Marry me...
Manchmal ist es die falsche Zeit...und manchmal braucht Liebe die Freiheit...
©Text und cocer roxanneworks
©Bild Pastellkreide roxanneworks
Es war einer dieser Arbeitstage, an denen man sich wünschte, er möge auf der Stelle enden. Nach dem dritten Meeting, dem enervierenden Gerede ohne Ansatz von Ergebnissen, gepaart mit dem darsteller-ischen Zwang einiger Profilneurotiker, hatte ich die Nase voll und fragte mich - nicht zum ersten Mal - warum ich mir das antat. Dieses unfruchtbare Zeitverschwenden brachte mich regelmäßig auf die Palme und etwas in mir fieberte schon jetzt einem wortlos stillen Abend auf der Couch entgegen. Nicht reden, nur ein Glas Wein, ein Buch und ich...
Es klingelte. Wer zum Teufel mochte das sein? Nein, ich wollte niemanden sehen und versuchte auch das zweite Ding Dong der
Hausglocke zu ignorieren. Es musste wohl etwas Dringendes sein, denn nun schien der Finger des Störenfrieds auf dem Klingelknopf zu kleben. Also rappelte ich mich langsam auf und schlurfte missmutig einem für mich überflüssigen, gleichwohl unvermeidlichen Gespräch entgegen, zur Tür.
" Hallo, mein Schatz...! Überraschung!" rief mein Freund freudestrahlend, packte meinen überrumpelten Körper und wirbelte mit ihm einmal um sich selbst.
" Hi....," stammelte ich immer noch erstaunt.
" Was machst du denn schon hier? Ich dachte, du kommst erst morgen!"
" Ich hatte gar keine Lust mehr zu bleiben. Irgendwie überkam mich das Bedürfnis, dich
zu sehen...", grinste breit und küsste mich übermütig.
" Für den Anfang gar nicht schlecht! Den Kuss meine ich, aber gab es in ganz London kein Telefon?"
" Ach, komm Schatz...ich wollte dich doch überraschen! Ich hatte wirklich schreckliche Sehnsucht nach dir, ehrlich."
Mich immer noch im Arm haltend, schaute ich in seine strahlenden Augen und hatte intuitiv das Gefühl, an diesem Abend noch einige Überraschungen zu erleben...
Er wollte unbedingt einen Espresso und wir schlenderten Arm in Arm in die Küche.
" Ich habe dir auch etwas mitgebracht!" flüsterte er dicht an meinem Ohr und fingerte
eine zerdrückte Kuchentüte aus seiner Jackentasche.
" Du hast mir Kuchen mitgebracht?" fragte ich überrascht und schaute etwas fragend auf das Papierobjekt in seiner Hand.
" Ja, Nuß-Dounuts, meine Süße! Für die Dinger tötest du doch, oder?" lachte er und reichte sie mir.
" Oh, wie toll!" rief ich und hing auch schon an seinem Hals, um mich gebührend für die liebe Geste zu bedanken. Nach ausgeprägter Danksagung meinerseits schlürfte er genüßlich den Espresso und ich fummelte in der Tüte nach einem Leckerchen.
" Sei vorsichtig, wenn du die klebrigen Dinger rausholst. Ich habe da noch etwas Kleines
versteckt".
Er tat so geheimnisvoll. Was war wohl noch darin versteckt? Ich schaute in die Tüte, sah aber nichts. Kurz entschlossen riß ich sie einfach auf und schon lachten mich zwei völlig angedötschte Schokoladenringe an, die mein ganzes Mitleid hatten und sofort zum Verzehr freigegeben wurden.
" Komm Schatz, nicht jetzt naschen....! Schau nach dem kleinen Geschenk, OK!"
Auf Anhieb fand ich nichts, also nahm ich den ersten Dounut in die Hand und schaute mir die Unterseite an. Was war das denn? An der dicken Schokolade klebte ein kleiner Ring. Ich hob ihn mit spitzen Fingern ganz vorsichtig vom Gebäck ab und schaute mir das Schmuckstück genauer an.
Es war ein sehr dünner Reif aus Platin, mit
einem länglich geschliffenen weißen Stein, der mich in allen Spektralfarben anfunkelte.
" Was zur Hölle ist das?" funkelte ich (dem Ring durchaus ebenbürtig) ihn wütend an.
" Ich denke, das nennt man Ring", meinte er trocken.
" Hör auf damit! Du weißt genau, was ich meine."
" Ich habe ihn gesehen und etwas sagte mir, dass er an deine Hand gehört!"
Ich starrte ihn fassungslos an. In mir brodelte es...Er wußte verdammt genau, dass ich nicht mehr auf solche Dinge stand.
" Heirate mich...!"
" Was? Ich glaube nicht, dass du das wirklich gesagt hast. Du weißt genau, was ich dir zu
dem Thema gesagt habe. Aber ich sage es gerne noch einmal. Ich bin keine Frau zum Heiraten!"
Ich brauchte dringend einen großen Schluck Wein und ließ ihn in der Küche sitzen. Was dachte sich der Mann nur dabei? Nach all den nächtelangen Gesprächen tauchte er jetzt mit einem Ring? Unfassbar!
" Heirate mich....bitte".
Er lehnte im Türrahmen und schaute mich ernst an.
" Nein!"
" Warum nicht, verdammt? Was muss ich denn noch tun, damit du ja sagst?"
" Ich werde dir mal etwas über Heiratsanträge im allgemeinen und im besonderen erzählen. Erstens: Mann sollte keinen Ring kaufen, nur
weil 'Etwas' ihm das gesagt hat...Zweitens: verpacke niemals einen Ring mit zerdrückten Dounuts und drittens: sage niemals einer völlig heiratsunwilligen Frau... 'Heirate mich!' Verdammt, was denkst du dir nur dabei?"
" Ich habe mir viel und gar nichts gedacht, Schatz! Ich kenne deine Meinung und trotzdem hatte ich dieses Gefühl, als ich den Ring sah. Weißt du, ich sehe das so: Es ist wie mit einem kostbaren alten Gemälde. Ein Rahmen macht es nicht wertvoller, aber vollständiger. Eine Ehe sehe ich ähnlich. Sie ist für mich der Rahmen für unsere kostbare Beziehung. Ist das denn so falsch?"
" Oh nein, daran ist gar nichts falsch. Es ist ein wundervoller Gedanke, Schatz. Aber nach allem, ist es für mich nicht mehr wichtig.
Du weißt, dass ich zutiefst davon überzeugt bin, dass Liebe keine Verträge braucht..."
Er schaute mir sehr lange in die Augen, nahm dann meine linke Hand und steckte mir den Ring an den Finger.
" Ich weiß, Liebes...Dann trage ihn für mich und zu deinen Bedingungen: Vom Anfang aller Liebe, bis zum Ende aller Liebe...., richtig? !" flüsterte er dicht an meinem Mund....
©roxanneworks 2012 / 09