Rafail Coel, Veteran und ehemaliger Anführer einer Spezialeinheit dachte dem Krieg entronnen zu sein. Er hatte sich geirrt. Nach 10 Jahren holt ihn die Vergangenheit ein und droht zu seiner Zukunft zu werden. Um das zu verhindern bekommt er eine zweite Chance und ist bereit alles zu tun. Copyright by Eagle Writer Bildquelle Star burst red and yellow fire / Fotolia.com
,, Also, was wollen wir hier ?“ , fragte Coel.
,, Ich muss es einfach selbst sehen. Seit dem Krieg war kein Artheraner mehr hier. Ihr aber wart ein Schlüssel.“
Natürlich. Mit seiner Autorisierung, auch wenn er diese beinahe nicht bekommen hätte, war es möglich ohne größeren Aufwand auf Artherium zu landen.
,, Was sehen ?“ , wollte er wissen.
,, Ob wirklich alles weg ist. Das mag für sie seltsam klingen, aber ich habe diese Welt immer al ein Paradies in Erinnerung behalten. Selbst als der Krieg schon eine Weile tobte, gab es immer noch eine
gewisse Schönheit. Unsere Ecke des Universums. Und nun ist alles, was davon bleibt Asche.“
Coel nickte. Ja er konnte es verstehen. Eine ganze Rasse die versuchte einen Neuanfang zu machen, ohne mit dem alten abschließen zu können. Und vielleicht würde er auch selbst einen Schlussstrich ziehen können, überlegte er.
,, Also gut, gehen wir.“ Er streckte eine Hand nach der Steuerung der Luke aus, die sich mit einem leisen Zischen öffnete. Luft von draußen strömte herein, als sich der Druck anglich. Das Atmen fiel schwer, war aber möglich.
Nachdem die Energie der Novawaffe den
Planeten getroffen hatte, hatte sich ein Großteil von dessen Atmosphäre verflüchtigt. Doch auch dafür hatte man eine Lösung gefunden.
Coel trat nach draußen auf das Staubbedeckte Plateau. Hier und da war der rötliche Sand mit gelblichen Sprenkeln durchsetzt. Schwefelbakterien und Cyanoalgen . Diese waren jedoch nicht, wie man annehmen könnte, Überbleibsel der ursprünglichen Fauna von Artherium. Sie waren gezielt auf dem Planeten ausgesetzt worden. Das was vor Zehn Jahren von der Atmosphäre des Planeten geblieben war, war größtenteils ein giftiger Mix aus Schwefeldioxid, das sich beim Einatmen
in der Lunge zu Säure wandelte, und Stickstoffverbindungen.
Mit der Zeit jedoch hatten die ausgebrachten Bakterienstämme die Atmosphäre in etwas verwandelt, das zumindest wieder Atembar war, auch wenn jeder Atemzug brannte und man aufgrund des geringen Drucks ständig das Gefühl hatte, grade einen Kilometer gerannt zu sein.
Coel trat an den Rand des Abgrunds, der sich vor ihnen auftat und spähte hinab. Zwanzig Kilometer tief. Ein langer Fall. Ein Schauer überlief ihn, als ihm klar wurde, das Aine noch hinter ihm stand. Wenn sie ihn loswerden wollte… würde ein Schubs reichen. Es war dumm
gewesen ohne Nachzudenken an den Abgrund zu treten…
Er meinte spüren zu können, wie sich eine Hand nach ihm ausstreckte. Wartete nur noch auf den tödlichen Stoß.
Nichts geschah.
Nach einer Weile, vermutlich waren es nur Sekunden, auch wenn es ihm wie eine Ewigkeit vorkam, brachte er endlich genug Mut zusammen sich umzudrehen.
Aine stand einige Meter von ihm entfernt ebenfalls am Rand der Klippe. Warum lebte er noch? Ihm war klar dass die Artheranerin keine Chance auslassen würde ihn auszuschalten. Oder etwa doch ?
Er trat rasch einige Schritte zurück. ,,
Fallen sie ja nicht runter.“ , rief er immer noch nicht ganz befreit von der Schreckensvorstellung die Klippe hinab zu stürzen. Ein Fall so lang, dass man sich überlegen konnte, was wohl auf dem eigenen Grabstein stehen würde.
,, Sie waren während des Krieges auf Artherium.“ , Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
,, Ja.“ , erwiderte er. ,, Wieso ?“
,, Weil ich mich nicht erinnern kann, wie es hier aussah.“
Coel war verwirrt. ,, Sie haben ein fast eidetisch Gedächtnis und wollen mir erzählen, sie hätten vergessen wie es auf ihrem Heimatplaneten aussah ?“
,, Auch ich bin nicht immun gegen
Selbstsuggestion. Wie man sich erinnert, wird immer auch durch die eigenen Erwartungen beeinflusst. Aber… ich muss wissen, wie es hier wirklich war. „
Bilder, die seinen Verstand trafen. In der Dämmerung leuchtende Wälder. Dazwischen das funkeln von Lichtern. Häuser, kleinere Siedlungen. Ihm unbekannte Sterne am Himmel. Die Bilder verloschen.
,, Sah es so aus ? Oder suche ich mir nur das aus meinen Verstand, was mir grade passt? Ich weiß es nicht.“ Coel versuchte nachzuvollziehen, warum ihr das so wichtig zu sein schien. Erinnerung war suggestiv. Punkt.
Aber wenn man ein perfektes
Gedächtnis besaß, dann wurde es plötzlich wichtig sich an alles so erinnern zu können wie es war… oder das eigene Leben wurde zu einem Trugbild, einem Schemen, dem man nicht trauen konnte.
Aber eine viel wichtigere Erkenntnis begleitete seine Überlegungen.
,, Sie können es kontrollieren. Sie können kontrollieren welche Gedanken sie weitergeben.“
,, Nicht völlig.“ Sie schüttelte den Kopf. Eine seltsam menschliche Geste. ,, Sah es so aus ? Oder ist diese Welt nur ein Trugbild ?“ Ihre Stimme klang leicht verzweifelt… aber gleichzeitig auch mit einer unverhüllten Wut.
Er sah einen Moment zu Boden, weil er die Antwort nicht kannte. Nicht kennen konnte. Was erwartete sie? Seine Erinnerungen waren genauso Beeinflussbar, wenn nicht sogar mehr.
Für ihn war diese Welt ein Schlachtfeld. Und was er abgesehen davon hier gesehen hatte waren Tod und leid.
Er betrachtete den Staub unter seinen Füßen. Der beständige Wind hatte ein Wellenmuster hineingezeichnet, das ihn an den Meeresgrund bei Ebbe erinnerte.
Nur gab es hier kein Wasser, kein Leben. Nur Asche…
Aber… war da nicht etwas im Sand? Ein heller Fleck der ihm ins Auge sprang? Es schien unmöglich… und doch war es da.
Er hatte seine Antwort.
Coel kniete sich hin und wischte den Sand bei Seite.
Ein silbriges Blatt kam zum Vorschein, das vorher halb begraben gewesen war.
,, Vielleicht müssen wir uns gar nicht immer erinnern. Manchmal können wir auch darauf vertrauen, das Alte erneut mit eigenen Augen zu sehen.“
Aine trat von der Klippe zurück um sich anzusehen, was er gefunden hatte.
,, Das ist eine Pflanze. Aber… hier sollte alles tot sein.“
,, Sollte. Aber… Manchmal muss allein die Hoffnung darauf ausreichen, das das was sein sollte, nicht stimmt.“
Aine nickte. Wieder eine menschliche
Geste. Manches übernahm man schnell und ohne es selbst zu merken, wie Seyonn ihr hätte bestätigen können.
Dieser allerdings starrte grade auf einen Haufen durchgebrannter Kabel.
Der Unity-Abgesandte steckte in einem der Wartungsschächte auf dem Maschinendeck und sah sich den Schaden, den die Begegnung mit dem fremden Riesenschiff hinterlassen hatte.
,, Wie sieht es aus ?“ , fragte Adams, als der Botschafter der Unity aus dem Schacht kletterte.
,, Nicht gut. Da ist alles komplett durchgeschmort. Irgendjemand hat die Energieverteilung so manipuliert, dass
ein Teil der beim Hochfahren des Nova-generators freiwerdenden Energie in die Systeme gelangt ist. Wir hatten Glück, dass es uns nicht zerrissen hat.“
,, Und können wir’s reparieren ?“
,, Tja,“ Seyonn dachte nach ,, Ersatzteile haben wir genug und wenn wir sofort anfangen sind wir in ein paar Stunden wieder flugbereit. Aber….“
,, Sie befürchten, das uns das nichts nützt ?“ , stellte der Doktor mehr fest, als das er fragte.
Der Unity-Gesandte nickte. ,, Solange wir nicht wissen, wer uns so übel mitgespielt hat, besteht jederzeit die Chance, das es das Schiff beim nächsten Sprung wirklich Zerlegt.“
,, Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Ich muss bedauerlicherweise sagen, das Aine wohl ausscheidet. Sie war nicht mal in der Nähe einer Konsole, das hätte HAL bemerkt. Haben sie eine Idee, wer es sein könnte?“ , wollte Adams wissen und begann an einer kleinen Konsole zu arbeiten, die noch funktionierte und ihnen ein Übersicht über die Schäden zusammenstellte. Zusätzlich zu den Treffern, die sie während des kurzen Gefechts mit dem Weltenschiff eingesteckt hatten, gab es mehrere dutzend kleinerer Risse in der Außenhülle. Gegen diese würde man allerdings nichts tun können. Nicht bis
sie einen Planeten erreichten.
,, Vielleicht.“ , erwiderte er. Seyonn wusste sogar ganz genau, wer in Frage kam… Aber er zögerte sein Wissen Preis zu geben. Noch nicht. Den der Moment in dem er das Tat… war der Moment in dem er die Kontrolle über das Geschehen vollkommen verlieren würde.
Der Professor musste etwas von diesen Überlegungen aus seinen Gesichtszügen aufgeschnappt haben… oder vielleicht hatte er auch nur geraten.
,, Sie wissen bereits wer es ist.“
,, Wie gesagt, vielleicht.“ , gab Seyonn zurück.
,, Sie müssen das Martin sagen, ich meinen, sie können das nicht für sich
behalten.“
,, Das kann ich schon.“ , erwiderte Seyonn.
,, Aber sie haben es mir praktisch schon verraten.“
,, Wenn sie es selbst herausfinden, bitte. Wer ist es ihrer Meinung nach?“
,, Sie scheiden aus. Nicht, das ich sie nicht im Verdacht hätte, aber dann würden sie meine Bedenken bezüglich eines neuen Sabotageaktes zu zerstreuen suchen. Ägir war die ganze Zeit auf der Brücke also…“ Adams wurde bleich.,, Martin.“
,, Was ist mit ihm ?“
,, Wir müssen sofort los. Er trifft sich grade mit…“
Grace Hemingway sah auf, als Martin in den Kommandoraum der Kronos trat.
,, Haben wir eine Verbindung zur Erde ?“ , fragte er.
,, Nein. Wir sind zu weit draußen. Wenn ich unsere Koordinaten richtig bestimme habe sind wir Lichtjahre von jedem bewohnten System entfernt. Also auch keine Botensonden, die wir nutzen könnten.“
,, Verdammt.“ Martin schlug mit einer Hand auf eine Konsole, die sowieso schon in Trümmern lag.
Einige Porzellansplitter auf dem Boden zeigten ihm, wo Ägir gestanden hatte, als das Weltenschiff aufgetaucht war. Seyonn weigerte sich noch immer ihm
irgendetwas zu sagen und die Antwort aus ihn rauszuholen war wohl unmöglich.
Wenigstens schien es, als würde Ägir mit dem Schrecken und einer Narbe davon kommen. In den ersten paar Minuten nach dem Sprung hatte ihn die Scherbe in seiner Schulter scheinbar kaum gestört, trotzdem hatte Martin darauf bestanden, das der Kapitän sich untersuchen ließ. Vor allem, weil er ständig Blut verlor.
Aber egal wie man es betrachtete, die Lage war ernst. Solange es Adams oder Seyonn nicht gelang, die Kronos wieder Funktionsbereit zu machen saßen sie hier fest und das ohne Kontakt zur
Außenwelt.
Und dann musste noch immer ein Saboteur an Bord sein, der die Systeme beim Sprung überlastet hatte.
Deshalb war er hier.
,, Wissen sie Hemingway , ich habe nachgedacht.“ Seine Hand legte sich auf den Griff der Pistole die er trug.
,, Über was ?“ Sie schien es nicht zu bemerken.
,, Es gibt genau drei Personen auf diesem Schiff, welche die Möglichkeit hätten die Systeme zu manipulieren.“
,, Und das wären ?“ , wollte sie wissen. War das ein Hauch von Misstrauen in ihrer Stimme ?
,,Da wäre einmal Seyonn. Der
klischeehafte Überlegene Verstand, von dem man einfach nie weiß, was er vorhat. Er war ursprünglich mein Hauptverdächtiger. Dann jedoch stellte ich mir die Frage : Hätte Seyonn den Fehler begangen an Bord zu bleiben ? Nach allem was ich mittlerweile über ihn und die Unity weiß, wäre das sehr unwahrscheinlich.“
Er fuhr fort.
,,Dann ist da noch Ethan Adams. Der Professor mit seinem Hass auf die Artheraner…. Und einem triftigen Grund Selbstmord zu begehen. Das er uns dabei alle mitnehmen würde, kann ihm dann ja auch egal sein. Vielleicht würde er es auch genau deswegen tun, wer weiß.
Ich weiß jedoch auch, dass er es nicht wahr. Wie er selbst sagte… Selbstmord braucht Mut. Und wie kann ich erwarten, dass ein Mann, der es nicht schafft sich selbst zu richten ein ganzes Schiff voller Seelen in den Abgrund reißt?“
,, Und die dritte Person ?“
Martin lächelte kalt. ,, Sie.“
,, Wie bitte ?“
,, Von allen Personen auf diesem Schiff, von allen Verdächtigen, sind sie die einzige, die über eine Freigabe für die Wartungsdecks verfügt. Sie hatten nicht nur die Mittel sondern auch die Zeit alles Mögliche mit den Systemen anzustellen. Das einzige was mir bei ihnen fehlt Hemingway… ist ein Motiv. Ihre Akten
hat mir Hal gegeben. Sie sind seit Jahren bei der GTDF. Wieso also ?“
,, Was erlauben sie sich ? Ich bin…“ Sie trat ein paar Schritte auf ihn zu.
Martin zog die Waffe und richtete sie auf den Kopf der Verbindungsoffizierin.
,, Zurück.“
,, Sie glauben doch nicht wirklich das ich…“
,, Ich glaube was ich muss.“ , erwiderte er.
Ihre Haltung veränderte sich plötzlich. Aus dem eingeschüchtert Wirkenden Menschen ihm gegenüber schien plötzlich etwas völlig anderes zu werden .Fast , als würde plötzlich eine andere Person vor ihm stehen.
,, Was zur…“ Martin zögerte kurz und lies die Waffe sinken, dann riss er sie wieder hoch.
,, Leugnen bringt wohl nichts mehr was ?“ Sie trat wieder einen Schritt auf ihn zu.
,, Stehen bleiben.“
,, Was wollen sie tun mich erschießen ?“
,, Glauben sie nicht, das ich zögern werde.“ , erwiderte er und packte die Waffe jetzt mit zwei Händen.
Wieder ein Schritt nach vorne. Martin zog den Abzugsbügel durch und… Grace verschwand, löste sich vor seinen Augen in eine Wolke grauer Partikel auf…
Die sich im nächsten Moment hinter seinem Rücken wieder zusammensetzten.
Er wirbelte herum.
Sie versetzte ihm einen Schlag in die Magengrube, der ihn quer durch den Raum schleuderte. Viel zu stark, dachte er noch im Flug. Was zum Teufel war sie ?
Er feuerte erneut eine Kugel in ihre Richtung. Diesmal traf das Projektil und schlug in ihre Schulter ein. Kein Blut, kein Schmerzensschrei. Er feuerte noch eine Kugel auf Grace, noch eine. Keine Wirkung.
,, Sie hätten das Angebot ausschlagen sollen.“ Meinte sie und holte aus. Die Hand schien plötzlich ihre Gestalt zu verändern und formte sich zu einer Klinge. ,, Zu Schade.“
Martin schloss die Augen und wartete auf den Tod.
Ein Aufschrei.
Er öffnete die Augen wieder.
Grace Hemingway lag zusammengesackt auf dem Boden. Und über ihr stand Seyonn von der Unity.
,, Ist sie… Tod ?“ ,fragte ein verängstigter Adams.
,, Nur Bewusstlos. Ich töte meine eigene Art nicht gerne.“
Martin setzte sich langsam wieder auf. ,, Sie schulden mir mehr als nur eine verdammt gute Erklärung hierfür.“