Der Junge mit den Wolfsaugen
Das Piepsen des Weckers riss mich aus meinen Träumen.
Ich stöhnte genervt und drehte mich auf die Seite, als auch der zweite Wecker neben meinem Bett anfing loszuschrillen.
Ich hob den Kopf schließlich leicht um auf den Wecker zu schauen. Dabei erschrak ich. Ich hatte allen ernstes schon wieder verpennt!
Hastig wollte ich aufstehen, verhedderte mich dabei aber in meiner Decke und landete ziemlich unsanft auf dem Boden. Als ich mich endlich und nach einer gefühlten Ewigkeit aus der Decke befreit hatte, zog ich mich eilig an, kramte meine Schulsachen zusammen und sprintete an meiner Mum vorbei, ein kurzes: „Ciao“ rufend.
Natürlich war die S-Bahn schon weg und ich musste zur Schule laufen.
Kurz vor dem Klingeln kam ich schließlich klitschnass, da ich von einem Regenschauer überrascht worden war und natürlich keinen Schirm mitgenommen hatte, im Klassenraum an.
Der Lehrer war bereits da, neben ihm ein neuer Schüler.
Ich stutzte kurz. Ein Neuer mitten im Schuljahr?! Naja, vielleicht war er ja grade hergezogen.
Der Neue unterhielt sich grade noch mit dem Lehrer und stand mit dem Rücken zur Klasse, aber auch schon so zog er mich in seinen Bann. Schließlich drehte er sich zur Klasse um
Er war etwa 1½ Köpfe größer als der größte Junge aus meiner Klasse. Aber das war nicht das seltsamste.
Obwohl es mitten im Winter war, trug der Typ das Jackett der Schuluniform nicht und auch die Ärmel seines Hemdes hatte er bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt. Dazu kam, dass er jeweils oben und unten zwei Knöpfe am Hemd offen gelassen hatte und auch anstatt der Krawatte eine Kette, an der zwei abgerundete Metallplättchen hingen, die mich an Erkennungsmarken eines Soldaten erinnerten, trug.
„Meine Lieben, bitte heißt euren neuen Mitschüler Kurai Akuma-kun herzlich willkommen. Seine Eltern sind vor wenigen Wochen aus Übersee wieder hergezogen also helft Akuma-Kun, sich wieder schnell hier einzuleben!“, meinte der Lehrer.
Da erst hob der Neue den Kopf und gab so den Blick auf seine makellosen, edlen Gesichtszüge frei. Noch mehr als seine Gesichtszüge zogen mich seine Augen in ihren Bann. Seine Augen hatten Ähnlichkeit mit Wolfsaugen. Das dunkle Blau, welches hier und da leicht ins Violett abfiel, wirkte wie die glatte Oberfläche eines Sees, welcher alle Eindrücke seiner Umgebung einfach absorbierte. Gleichzeitig war da eine feurige Tiefe. Ich war wirklich verzaubert.
„So, Akuma-Kun. Du kannst dich neben Kamiya-Kun setzen.“, meinte der Lehrer und schaute zum Jungen mit den Wolfsaugen hoch.
Ich starrte den Lehrer erschrocken an: „Neben mich?!“
„Ja, warum nicht? Neben dir ist der einzige freie Platz.“, in der Stimme des Lehrers schwang ein Ton, der keinen Widerspruch zuließ.
Ich schluckte nur, als sich der Neue neben mich setzte und seine Sachen auspackte.
Während der Lehrer begann, eine Matheformel zu erklären, schielte ich immer wieder zu Akuma-Kun hinüber.
Aus der Nähe betrachtet sah er sogar noch besser aus..
„Gibt's nen Grund dafür, dass du mich so anstarrst?!“, riss er mich schließlich aus meinen Gedanken und starrte mich unverwandt an.
Ich konnte den Blick nicht abwenden, wurde sogleich rot: „Ich habe dich nicht angestarrt...“
„Ah ja. Ich weiß ja nicht, was es hier heißt, jemanden mit seinen Blicken zu bedrängen, aber da wo ich herkomme heißt das Starren.“
„Nein, ich habe nicht...!“, setzte ich an, doch ich wurde unterbrochen
„Kamiya-Kun! Verlege deinen Flirt mit Akuma-Kun bitte auf die Pause! Ich versuche hier zu Unterrichten!“, zischte der Lehrer und die gesamte Klasse lachte.
Mit hochrotem Kopf wandte ich mich wieder meinem Heft zu und traute mich den ganzen restlichen Tag nicht mehr, Akuma-kun anzusehen