Die Geschichte einer Familie die zu früh ihren Vater, ihren Schwiegersohn und Ehemann verlor. (Im moment noch nicht vollendet)
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Das Blaulicht des
Rettungswagen rotierte zuckend und das Martinshorn jaulte schrill
durch die Häuserschluchten.
Schnell wie ein roter
Blitz, flog man durch die Straßen auf der Suche nach Rettung.
Nach Sicherheit zum
Ãœberleben.
Er kämpfte ums Überleben,
für seine Familie, die er so sehr liebte.
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Es war der 3. März.
Eigentlich ein Tag wie
jeder andere auch. Ein Mittwoch. Der Tag wo man merkte wie die Woche
zu Ende geht.
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SMS von Sten:
Papa ist auf der arbeit
umgekippt. Liegt im krankenhaus.
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Und der Gedanke war nur:
SCHEIßE ! SCHEIßE ! SCHEIßE !
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Sten's Tag fing an wie
jeder andere auch. Zigarette, Kaffee und Kuscheln mit Fina, seinem
Hündchen. Der Tag ist noch enorm jung.
Es ist 7 Uhr früh und
Sten fährt zur Schule, er macht im Moment ein Berufsgrundschuljahr,
nachdem er an der Waldorfschule seinen Abschluss gemacht hat.
Es ist kalt und dunkel.
Die Füße trugen Sten zum Bahnhof in dem kleinen Dorf. Jeder kannte
sich hier, das war teilweise ein Segen und ein Fluch.
Die
Lichter der Autos spiegelten sich auf der Straße.
Leise
rieselte der Schnee und ein Streufahrzeug rauschte vorbei.
Gekonnte
schnippte er die Zigarette weg, die Müdigkeit überfiel ihn. Lust
hatte er absolut keine. Gähnend stand er am Bahnsteig und rieb sich
die Hände in der Kälte. In seinen Ohren steckten die Ohrstöpsel
seines Handys. Sein Rucksack zog ihn nach unten, so kam es ihm vor.
Er war lustlos. Am liebsten würde er wieder ins Bett gehen. Einfach
schlafen. Er lehnte sich an einen Pfeiler neben ihm und rührte sich
erst wieder, als der Zug eintrudelte.
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Genervt
von den kleinen Kindern stieg er in den Zug. Nochmal eine gute halbe
Stunde Schlafen, wenigstens etwas bei dieser Bimmelbahn, waren seine
Gedanken.
In
der Schule angekommen war seine Laune am Tiefpunkt angekommen, dachte
er. Er schrieb noch eine SMS bevor er seinen Kopf auf den Tisch legte
und weiterschlief.
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Die
Türen des Rettungswagen schwangen auf und er wurde in die
Notaufnahme gerollt. Bewusstlos und mit Sauerstoffmaske auf dem
Gesicht.
Immer
wieder versagte sein Kreislauf.
Immer
wieder kämpfte man ihn zurück.
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Die
Ärzte stabilisierten ihn und stellten fest das seine Augen kaum
reagierten.
Sein
Hirndruck wuchs an, doch dies wusste noch keiner.
Er
war ein normaler Mann. Ein dreifacher Vater.
Er
kam nicht mehr zu Bewusstsein als die Ärzte seine Angehörigen
informierten.
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Er
lag im Koma.
Man diagnostizierte Hirnblutungen.
Er
war noch viel zu jung. Die Ärzte taten ihr bestes und holten ihn
mehrfach wieder zurück ins Leben. Allein an diesem Tag waren es
mehrere Male.
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„Frau
Schoma, sitzen Sie? Wir haben eine schlechte Nachricht für Sie!“,
der Arzt holte noch mal Luft,“Ihr Mann ist seid kurzer Zeit in
unserer Behandlung. Er liegt im Moment im künstlichen Koma. Er hatte
eine Gehirnblutung. Können Sie herkommen?“
Als
der Arzt noch mehrfach Hallo rufte, fiel das Telefon auf den Boden.
Nein Nein Nein, das darf doch nicht wahr sein!
All
die schönen Erinnerungen flogen an ihr vorbei. Die Hochzeit, die
Geburten ihrer 3 Kinder, die romantischen Stunden im Heu, die
Gespräche im Dunkeln. Alles.
Ihre
Mutter fand sie weinend auf der Treppe und konnte sich ein leichtes
Grinsen über diesen Schicksalsschlag nicht verkneifen. „Edith,
Kind, was ist los?“, fragte die alte Damen. Edith sprang auf und
griff zu ihrem Handy. Sie brauchte ihre Kinder für diesen
waghalsigen Schritt.
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Sie
erreichte als erstes Silvia auf der Arbeit, ihre Älteste wohnte im
Münsterland und machte sich sofort auf den Weg.
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Danach
schrieb sie Sten, der in der Schule einfach aufsprang und ging.
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Bei
Andy ließ sie sich Zeit, er arbeitete 5 Minuten weg aber hatte kein
gutes Verhältnis zu seinem Vater. Sie fasste sich aber schließlich
ein Herz und rief auf der Firma an.
Andy
musste erst einmal realisieren was seine Mutter dort sprach. Er warf
seinem Meister die Feile hin und ging mit den Worten:“ Papa geht
bald über'n Jordan“ davon.
Er setzte sich in sein
Passat und raste mit quitschenden Reifen vom Parkplatz.
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Die Umgebung raste an ihm
vorbei und die ganze Erinnerung an ihn flog umher.
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Edith ließ das Handy
fallen und lehnte sich an die Wand.
Immer noch stand ihre
Mutter ratlos neben ihr.
„Ich muss ins
Krankenhaus!“
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Draussen stand Doktor
Neumeyer und rauchte.
Der Gedanke an den Herren
der grade ins Koma versetzte wurde fesselte ihn.
Er war Mitte 40, im besten
Alter und lag hier. Das dunkelblonde Haar zerzaust. Kämpfend um
sein Leben.
Er zog an der Zigarette
und schnippte die Asche auf den Boden.
Einfach war der Herr
umgekippt und in seinem Hirn fing es an zu bluten. Einfach so.
Den Kopf schüttelnd
drückte Doktor Neumeyer seine Zigarette aus und ging wieder rein.
Eine Schwester fing ihn an
und drückte ihm ein paar Akten in die Hand.
Seufzend rieb er sich den
Nacken, die Arbeit musste ja schließlich gemacht werden.
„Schwester, informieren
Sie mich bitte sobald die Familie von Herr Schoma da ist!“,rief er
der Schwester hinterher und ging in ein Patientenzimmer.
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Silvia raste über die
Autobahn. Ihre Gedanken kreisten nur um ihren Vater. Ihr Handy
bimmelte die ganze Zeit.
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Sie war einfach von der
Arbeit gegangen. Hat ihrem Lebensgefährten geschrieben, dass sie zu
hause ist. Was mit ihrem Vater sei.
Er versuchte sie zu
erreichen. Doch Silvia wusste, wenn sie rangeht dann muss sie vom Gas
gehen oder ihr passierte auch noch etwas.
Sie betete in letzter Zeit
nicht zu Gott. Doch in diesem Moment flehte sie Gott an ihrem
heißgeliebten Vater am Leben zu lassen.
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Tränen standen in ihren
Augen und sie dachte an sein Lächeln.
An die guten Erinnerungen.
An das erste Mal Trecker
fahren.
Schreiend trat sie aufs
Gas.
Es waren knappe 80km noch.
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Sten stand am
Bahnhof. Wartend auf den Zug und hörte Musik. Er tippelte von Fuß
auf Fuß. Vor Angst. Die ausgetretenen Zigaretten um sich herum
sprachen schon genug Bände.
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Er hatte im Moment nicht
ganz den guten Draht zu seinem Vater aber er liebte ihn unheimlich.
Endlich fuhr sein Zug ein
und er sprang hinein. Suchte sich einen Fensterplatz und begann zu
zittern. Nie hatte er so oft sein Handy in der Hand, doch er legte es
nicht beiseite.
Schnell schrieb er eine
SMS.
Eine SMS an seinen besten
Freund Simon. Simon kannte er schon eine halbe Ewigkeit. Er war der
beste Freund seines großen Bruders und mittlerweile auch seiner.
Er stellte die Musik
lauter und summte den Text mit.
In seinen Augen sah man
die Sorge.
Ein Mädchen kam in den
Zug und sah ihn an.
„Hey Sten!“,grüßte
sie ihn und setzte sich zu ihm.
Er sah sie an und nahm
seine Kopfhörer raus. Begrüßte sie.
Das Mädchen schaute ihn
an. „Was ist passiert?!“,fragte sie ihn.
Sten spielte mit seinen
Fingern. Er wusste nicht was er sagen sollte, immerhin gehört sich
sowas nicht, denkt er. Man muss ja mit seinen Problemen selber fertig
werden.
Seufzend schaute er sie
an. „Irgendwas ist mit meinem Vater. Er ist im
Krankenhaus!“,antwortete er leise.
Das Mädchen sah ihn an.
Sie wusste er war erst 17.
„Ich fahr dich!!“,sagte
sie fix und Sten stieg mit ihr aus. Ihr Auto stand am Bahnhof und sie
raste mit ihm durch die Straßen.
Ihre Augen waren eins mit
der Straße und Sten saß neben ihr. Schweigend. Das einzige was er
tat, war seine dreckigen Finger durch sein dunkelblondes Haar zu
ziehen.
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Edith saß im
Flur der Klinik. Ihre Augen gingen zur Tür. Ihr Mann wurde grade in
den Operationssaal geschoben. Sie sah ihn kurz. An den ganzen
Apparaten, überall dieses Piepen.
Er lag so unnatürlich da.
Nicht so wie sie ihn kannte.
Sie legte ihr Gesicht in
die Hände als ihre Kinder eintrafen.
Erst Andy, dann Silvia und
als letzter Sten. Wie sie auf die Welt kamen. Sie sah ihre Kinder an.
Sah ihre Angst, ihre
Trauer.
Edith erhob sich und nahm
jedes ihrer Kinder in den Arm. Sie war froh sie dabei zu haben.
Danach setzte sie sich
wieder hin.
Andy lehnte sich an die
Wand.
Silvia setzte sich neben
ihre Mutter.
Sten stand ratlos in den
Raum.
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Der Arzt kam aus den
Flügeltüren und zog sich die Maske vom Gesicht.
Es war Doktor Neumeyer. Er
war schweißgebadet.
„Die Blutung konnten wir
stoppen!“,teilte er der Familie mit, „Wir wissen nur nicht wie es
ist wenn er aufwacht. Er kommt jetzt auf die Intensivstation im Stock
3. Bitte geben Sie uns 1-2 Stunden!“
Es stand schlecht um ihn
aber noch war die Hoffnung nicht verloren.
Er verabschiedete sich und
zog sich die Maske wieder vors Gesicht. Er hoffte das alles gut
werden würde. Der Herr war noch so jung.
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Simon raste in die Klinik.
Er hatte Stens SMS grade gelesen und war grade in der Uni gewesen als
die SMS kam.
Stens Vater war nach dem
Herzinfarkt von Simons Vater immer da gewesen. Die gesamte Familie
war immer für ihn da.
Andy war damals sein
bester Freund gewesen, Simon war erst 14.
Millionen von Gedanken
schossen ihm durch den Kopf.
Er hatte Angst vor dem
Bewusstsein, dass es sein Vertrauter, sein Ersatzvater nicht schaffen
würde.Â
Alles versuchte er aus
seinem Opel raus zu holen. Fluchend trat er auf das Gas und nahm die
nächste Ausfahrt.
Mit quietschenden Reifen
parkte er auf dem Parkplatz vor der Klinik. In seiner Jackentasche
waren 3 volle Zigarettenpäckchen. Er lief auf die Station.
Vor dem Zimmer fand er
Andy.
Aufgelöst und mit
trockenen Tränen auf den Wangen. Seine strahlend blauen Augen waren
rot und angeschwollen.
Andy weinte nie, schoss es
Simon durch den Kopf und setzte sich neben ihn.
Er klopfte ihm auf die
Schultern.
Ließ ihn gewähren.
Sten kam raus. Er war
blass und seine Hände zitternden.
Er lehnte sich an die
Wand. Fluchte leise und drehte sich dann um. Schlug mit voller Wucht
gegen die Wand. Die Angst und Trauer machte sich bei den Männern
breit.
Niemand wusste was mit dem
Vater, dem Ehemann und Vertrauten passieren würde.
Niemand kannte die Zukunft
und das war das schlimmste.
Andy ließ den blonden
Kopf sinken und Sten quetschte ein Taschetuch über seinen blutenden
Fingerknöchel. Die weiße Wand hatte ein paar rote Flecken
abbekommen, von seiner kleinen Attacke.
Simon war hoffnungslos
überfordert mit der Situation und erhob sich. Er lief auf und ab,
bevor er Kaffee hohlen ging.
Er kam mit der braun-
schwarzen Krankenhausbrühe um die Ecke und reichte jedem einen.
Schweigend saßen sie da
und tranken das Gesöff.
Von der Wand kam ein
Magenknurren.
„Mecces?!“,fragte
Simon leise und sah die beiden an.
Sie nickten, obwohl der
Hunger nicht da war.
Sten erhob sich und sagte
seiner Mutter Bescheid. Stellte sein Handy laut.
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Andy erhob langsam seinen
Körper. Er wirkte doppelt so alt als er war und trotz seiner
Muskelmasse so zerbrechlich.
Langsam, mit gesenkten
Köpfen, schlichen sie zum Auto und fahren in die besagte Fast Food
Kette.
Alle schwiegen, keiner
fand die richtigen Worte.
Das Piepen hing allen noch
in den Ohren.
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In der Klinik saßen
Silvia und Edith am Krankenbett.
Beide weinten.
Edith hatte seine Hand in
ihrer und strich dauerhaft darüber. Sie flehte ihn an, aufzuwachen.
In seinem Mund hing ein
Beatmungsgerät und neben seinem Kopf waren mehrere Geräte die
piepten. Die Brust hob und senkte sich immer wieder.
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Es tropften lauter
Flüssigkeiten in seinen Körper. Ein riesiger Bündel Schläuche
hing an seinem Hals. In seinen Haaren waren noch ein paar Späne von
der Arbeit.
Geistesabwesend zupfte
Silvia ihrem Vater die grauen Späne aus den restlichen Haaren und
ließ sie zu Boden fallen.
Weinend summte sie ein
Melodie.
Eine Krankenschwester
betrat leise das Zimmer und stellte einen Tropf höher. Er sollte ja
keine Schmerzen haben. Edith wimmerte und sanft legte die Schwester
ihr eine Hand auf die Schulter.
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Der Schmerz war größer
als abertausende von Worte beschreiben können.
Edith warf sich in eine
sitzende Position und schlug schreiend auf die Matratze. Ihr Mann
rührte sich nicht einen Zentimeter. Es machte sie unheimlich wütend
und die Trauer um das, was noch kommt wuch an. Irgendwas würde
passieren, das hatte sie im Gefühl. Sie konnte dieses behinderte
Schicksal nicht verstehen. Warum musste ihr geliebter Mann hier
liegen?! Warum?!
Sie sah ihre älteste an
und erhob sich. Nahm sie sanft in den Arm und küsste ihre Tränen
weg. Immer noch summte sie anwesend. Als sie ihre Mutter spürte,
hörte sie auf an den kümmerlichen Haarresten zu zupfen und nahm sie
in ihre Arme. Beide weinten. Ließen ihren Tränen freien lauf. Die
Finger der anderen vergruben sich in der Kleidung der anderen. Die
Fingerknöchel wurde weiß von dem enormen Festhalten.
Es waren Jahre des Stark
sein hinter ihnen. Sie waren Landwirte, Bauern. Da gab es keine
Tränen, kein Gejammer. Da gab es Arbeit. Nur Malochen.
Die Krankenschwester
verließ das Zimmer und schloss leise die Tür.
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Die jungen Männer saßen
knappe 10 Autominuten vom Krankenhaus entfernt vor ihren Burgern,
Pommes und Cokes.
Hinter ihnen, in der
großen Fensterfront, spiegelten sie sich wieder. Sten sah in das
Fenster und sah 3 junge Männer, die nicht wussten wohin. Wohin mit
ihren Gedanken, ihren Sorgen, ihrer Trauer. Sie sahen alt aus. Alt
und zerbrechlich.
Alle versanken in ihren
Gedanken und aßen langsam ihr Fast Food.
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Als die Sonne in
leuchtendem rot in das Fenster schien, machten sie die 3 auf zurück
ins Krankenhaus. An das Krankenbett des Vaters, Freund und
Mitbewohners.
Niemand wusste was auf sie
zu kam. Was für ein Schicksalsschlag sie noch erreichte.
Sie stellten ihre Tabletts
in die Vorrichtungen und gingen nach draussen. Simon warf den Jungs
die Zigarettenpäckchen zu und zündete sich selbst eine an. Zusammen
stiegen sie in den kleinen Opel und fuhren zurück.
Die ganze Zeit schwiegen
sie. Es war wie Sonntag nachts im Wald, eine unheimliche Ruhe.
Simons Handy klingelte. Es
war das Mädchen, was in Simon verliebt war. Sie schrieben sonst
jeden Tag, trafen sich und telefonierten. Sten kannte sie.
Simon drückte sie weg und
trat auf das Gas.
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Vor dem Krankenhaus
stellte Simon das Auto ab, doch keiner bewegte sich. Nach einem
langen Seufzer stand Simon als erster auf und stieg aus. Langsam ging
er ums Auto rum. Sten und Andy taten es ihm nach. Mit den Händen in
den Hosentaschen gingen sie in die Klinik, auf die Station. Edith
stand mittlerweile auf dem Flur, starrte aus dem Fenster. Ihre Söhne
kamen auf sie zu und nahmen sie in die Arme. Schlossen sie um sie,
hielten ihre Mutter.
Silvia kam aus dem
Schatten der Tür und lehnte sich an ihren älteren Bruder. Er merkte
ihre Berührung und öffnete einen Arm, ließ seine Schwester in den
engen Kreis.
Simon ging ein paar
Schritte zurück, er wollte diesen Familienmoment nicht
zerstören.Langsam schlich er sich Kaffee hohlen, es würde lang
werden.
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Er kam zurück mit dieser
siffigen Brühe, auf dem Weg hat er bei seinen Eltern angerufen.Seine
Mutter war mitgenommen, so wie er.
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Der Weg war nicht immer
eben und schön mit dem Vater, Ehegatte und Freund, doch alle wollten
diese Zeit nicht missen.
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Es wurde dunkel draussen
als Simon sich verabschiedete und nach Hause fuhr. Während der Fahrt
rauchte er die doppelte Menge an Zigaretten als sonst. Am nächsten
Morgen began für ihn die selbe Leier wie jeden Tag.
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Sten stand nicht auf, er
blieb liegen. Schule war nicht drin. Konzentration für'n Arsch.
Edith meldete sich krank
auf der Arbeit, gut das sie dort verstanden wurde.
Silvia reichte Urlaub ein
und erklärte die Situation.
Andy stand auf und ging
zur Arbeit. Er musste es erklären und sich ablenken. Mittags rief
seine Mutter an, sie sind jetzt alle in der Klinik. Andy arbeitete
bis zum Ende und nahm dann seine Ãœberstunden.
Den Kopf voller Gedanken
fuhr er nach Hause und setzte sich auf den Trecker.
Fuhr einfach los, fuhr in
den Wald. Seine Motorsäge dabei und los.
Er bereute, dass er nach
einem Streit mit seinem Vater nicht mehr mit ihm sprach.
Rauchend stieg er vom
Trecker und sägte ein paar kleinere Bäume ab.
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So zogen die Tage in das
Land. Man hoffte und betete das der Familienvater wieder erwachte und
seine Hirnblutungen weiter so im Zaum gehalten werde kann wie jetzt.
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Andy feierte seine 24.
Geburtstag in Ungewissheit. Niemand wusste was aus dem Mann im Haus
wurde. Auch wenn Andy nie ein gutes Verhältnis hatte, wurmte ihn die
momentane Situation doch sehr. Es war immerhin sein Vater.
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7 Tage nach dem Unfall
geschah es.
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Die Familie versammelte
sich. Es stand schlecht um ihren Vater und Mann. Seine Reaktionen
ließen nach und die Vitalzeichen waren im Keller. Die Ärzte
versuchten alles um ihn zu retten. Silvia, Andy, Sten und Edith saßen
draussen auf dem Flur. Doktor Neumeyer war hinter der Zimmertür.
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Es war ein schwerer
Schritt.
Blut tropfte von seinen
Händen. Man hörte das monotone Piepen des Monitors was den
Herzschlag überwachte. Er bildete ein Strich und schrie.
Ein letztes mal nahm er
den Defibrillator und brüllte:“Weg vom Bett!“ bevor er ihn auf
die Brust des Patienten drückte. Er flog in die Luft. Fiel zurück
wie ein nasser Sack und blieb liegend.
Doktor Neumeyer drückte
sein Gewicht auf die Brust, Herr Schoma spuckte Blut.
Wie besessen reanimierte
das Team den Mann. Probierten ihr bestes.
Nur sie scheiterten
gnadenlos.
Doch dann geschah das
Wunder.
Doktor Neumeyer bekam ihn
minimal hoch.
Mit seinem Kittelärmel
wischte er sich den Schweiß von der Stirn. „Wischen Sie ihm bitte
das Blut ab. Es wäre jetzt besser wenn die Familie sich
verabschiedet. Wer weiß wie lange wir ihn halten können!“,sagte
er mit ruhiger Stimme.
Langsam drehte Doktor Neumeyer vom Bett
weg und warf seine Handschuhe in den Müll.
Öffnete die Tür nachdem
er tief durchgeatmet hat.
Draussen sah er in die
Gesichter der wartenden Familie.
Er musste seinen ganzen
Mut zusammen nehmen und die richtigen Worte finden.
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„Wir haben Ihren Gatten,
Ihren Vater wieder zurück in das Leben bekommen!“,begann er stolz.
Wie jeder Arzt wollte er für seine Leistungen gelobt werden doch
dann fuhr er fort:“Nur bitte ich Sie, gehen Sie rein und
verabschieden Sie sich von ihm. Wir wissen nicht ob und wie lange wir
ihn am Leben halten können!“
Nach seinen Worten gab er
jedem die Hand und verschwand.
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Simon kam über den Flur
gerannt und stieß fast Doktor Neumeyer um. Doch dieser war noch so
in seinen Gedanken versunken das er es nicht bemerkte.
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Er kam an dem Zimmer an
und sah wie alle in den Raum gingen, so atmete er tief durch und
setzte sich auf den Flur.
Es war normal für ihn das
gehörte sich so als Freund der Familie. Einfach nur da zu sein.
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Stundenlang saß er da und
Andy kam als erster raus. Er stützte das Gesicht in die Hände.
Simon fing ihn ab und setzte ihn auf die Stühle. Andy weinte. Weinte
einfach.
„Weißt du was das
schlimmste ist?! Ich habe gar kein Wort mehr mit ihm gesprochen. Das
war der größte Fehler!“,flüsterte Andy in die Stille hinein und
nahm ein Taschentuch was Simon ihm entgegen streckte.
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Es war der 10. März. 2
Tage nach Andy Geburtstag.
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Bis Abends saßen Andy und
Simon da. Irgendwann ging Simon nach Hause. Er hatte Tagelang nichts
gegessen und morgen eine wichtige Vorlesung.
Als er gegangen war kam
Sten raus, Edith, Silvia. Sie schlossen die Tür und passend dazu
fingen die Geräte an zu Piepen. Es wurde monoton. Ein einfaches
Piep.
Edith warf den Blick
zurück und rannte zu ihrem Gatten. Sprang an sein Bett und schrie
ihren Mann an. Schmiss sich auf ihn und schlug auf ihn ein. Immer
wieder prallte die Hand auf das Gesicht. Er konnte noch nicht gehen.
Das Team um Doktor Neumeyer kam rein und versuchten die vollkommen
hysterische Edith von ihrem Mann runter zu bekommen. Keine Chance.
Eine Schwester schleuste
Edith schließlich doch raus.
Das Team begann zu
reanimieren. Doch immer wieder stürzte der Kreislauf in den Keller
und das monotone Piepen des Überwachungsgerätes erfüllte den
ganzen Raum. Nach wenigen Versuchen ließen sie den Mann sterben.
Es schien so, dass er nur
gewartet hat das seine Familie sich verabschiedet. Ihn gehen lässt.
Die Schwester legte ein
Tuch über sein Gesicht und schrieb das Todesdatum in die Akte. Edith
sah diese Geste und schrie. Sie schrie einfach drauf los. Schlug um
sich. Legte die Hände vors Gesicht, riss sich die Haare raus.
Tränen stiegen alle in
die Augen. Silvia rutschte an der Wand runter und schlug mit ihrem
Kopf gegen die Knie. Sten schrie kurz, schlug gegen die Wand und
rannte davon.
Edith prügelte auf die
Wand ein, ehe sie in die Knie gingen und die Stärke sie verließ.
Sie stütze sich auf den Boden und schluchzte. Sie weinte. Weinte um
ihren Mann, um den Vater ihrer Kinder. Die Trauer war
unbeschreiblich. Wieso musste dieses Schicksal so ein verdammter
Hurensohn sein?!
Sie ballte ihre Hände zu
Fäusten und schlug auf den Boden.
Er starb viel zu früh,
sie wollten zusammen alt werden und noch so viel erleben.
Andy konnte und wollte es
nicht realisieren. Er war wütend und voller Trauer.
Warum jetzt?! Ratlos ging
er zu seine Schwester und zog sie in seine Arme.
Ihm wurde jetzt erst
bewusst was er für Fehler gemacht hat in den ganzen Jahren.
Was für ein Arschloch er
gewesen war.
Mit diesem Bewusstsein
hielt er seine am Boden zerstörte Schwester. Sie war die Älteste
und immer Papas Mädchen gewesen.
Sanft wiegte er sie in
seinen Armen. Es war das einzigste was er im Moment tun konnte. Da
sein.
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In Simons Kopf herrschte
Leere und Stille. Der Verlust des Vaters war im Schmerzlich bewusst.
Gut sein Vater war am Leben, aber dies kann man kein Leben nennen.
Alleine kommt er nicht mehr klar, immer musste jemand da sein und auf
ihn aufpassen. Er verlegte seine Sachen und wusste nicht wie man sich
nur ein Brot schmierte.
Er erhob sich und hob
Edith auf. Der Boden unter ihr war kalt. Er nahm sie und setzte sie
auf einen Stuhl. Sanft legte er die Jacke um sie und legte den
gesamten Taschentuchvorrat auf den Beistelltisch neben den Stühlen.
Es war Zeit zu gehen.
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Die Zeit verging. Die
Beerdigung rückte näher.
Das gesamte Heimatdorf
stand hinter der Familie.
Doch sie konnten die
Trauer nicht nehmen.
Es war schwer zu
realisieren, dass ein guter Bürger, ein Freund, ein Kollege, ein
Onkel, ein Vater, ein Ehemann gegangen war. Einfach so.
Die Zeit vor der
Beerdigung war ein Trauerspiel. Zu Hause wurde wenig geredet. Alle
hingen nur ihren Gedanken nach.
Oft klingelte Simons Handy
nachts, oft machte er sich auf die Socken hinunter zu dem stillen
ehemaligen Bauernhof.
Oft versuchte Sten zu
flüchten. Sich auf andere Gedanken bringen, doch es passierte immer
wieder das er zurück fiel. Die Gedanken kreisten zurück zu seinem
Vater.
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Der Tag der Beerdigung
brach an.
Die Kirche war geschmückt.
Zu Hause machten sich alle
fertig. Sie schmissen sich in die schwarze Schale. Sakkos wurden über
gelegt und die weißen Handschuhe der Sargträger in die Hosentaschen
gesteckt. Gemeinsam ging es in die Kirche. Sie war voll. Leute
mussten stehen.
Ihr Vater war jung. Zu
jung.
Sein Patenkind weinte.
Der Gottesdienst zog so
vorbei. Nie waren alle sonderlich gläubig gewesen, außer die Oma.
Doch heute spürten selbst Sten und Andy die Anwesenheit ihres
Vaters.
Sie dachten an die schönen
Stunden, die vielen Erinnerungen mit ihrem Vater. Sein Lachen blieb
in den Herzen. Seine Witze, sein Geist, seine Art.
Die Ähnlichkeit konnte
sich nicht leugnen lassen. Die Brüder sahen sich an. Die Gesichter
sprachen Bände.
Der Schmerz der beiden ließ die Herzen brechen.
Ihre schönen, markanten Gesichter waren von Trauer zerfressen.
Von der Angst des ungewissen, von dem Verlust und doch wussten alle,
dass diese Kinder alles schaffen würden was sie wollen.Â
FORTSETZUNG FOLGTÂ Â