Was wäre wenn Marian noch keben würde und Robin Hood eine Schwester hätte?
Erzählers Sicht
Es war ein ruhiger Morgen im Sherwood Forest. Die Sonne warf ihre Strahlen durch das grüne Blätterdickicht und erleuchtete da wo sie hin kam den Boden. In den Bäumen sangen Vögel munter ihre Melodien und flatterten hin und her. Die Blumen auf der Lichtung öffneten langsam ihre Knospen und der ganze Wald wurde von einer wundervollen Farbenpracht beglückt.
Alles wirkte friedlich. Zu friedlich für Robins Geschmack. Er lag hinter einem Brombeerstrauch und beobachtete aus seinem Versteck hinaus wachsam die Umgebung. Sein Blick streifte über die weitläufige Wiese, konnte jedoch nichts Außergewöhnliches sehen.
Plötzlich tat sich etwas. Ein leises Knacken im Unterholz ließ ihn zusammenfahren und er zog instinktiv einen Pfeil aus der Halterung an seinem Rücken. Er richtete seinen Bogen, jeden Moment bereit einen Schuss abzufeuern. Da war es wieder… Ein Geräusch, dieses Mal ein Rascheln hinter dem Gestrüpp auf der anderen Seite. Langsam setzte er sich auf und betrachtete angespannt die Stelle. Gleich würde es zuschlagen können. Robin sah aus den Augenwinkeln rüber zu Much und Kate, die sich hinter dem Stamm einer großen Eiche versteckt hielten. Sie nickten ihm zu und warteten auf das Signal.
Ein schriller Pfiff ertönte und kurz darauf betrat eine kleine Gruppe aus sechs prunkvollgekleideten Männern die Lichtung. Die Outlaws stürmten aus ihren Schlupflöchern hinaus und rannten unter lauten Geschrei auf die Reisenden zu.
Die Ausbeute hatte sich dieses Mal wirklich gelohnt, zufrieden betrachteten sie die Säcke voller Gold. „Die Menschen in Locksley können uns wirklich dankbar sein.“ flüsterte Much und strich andächtig über eine schillernde Münze. „So reich wäre ich auch mal gerne.“ fügte er hinzu. Little John verdrehte genervt die Augen und Kate zwinkerte ihn aufmunternd zu.
Robin seufzte. Er hatte sehr wohl bemerkt, dass sein bester Freund sich ausgesprochen gut mit dem einzigen Mädchen in ihrem Bunde verstand. Sie waren glücklich und er gönnte es den beiden wirklich vom ganzen Herzen, aber trotzdem war er an diesem Morgen merkwürdig still und zog sich zurück…
Heute war es genau ein Jahr her.... Marians Tod.
Marians Sicht
Die schwere Eisentür fiel laut scheppernd ins Schloss. Ich hob nur leicht den Kopf, als einer der Wachmänner mir eine Scheibe Brot durchs Gitter hindurch schob. Er warf einen Blick in die kleine und dunkle Zelle und sah mir dann ins Gesicht, doch ich wand den Blick ab und rührte mich nicht. „Es tut mir leid. Ich wünschte ich könnte dir helfen“ flüsterte er und hockte sich auf den Boden. Er war mit Abstand eine der nettesten Personen hier, doch auch er stand auf der anderen Seite.
„Wieso tut Ihr es dann nicht? Lasst mich frei.“ flehte ich mit zitternder Stimme und hob die Scheibe Brot vom Boden auf.
„Das kann ich nicht.“
„Warum?“
„Wenn Notreek mitbekommen würde, dass ich mit dir rede oder dir ganz und gar helfe, wird er meine Familie töten. Und das kann ich, so Leid es mir tut, nicht zu lassen. Meine Frau erwartet ihr erstes Kind.“ sagte er leise und stand auf. Traurig schaute er mich an. Ich konnte ihm nicht wütend sein, er wollte die Menschen beschützen, die er liebte und dafür konnte man niemanden verurteilen.
Leider wusste ich nur zu gut, was es für ein Gefühl war, wenn man nicht nur auf seinen Verstand hörten konnte, sondern sich auch von seinem Herzen leiten ließ. Liebe ist die wohl stärkste Macht auf Erden…
„Wie ist ihr Name?“
„Was?“ er drehte sich verwirrt zu mir um.
„Von eurer Frau.“
Der Mann betrachtete mich nachdenklich und überlegte wahrscheinlich, ob er mir antworten sollte.
„Julia.“ In seinen Augen lag ein seltsamer Glanz, als er liebevoll ihren Namen hauchte.
Ich rang mir ein Lächeln ab und nickte langsam. „Sie hat Glück, denn sie hat einen guten Mann.“
„Was ist mit dir?“
„Was soll mit dir sein?“ Ich tat gleichermaßen überrascht wie er vorhin.
„Naja man wird doch bestimmt überall nach dir suchen.“ meinte er.
Ich schüttelte traurig den Kopf. „Nein…“
„Aber wieso? Eine Lady wie du müsst doch eine Menge Verehrer haben.“ Wie nett… Er wollte mir ein Kompliment machen.
„Der einzige Mann für den mein Herz schlägt und den ich liebe, denkt ich bin tot. Außerdem wird er bestimmt jemand anderes gefunden haben, die ihn glücklich macht.“
Der Wachmann sah mich bestürzt an. „Was ist passiert?“ fragte er und ließ sich wieder auf den kalten Boden außerhalb der Zelle sinken.
„Es begann alles zeitnah vor einem Jahr. Mein… Verlobter… er war der loyalste, aufrichtigste, tapferste, charmanteste und ehrlichste Mann der mir je begegnet ist. Er setzte sich für die Armen ein, und nahm den Reichen ihre Wertsachen um ihnen zu helfen. Stets dachte er an die anderen, sein eigenes Wohl stand für ihn immer an unterster Stelle. Ich habe ihn geliebt mehr als jedem anderen Menschen. Und dann reiste er ins Heilige Land um dort den König zu warnen und ihn zu retten. Ich wurde derweilen von einem Sherif gefangen gehalten und wurde ebenfalls in die Wüste exekutiert. Dort sah ich ihn wieder. Er lebte noch... und wie er lebte. Wir beide vermählten uns an meinem „Todesbett“. Denn Gisborne… der Mann dem ich einst versprochen war, erstach mich mit einem Schwert. Ab da fehlt mit jegliche Erinnerung. Anschließend wurde ich scheinbar zurück nach Nottingham gebracht, und dort vergraben.  Und als ich nach einer schier endlosen Zeit in der Dunkelheit erwachte, dachte ich, ich befände mich im Himmel. Doch scheinbar habe ich mich geirrt. Denn Notreek und seine Leute haben wahrscheinlich gedacht, in meinem Grab befänden sich Kostbarkeiten, auf jeden Fall öffneten sie meine Gruft und genau in diesem Moment dämmerte mir, dass ich gar nicht tot war. Seit der Geschichte im Heiligen Land konnten allerhöchstens zwei Tage vergangen sein. Ich weiß selber nicht, wieso ich noch am Leben war. Das Schwert hatte sich tief in mich eingebohrt, aber wie es auf mich wirkt, war ich gar nicht tot sondern einfach in einer Art Koma. Anders kann ich es nicht erklären.
Aber das alles nützt mir eh nichts mehr.  Den Rest kennt Ihr ja. Notreek hat mich in diese Zelle gesperrt und wollte mich als Sklavin verkaufen, und als ich versuchte zu fliehen, hat er mich jeglicher Freiheit beraubt. Wisst Ihr wie es ist, ein Jahr in so einem düsteren Raum ohne Fenster eingesperrt zu sein? Mir fehlt die Sonne auf meiner Haut, der Geruch von Regen, das Gefühl von Wärme oder Kälte. Doch am meisten… Ich denke Tag und Nacht an ihn. Jede Sekunde. So hätte es niemals enden dürfen… Und morgen ist meine Hinrichtung und ich habe keine Gelegenheit mehr ihm zu sagen wie sehr ich ihn eigentlich liebe. Was ist wenn er inzwischen auch tot ist? Ich hoffe er ist glücklich… Und ach ich weiß auch nicht, wieso ich Euch das alles erzähle.“ Abrupt brach ich ab. Meine Stimme war wackelig und heißer. Tränen brannten in meinen Augen. Mein Gesprächspartner hat während der kompletten Zeit still da gesessen und mir zugehört. Er sah mich betroffen an.
„Wie war sein Name?“
„Robin. Robin Hood. Robin von Locksley.“  antwortete ich und senkte erschöpft den Blick.
Er schwieg eine Weile und sprang dann auf.
„Dein Freund lebt noch, da bin ich mir sicher. Und du wirst morgen nicht sterben.“ versprach er mir und ich schaute überrascht auf.
„Morgen ist die Hinrichtung.“ erinnerte ich ihn.
„Nein. Das werde ich verhindern.“
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Sallys Sicht
Matt und ich spähten vorsichtig hinter der Häuserfassade der alten Schmiede vor und beobachteten wie Notreek eine Hand voll Sklaven auf den Markplatz trieb. Er hielt eine lange Peitsche in der Hand und brüllte irgendetwas Unverständliches in die Menge. Ein kleiner Junge klammerte sich ängstlich an den Rockzipfel seiner Mutter. Zwei heruntergekommene grauhaarige Männer bewegten sich nur schleppend vorwärts und konnten sich gerade noch so aufrecht halten. Eine junge Frau sprang mir sofort ins Auge. Sie war wunderschön und hatte langes dunkles und dichtes Haar und blaugraue Augen dir geschwollen und gerötet aussahen. Sie hatte geweint.
Notreek stieg auf eine Art Tribüne und ergriff wieder Wort. Inzwischen kamen immer mehr Leute auf den Platz in der Mitte des Dorfes. „Meine lieben Freunde... Heute werden wir sehen zu was Aufsässigkeit führt. Diese Frau hat sich nicht meinen Regeln gebeugt, sie erwartet die Todesstrafe.“ säuselte er und ich zog scharf die Luft ein. Matt sah mich fragend an und ich zuckte ratlos mit den Schultern.
„Wir müssen versuchen sie zu retten.“ meinte ich und beobachtete voller Abscheu das Geschehen. Unschuldige Menschen.
„Ich dachte wir wollen deinen Bruder finden.“
„Ja aber wie sollen wir das tun? Ich weiß ja nicht einmal seinen Namen.“
„Und stattdessen machst du einen auf Robin Hood?“ Verärgert runzelte er die Stirn.
Ich presste wütend die Lippen aufeinander und sagte: „Nein, aber ich kann doch nicht dabei zu sehen wie dieses Monster von Notreek Menschen abschlachtet.“
„Aber das geht dich nichts an.“
„Und ob, ich würde auch wollen, dass man mir hilft.“
Bevor Matt noch irgendetwas erwidern konnte, hatte ich meine Kapuze über den Kopf gezogen und sprintete hinter der Ecke hervor und begab mich in die Menschenmenge.
„Sally.“ zischte er doch ich ignorierte ihn.
Marians Sicht
Ich blendete die Leute um mich herum aus, die mich voller Mitleid ansahen. Notreek drängte mich unsanft nach vorne und schob mich zu dem hölzernen Pranger. Tränen brannten in meinen Augen und vernebelten mir die Sicht.
„Wir haben einen Verräter in unserer Mitte. JACK!“ Notreeks Stimme bebte, als er anklagend auf einen der Wachmänner deutete. Er war der von gestern, der mir seine Hilfe versprochen hatte.
„Ich habe heute meinen guten Tag. Er wird ins Exil geschickt, zusammen mit seiner Familie und bei Rückkehr erwartet ihn der Tod.“
Ich neigte den Kopf zu Jack und er sah mich entschuldigend und voller Reue an. Kopfschüttelnd gab ich ihm zu verstehen, dass er sich keine Schuld geben soll. Vielleicht ist der Tod für mich die beste Option. Vielleicht treffe ich in einem späteren Dasein auf Robin. Wo immer er jetzt auch sein mag, ich hoffte vom ganzen Herzen das er glücklich ist. „Verzeih mir. Ich liebe dich.“ flüsterte ich, als man meine Hände am Pranger befestigte.
„Es ist soweit. Sie wird sterben.“
Sallys Sicht
Jetzt oder nie! Fest entschlossen bahnte ich mir einen Weg durch die Menge. Mir tippte jemand auf die Schulter und ich wand mich um. „Matt. Was machst du hier?“
„Wenn du schon Robin Hood spielen willst, darf ich das wohl auch oder?“ wisperte er und folgte mir. Ich grinste ihn verschwörerisch an und ging nach vorne.
„Was hast du vor?“ fragte er. Gute Frage…
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Erzählers Sicht
Sally lief nach vorne und zog Matt hinter sich her. „STOP!“ rief sie laut in die Menge hinein und ein paar Leute drehten sich nach ihr um.
„Hm?“ Notreek schaute verwundert auf und betrachtete verwirrt das Mädchen mit dem feuerroten Haar.
„Was willst du?“ knurrte er verärgert, während Marian leicht den Kopf anhob und die Fremde musterte. Sie stand da und hatte einen wütenden und wildentschlossenen Blick aufgesetzt. In der rechten Hand hielt sie ein langes Schwert, welches sie bedrohlich schwang. Sie war allerhöchstens siebzehn Jahre, legte jedoch ein brodelndes Temperament an den Tag.
„Ich bürge für diese Frau.“ rief Sally mit lauter Stimme und Matt trat entschlossen neben sie, er würde sie nicht ins offene Messer laufen lassen.
Marian traute ihren Ohren nicht und riss ungläubig die Augen auf. Sollte sie dieses Mädchen kennen? Und warum wollte sie ihr helfen? Einer Fremden…
Notreek stand langsam auf und ging die Treppe hinunter. „Wer zum Geier bist du und wieso bürgst du für eine Geächtete?“
„Mein Name ist Sally, wenn das überhaupt eine Rolle spielt. Und sind wir im Grunde nicht alle Gesetzlose? Du so wie ich. Wieso würdest du sonst mit Menschen dealen?“ fragte sie und verschränkte die Arme.
„Ein guter Einwand, das muss ich zugeben, aber wie willst du für sie bürgen? Du siehst nicht besonders reich aus.“
„Ich habe genug Geld. Matt?“ antwortete sie und schaute zu ihrem Komplizen. Er griff an seinen Gürtel und zog zwei Beutel voller Goldmünzen hervor und warf sie Notreek vor die Füße. Dieser schnellte nach vorne und griff gierig danach.
„Wo habt ihr das her?“
„Das war ein Erbe meines Vaters, er hat lange dafür geschuftet.“ flunkerte Sally ungeduldig und schaute zu der Frau an Galgen. Marian beobachtete das Geschehen völlig perplex, aber eine leise und kleine Hoffnung stieg in ihr auf. Vielleicht gab es doch noch eine Chance. Doch was war wenn dem fremden Mädchen etwas zustieß?
„Und da verschwendest du dein ganzes Vermögen?“ Notreek ging zweifelnd auf und ab.
„Haben wir einen Deal?“
„Von mir aus. Aber wenn sie noch mal hierher kommt, wird sie sterben.“
„Wachen? Lasst sie gehen!“
Marians Knie begangen zu zittern, als ihre Handfesseln gelöst wurden. Passierte das gerade wirklich?
Matt sah das hämische Grinsen des Sklavenhändlers und schrie: „Das ist eine Falle.“
Sally fuhr auf dem Absatz herum.
„Ihr denkt doch nicht wirklich, dass wir sie einfach so entkommen lassen. Wachen ergreift sie.“
Matt fletschte wütend die Zähne. „Weg hier.“
Sally schaute sich um, stieß zwei Männer zur Seite, die sich ihm ihn Weg gestellt hatten und packte die erstarrte Frau am Arm und zog sie hinter sich her.
Marians Sicht
Völlig überrumpelt ließ ich mich von dem jungen Mädchen und ihrem Komplizen mitziehen. Tausende Fragen schwirrten in meinem Kopf herum. Wieso hatte sie mich gerettet? Ich war mir ziemlich sicher, ihr noch nie begegnet zu sein. Doch im Moment dachte ich nur daran, schnellst möglichst zu rennen, also folgte ich ihnen bis wir irgendwann die Wachen abgehängt hatten. Wir liefen in den angrenzenden Wald und ließen uns im Schatten, einer Reihe großer alter Bäume fallen.
Vom schnellen Laufen war ich mächtig außer Puste und brauchte ein paar Sekunden um mich zu erholen, dann drehte ich mich zu den beiden um. „Ich weiß gar nicht, wie ich euch beiden danken soll. Wieso habt ihr das eigentlich getan?“ informierte ich mich schwer atmend und sah sie gespannt an.
„Du musst uns nicht danken, wir konnten doch nicht zulassen, dass so eine Schönheit wie du als Sklavin vermarktet wird.“ sagte der Junge grinsend und das Mädchen rollte genervt mit den Augen.
„Ignorier ihn am besten. Mein Name ist Sally und der Spinner hier ist Matt. Und mit wem haben wir das Vergnügen?“ antwortete sie und lächelte mich an.
„Ich bin Marian und stehe tief in eurer Schuld.“ stellte ich mich vor und die beiden tauschten einen kurzen Blick.
„Und wo kommst du her?“ fragte der Junge namens Matt interessiert und lehnte sich an einen Baumstamm. Er musterte mich neugierig.
„Aus Nottingham und ihr?“ Bei der Erinnerung an mein altes zu Hause bekam ich einen dicken Kloß im Hals und musste heftig schlucken.
„Wir sind Nomaden und ziehen von Ort zu Ort.“
„Muss spannend sein.“ Ich wollte etwas Nettes sagen, aber mir fiel auf die Schnelle partout nichts Besseres ein.
„Ja vor allem das Leben im Wald ist sehr amüsant.“ antwortete Sally sarkastisch und holte Pfeil und Bogen hinter einem Erdwall vor.
„Hast du Hunger?“ Sie sah mich fragend an und als ich nickte, richtete sie den Pfeil auf etwas in den Bäumen und schoss ab. Ein paar Sekunden später landete er mit roten Äpfeln gespickt auf dem Boden. Erstaunt schaute ich sie an. Mir war erst ein Mensch begegnet, der so gut damit umgehen konnte.
„Wo hast du das gelernt?“ wollte ich beeindruckt von ihr wissen, während sie mir einen Apfel reichte den ich dankend annahm.
„Sie ist gut nicht wahr?“ meine Matt und klang stolz.
„Ja das ist sie.“
„Ich hab keine Ahnung, vielleicht war mein Vater Jäger und mir wurde diese Gabe in die Wiege gelegt oder so.“ Sally zuckte mit den Schultern und biss in einen Apfel.
„Kennst du deinen Vater nicht?“
Sie schüttelte traurig lächelnd den Kopf. „Nein. Ich kenne niemanden von meiner Familie. Wir wurden schon früh getrennt.“
„Oh das tut mir leid.“ antwortete ich aufrichtig und warf einen flüchtigen Blick auf Matt.
„Er ist mein bester Freund und nicht mit mir verwandt.“ erklärte sie, als habe sie meine Gedanken erraten.
„Oh.“ machte ich wieder und sah sie mitleidig an. Sie war wirklich außergewöhnlich. Mit ihren feuerroten Haaren und ihren grau-blauen Augen stach sie einem sofort ins Auge. Sally tat mir leid und ich würde ihr zu gerne helfen können so wie sie mir. Doch wie?
„Vielleicht ist aber noch nicht aller Tage Abend. Wir suchen ihren verschollenen Bruder.“ verriet Matt mir.
„Du hast einen Bruder? Aber das ist doch gut.“ freute ich mich für sie.
„Leider gestaltet es sich als der Suche nach der Nadel im Heuhaufen.“ Sie seufzte tief und richtete ihren Blick in die Ferne.
„Wenn du willst helfe ich dir.“ bot ich an.
„Das würdest du tun?
„Wie gesagt ich stehe in deiner Schuld und außerdem wüsste ich nicht was ich sonst mit mir anfangen sollte.
„Ja wenn das so ist sehr gerne. Aber wieso weißt du nicht wohin mit dir? Warum kehrst du nicht nach Nottingham zurück?“
„Weil ich offiziell tot bin.“
„Hä?“ Matt und Sally schauten mich verständnislos an, also erzählte ich ihnen von den Ereignissen vor einem Jahr, aber erwähnte dabei nie den einen Namen.
„Aber irgendjemand wird es doch geben zu dem du kannst.“ Sie wirkte leicht verzweifelt, als wolle sie vermeiden, dass ich unglücklich bin.
„Es gab jemanden… damals.“ gestand ich zögernd und mein Herz begann wild zu klopfen.
„Na also.“
„Wenn er überhaupt noch am Leben ist.“ Es kostete mich mehr Kraft als alles andere das auszusprechen.
„Wieso sollte er nicht?“
„Weil er sehr gerne Risiken eingeht und immer in Schwierigkeiten steckt. Er liebt es den Armen zu helfen und geht dabei Kopf und Kragen ein.  Er war der einzige Mensch zu dem ich hätte gehen können.“
„Das klingt ja fast genau nachdem was du machst, Sally. Genau wie Robin Hood.“ sagte Matt scherzhaft und Sally kicherte vergnügt. Mir jedoch blieb das Blut in den Adern gefrieren.
„Du kennst ihn?“
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Erzählers Sicht
„Natürlich. Wer kennt ihn nicht? Er ist eine Berühmtheit. Der Retter der Armen. Die Geschichten, die man über ihn erzählt sind weitverbreitet.“ Matt zuckte mit den Schultern, setzte sich auf einen umgekippten Baumstamm und begann mit einem Dolch an einen sperrigen Zweig zu schnitzen.
Marian stand  schweigend da und schaute auf irgendetwas in der Ferne. Jegliche Farbe war aus ihrem zarten Gesicht gewichen. Sie wirkte schwach und erschöpft. Ein Beben ging durch ihren Körper und ließ sie erzittern.
Sally die sich neben Matt fallen gelassen hatte beobachtete die junge Frau argwöhnisch. „Alles in Ordnung?“ Sie klang besorgt und kniff verwirrt über ihr Verhalten die Augen zusammen.
Marian schreckte hoch und nickte völlig konfus.
Robin…
Ihr Robin.
Der Mensch nach dem sie sich so sehr sehnte.
Die Liebe ihres Lebens.
Robin…
Ihr Robin…
Sie kannten ihn… War er etwa noch am Leben?
„Was ist dann los? Du wirkst so… verstört.“ Matt sah von seiner Schnitzerei auf, die allmählich die Form eines Pfeiles annahm.
Marian wand ihnen den Rücken zu und senkte den Kopf. „Kennt ihr ihn persönlich?“ fragte sie leise und kniete sich auf den Boden.
Robin…
Sein Name. Sein Gesicht. Sein warmes und verschmitztes Lachen. Sein vertrauter Geruch.
Wie sehr vermisste sie ihn.
Sie wünschte sich nichts mehr, als ihn noch einmal zu sehen.
Doch was war wenn er jemand neues gefunden hatte? Es war doch immer hin möglich.
Das würde sie nicht verkraften. Sie wünschte ihm, dass er glücklich war.
Aber… Die Vorstellung er könnte sie vergessen haben.
Wenn es so wäre, dürfte sie ihm keine Vorwürfe machen. Das wäre nicht richtig.
Robin…
Ihr Robin…
Oder doch nicht?
Er hatte ihr damals versprechen müssen weiter zu kämpfen, beinhaltete das nicht auch glücklich zu sein? Zu lieben und sie loszulassen?
Robin…
Ihr Robin…
Was ist aus ihm geworden?
„Wen? Robin Hood? Nein leider nicht, aber ich würde ihn gerne mal treffen. Von ihm könnte ich einiges lernen. Außerdem muss er ein guter Mensch sein.“ erwiderte Sally ehrfürchtig und bekam glänzende Augen. Er war schon immer ihr Vorbild gewesen. Sie rühmte seine selbstlosen Taten.
„Das ist er. Das ist er.“ hauchte Marian aus tiefstem Herzen und ein Lächeln umspielte ihre Lippen.
Es war eine Lüge im Vergleich zu ihrer geschundenen und aufgewühlten Seele.
„Was macht euch da eigentlich so sicher? Es sind Geschichten die man sich erzählt.“ gab Matt zu Bedenken, schüttelte den Kopf und stand auf.
„Wie kannst du nur so etwas sagen?“ rief Sally erbost und starrte ihn kampflustig an.
„Du vergötterst jemanden den du nicht kennst.“ Er rollte mit den Augen und betrachtete den fertiggestellten Pfeil in seiner Hand.
„Es gibt Dinge die weiß man einfach. Außerdem hat sie recht.“ flüsterte Marian und merkte wie eine Träne an ihrer Wange hinunter rollte.
„Nicht du auch noch.“ entgegnete Matt genervt und schlug sich mit der Hand vor die Stirn.
„Ich kannte ihn.“ erklärte sie mit brüchiger Stimme.
„Was? Du kennst Robin Hood?“ Sally sah sie an und sprang aufgeregt von einem Bein aufs andere, wie einem kleinen Kind den man eine besondere Ãœberraschung versprach.
„Ja.“ antwortete sie.
Und wie sie ihn kannte.
Robin…
Ihr Robin…
Der Mann der für seine glorreichen Handlungen berühmt war.
Robin…
Ihr selbstloser, ehrlicher, tapferer, guter und wunderbarer Robin…
Der Mann dem sie ihr Herz geschenkt hatte.
„Was? Woher? Erzähl mir alles.“ verlangte Sally begierig und Matt sah sie mahnend an.
Marian atmete tief ein und ergänzte dann die Lücken in ihrer Geschichte. Dieses Mal ließ sie nichts aus. Sie erzählte von Gisborne, von dem endlosen Kampf gegen die dunklen Machenschaften des Sherifs, doch vor allem von ihr und Robin. Als sie fertig war hielt sie erschöpft inne, winkelte die Knie an und platzierte ihren Kopf darauf.
Sally sah sie mit tränenunterlaufenen Augen an. „Das ist ja alles so schrecklich romantisch.“
„Schrecklich ja, aber romantisch? Ich weiß nicht.“ knurrte Matt. „Wieso gehst du nicht zu ihm?“
Marian hob traurig lächelnd den Kopf. „Weil das alles nur schwieriger machen würde.“
„Wieso?“
„Er denkt ich bin tot, vielleicht hat er eine andere Frau gefunden, die ihm glücklich macht, und dann… ja dann wäre ich vollkommen fehl am Platz. Ich würde alles nur verkomplizieren.“
„Ich denke nicht das er eine Neue hat.“ meinte er und Sally nickte bestätigend.
„Es kann sein…“
„Es kann sein, es kann sein... Aber du weißt es nicht. Nach dem was du erzählt hast, denke ich, er wäre alles andere als wütend oder traurig wenn er wüsste das du liebst.“
„Aber-…“
„Nichts aber. Was denkst du wie er reagieren wird, wenn er erfährt, dass du am Leben bist und nicht nach ihm gesucht hast? Er wird sich verraten vorkommen. Willst du ihn nicht mehr sehen?“ rief er aufgebracht und sprang auf.
„Doch. Das will ich mehr als alles andere. Ich liebte ihn, liebe ihn und werde immer nur ihn lieben. Das wird sich niemals verändern.“ brach es aus Marian heraus. Es kostete ihr unermessliche Kraft zu sprechen, zu schwer fiel es ihr an ihn zu denken.
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Robins Sicht
Leise zog ich mich in die tieferen Lagen des Sherwood Forest zurück. Much, Little John, Tuck, Kate und Allan sahen mir noch lange nach. Ich spürte ihre besorgten Blicke in meinen Rücken und es machte mich fast krank. Alle fassten mich mit Samthandschuhen an, selbst jetzt ein Jahr danach.
Sie kauften mir mein Pokerface nicht ab, das ich während der gesamte Zeit über aufsetzte. Sie durchschauten mich nur zu gut und doch verstanden sie nicht einmal einen Bruchteil von dem was in mir vorging.
Marian… Ich dachte Tag und Nacht an sie, wenn ich morgens aufstand und wenn ich abends zu Bett ging. Ãœberall verfolgte mich ihr Gesicht. Sie war stets bei mir und doch nie da.
Die anderen verstanden mich nicht, sie meinten ich sollte darüber hinweg kommen oder einen Schlussstrich ziehen. Doch wie? Ich konnte sie nicht vergessen. Sie war die Liebe meines Lebens, das ist sie immer noch und das wird sich wohl niemals ändern.
Anfangs hatte ich versucht sie zu vergessen, um unserer aller Willen, aber es ging nicht. Ich klammerte mich an jede noch so kleine, unscheinbare und nichtige Erinnerung. Wenn ich die Augen schloss, hörte ich ihr melodisches Lachen, sah in ihre wunderschönen Augen und spürte ihre Liebe.
Es ging einfach nicht, sie war ein Teil von mir geworden, ein Teil meiner Vergangenheit, ein Stück meiner Gegenwart und wahrscheinlich meine Zukunft. Alles was ich tat war nur für sie. Ich hatte ihr versprochen zu kämpfen, und daran musste ich mich Gottverdammt halten, so schwer es mir auch fiel.
Vielleicht werden wir uns in einer anderen Welt wieder treffen.
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Erzählers Sicht
„Hör mir zu. Ich suche meinen Bruder und du deinen Verlobten. Wie wäre es wenn wir zusammen arbeiten? Ich helfe dir und du hilfst mir.“ schlug Sally lächelnd vor und kniete sich neben Marian auf den Boden. Diese musste gar nicht erst lange nachdenken, sondern stimmte sofort zu.
„Einverstanden.“ sagte sie und rang sich ein Lächeln ab.
„Dann ist ja alles geklärt.“
„Weißt du wo er ist?“
„Wer?“
„Robin…“
„Leider nicht. Ich kenne nur die Geschichten um ihn, aber wir werden ihn mit Sicherheit finden.“
„Ihr stellt euch das auch alles sehr einfach vor.“ warf Matt plötzlich ein und die beiden Frauen hoben die Köpfe. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und lief unruhig auf und ab.
„Wieso?“ Sally kniff verwirrt die Augen zusammen und betrachtete ihn nachdenklich.
Er hob einen Apfel vom Boden auf und biss geräuschvoll hinein.
„Hampf Weil daff unmögliff ift.“ nuschelte er mit vollem Mund.
„Was ist unmöglich?“ fragte Marian und runzelte die Stirn. Sie fand das Verhalten des Jungen wirklich sehr fragewürdig. Er benahm sich so seltsam. Sie schüttelte diese wirren Gedanken ab. Matt dachte nur nach bevor er handelte, das war ja nicht verkehrt- im Gegenteil. Wenn sie das ab und zu mal versucht hätte, wäre einiges ganz anders verlaufen. Dann wäre sie jetzt vielleicht nicht von Robin getrennt.
Er kaute hektisch und würgte dann ein Stück Apfel hinunter. Sally schaute ihn an und versuchte sich nicht allzu sehr über seine mangelnden Essmanieren aufzuregen.
„Wie wollt ihr ihn finden?“ gab er zu Bedenken und raufte sich seine pechschwarzen Haare.
„Uns fällt schon etwas ein. Ich habe einen Plan… Zumindest einen halben Plan.“ erwiderte Marian und Sally zwinkerte ihr verschwörerisch zu. Sie schienen vom Charakter her gar nicht so unterschiedlich zu sein. Vielleicht könnten sie irgendwann Freundinnen werden.
„Da bin ich ja mal gespannt.“ meinte er trocken und kaute weiter an seinen Apfel herum.
Plötzlich wurden die drei durch ein leises Rascheln im Unterholz aufgescheucht. Sie sahen sich überrascht an und Sally griff nach Pfeil und Bogen, während Matt ein Schwert zog und Marian einen langen Dolch reichte.
Sie wichen auf leisen Sohlen ein paar Schritte nachhinten und verbargen sich hinter dem dicken Stamm einer alten Eiche.
Da war es wieder… Dieses Knacken gefolgt von einem unheilverkündendem Rascheln.
Marian sog nervös die Luft ein und genoss den frischen Wind auf ihrer Haut, der eingesetzt hatte. Wie sehr hatte sie das vermisst. Diese irdischen Dinge. Das Zwitschern der Vögel in den Bäumen, das Summen der Bienen die eifrig zwischen den Blumen umher schwirrten.
Knack. Da war eindeutig jemand. Marian umklammerte den Dolch mit beiden Händen. Sie hatte keine Angst sondern eher pure Vorfreude. Früher als Nachtwächter war sie auch immer losgezogen. Sie liebte den Nervenkitzel.
„Wenn die uns angreifen, greifen wir auch an.“ kommandierte Sally und Matt und sie nickten.
Aus heiterem Himmel schoss jemand aus dem Gebüsch hinter ihnen vor, genau auf sie zu.
Marian peilte blitzschnell herum während Sally den Bogen spannte, bereit zum Abschuss.
„MARIAN?“ Eine zitternde, ungläubige und verblüffte Stimme rief ihren Namen. Sie kannte diese Stimme. Langsam drehte sie sich um und sah in das Gesicht eines Outlwas.
„Djag?“ stotterte sie und taumelte rückwärts. Sie brauchte ein paar Sekunden um zu verstehen, und dann fiel sie ihr um den Hals. „Djag.“ sagte sie leise und voller Freude. Diese schubste Marian jedoch weg und betrachtete sie misstrauisch und prüfend. „Das ist doch unmöglich. Wieso bist du nicht tot?“ Sie klang verzweifelt. „Ich halluziniere richtig?“
„Nein. Djag. Hör mir zu. Ich bin nicht tot. Im Heiligen Land bin ich nicht gestorben.“ erklärte Marian ihr.
„Was ihr kennt euch?“ Will schaute zwischen ihnen hin und her.
„Nach was sieht es denn aus?“ feixte Sally und wand sich interessiert zu den beiden um.
„Marian. Marian. Mir fehlen die Worte.“ Tränen glitzerten in Djags Augen als sie die alte Bekannte abermals in die Arme schloss.
„Es ist so schön dich zu sehen. Wie geht es dir und Will? Hast du was von Robin gehört?“ erwiderte sie und lächelte leicht.
„Uns geht es gut. Nein wir haben ihn das letzte Mal vor sechs Monaten gesehen. Ihm ging es zu dem Zeitpunkt ziemlich schlecht, so war es bei uns allen. Dein Tod… Es war schrecklich. Aber ich verstehe immer noch nicht wie und wieso und weshalb du noch am Leben bist.“ Djag verhaspelte sich ein paar Mal beim Reden und Marian erzählte ihr alles was sie wusste. Von Notreek und ihrer Entführung.
„Gott sei gesegnet. Er hat es gut mit dir gemeint.“
„Das kann sein.“ Marian nickte. „Doch das ich noch am Leben bin verdanke ich alleine Sally und Matt.“
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Erzählers Sicht
„Djag? Mit wem redest du?“ Hinter dem Rücken der Sarazenin tauchte ein dünner und hager aussehender Mann auf.
Sie drehte sich aufgeregt zu ihm um und griff nach seinen Händen. „Will. Du wirst es nicht glauben wen ich getroffen habe.“ sagte sie und trat einen Schritt zur Seite, damit er sie sehen konnte. Als erstes fiel sein Blick jedoch auf Sally und Matt die die ganze Zeit über nur verständnislos geschwiegen habe.
„Emm… Sollte ich sie kennen?“
„Ich rede nicht von ihnen. Dreh dich doch mal um.“ herrschte sie ihn an und er tat wie ihm geheißen.
Marian musste schlucken, bevor sie ein mühsames „Hallo Will, schön dich zu sehen.“ heraus bekam.
Als er die Frau erkannte, erstarrte er mitten in einer Bewegung. Er sah sie fassungslos und schockiert an.
„Marian…“ stotterte Will ungläubig und warf einen hilfesuchenden Blick zu Djag, die ihm aufmunternd zu nickte.
„Bist du echt?“ fragte er konfus und hielt sich die Hand vor dem Kopf. Das war schlicht und ergreifend zu viel auf einmal.
„Nein. Sie ist aus Wachs und beginnt gleich zu schmelzen. Wer seid ihr überhaupt?“ meldete sich eine bissige Sally zu Wort und schaute genervt zu den beiden Fremden hinüber.
„Schon gut. Sie sind verwirrt, das wärst du auch.“ versuchte Matt seine Freundin zu beschwichtigen.
„Gut dann sage ich ab jetzt gar nichts mehr.“ meinte sie eingeschnappt und presste die Lippen aufeinander.
Marian musste sich ein Lächeln verkneifen. „Das sind Djag und Will Scarlet.“
„Ja wir sind sozusagen alte Freunde.“ ergänzte Djag und verschränkte provozierend die Arme vor der Brust.
Sally stieß scharf die Luft aus und sprang wütend auf. „Na und? Wir haben Marian das Leben gerettet.“
„Wolltest du nicht eben noch für immer schweigen?“ stichelte Matt und sie fuhr auf dem Absatz zu ihm um. „Auf wessen Seite stehst du eigentlich?“
„Es ist so schön euch wieder zu sehen.“ warf Marian ein und lächelte Djag und Will an, um den Streit zu ersticken bevor er noch weiter entfachen konnte.
„Ja das finde ich ebenfalls. Auch wenn ich immer noch nicht verstehe, was hier vor sich geht. Wieso lebst du noch? Nicht dass das schlimm ist, ich wundere mich bloß.“ Er zog die Stirn leicht in Falten und betrachtete Marian misstrauisch, so als vermute er, sie könnte sich jeden Moment in Luft auflösen.
„Das erkläre ich dir später.“ versprach sie und pustete eine widerspenstige Strähne aus ihrem Gesicht.
Er nickte und gab sich vorerst mit der Antwort zufrieden.
„Wie geht es euch?“ informierte Marian und betrachtete zum ersten Mal aufmerksam ihre beiden alten Freunde. Etwas an Djag war anders doch was? Ihre Haare waren ein Stückchen länger, doch auch das war es nicht. Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen vor die Augen.
„Djag? Du bist schwanger!“ rief sie verwundert und schaute auf die feine Wölbung ihres Bauches.
Diese schaute zunächst überrascht auf, doch dann zauberte sich ein Lächeln auf ihr Gesicht.
„Ja das bin ich.“
„Ihr werdet Eltern. Das sind großartige Neuigkeiten.“ brach es aus Marian heraus und sie nahm die Hand der jungen Frau.
„Ja. In der Tat.“ Will trat hinter sie und schlang Djag die Arme um den Körper. Sie schmiegte sich an und strahlte dabei übers ganze Gesicht.
Marian ließ sie los und wich ein wenig zurück.
„Was ist?“ fragte er verwirrt.
„Gar nichts.“ flunkerte sie und hoffte, dass man ihr nicht anmerkte wie elend ihr auf einmal zu Mute war. Sie gönnte ihnen dieses Glück vom ganzen Herzen, und doch wurde sie von einer Welle tiefer Trauer erfasst. Sie hatten es so gut. Sie hatten einander und bald eine kleine Familie. Das alles würde sie wohl nie mehr haben. Selbst wenn sie Robin irgendwann wieder sehen würde, es würde nimmer das Selber sein wie früher. Da waren sie wieder, diese schrecklichen und qualvollen Zweifel. Marian taumelte rückwärts und lehnte sich haltsuchend gegen den Stamm einer Kiefer.
Früher hatten sie und Robin einmal gesponnen, sie sprachen nicht oft von der Zukunft, doch an dem Tag wo sie in den Baum festsaßen, an dem Tage ihrer Verlobung redeten sie über später.
Sie waren sich einig gewesen, sie wollten eine kleine Familie, vielleicht ein oder zwei Kinder und sich dann irgendwo in einem kleinen Dorf niederlassen. Doch soweit würde es nie kommen. Marian hatte die Hoffnung inzwischen vollständig aufgegeben.
Sally stellte sich neben sie und legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter. Sie schaute sie sanft an, sagte jedoch nichts und trotzdem wusste sie, dass sie wusste was in ihr vorging.
„Wir werden nächste Woche heiraten.“ hauchte Djag und umklammerte die Hand ihres Zukünftigen. Marian zuckte zusammen und verkrampfte neben Sally.
„Wirst du kommen?“ fragte Will hoffnungsvoll.
Sie hob den Kopf und ließ die Worte kurz auf sich wirken.
„Bitte wir wären sehr traurig wenn du nicht anwesend wärst, jetzt wo du wieder unter den Lebenden weilst.“ sagte Djag und trat auf sie zu.
„Ich weiß nicht recht.“ erwiderte Marian zögerlich.
„Och komm schon. Tu es für uns.“ bat Will und Djag sah sie flehend an.
„Also gut.“ gab sie sich geschlagen. Wenn auch sie schon nicht glücklich sein konnte, wieso sollte sie dann ihren Freunden einen so kleinen Gefallen verwehren?
„Ãœbrigens. Wir bekommen noch mehr Gäste…“ verriet Will geheimnisvoll und Sally und Matt tauschten einen kurzen Blick.
„Wen?“ Marian sah sie ahnungslos an.
„Er wird auch kommen… Robin.“
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Erzählers Sicht
„Robin wird kommen?“ stieß Marian hervor und ihr Herz begann wild gegen ihren Brustkorb zu hämmern. Ein flaues Gefühl machte sich in ihrer Margengegend breit und ihre Knie begannen zu zittern.
Sie würde ihn wiedersehen. Ihren Robin. Wie würde er reagieren, wenn er bemerkt, dass sie am Leben ist?
Nervös nestelte sie an dem Ring, der als Anhänger an einem lederartigen Band um ihren Hals hing herum.
„Er wird sicher sehr erfreut sein festzustellen, dass es dir gut geht.“ meinte Will und lächelte sie an.
Djag beobachtete Marian aufmerksam während Sallys Kopf vor Aufregung rot anlief.
„Robin Hood?“ rief sie ungläubig und strahlte über beide Ohren.
„Ja das haben sie doch gesagt.“ antwortete Matt und verdrehte die Augen. Langsam übertrieb sie es mit ihrer Anbetung.
„Ich… ich weiß nicht was ich sagen soll.“ flüsterte Marian mit brüchiger Stimme und in ihren Augen lag ein verdächtiges Glänzen.
Djag trat neben sie und legte ihr beruhigend einen Arm um die Schulter.
„Hast du Angst?“ fragte sie und schaute sie wachsam an.
„Wieso sollte sie denn Angst haben? Dazu gibt es doch keinen Grund.“ sagte Matt kopfschüttelnd und handelte sich prompt einen bitterbösen Blick von Sally ein. Wenn Blicke töten könnten…
„Ich weiß nicht ob ich kommen kann.“ erwiderte Marian nervös.
„Du hast es versprochen.“ erinnerte Will sie und stellte sich neben Djag.
„Ich weiß.“
„Und ein Versprechen bricht man nicht.“
„Ich weiß.“
„Na also. Dann sei Gast auf unserer Hochzeit- Robin zu Liebe.“
Marian zuckte beim Klang seines Namens zusammen. „Er ist der Grund weshalb ich nicht kommen kann.“ Sie blinzelte ein paar Tränen aus ihren Augenwinkeln weg und sah entschuldigend zu ihren Freunden hinüber. Wieso war sie so feige? Wovor hatte sie Angst? Es ging um den Menschen den sie liebte, mit der sie einst ihr Leben verbringen wollte und diesen Wunsch immer noch mit sich trug. Der Mann an den sie seit einem Jahr unentwegt dachte. Robin, der ihr auch nur beim bloßen Gedanken an ihn den Kopf verdrehte. Wovor fürchtete sie sich so sehr? Das er sauer sein könnte und sie abweisen könnte? Dass er sie nicht wollte?
„Was ist wenn er gar nichts mehr von mir wissen will?“ fragte sie leise, so dass nur Sally und Djag ihre Worte hören konnten.
„Rede dir doch nicht so was ein. Natürlich liebt er dich noch. Wieso auch nicht?“
Sie zuckte mit den Schultern. Es war alles möglich. Doch eines war ihr unmöglich. Nicht auf diese Hochzeit zu gehen, und Robin zu verpassen. Selbst wenn er sie nicht mehr lieben würde, sie wollte einfach nur Gewissheit haben, dass es ihm gut erging.
Wie sehr vermisste sie doch seine Nähe, seine Wärme und seine Umarmung, in der sie immer das Gefühl hatte, ihr könnte nichts passieren. Wo war das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Es war bei Robin.
„Also gut, ich werde da sein.“ versprach Marian und hob leicht den Kopf.
„Er wird zwar da sein, aber er wird bereits morgen oder übermorgen anreisen.“ verriet Will langsam.
„WAS?“
„Willst du ihn nicht besuchen? Willst du ihn nicht sehen?“
„Doch! Mehr als alles andere.“ sagte Marian, und sie meinte es ernst. Sie hatte ihn zwar für immer verloren, doch sie wollte nur noch einmal ihren Robin sehen…
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Erzählers Sicht
Niemals, nicht einmal in hundert Jahren hätte Marian damit gerechnet, dass sie ihren Robin schon so bald wiedersehen würde. Sie konnte es einfach nicht fassen, gestern saß sie noch in einer winzigen Zelle eingesperrt und wartete auf ihre Hinrichtung und heute sah sie ihre Freunde wieder von denen sie gedacht hatte ihnen nie wieder zu begegnen. Doch in diese Freude mischte sich die altbekannte Angst. Was würde geschehen, wie würde er reagieren? Ganz sicher würde er es für ein Tugbild, eine Illusion oder Täuschung halten.
Djag und Will hatten sie für heute Nacht bei sich aufgenommen und ihr einen Schlafplatz geboten, den sie mehr als dankbar annahm, während Matt und Sally lieber in ihrem Versteck im Wald blieben.
Immerhin wusste Marian jetzt wo sie sich befand. Sie war in der Nähe des Heiligen Landes, wo die beiden sich am Rande eines kleinen Dorfes niedergelassen hatten.
Sie hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan, und das obwohl die lähmende Erschöpfung sie innerlich zerriss. Doch sie war schlicht und ergreifend zu nervös  um Schlafen zu können, weshalb es auch kein großes Wunder war, dass sie schon früh aufstand und hinaus in den friedlichen Morgen trat.
Die Sonne ging hinter den Baumwipfeln des dichtbesiedelten Waldes auf und warf die ersten schwachen Strahlen auf den von taubehangenen Erdboden.
Sie atmete tief ein und spürte wie die frische Luft jede einzelne Zelle ihres Körpers belebte.
In den Ästen einer sattgrünen Kiefer saß ein rotbraunes Eichhörnchen und beobachtete sie neugierig, während es an einer Eichel herumknabberte.
Marian musste unwillkürlich grinsen. Es sah aber auch zu komisch aus, wie das kleine Tier sie anschaute.
Wie gerne würde sie jetzt mit ihm tauschen, sich einfach verstecken können und munter in den Tag hineinleben ohne sich Gedanken über das Bevorstehende machen zu müssen.
Da war es wieder. Dieses betäubende Gefühl der Angst, dass sie schier wahnsinnig machte.
Plötzlich hörte sie von irgendwoher laute Stimmen, die wild durcheinander riefen. Sie klangen wütend, aufgebracht. Â
„Sie können sich nicht einfach in Luft aufgelöst haben! Also findet sie.“ rief eine von ihnen. Marian erschrak. Das war eindeutig Notreek und scheinbar suchte er sie. Panisch schaute sie sich um. Sie war zu weit vom Dorf entfernt und außerdem wollte sie dessen Bewohner nicht in Gefahr bringen. Doch sie hatte auch nichts dabei, womit sie sich verteidigen könnte.
„Marian.“ hörte sie jemanden leise wispern. Sie fuhr herum und ließ den Blick über die Umgebung schweifen, doch sie konnte niemanden sehen.
„Hier oben.“
Sie hob den Kopf und schaute in die Krone eines großen Baumes. Dort hockten zwischen dem dichten Grün der Blätter Matt und Sally und sahen zu ihr hinab.
Marian verstand und reagierte blitzschnell. Sie kletterte ohne große Schwierigkeiten den massiven Stamm hinauf und war binnen ein paar Sekunden bei ihnen. Sie warfen ihr einen verwunderten Blick zu.
„Das habe ich früher öfters gemacht.“ erklärte sie flüsternd und hielt nervös nach dem Sklaventreiber Ausschau.
„Kopf runter.“ sagte Matt und sie rutschte ein Stück weiter nach hinten. Alle drei hielten angespannt den Atem an und warteten darauf was als nächstes passierte.
„Das ist mir egal und wenn ihr jedes Blatt in diesen verdammten Wald umdrehen müsst, ihr geht nicht eher heim bevor sie gefunden sind.“ Notreek und sein Gefolge waren scheinbar nicht mehr weit von ihrem Versteck entfernt, denn seine wütende Stimme war nun laut und deutlich zu vernehmen.
Sally tippte Marian leise auf die Schultern, und als diese sich umdrehte, reichte sie ihr Pfeil und Bogen. „Nur für alle Fälle.“ flüsterte sie und Marian nickte. Jetzt wo sie etwas in der Hand hatte, womit sie sich in der Not verteidigen konnte, fühlte sie sich viel sicherer.
Unten tat sich etwas. Marian sah wie ein Heer von ungefähr zwei Dutzend Männern, angeführt von Notreek die Lichtung betrat. Neben ihr zischte Sally irgendetwas Unverständliches und fletschte wütend die Zähne. Sie verspürte eine tiefe Verachtung dem Glatzkopf gegenüber und musste sich sehr zusammen reisen, ihn nicht jeden Moment ins Gesicht zuspringen. Zu groß waren der Hass und die unbändige Wut. Matt sah sie warnend an. Er kannte das Temperament und die impulsiven Handlungen seiner Freundin. Sie lebte oft nach der Devise erst Handeln, dann denken.
„Hört da sind Schritte.“ ruft Notreek und bedeutet seinem Gefolge leise zu sein. Tatsächlich, aus der Ferne drangen dumpfe Stimmen an Marians Ohr.
„Vielleicht sind sie das.“ rief ein Mann und sah fragend zu seinem Anführer.
„Ja vielleicht.“ antwortete dieser und konzentrierte seinen Blick auf etwas zwischen den Bäumen.
„Zum Glück haben sie uns noch nicht bemerkt.“ flüsterte Matt erleichtert und entspannte sich ein bisschen.
„Das werden sie aber wenn du nicht die Klappe hältst.“ wisperte Sally aufgebracht und kniff wütend sie Augen zusammen. Dieser Trottel ruinierte noch alles.
„Wir verstecken uns und dann werden wir sie angreifen. Wir ziehen uns ins Gebüsch zurück.“ rief Notreek.
Marian schloss erleichtert die Augen und hoffte, sie würden sie nicht entdecken..
Robins Sicht
„Mutch jetzt halt endlich die Klappe.“ fauchte Little John genervt und stieß einen Ast zur Seite.
„Nein. Ich meine wieso. Ich meine es könnte doch immerhin sein. Und dann… Dann werden wir uns alle nie mehr sehen.“ antwortete er und ließ den Kopf hängen.
„Much. Wir werden solange Freunde bleiben, bis einer von uns nicht mehr existiert.“ versuchte ich meinen besten Freund gut zu zu reden.
„W-wirklich?“ stotterte er. Ach Mutch, er würde sich wohl nie ändern.
„Freut ihr euch auf die Hochzeit?“ startete er ein Ablenkmanöver und Little John zuckte mit den Schultern.
„Aber sicher. Ich hoffe Djag hat etwas Gutes gekocht.“ scherzte Allan, wobei man sich da bei ihm nie so sicher sein konnte.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel als wir eine große Lichtung betraten.
„Wie weit noch?“ jammerte Mutch und sah sich um.
„Wir müssten bald da sein. Da vor-..“ weiter kam ich nicht denn auf einmal sprangen dutzende Männer aus dem Gebüsch hervor und liefen unter lautem Gebrülle auf uns zu.
Erzählers Sicht
Marians Kopf schnellte in die Höhe und ihr Herz begann unaufhaltsam gegen ihren Brustkorb zu hämmern. Diese Stimmen… Sie kannte sie.
„Was sind denn das für Typen?“ flüsterte Matt und schaute auf die schäbig bekleideten Gestalten.
Sally bedeutete ihm leise zu sein, denn sie verspürte nicht den Wunsch noch von Notreek erwischt zu werden. Sein Heer war deutlich in der Überzahl, bei den Wanderern handelte es sich nur um vier Personen.
Ein kräftiger und großgebauter Mann funkelte die Gegner böse an. Dann war da noch ein etwas lustig aussehender Gesell, der sich hinter den Rücken eines Dritten. Ganz vorne stand ein, wie Sally zugeben musste, hübscher Mann der sich schützend vor die anderen drei stellte.
„Was macht ihr hier?“ fragte Notreek und musterte sie geringschätzig.
„Wir sind auf der Durchreise, auch wenn dich das nicht interessieren muss.“ erwiderte der Anführer kühl und sah ihn wachsam an.
Das alles spielte sich binnen ein paar Sekunden ab. Marian war wie gelähmt und vollkommen bewegungsunfähig.  Sie starrte einfach nur nach unten. Da stand er… Robin… Das war doch nicht möglich. Fast wäre sie vor zitternder Aufregung vom Baum gefallen, wenn Matt sie nicht am Arm gepackt hätte. Er sah sie fragend an, doch sie ignorierte ihn.
„Nicht so vorlaut, Freundchen.“ rief Notreek und Robin schaute ihn hämisch grinsend an.
„Ich bin gewiss nicht dein Freund.“
„Master…“ flüsterte Mutch heißer und zupfte ihm an Ärmel.
„Nicht jetzt Mutch. Lasst ihr uns bitte durch?“ fragte Robin und betrachtete das Heer.
„Nein. Ihr seid hier auf meinem Land. Männer? Tötet sie.“  kommandierte Notreek und wand sich desinteressiert ab.
Ungefähr zwanzig hämisch grinsende Männer zogen ihre Schwerter und rannten auf die Outlawas zu. Robin zog Pfeil und Bogen hervor und richtete ihn auf Notreek.
„Das würde ich an deiner Stelle nicht tun.“ antwortete dieser und kam bedrohlich auf ihn zu.
Marian verkrampfte in ihrem Versteck und betrachtete bewegungsunfähig vor Schreck die brenzlige Situation. Notreeks Gefolge hatte sie anderen Outlwas schnell unter Kontrolle gebracht, denn sie hielten ihnen jeweils ein Schwert an die Kehle.
Marian zischte wütend etwas und Sally sah sie an. „Was ist?“
„Wir müssen etwas machen.“
„Es sind zu viele.“
„Es ist Robin.“ erklärte sie mit zitternder Stimme.
„Was?“
„Lass deine Waffe fallen.“ säuselte Notreek und schwänzelte um ihn herum, während sich ein Kreis von ungefähr zehn Männer mit erhobenen Schwertern einen immer enger werdenden Kreis um Robin bildeten. Er schnalzte verächtlich die Zunge, tat jedoch was mit ihm sagte.
Notreek ging nahe zu ihm heran und schaute ihn hinterhältig lachend an. Er würde sich gut mit dem Sheriff von Nottingham verstehen, schoss es Robin durch den Kopf.
„Sag deine letzten Worte.“ Der Sklavenhändler war ihm inzwischen so nahe, dass sich fast ihre Nasenspitzen berührten. Robin nahm den verfaulten Atem seines Gegenübers angewidert wahr und rümpfte sie Nase.
Auf einmal geschah alles ganz schnell. Marian die bis jetzt still verharrt hatte, richtete sich pfeilschnell auf und machte sich gar nicht erst die Mühe, den in ihr auf qualmenden Zorn zu mindern.
„Was hast du vor?“ wisperte Matt alarmiert und hielt sie am Arm fest. Sie riss sich unsanft los, schnappte sich Pfeil und Bogen, den sie hinter sich verstaut hatte und richtete ihn auf Notreek. Sie hatte lange genug zugesehen. Sie würde nicht zulassen, dass er Robin tötete. Nicht ihren Robin.
Der Sklavenhändler drückte Robin das Schwert an die Kehle, so dass dieser keine Luft mehr bekam. Er sah sich fieberhaft um, sah jedoch zu seinem Verdruss keinen Ausweg. Plötzlich zerriss eine laute Stimme die Stille. „Marian. Nein!“ rief Sally, doch diese zögerte keine weitere Sekunde. Sie richtete den Pfeil wieder auf Notreek und visierte ihn an.
Robin hob veriwrrt den Kopf. Marian?
Plötzlich schoss ein Pfeil harrscharf an seinem Kopf vorbei und traf Notreek mitten ins Herz.
Die Wachmänner ließen ihn erschrocken los und verschwanden wie Feiglinge im Wald.
Robin drehte sich überrascht in die Richtung aus dem der Pfeil kam. Er sah hinauf in die Krone eines Baumes.
Dann streiften sich ihre Blicke. Marian sah ihn ihrerseits mit offenem Mund an, während Robin sie ungläubig anstarrte. „Marian…“ flüsterte er mit stickiger Stimme und dann senkte sich die Nacht über ihn.
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Erzählers Sicht
Robin lag bewusstlos auf dem Waldboden und war leichenblass im Gesicht. Sein Atem ging stockend und sein Brustkorb hob und senkte sich unregelmäßig. Aber immerhin bekam er noch Luft. So weit so gut. Er lebte allen Anschein nach noch.
Nach dem sich die Restlichen von Notreeks Leuten in die Tiefen des Waldes zurückgezogen hatten, kletterten Sally und Matt, dicht gefolgt von Marian den Baum herunter.
Die Outlaws starrten fassungslos zu der jungen Frau hinüber, die der Toten so sehr ähnelte.
„i-i-ich träume oder? Kneif mich einer mal? I-i-i-ich sehr gerade Gespenster… u-u-und eine von ihnen sieht aus wie… wie… w-wie…“ stotterte Mutch und rieb sich die Augen.
„Wie Marian.“ vollendete Little John verwundert den Satz. Allan kniete sich besorgt neben Robin, während er Marian die wie erstarrt an den Baumstamm klebte musterte.
„Ist das ein Scherz? Wenn ist er NICHT komisch.“ stieß er ärgerlich zwischen den Zähnen hervor.
Marian schaute wie hypnotisiert auf den ohnmächtigen Robin und als Sally sie sanft in die Seite stupste, löste sie sich allmählich aus ihrer Erstarrung und ging wie unter Trance auf die sie anstarrenden Outlwas zu.
„Komm keinen Schritt näher.“ rief Mutch und hob das Schwert, dass Notreek fallen gelassen hat auf.
„Mutch. Ich bin es.“ sagte Marian mit bebender Stimme, blieb jedoch stehen.
„Du lügst. Marian ist gestorben. Im Heiligen Land. Wir waren alle dabei.“ erwiderte Allan und starrte feindselig zu der Gestalt, die er für ein Trugbild hielt.
Marian schüttelte den Kopf. „Das dachte ich zunächst auch, aber scheinbar war das Glück auf meiner Seite, denn wie durch ein Wunder bin ich noch am Leben. Aber das verdanke ich größtenteils meinen beiden Rettern. Sally und Matt haben mich in der letzten Sekunde befreit, sie haben meine Hinrichtung verhindert.“ erklärte sie und musste ein paar Tränen unterdrücken.
„Das muss nichts heißen. Das ist bestimmt nur ein Trick.“ meinte Allan und verschränkte die Arme. Marian seufzte aber sie konnte es ihm nicht verübeln, dass er dachte sie wäre nicht real.
„Ja du bist nicht Marian.“ stimmte Mutch ihm zu und zog dabei eine merkwürdig aussehende Grimasse.
„Bitte. Ihr müsst mir glauben.“ flehte sie leise und schaute an ihnen vorbei zu Robin und ihr Blick wechselte sofort von ausdruckslos und ängstlich zu liebevoll und besorgt. Robin… Ihr Robin. Nur wenige Meter trennte sie von ihm und doch war er so weit von ihr entfernt.
„Jetzt macht aber mal einen Punkt. Natürlich ist sie echt. Wie oft soll ich das heute noch sagen?“ Sally die bis jetzt ungewöhnlich ruhig und schweigsam gewesen war, hatte nun ihr voreiliges Mundwerk wieder.
Matt verdrehte die Augen, sie war wirklich sehr kratzbürstig und momentan ständig auf Krawall aus.
Mutch ließ langsam das Schwert sinken und ging einen Schritt auf Marian zu und schaute ihr wachsam in die Augen. „Leute? I-i-ich g-glaube das Feuermädchen mit den merkwürdigen Haaren hat Recht. M-Marian? D-d-d-du b-bist es wirklich.“ stotterte er überwältig und es schimmerte verdächtig um seine geweiteten Pupillen herum.
„Ja.“ antwortete sie langsam, froh darüber, dass ihr jemand Glauben schenkte.
„Marian.“ rief er und fiel ihr in die Arme und schnäuzte sich geräuschvoll die Nase. Sie tätschelte ihm unbeholfen den Rücken und er ließ sie los.
„Das sind wirklich großartige Neuigkeiten.“ meinte Allan und Little John nickte wie wilde zur Bestätigung.
„Ihr müsst die berühmten Outlwas sein.“ stellte Sally fest und betrachtete sie fasziniert. „Ich habe schon viel von euch gehört.“
Matt verdrehte die Augen. „Oh bitte.“
„Ja wir sind in der Tat sehr berühmt.“ sagte Allan geschmeichelt. Er fand offenbar gefallen an dem Mädchen. Sie lief purpurfarben an und begann eine Unterhaltung mit Mutch und Allan, während Matt sich interessiert den Schwertern am Boden zuwendete, die die Männer haben liegen gelassen haben, als sie getürmt waren.
Little John beobachtete Marian und sah die grummelnd an. „Wie geht es Euch?“ fragte er freundlich.
Sie schüttelte den Kopf. In ihr herrschte ein heilloses Durcheinander.
„Die Frage ist wohl eher wie es Robin geht.“ sie betrachtete ihn besorgt, traute sich jedoch nicht näher zu gehen.
„Er hat dich vermisst. Es verging nicht ein Tag, wo er nicht von dir geredet hat.“ sagte Little John leise und sah Marian geradewegs in die Augen. Ihr Herz machte einen freudigen Hüpfer.
„Ich gehe… zu den… anderen.“ fügte er noch hinzu und lief zu der kleinen Gruppe.
Als Robin langsam wieder zu Bewusstsein kam, konnte er sich zunächst an gar nichts entsinnen. Ein paar verschwommene Bilder tauchten vor seinem inneren Auge auf und doch waren sie so vernebelt und verzerrt, dass er nichts erkennen konnte.
Er wusste nicht was geschehen war und hielt die Augen immer noch geschlossen. Er glaubte geträumt zu haben. Einen schönen Traum. Doch so sehr Robin sich auch anstrengte, er kam einfach nicht darauf was es war.
Die Dunkelheit umgab ihn und vermittelte ihm ein Gefühl von Schwerelosigkeit. Es fühlte sie an, als könne er fliegen.
Plötzlich spürte er wie jemand ihm etwas Kaltes, Feuchtes auf den Kopf legte. Es war angenehm kühl und linderte die Schmerzen, die er in der kompletten rechten Seite seiner Stirn verspürte. Langsam schlug er die Augen auf und sah in das Gesicht von einer ihm nur zu vertrauten Person.
„Marian.“ hauchte Robin. Er musste tot sein und sich im Himmel befinden. Aber wenn so das Ende aussah, nahm er es gerne in Kauf.
„Robin.“ flüsterte sie und sah ihn mit glänzenden Augen an. Er wollte sie nicht weinen sehen. Vorsichtig hob er mit einer zitternden Hand ihr Kinn an, so dass er sie direkt ansehen konnte. Er lächelte. Es war das Bild eines Engels.
„Sei nicht traurig.“ sagte er leise und lächelte. Robin hätte nie gedacht, dass Sterben so einfach ist.
„Es tut mir leid.“ erwiderte sie mit bebender Stimme und drehte den Kopf weg. Wieso war er so nett zu ihr?
„Schau mich an.“ bat er und sie tat ihm diesen Gefallen. Sie versank in seinen sanften Augen, die sie liebevoll und ohne jede Spur von Hass oder Wut ansahen.
„Kommst du um mich zu holen?“ fragte er und streifte mit seinen Daumen über ihre Wange. Ihre Haut brannte da wo er sie berührt hatte.
„Was redest du?“ erwiderte sie verwirrt und drehte den Stofffetzen um, den sie in der Hand hielt und legte ihm die kalte Seite auf die Stirn.
„Ich bin doch tot.“ erklärte er fest überzeugt.
Sie hielt kurz inne und sah ihn an. „Tot? Nein. Robin. Du lebst.“
Er runzelte verwirrt die Stirn und langsam begann ihn zu dämmern.
„Aber… Das bedeutet ja… Nein ich muss tot sein. Eine andere Möglichkeit gibt es gar nicht.“ sagte er und griff nach ihrer zitternden Hand.
„Aber das nehme ich gerne in Kauf um bei dir zu sein.“ fügte er lächelnd hinzu.
Sie schaute zu ihm hinab und musste sich trotz der Tränen, die ihr die Sicht verschleierten ebenfalls grinsen, doch sofort wurde sie wieder ernst.
„Du bist wirklich nicht tot. Robin. Du musst mir glauben.“ bat Marian. Er hielt sie nicht für ein Trugbild, sondern sich selber für verstorben.“
Er sah sie verständnislos an. „Was redest du, Liebste?“ Â
„Robin. Im Heiligen Land, da bin ich nicht gestorben sondern wahrscheinlich nur in eine Art Koma gefallen. Denn als ich aufwachte befand ich mich in einer Zelle. Man hat mich entführt. Aber wie du siehst lebe ich noch. Und du tust es auch.“ erklärte sie, verzweifelt bemüht nicht in einem Tränen Meer zu ertrinken. Langsam schien er zu begreifen. Sein Gesichtsausdruck wechselte von erstaunt zu ungläubig, von ungläubig zu geschockt, von geschockt zu erfreut und von erfreut wieder zu erstaunt.
Er musterte sie und erwachte langsam aus diesem Dämmerzustand. Robin wollte sie aufrecht hin setzten, wurde von Marian aber sanft zurück auf den Boden gedrückt. „Du musst liegen bleiben. Du hast eine leichte Gehirnerschütterung.“ meinte sie und wand abermals den Blick ab. Sie wusste nicht was sie als nächstes tun oder sagen sollte. Es gab so vieles und doch wollte sie diesen Moment nicht mit nutzlosem Geplauder füllen.
„Das spielt doch jetzt gar keine Rolle.“ erwiderte er und schüttelte den Kopf. Marian hob den Kopf und heftete ihren Blick auf etwas in der Ferne.
„Ich bin also nicht tot?“ fragte er unsicher.
„Nein.“
„Und du auch nicht?“
„Nein. Ich auch nicht.“ Ihre Stimme klang müde und sie sah erschöpft aus. Marian hatte wieder dieses schreckliche Gefühl von Angst.
Er erhob sich- und dieses Mal konnte sie es nicht verhindern- so dass sie auf einer Augenhöhe waren.
Robin schaute Marian von der Seite an. Tausende Emotionen, Fragen und Gefühle zuckten durch ihn hindurch. Doch das erhabene Gefühl von Glück, Freude und Frohsinn gewann die Überhand.
Sie hatte ihm den Rücken zu gekehrt und er legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sie zuckte zusammen.
„Marian…“ flüsterte er. Wieso benahm sie sich so komisch.
„Ja?“ Sie drehte sich langsam zu ihm um.
„Was hast du? Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Ich… mir fehlen die Worte. Ich habe gedacht du wärst tot und ich würde dich nie wieder sehen und nun sitzt du hier quicklebendig vor mir und ich weiß einfach nicht… Ich…ich bin einfach nur glücklich. Ich… Es tut mir leid, hätte ich gewusst dass du noch am Leben bist, ich hätte viel eher nach dir gesucht. Ich…“ weiterkam er nicht, denn Marian legte ihm einen Finger auf die Lippen und bedeutete ihn leise zu sein.
„Hör auf. Hör auf. Robin. Du kannst nichts dafür. Niemand kann etwas dafür. Aber am allerwenigsten du.“
„Doch ich hätte dich besser beschützen müssen.“ argumentierte er aber Marian schüttelte protestierend den Kopf.
„Du kannst dir nicht immer die Schuld für alles geben. Du bist ein wunderbarer, wunderbarer Mensch. Vergiss das nie.“ sagte sie und er drückte sanft ihre Hand.
„Und du eine wunderbare Frau. Meine Frau.“ flüsterte er leise.
Sie musste lächeln. Hatte sie schon gesagt wie charmant er war? Doch augenblicklich glätteten ich ihre Gesichtszüge wieder.
„Was ist?“ wollte Robin verwirrt wissen und sah sie besorgt an.
„Du solltest mich eigentlich hassen.“ brach es aus ihr heraus.
„Dich hassen? Wie könnte ich dich jemals hassen?“ fragte er erstaunt so als sei das ein Ding der Unmöglichkeit.
„Ich habe dich alleine gelassen.“
„Wie war das noch mit dem ´Du darfst dir nicht an allem die Schuld geben!´ Hm?“
Sie schüttelte wild den Kopf. „Robin. Ich meine es ernst.“
„Ich auch.“
„Dann sei bitte ehrlich. Nimm keine Rücksicht auf meine Gefühle. Ich habe alles kaputt gemacht oder? Nein es ist so. Ich wünsche mir nur, dass du glücklich sein kannst. Irgendwann. Auch wenn ich nicht die Frau sein sollte mit der du es sein wirst.“ Ihre Stimme brach weg und sie versuchte krampfhaft ein paar lästige Tränen zu unterdrücken.
„Marian…“ Er sah sie verständnislos an. „Wie sollte ich mit einer anderen frau glücklich sein, als mit dir?“
Sie hob den Kopf. „I-ich weiß nicht.“ Sie schluchzte