Seite an Seite focht und mir seiner Loyalität sicher war. Aber was ich nun sehe, ist keine Loyalität, sondern Zweifel! Entweder jeder an Bord folgt mir in den Tod, oder nirgendwo hin! Hinter dem Horizont erwartet uns Fiondral, unsere Bestimmung, unser Ruhm. Ich hauche lieber hungernd meinen letzten Atem aus, als zum König Serpendrias zurück zu kriechen und ihm zu erklären, dass ich Fiondral nicht finden konnte, weil ich zu feige war, alles aufs Spiel zu setzten. Wir werden unseren Kurs nicht ändern und, beim Ruhme des heiligen Herren selbst, am Ende dieser Woche liegen unsere Schiffe in Galor, wo wir endlich Gewissheit erlangen werden.“
„Jawohl, Herr General“, rief Kaito sofort, wobei er erneut salutierte.
„Der König kannte dich, Toulessé, als er dir den Befehl über diese Mission übertrug. Er wusste, wie weit du gehen würdest, und deshalb tat er gut daran, eben dich und keinen von uns zu wählen. Er wollte, dass im Fall des Falles alles riskiert wird, das ist mir nun klar. Ich werde also das Ruder gerade halten, auch wenn wir direkt ins Inferno segeln“, murmelte Chimerosa.
„Wir Ihr meint, General“, sagte Asbel, bevor er damit begann, eher zu sich selbst zu sprechen, „Ende der Woche haben wir Fiondral erreicht und unsere Schiffe liegen in Galor.“
„So ist es“, bestätigte Toulessé, „Und nun werdet Ihr, Hauptmann, zusammen mit dem Chevalier ein Manöver zur Kampfübung vorbereiten. Am besten noch für den morgigen Tag. Weggetreten!“
„Jawohl, Herr General“, schallte es aus Kaitos Kehle, worauf er ebenso wie Asbel, der wortlos blieb, die Kajüte verließ.
„Erlaubst du mir noch eine Frage?“, wandte sich Aleandro noch an Toulessé.
„Natürlich“, bestätigte dieser freundlich.
„Diese Magierin…was macht die eigentlich?“
„Taena?“, der General nickte langsam, „Ich muss gestehen, dass ich über ihre momentanen Fortschritte nicht informiert bin, aber ich werde sie bei Zeiten aufsuchen.“
„Ah, ich wollte eigentlich eher wissen, woran genau sie arbeitet.“
Toulessé lachte, als er diese Frage vernahm, da Aleandro sie mitnichten zum ersten Mal stellte.
„Ich fürchte, das wirst du tatsächlich erst erfahren, wenn sie mit ihrer Arbeit fertig ist“, antwortete er.
„Nun solange sie dabei nicht mein Schiff in die Luft sprengt“, gab Aleandro zurück, worauf er sich verbeugte und lächelnd aufs Deck zurückkehrte.