Rafail Coel, Veteran und ehemaliger Anführer einer Spezialeinheit dachte dem Krieg entronnen zu sein. Er hatte sich geirrt. Nach 10 Jahren holt ihn die Vergangenheit ein und droht zu seiner Zukunft zu werden. Um das zu verhindern bekommt er eine zweite Chance und ist bereit alles zu tun. Copyright by Eagle Writer Bildquelle Star burst red and yellow fire / Fotolia.com
,, Also, wie lautet die Frage ?“ , wollte Coel wissen. Eigentlich war es ihm egal, er würde darauf antworten wenn er konnte. Und wenn nicht, würde er genau so schlau sein wie vorher.
Martin sah einfach nur von Coel zu Aine und wusste wohl nicht wirklich, was er von dem ganzen halten sollte. Wenn das irgendeine Art von Trick war, dann kein Guter. Oder doch ?
,, Wieso haben sie sich ihre Antworten nicht geholt. Ich bin nicht wirklich in der Lage Forderungen zu stellen. Ein paar gebrochene Finger bringen jedem zum Reden. Wieso also nicht ?“
Die Frage überraschte ihn. Coel überlegte. Er hatte nicht einmal darüber Nachgedacht. Wie auch ?
Folter schien ihm einfach so grundsätzlich verkehrt. Natürlich, es gab immer Leute die nicht davor zurückschreckten. Auch im Artherium-Krieg hatte es welche gegeben. Aber die Frage war auf eine Weise gestellt worden, als ob sie damit gerechnet hätte.
,, Ich halte es einfach für Verkehrt.“ , antwortete er. ,, Was hat man euch erzählt, das ihr annehmt ein GTDF- Offizier würde sofort auf Folter zurückgreifen ?“
,, Genug. Aber vielleicht ist doch nicht alles davon wahr. Oder alles ist wahr und ihr seid nur dumm.“ , antwortete sie. ,, Nur ein Narr gibt einen Vorteil aus Gewissensgründen auf.“
Ein Narr also ? Nun, wenn dem so war, hatte sie ihm grade etwas Wichtiges verraten: Er konnte Aine nicht trauen. Wer meinte sein Gewissen ignorieren zu können, war gefährlich.
,, Also, ihr habt eure Antwort, jetzt zu meiner Frage…“
,, Sicher ? Ich sagte eine Frage für eine Frage. Ihr habt mir bereits eine Frage gestellt.“
Coel hätte sich am liebsten vor den Kopf geschlagen. Natürlich. Ein Spiel. Für Aine musste es genau das sein. Und er hatte grade verloren.
,, Sie haben mich ausgetrickst.“ , erwiderte er.
,, Nein, sie haben einen Fehler gemacht. Das ist etwas ganz anderes. Also meine Frage…“
Martin unterbrach sie. ,, Einen Moment.“ Er zog Coel bei Seite.
,, Wollen sie das wirklich weiter durchziehen Coel ?“ , fragte Martin.
,, Das muss ich doch.“ , sagte er.
Seyonn schüttelte den Kopf. ,, Sie wissen, dass sie verlieren werden ?“
,, Wieso das ?“
Der Abgesandte der Unity lächelte. Aber eher traurig, als müsste er sich geschlagen geben. ,, Sie wissen, dass Artheraner schnell lernen nicht ?“
,, Was hat damit zu tun ?“
,, Nun ihr Verstand verarbeitet Informationen zehnmal schneller als der eines Menschen. Sie würden kein Poker gegen die spielen wollen, glauben sie mir. Und genau das tun sie grade. Poker. Aber eine sehr viel komplexere Variante davon.“
,, Sie lernt also zehn Mal schneller als ich ?“
Seyonn nickte. ,, Sie lernt nicht nur schneller, sie denkt auch schneller, registriert Kleinigkeiten früher. Wofür ein Mensch Wochen brauchen würde, schafft ein Artheraner in ein paar Stunden.“
,, Das sind ja tolle Aussichten.“ Aber zumindest wusste er jetzt, wie es die Artheraner damals erst fertig gebracht hatten, die Waffen der GTDF zu Übernehmen und mittlerweile sogar eigene Schiffe zu bauen. ,, Also dann, Wortpoker.“
Er setzte sich wieder an den Tisch.
,, Seit ihr fertig ?“ Coel registrierte den Patzer sofort. War das Absicht gewesen?
,, Ja, und das war grade ihre Frage.“ , erwiderte er.
,, Möglicherweise war das genau, was ich wissen wollte.“
Coel wusste nicht genau, was er von all dem halten sollte. Aber wie Seyonn gesagt hatte. Das war Poker auf einem höheren Niveau. Also sollte er die Einsätze niedrig halten, bis er wusste, woran er war.
,, Aine, ist das ihr Name ?“
,, Wenn ihr mich so nennen wollt, ist ein Name so gut wie der jeder andere.“ , antwortete Aine. ,, Wieso hinkt ihr ?“
Coel zog die Augenbrauen hoch. Er hinkte nicht… die Schiene in seinem Bein sollte genau das verhindern. ,, Ich laufe völlig normal.“
,, Tut ihr nicht. Ihr zieht das linke Bein immer ein wenig nach. Nicht bewusst, aber es ist da. Als hättet ihr lange mit einer Behinderung gelebt und erst vor kurzem abgelegt.“
Seyonn hatte Recht. Sie registrierte offenbar wirklich alles. Möglicherweise hatten Artheraner ja sogar ein erweitertes ikonisches oder sogar eidetisches Gedächtnis. Er wusste es nicht.
,, Eine alte Verletzung aus den Artherium-Kriegen.“ Er hatte irgendeine Reaktion erwartet, als er erwähnte an der Schlacht um Artherium beteiligt gewesen zu sein, aber da war nichts.
Vielleicht war es an der Zeit den Einsatz etwas zu erhöhen.
,, Sie waren auf Isaari, weil sie nach Professor Adams suchten. Ich vermute mal um sich zu rächen. Wieso haben sie sich damit Zehn Jahre Zeit gelassen, konnten sie ihn nicht finden?“
,, Wir hatten erst vor kurzem erfahren, wo er sich all die Jahre aufhielt, ja. Sonst wären wir schon früher dort gewesen. Aber was ist mit ihnen, warum habt ihr einen Mann gesucht für den sich offenbar 10 Jahre lang niemand interessiert hat?“
,, Eines unserer Systeme wurde angegriffen und vollkommen vernichtet.“ Das war der Moment. Entweder, er stellte jetzt die Frage, deren Antwort er kennen musste. Oder alles war umsonst.
,, Wissen sie etwas darüber ?“
,, Vielleicht.“
,,Vielleicht ? Das ist alles?
,, Ihr wolltet lediglich wissen, ob ich etwas weiß, das ist ihre Antwort.“
Und schon wieder war er aufs Glatteis geführt worden. Langsam war er sich nicht mehr sicher, ob er nicht doch zu hoch gesetzt hatte. Er musste nachdenken. Dafür blieb ihm allerdings kaum Zeit.
,, Tut es ihnen leid, dass alle außer mir auf Isaari gestorben sind ?“
,, Ja… natürlich. Ich habe in den Jahren, die ich für die GTDF gearbeitet habe jeden einzelnen Toten bedauert, der auf mein Konto ging. Aber manchmal hat man einfach keine Wahl. Dann heißt es das eigene Leben oder das der anderen. Bisher habe ich mich immer für mein eigenes entschieden.“
Sie nickte. Das war wohl etwas, das jeder wusste, der dem Krieg ins Auge gesehen hatte. Eine Wahrheit, die man entweder akzeptierte, oder an der man zu Grunde ging. Wenn es darauf ankam, entschied man sich immer für das eigene Leben, egal wie viele auf der anderen Seite des Waffenlaufs standen. Und dann bedauerte man, sich nicht anders entschieden zu haben.
Coel schüttelte die Gedanken ab, die teils seine eigenen, teils die eines Fremden zu sein schienen. Nach allem, was er über die telepathischen Fähigkeiten seines Gegenübers wusste, lag das sogar im Bereich des Möglichen. Und dieses Wissen eröffnete ihm vielleicht eine Chance.
Auf eine halb bewusste Art war ihm klar, dass seine nächste Frage ihm endlich Antworten liefern musste, oder das Spiel wäre vorbei. Jetzt hieß es All in oder das Handtuch werfen. Aber Aine würde ihm die Antwort vorenthalten. Irgendwie würde er wieder den Kürzeren ziehen. Es sei denn, er wählte eine völlig neue Frage. Von ihr würde er keine Informationen erhalten. Also brauchte er jemand anderes.
Es gab nur eins, das er noch wissen musste…
,, Hassen alle Artheraner eigentlich Menschen ?“
Coel wusste sofort, dass er die Richtige Frage gestellt hatte. Erwischt.
,, Rafail, sie wissen, dass ich für ein solches Unternehmen keine Freigabe geben kann.“ Steels Stimme klang bedauernd aber entschieden.
,, Das ist mir durchaus klar Cain“ , erwiderte Coel. ,, Ich frage sie auch nicht um Erlaubnis. Ich informiere sie lediglich über eine Entscheidung.“
Das Abbild des Mannes vor ihm nickte. ,, Dachte mir schon, dass ich ihnen nichts verbieten kann. Damit hatten sie immer Probleme. Aber Coel, wenn irgendetwas schief geht….“
,, Wird es nicht.“ , sagte er und versuchte dabei halbwegs überzeugt zu klingen.
,, Wenn aber doch, kann ich ihnen keine Hilfe schicken. Werden sie gefangen oder verwundet werden sie vollkommen auf sich gestellt.“
,, Ich weiß, und ich erwarte auch keine.“
,, Sie wissen, dass sie denen nichts verraten dürfen ?“
,, Was sollte ich bitte verraten können ?“ , fragte Coel. Er wusste nicht wirklich viel. Das einzige Geheimnis, das er kannte, war der ungenehmigte Novawaffen-Einsatz auf Artherium. Und das war wohl etwas, das jeder Artheraner wissen dürfte.
,,Die Codes für die Verteidigungsstellungen der Erde beispielsweise.“
Natürlich. Das war ein kritischer Punkt. Aber die Codes, welche es erlaubten, die Planetare Verteidigung zu umgehen, waren letztlich nur ein Teil der Sicherheitsvorkehrungen. Schließlich müsste sonst bei jedem verschwundenen Piloten und jedem verschwundenen Schiff, etwas das bedauerlicherweise immer noch ab und zu vorkam, Großalarm ausgelöst werden.
,, Würde ich mit ins Grab nehmen Sir und sie Wissen, das die Codes und Anflugprotokolle allein nicht ausreichen.“
,, Das weiß ich sehr wohl. Geben sie trotzdem auf sich Acht.“
,, Keine Sorge, ich habe vor zurück zu kommen.“
,, Und sie denken, sie können dieser Artheranerin, wie nennt sie sich, trauen ?“
,, Aine, auch wenn ich bezweifle, dass das wirklich ihr Name ist. Nein, trauen kann ich ihr sicher nicht. Aber das macht es für mich einfacher.“
Wenn man weiß, dass man früher oder später ein Messer in den Rücken bekommt, konnte man sich zumindest darauf vorbereiten.
,, Dann sollten sie jemand anderen schicken.“
,, Ich habe gute Gründe selbst zu gehen….“
Seine Frage hatte den Anstoß zu diesem Plan gegeben. Es war gewagt aber, es könnte sich lohnen.
,, Nicht alle.“ , hatte Aine geantwortet.,, Die Mehrzahl, aber nicht alle. Einige von uns sind von abtrünnigen der GTDF von Artherium evakuiert worden. Diese Überlebenden sind oft anderer Meinung, als die anderen.“
Das war mehr, als er wissen musste. Es gab als Artheraner, mit denen er reden konnte. Nur die Frage blieb… wo nach ihnen suchen? Nach dem aktuellen Informationsstand der GTDF hatten sich die Artheraner nach der Zerstörung ihres Planeten auf verschiedene abgelegene Systeme verteilt.
Aber diese Berichte waren zehn Jahre alt. Coel selbst hatte also keine Ahnung, wo er suchen müsste.
,, Letzte frage, eine noch.“ , meinte er. Er konnte sehen, dass sie die Frage vermutlich schon kannte, geradezu darauf hingearbeitet hatte. Eine mögliche Falle. Aber eine von der er wusste.
,, Sie würden mir nicht verraten, wo die sich aufhalten ?“
,, Nein, aber ich kann sie hinbringen.“
,, Sie wissen, dass das verrückt ist.“ Adams fing ihn ab, als er das Gespräch mit Steel beendete und aus dem Kommandozentrum trat.
,, Nun, ich fürchte genau deshalb hat Cain mich zurückgeholt. Manchmal braucht man jemand verrücktes.“
Vielleicht würde jemand entbehrliches besser passen, dachte er kurz. Die Idee, dass alles sei inszeniert um ihn auszuschalten war längst verflogen. Dafür war das alles zu groß.
Aber natürlich konnte das Oberkommando der GTDF immer noch hoffen, dass er nicht überlebte. Und da kam ihnen ganz recht, wenn er sich freiwillig in die Höhle des Löwen begab.
,,Ich meinte nicht auf die gute Art verrückt.“ , ergänzte der Doktor.
,, Diese Diskussion hatten wir schon Adams.“
,, Ich weiß und es tut mir leid. Wie es aussieht hat es uns einen Vorteil gebracht die Artheranerin frei zu lassen. Aber das hier geht zu weit. Sie können sich auch gleich eine Pistole an den Kopf setzten und Abdrücken. Erspart ihnen Zeit.“
,, Glauben sie nicht, das ich Aine eine Sekunde aus den Augen lasse. Ich will auch am Leben bleiben. Aber falls sie mir jetzt nicht sagen, sie hätten doch noch etwas rausgefunden, das uns vielleicht weiterhilft, bleibt uns keine andere Wahl.“
Adams war alles andere als überzeugt. ,, Informationen sind kein Leben wert.“
,, Galt das auch auf Artherium ?“ , fragte Coel.
,, Sie wissen, dass das was anderes war. Wir hatten Verluste. Wir wollten den Krieg beenden. „ , verteidigte sich Adams.
,, Und das haben sie. Ja, wir hatten Verluste, aber kommen sie, so schwer das Schicksal der einzelnen auch war, für die GTDF waren das doch nur Mückenstiche. Sie wollten keinen Krieg beende, die Generalität wollte einfach ihre neue Waffe testen.“
,, Vielleicht… Trotzdem halte ich das für keine gute Idee Coel.“ Adams schien tatsächlich besorgt. Aber natürlich lag hinter der Besorgnis die einfache Tatsache, dass er nach wie vor Zen Jahre in der Vergangenheit lebte. Im Kopf des Professors würde der Krieg nie zu Ende gehen.
,, Und trotzdem lasse ich mich nicht davon abbringen.“
Er ging noch einmal alles durch. Coel würde nicht viel mitnehmen. Kleine Waffen, die man gut verstecken konnte, der Revolver würde reichen, etwas Munition. Und ein Peilsender, den er jederzeit aktivieren könnte und sein Signal, sofern sich eine Botensonde in der Nähe befand an die Kronos zurück leiten würde. Eine Rückversicherung für den Fall, dass doch etwas schief ging, womit er nicht gerechnet hatte.
Alles war vorbereitet, er würde sich nur noch verabschieden, dann konnte die Reise beginnen von der er hoffentlich endlich mit Antworten zurückkommen würde.