Marilla und der Zaubervogel
Es war einmal in einem kleinen Dorf welches sich in der Eifel befand, da lebte ein kleines Mädchen Namens Marilla. Ihr Name passte eigentlich nicht zu einem Mädchen, aber Marilla war kein Mädchen wie andere die sich gerne hübsch machten,
sich Zöpfe flochten, oder mit Puppen spielten. Marilla war aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Marilla hatte feuerrote Haare, zwei blitzende himmelblaue Augen und hatte viel mehr Freude daran Dinge zu tun, die Jungen gerne machten. Sie liebte es Ball zu spielen, auf Bäume zu klettern, Hütten oder Baumhäuser zu bauen und fand es toll in Schlammpfützen herum zu springen. Marilla lebte seid drei Jahren bei ihrem Großvater, da ihre Mutter nicht mehr für sie sorgen konnte. Ihr Großvater Kurt der schon sein ganzes Leben in dem Dorf lebte und einen eigenen Bauernhof besaß, liebte seine Enkelin sehr und Marilla hatte alle Freiheiten und konnte jeden Tag herumtollen und die Welt erkunden wie sie wollte. Wie immer wenn Ferien waren, war Marilla ganz früh wach, machte ihrem Großvater Frühstück, brachte es ihm an sein Bett und verschwand mit einem Lächeln und den Worten..“Bis heute Abend lieber Großvater“. Dann gab sie ihm noch einen sanften Kuss auf die Stirn und machte sich mit ihrer Lieblingslatzhose, ausgetretenen Sandalen, ihrem Hut und einem selbst geschnitzten Wanderstock auf den Weg zum Wäldchen,welches eine gute Stunde zu Fuß vom Bauernhof entfernt lag.
Wie immer wenn sie wanderte pfiff Marilla ein fröhliches Liedchen. Schon im ersten Sommer den Marilla bei ihrem Großvater verbrachte, hatte sie das kleine Wäldchen als ihren Lieblingsplatz erkoren und die Tage mit Feen, Trollen, Zauberern und Waldgeistern verbracht, die sie in ihrer unglaublichen Fantasie zum Leben erweckte. So betrat Marilla auch an diesem Tage ihre Zauberwelt, die durch zwei Bäume in der Form eines eng-umschlungenen Liebespaares gewachsen waren, betreten werden konnte. Dann führte sie ihr Weg über eine kleine Lichtung auf der ein großer uralter Findling lag den Marilla an sonnigen Tagen als Sommerliege benutzte. Danach ging es an einem plätschernden Bächlein vorbei und schließlich erreichte das fröhliche Mädchen den wahrhaft schaurigen Teil ihres Waldes.
Beängstigend strich der Wind durch die alten Baumkronen und überall knarrte und knackte es. Marilla liebte es wenn sich ihr vor Ehrfurcht die kleinen Nackenhaare aufstellten und ihr ein kleiner Schauer über den Rücken lief. Wann immer Marilla diesen Ort betrat, tat sie so als sei sie ein tapferer Ritter und zog nur so zum Schein ein Schwert aus ihrem Hosenbund. Uralte Kiefern, Tannen, Fichten und ein paar vereinzelte Lärchen blickten drohend auf Marilla hinunter und aus dem Dunkel des Waldes waren beängstigende , bedrohliche Geräusche zu vernehmen. Dennoch schritt Marilla unbeirrt weiter um zu ihrer Festung wie sie es nannte zu gelangen.
Besagte Festung war ein nicht sonderlich stabil gebauter Hochsitz, den sich Marilla mit Kissen und ein paar Decken hergerichtet hatte. Hier in ihrer Festung verbrachte Marilla die meiste Zeit und träumte sich in ihre Welt. Diese Welt war aufregend und spannend. Viel spannender als die wirkliche Welt. In dieser Welt gab es jede Menge Abenteuer zu erleben, wie Ritterturniere, Schatzsuchen, gefährliche Monster die es zu besiegen galt und Prinzessinnen die befreit werden mussten. Natürlich war Marilla ein tapferer Ritter mit güldener Rüstung, immer furchtlos und stark. Manchmal aber auch war Marilla eine Zauberfee mit leuchtenden Flügeln und einem Zauberstab, mit dessen Hilfe sich allerlei Wünsche erfüllen ließen. In dieser Welt fühlte Marilla sich zu Hause, hier war sie nie allein und hatte immer Freunde die mit ihr spielten.
Als Marilla aus ihrer Traumwelt erwachte, dämmerte es schon und Marilla musste sich beeilen nach Hause zu kommen, denn ihr Großvater sorgte sich bestimmt schon längst. So machte sich Marilla überhastet auf den Rückweg und da sie nicht auf die aus dem Boden ragenden Baumwurzeln achtete, stürzte Marilla unsanft auf den Waldboden und schlug sich das Knie auf das es blutete. Marilla saß wimmernd am Boden und bemerkte gar nicht, dass sie nicht alleine war. Ein winziges Wesen hatte sich ebenfalls in einer Baumwurzel verfangen und bat Marilla um Hilfe.
„Hallo kleines Mädchen“, sagte das Wesen. „Bitte hilf mir und ich werde dir ebenfalls helfen“, bettelte es. Erst jetzt schaute sich Marilla um, und entdeckte einen kleinen Vogel, dessen winziges Füßchen sich in einer verschlungenen Baumwurzel verfangen hatte. Marilla wischte sich ihre Tränen fort und rappelte sich auf um dem Vögelchen welches hilflos zappelte, zu helfen. Schnell hatte Marilla das Vögelchen befreit und nahm es auf ihre Hand.
„Geht es dir jetzt wieder besser du armes Vögelchen“, fragte Marilla besorgt.
„Und wieso kannst du eigentlich sprechen?“ Der befreite Vogel schlug dankbar mit seinen leuchtend bunten Flügeln, die in der Nacht funkelten.
„Nun ich bin eben kein gewöhnlicher Vogel mein kleines Mädchen“, antworte er.
„Ich bin ein Zaubervogel und besitze die Macht dir zu helfen.“ Marilla war voll des Staunens und traute ihren Ohren nicht. Doch dann sah sie wie wie der winzige Vogel ihr blutendes Knie mit seinem Gefieder berührte und sich die Wunde wie von Zauberhand schloss. Die Wunde und ihre Schmerzen waren fort und Marilla bedankte sich bei dem Vögelchen für dessen Hilfe.
„Oh nein, ich danke dir“, antwortete das Zaubervögelchen und bot Marilla an mit ihr nach Hause zu kommen und eine Zeit lang bei ihr zu bleiben, damit sie nicht so alleine war. So machten sich die beiden auf den Weg und ihr neuer Freund leuchtete ihr den Weg. Ihr Großvater war heilfroh dass Marilla nichts zugestoßen war und Marilla erzählte ihm vorm Schlafen gehen die Geschichte vom Zaubervogel und wie er ihr geholfen hatte. Ihr Großvater hörte gespannt zu und meinte Marilla habe eine zu lebhafte Fantasie. „Na dann pass mal gut auf deinen Zaubervogel auf“, sagte er und gab Marilla einen Kuss auf die Stirn. Am nächsten Morgen als Marilla erwachte, stand auf ihrem Nachtisch ein kleiner, selbstgebauter Vogelkäfig und Marillas Augen leuchteten. In den folgenden Wochen erlebte Marilla viele unglaubliche Dinge mit ihrem neuen Freund dem Zaubervogel. Einmal kam sie an einem Feld vorbei welches unfruchtbar war und Marilla erzählte ihrem Vögelchen wie schön es wäre, wenn das Feld erblühen würde. Das Vögelchen nickte, flog hinab, berührte den Boden und im selben Augenblick erstrahlte es in den schönsten Farben und trug die seltensten Blumen in sich. An einem anderen Tag verletzte sich ihr Großvater beim Gemüse schälen und blutete stark. Marilla sagte ihm dass sie ihm helfen könne und bat das Vögelchen erneut um Hilfe. Wieder berührte das Vögelchen mit seinem leuchtenden Gefieder die Wunde und die Wunde heilte.
Wiederrum an einem anderen Tag verbrachte Marilla und ihr Zaubervogel den Nachmittag auf einem Jahrmarkt der einmal im Jahr im Dorf Einzug hielt, und Marilla kam zu einem Stand der wunderschöne Glaskunst feil bot. Ein kleiner Junge spielte Ball und versehentlich traf er die Vasen und Schüsseln, die klirrend zu Boden fielen. Erneut bat Marilla ihren Zaubervogel um Hilfe, und wieder half er ihr indem er durch eine Berührung seines Flügels die Glasscherben zusammenfügte. Selbst ihre Festung wurde von ihrem Zaubervogel berührt und stand bald darauf wieder fest und sicher im Boden. Das freute Marilla sehr, denn hier verbrachte sie ihre Zeit am liebsten. So wurde es ein wunderbarer Sommer für Marilla und ihren Zaubervogel in dem sie viele wundervolle Dinge erlebten.
Ihr Großvater hatte sein Enkelkind noch nie so fröhlich und aufgeweckt gesehen und freute sich das Marilla glücklich war, auch wenn er die Geschichte vom dem Zaubervogel den er nicht sehen konnte, nicht verstand. Aber er tolerierte es da Marilla glücklich war. Sie hatte ja schon immer eine blühende Fantasie und lebte nun mal in ihrer eigenen Welt, und es gab ja auch wirklich schlimmeres als ein Kind mit Fantasie. Und so wurde es ein Sommer voller fantastischer Abenteuer, genau so wie es sich Marilla immer erträumt hatte. Als der Sommer sich dem Ende neigte und die Tage kürzer wurden, setzte sich Marillas Zaubervogel eines Abend auf ihre Schulter und erzählte Marilla dass nun die Zeit des Abschied -nehmens gekommen sei und er nun weiterziehen müsse, da auch andere Kinder seine Hilfe bräuchten.
Marilla war sehr traurig darüber und weinte auch ein wenig, aber sie verstand es auch und bedankte sich mit einem Streicheln über das leuchtende Gefieder für die schöne Zeit. An einem schönen Herbstabend als Marilla in ihrem Bettchen lag, klopfte es an ihrer Tür und ihr Großvater betrat Marillas Zimmer.
„Marilla schläfst du schon?“, fragte er leise. Dann setzte er sich zu Marilla aufs Bett und machte ihr das Nachtlämpchen an und zeigte Marilla ein feuerrotes Fotobuch, wo ein Käfig mit einem gemalten Vogel abgebildet war. Darunter stand in goldenen Buchstaben: „Marilla und ihr Zaubervogel – Ihr schönster Sommer.“
Marilla setzte sich auf, lehnte sich bei ihrem Großvater an die Schulter und beide blätterten die ersten Seiten um. Man konnte Bilder von Marilla sehen wie sie auf einem Feld arbeitete, die Erde umgrub und Blumensamen säte um anschließend das Feld mit einer Gießkanne zu begießen. Auf der nächsten Seite war Marilla abgebildet wie sie ihrem Großvater den Finger verband. Die nächsten Bilder zeigten Marilla auf einem Jahrmarkt, wie sie die Stände der verschiedenen Verkäufer betrachtete. Auf einem Bild sah man wie Marilla vor einem Glaskunststand kniete und Scherben zusammenklebte, auf einem anderen einen Jungen der Ball spielte und den Ball in Vasen und Schalen schoss. Dann gab es noch ein paar Fotos von Marilla die einen Vogelkäfig baute und dann noch ein Bild von Marilla wie sie mit Nägeln und ein paar Brettern ihren Hochsitz reparierte. Das letzte Foto zeigte Marilla die vorm Haus saß, den Sonnenuntergang bewunderte und ihre Schulter streichelte als würde ein Vöglein auf ihr sitzen. Als letzter Satz stand unter dem letzten Foto:
„Marillas Sommer mit ihrem neuen Freund.“ Darunter ein gemalter Käfig mit einem bunten Vogel darin, der in sämtlichen Farben leuchtete.