Fantasy & Horror
Die Gebrochene Welt I (Kapitel 8; Teil 4/4) - Der Fall Fiondrals

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"Die Gebrochene Welt I (Kapitel 8; Teil 4/4) - Der Fall Fiondrals"
Veröffentlicht am 23. September 2012, 26 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Wer wäre ich hier, wenn nicht jemand, der seinen Visionen ein Zuhause geben will? Tue ich das gerade nicht, studiere ich Rechtswissenschaften und bemühe mich, nicht gleich jedes damit verbundene Klischee zu erfüllen (letzteres womöglich nur mit mittelmäßigem Erfolg), oder fröne in irgendeinem Pub meinen Lastern.
Die Gebrochene Welt I (Kapitel 8; Teil 4/4) - Der Fall Fiondrals

Die Gebrochene Welt I (Kapitel 8; Teil 4/4) - Der Fall Fiondrals

Beschreibung

Die Stadt Galor ragt als letzte Festung aus dem Trümmerfeld auf, in das die Invasion der Orks den Kontinent Fiondral verwandelt hat. Flüchtlinge aus allen Ecken und Enden des Landes suchen Zuflucht hinter den dicken Mauern. Doch während sich die feindlichen Heerscharen unter den hohen Zinnen sammeln, zerfressen Zwietracht und Hass die Reihen der Verteidiger, bis es schließlich an wenigen wackeren Streitern liegt, das Schicksal aller zu bestimmen. (Weitere Kapitel folgen in Kürze) Titelbild: "Einsturzgefahr" by "Paulo Claro" Some rights reserved. Quelle: www.piqs.de

Narbenfels (Teil IV)

„Wartet nur, ich werde Euch Eure Arroganz ausbrennen!“, schrie Boltrac, bevor er die bleichen, unförmigen Arme hoch über den Kopf reckte. Zwischen seinen schwulstigen Händen entstand eine Kugel nachtschwarzer Flammen, die wild pulsierte, bis der Magier sie schließlich freigab. Mit einem ohrenbetäubenden Zischen raste das schwarzmagische Geschoss auf den Prinzen zu, der unbeirrt weiter ging.
Vanessa riss verständnislos den Mund auf, während sie das groteske Schauspiel regungslos wie eine Statue betrachtete. Sie spürte die geballte Kraft des Zaubers noch dort, wo sie stand, wusste, dass man schwarzer Magie nicht ausweichen konnte, und es wurde ihr zur bitteren Gewissheit: Der Prinz würde diesen Angriff nicht überleben.
Mit unbeschreiblicher Macht schlug der Feuerball in seine Brust ein, schwarze Flammen züngelten um den Ledrianer, bedeckten ihn und hüllten ihn für einen Moment gänzlich ein, sodass er nicht mehr war als ein schwarzer Schatten.
Dann jedoch war es der Thanatoiker der vor Schmerz aufschrie und aus dessen entstelltem Gesicht Todesqualen sprachen, wohingegen Lemorgant die schwarzen Flammen mit einer einzigen Bewegung von sich abschüttelte, worauf diese augenblicklich verschwanden, ohne auch nur die Spur einer Verletzung auf ihm zu hinterlassen.
Während er eine Hand schmerzhaft verkrampft in seine eigene Brust krallte, taumelte der Todesanbeter zurück, bevor er sich erneut aufbäumte.
„Das schafft Ihr nicht noch einmal!“, seine gellende Stimme zerriss die Stille begleitet von einer Fontäne gespenstisch grüner Lichtblitze, die allesamt auf Lemorgant entgegenzuckten.
Ohne einzuhalten, marschierte er in das dichte Geflecht der Strahlen, die sich in Lawinen farbenfrohen Funken ergossen, als sie ihn berührten. Jeder Strahl, der explodierte, entlockte dem Schwarzmagier einen neuen Schmerzensschrei, jeder Funken ließ ihn weiter zurücksacken, dem schattenhaften Thron, der gewaltigen Säule, seinem Ende entgegen.
„Das…das kann nicht sein“, heulte er, als der Prinz ihn fast erreicht hatte, „Ich kann nicht…der Meister würde nicht zulassen, er würde nie…“
Lemorgant befand sich fast in Reichweite, sodass ihm seine innere Stimme sagte, es sei an der Zeit, die Waffe zu heben, um zum finalen Stoß anzusetzen. Aus den pechschwarzen Augen des Thanatoikers glotze der pure Unglauben, die stinkende Angst. Er musste wissen, dass es kein Entkommen gab, weder in dieser Welt noch in der nächsten.
Doch plötzlich weiteten sich die Augen des Hexers, dass der blanke Wahnsinn dem Prinzen entgegenstarrte.
Mit einem hysterischen Gackern grabschte der Todesanbeter an den Hals der schattenhaften Gestalt auf dem steinernen Thron, die Lemorgant endlich deutlich erkennen konnte.
Auf dem kalten, dunklen Stein saß mit rostigen Nägeln und Ketten fixiert eine arg verweste Leiche, aus deren linker Gesichtshälfte bereits jedes Fleisch gewichen war. Der Rest besaß eine ekelhaft dunkelbraune, leicht gräuliche Tönung, aus der modrige Knochen hervorstachen, während die Haare wie ausgeblichene, nicht geisterhafte Fäden schimmerten. Vor ihrer Brust jedoch prangerte ein klobiger Kristallschädel, der an einer dunklen Kette um ihren Hals befestigt war.
Eben diese Kette packte der Thanatoiker löste sie und legte sie blitzschnell um seinen eigenen Hals, was jedoch keinen noch so unbedeutenden Effekt zeigte.
„Ich bin unbeeindruckt“, kommentierte der Prinz, der kurz innegehalten hatte, um das Geschehen zu betrachten.
„Dann seht und staunt!“, fauchte Boltrac, wobei er erneut die Arme in die Luft riss. Erneut füllte ein unerträglich lautes Zischen den Raum, das diesmal jedoch von einem gespenstischen Heulen untermalt wurde. Die große Kugel aus gespenstisch grünem Licht, welche über der Säule thronte, erstrahlte plötzlich in blendender Helligkeit, bevor ein tentakelartiger Strahl aus ihr hervorbrach und den Kristallschädel flutete. Dann riss der Strahl ab, worauf die Kugel wieder ein wenig verblasste.
Als Vanessas geblendete Augen sich erholt hatten, konnte sie jedoch eine zweite Lichtquelle ausmachen, die Boltracs überwuchertes Gesicht beleuchtete. Sie brauchte nur einen Augenblick, um zu erkennen, dass es der Schädel war, der nun in demselben gespenstischen Licht strahlte wie die unheimliche Kugel.
„Schlagt nur zu, Prinz!“, forderte der Hexer.
„Ihr scheint wahrlich ein Narr zu sein, Euch auf eine Macht zu verlassen, die bereits zweimal versagt hat“, spottete Lemorgant, bevor er das Scimitar hob und es dem Thanatoiker geradewegs ins Herz rammte.
Dieser leistete keinen Widerstand, als die breite, schartige Klinge durch seinen Brustkorb brach und eine grässliche Wunde in sein fahles Fleisch riss. Doch kein Blut rann aus ihr, nachdem der Prinz seine Klinge wieder aus dem Körper des Todesanbeters gezogen hatte, dessen schwarze Augen nun mörderisch funkelten, berauscht von der Macht.
Während Vanessa noch fassungslos beobachtete, wie der klaffende Riss auf seiner Brust einfach verschwand, schnellte er nach vorne und schmetterte den Prinzen mit unglaublicher Wucht von sich weg. Es riss ihn von den Füßen und schleuderte ihn rücklings auf den Boden, von wo aus er sich abrollte, sodass er binnen eines Augenblicks wieder auf den Beinen war.
Lemorgant hob erneut die schwere Klinge und auch dieses Mal schien Boltrac nicht an eine Parade zu denken, als er zuschlug. Das Scimitar raste in den Hals des Thanatoikers, während der Prinz so viel Kraft auf den Hieb verwand, dass er am Ende von seinem Ziel abgewandt stand. Er schnaubte kurz, bevor er merkte, dass das Gewicht in seiner Schwerthand deutlich nachgelassen hatte. Erstaunt starrte er auf den Griff des Scimitars, aus dem nur noch ein Stück der Klinge ragte, dampfend und eingeschmolzen.
Als er wieder zu Boltrac blickte, lachte dieser, dessen Wunden im Nu verheilt waren, voller Wahnsinn.
„Ich bin unsterblich!“, schrie er, wobei er Lemorgant einen weiteren Stoß unnatürlicher Kraft versetzte, der ihn erneut auf die Fliesen katapultierte.
„So verhält es sich absolut nicht!“, ächzte der Prinz, worauf er seinen Dolch zog und über den glatten Boden hinter Boltrac gleiten ließ.
Dieser blickte ihm kurz nach, gackerte spöttisch, nachdem nichts geschehen war, wandte sich wieder Lemorgant zu und blickte plötzlich auf die glänzende Spitze eines Bolzens.
Nur einen Augenblick später wurde abgedrückt und das Geschoss raste auf den Thanatoiker zu, genau in den kristallenen Schädel vor seiner Brust. Doch statt das schwarzmagische Artefakt in tausend Teile zerbersten zu lassen, verglühte der Pfeil in einer einzigen Stichflamme, als er den Kristall berührte.
„Du brauchst schon mehr als eine kleine Armbrust, um mich zu erledigen!“, höhnte Boltrac, doch der Prinz lachte nur, während er aus zu Schlitzen verengten Augen geradezu durch ihn hindurch zu starren schien.
Tatsächlich jedoch beobachtete er Vanessa, deren Tarnanzug sich wieder von der Kollision mit dem Boden erholt hatte, sodass sie nunmehr als ein kaum sichtbares Flackern hinter dem Hexer schwebte. Ein tödliches Funkeln, das mit Geisterhand den Dolch führte, den der Prinz hinter Boltrac hatte gleiten lassen. Langsam streckte sie die Klinge nach vorne, ihre Hand führte nur eine Intention, nur ein Ziel.
„Durchtrenne die Kette und der Träger verliert den Schädel und die Macht“, rann es durch ihren Kopf, während sie darüber nachdachte, dass diese Option schon ein wenig zu einfach war, zumal Boltrac sie noch nicht bemerkt hatte, stattdessen etwas in Lemorgants Richtung brüllte, das sie nicht verstand.
In einer einzigen, keinesfalls zittrigen Bewegung schob sie den Dolch sanft zwischen den Körper des Todesanbeters und die Kette, ohne dass dieser etwas davon merkte.
Dabei sah sie nicht, dass auch diese von einem schwachen gespenstischen Leuchten überzogen wurde.
Sie zog die Klinge mit einem Ruck zurück, der auf keinen Widerstand traf, denn als der Dolch gegen die verhakten Metallglieder stieß, wurde er ebenso eingeschmolzen wie Lemorgants Scimitar. Sich vorzumachen, der Hexer hätte ihre Aktion nicht bemerkt, wäre, das wusste sie, töricht gewesen. In Erwartung eines Angriffs ließ sie die deformierten Überreste ihrer Waffe fallen und sprang zurück, womit sie nur knapp einem mächtigen Rückhandschlag entging, der dort sein Ende fand, wo sich nur wenige Sekunden zuvor ihr Kopf befunden hatte.
„Was ist das für ein erbärmlicher Trick? Ein lächerlicher Hinterhalt?“, blaffte Boltrac, bevor er sich wieder Lemorgant zuwandte.
Doch der Prinz war verschwunden, sodass er auf die blanken, geschwärzten Fliesen starrte, aus denen sein entstelltes Spiegelbild zurückglotzte. Wohin er den Blick seiner Augen auch richtete, fand er nichts, keine Spur des gefallenen Prinzen oder seiner Gefährtin.
„Hab ihr Angst?“, höhnte Vanessa aus dem Verborgenen, um zu beobachten wie sich Boltracs massiger Schädel blitzschnell zu einem Ort drehte, an dem sie gar nicht stand.
Während er noch verwirrt ins Leere starrte, schlich Lemorgant mit seinem juwelenbesetzten Schwert, das er wieder aufgehoben hatte, in der Hand und einem sinisteren Plan im Kopf durch die Schatten, in welche die rückwärtige Seite des Raumes von der gewaltigen Säule in seiner Mitte getaucht wurde.
„Man muss die Quelle ausmerzen, nicht ihre Lakaien“, dachte er, als er eine schmiedeeiserne Leiter erreichte, die an der Säule und zum gespenstischen Leuchten hinaufführte, welches ihn mit beeindruckender, geradezu beängstigender Intensität anstrahlte. Schleifen fahl grünen Lichtes blitzten um sie herum, bevor sie sich wie finstere Fontänen selbst wieder in ihrem Inneren versenkten.
Langsam legte der Prinz seine Hände an die Sprossen und stieg zu der Manifestation sinisterer Macht hinauf, wobei seine geprellten Rippen schmerzvoll brannten. Doch nichts vermochte ihn aufzuhalten, sodass er sich Sprosse um Sprosse dem Ende näherte. Ächzend hievte er seinen geschundenen Körper über die Kante, stand schließlich auf dem Plateau über dem Säulenkopf, wo ihm die Kugel blendend entgegenfunkelte.
Als er in ihre Tiefen blickte, ertönte plötzlich eine Stimme im Inneren seines Schädels, unmenschlich und verzerrt:
„Dein Handeln ist falsch! Du beschwörst nur deinen Untergang hinauf. Fiondral muss vernichtet werden, oder alles ist verloren. Ich werde nicht fallen, Ihr werdet mich nicht aufhalten! Geht, verlasst diesen Ort, um Euer Verderben an einem anderen zu suchen!“
„Schweig still!“, zischte Lemorgant, bevor er seine Klinge hob, „Zweifel ist Gift“, sagte er sich ein letztes Mal und stach zu. Das silberne Schwert durchstach die Kugel ohne Widerstand, es glitt einfach in sie hinein und man hätte meinen können, dass es keinerlei Schaden verursacht hätte.
Für einen Moment verharrte der Prinz regungslos über dem gespenstischen Strahlen, in dem seine Klinge ruhte, bevor er beinahe unhörbare Worte formte:
„Herr, der du thronst in deinen heiligen Hallen der Gerechtigkeit, gib meinem Willen deine Stärke, auf dass er die Entartung der Finsternis vernichten kann, auf dass er Gerechtigkeit schafft. Erhöre mich!“
Kaum war sein Wort verhallt, riss er mit gewaltiger Wucht an seiner Waffe, worauf das fahl grüne Licht um die Klinge herumzüngelte, als wollte es sie zurückreißen. Der Widerstand wurde unerträglich, doch der Prinz zerrte weiter, sodass das schimmernde Silber Zentimeter für Zentimeter der Kugel entwisch, während sich immer mehr Strahlen wie gespenstische Schlangen um es wanden. Machtvoll hielt die dunkle Magie die Klinge zurück, schaffte es fast, sie wieder ein Stück in sich hineinzuziehen, doch Lemorgant hielt eisern dagegen.
„Diese Macht ist auf Schwäche gebaut, sie kann niemals siegen“, sagte er sich, bevor er erneut heftig an der Klinge riss, womit er das Schwert allerdings nur ein wenig weiter aus der Kugel herauszog.
Mit Schweißperlen auf der Stirn und eifrigen Gebeten auf den Lippen gelang es ihm, seine Waffe immer weiter aus der finsteren Umklammerung zu befreien.
Ein letztes Mal zerrte er am Griff und die Klinge brach aus der Kugel hervor. Zugleich ertönte ein ohrenbetäubender Schmerzensschrei, der jedoch so verzerrt und entfernt klang, als käme er geradewegs aus einer anderen Welt. Die Kugel leuchtete wie in einer Stichflamme einmal in blendendem, grellem Weiß auf, bevor sie in sich kollabierte und eine kleine, frei in der Luft schwebende, pechschwarze Masse bildete. Für einen Moment herrschte Totenstille, Lemorgant starrte auf das wabernde schwarze Objekt herab, Vanessa hatte ihren Kopf ebenso wie Boltrac zum Kopf der Säule gehoben, wo das Leuchten verloschen war, sodass der Raum nun in dämmrigem Zwielicht lag.
Dann brach urplötzlich ein einziger fahl grüner Blitz aus dem schwarzen Loch hervor und schlug wie ein unaufhaltbarer Bolzen in Lemorgants Brust ein.
Während sowohl der Blitz als auch die schwarze Masse verschwanden, wurde der Prinz aus der Realität hinausgetragen, um zu sehen. Dinge, die waren, und solche, die kommen sollten. Vergangenheit und Zukunft erstreckten sich vor ihm wie ein allumfassendes Meer, welches das Eiland Gegenwart überschwemmt hatte. Gespräche, Reisen, Kämpfe, Pläne, Kriege, Aufstieg und Fall rasten durch seinen Kopf, wo sie sich zu einer allumfassenden Antwort vereinigten, dem Sinn hinter den toten Magierinnen, den Seelenlosen, der Invasion, dem Dunklen Kult, dem Fall Fiondrals.
Die Vision verschwand so schnell, wie sie gekommen war, und die Realität riss ihn mit eisernen Klauen zurück. Die eisige Kälte der Halle peitschte ihm entgegen, bevor eine Sturmflut körperlicher Schmerzen über ihn hereinbrach. Seine Rippen geprellt, die Muskeln bis zum Verkrampfen ausgelastet, fühlte er sich wie ein wandelnder Toter, eine Marionette, die alleine sein Wille aufrecht hielt. Gebeugt stand er über dem Kopf der Säule, von der er hinabstarrte, um sein Werk zu betrachten.
Doch vor ihm in der Halle sah er nur Boltrac, vor dessen geblähter Brust immer noch der leuchtende Kristallschädel prangerte.
„Nein!“, zischte Lemorgant, der geglaubt hatte, die Vernichtung der Kugel würde ebenso zur Vernichtung des Thanatoikers führen. Boltrac jedoch lebte, obwohl er regungslos verharrte und den Prinzen anstarrte, dass es den Anschein machte, über seinem entstellten Gesicht läge tatsächlich ein Schleier der Angst.
Dann jedoch bemerkte Lemorgant, dass er nicht ihn anstarrte, sondern sein Schwert, das er, zum Boden gerichtet, lose in der Hand hielt. Auch sein Blick senkte sich auf die Klinge, die ihm in filigranen, gespenstisch grünen Flammen entgegenloderte.
Die Zerstörung der Kugel hatte sein Langschwert selbst zu einem schwarzmagischen Artefakt gemacht, eine Seelenklingen, wenn nicht sogar etwas Mächtigeres.
„Amüsant, dass nun ausgerechnet ich diese Klinge führen soll“, flüsterte er, während er angewidert die kaum sichtbaren Flammen betrachtete, die über das Silber züngelten.
„Ihr…Ihr wisst gar nicht, was Ihr da angerichtet habt!“, fluchte Boltrac.
„Es verhält sich wohl so, dass diese Kugel einen Wert für Euch hatte“, höhnte der Prinz, wobei er mit einem gewaltigen Satz von der Säule herunter sprang und vor Boltrac landete, der ihn anstierte wie ein beuteverrücktes Tier.
„Ich würde wahrlich gerne erfahren, ob Ihr Eurer eigenen Macht gewachsen seid“, lachte Lemorgant.
„Pah, Ihr werdet jetzt sterben! Ich werde Euch für das, was Ihr getan habt, mit Euren eigenen Eingeweiden erdrosseln!“, brüllte der Todesanbeter, worauf er ihm sabbernd entgegenstürmte.
Im letzten Moment wich er zur Seite aus, sodass der Hexer statt seines Schädels eine der Bodenplatten zerschmetterte. Er huschte elegant um Boltrac herum, als dieser sich gerade wieder erheben wollte, und versenkte seine Klinge in dessen Rücken. Die fahlen Flammen züngelten über den gesamten Körper des Thanatoikers, was ihn jedoch wenig zu beeindrucken schien.
Tatsächlich verheilten auch die Brandwunden in Sekundenschnelle, weshalb Boltrac fähig war, sofort zurückzuschlagen und Lemorgant mit einem heftigen Rückhandhieb auf den Boden zu befördern. Rücklings lag er auf den kalten Fliesen, sein Gesicht schmerzte bestialisch, Blut rann aus seiner lädierten Nase, während sich der Hexer über ihm aufbäumte. Zwei massige, aschgraue Hände waberten seiner Kehle entgegen, doch er wusste, dass sie ihn niemals erreichen würden. Lächelnd stach er sein Schwert nach vorne, ein letzter Stoß, der genau auf den Kristallschädel traf, welcher von der magischen Waffe zerschmettert wurde. Feine Splitter regneten auf den Prinzen herab, während Boltrac langsam zurücktaumelte und sich an die Brust fasste, wo sein Schwert ihn durchbohrt hatte.
Angsterfüllt weiten sich die schwarzen Augen, bevor die gespenstisch grünen Flammen aus der Wunde über die entstellte Haut züngelten und das verderbte Fleisch verzehrten, bis nur noch ein Haufen Asche verblieb.  Keuchend erhob sich Lemorgant und starrte sowohl auf seine Waffe als auch auf das grauenvolle Werk, das sie vollbracht hatte. Dann ließ er die Klinge in die Scheide zurückgleiten, lud seine Armbrust nach, reckte sich und ließ den Schmerz seiner pochenden Rippen langsam verklingen.
„Ihr könnt rauskommen, Leutnant. Wie Ihr sicher festgestellt habt, ist die Vorstellung beendet“, lachte er.
Aber Vanessa antwortete nicht und schon gar nicht hatte sie vor, sich zu enttarnen. Langsam schlich sie sich von hinten an den Prinzen heran, wie sie es bereits bei den Todesanbetern im Flur getan hatte. Sie sah bereits, wie sich ihre Hände um Lemorgants Schädel legen würden, fühlte sich den Ruck ausführen und hörte das Knacken des gebrochenen Genicks.
„Du wirst ihn einfach umbringen. Es ist ganz leicht, töte ihn und nimm seine Waffe. Tu, was Navaras dir befohlen hat“, sagte sie sich, während sie zugleich darauf achtete, so leise wie möglich über die steinernen Platten zu schleichen.
„Ach ja“, seufzte der gefallene Prinz plötzlich, „Ich hätte beinahe vergessen, dass man Euch den Auftrag gab, mich zu töten.“
Sie stockte. Mit einem Mal war sie starr, unfähig jeder Bewegung, während sich ihr Gegenüber langsam umdrehte. Ihre Augen weiteten sich, als sie auf den glänzenden Bolzen starrte, der in seiner Armbrust lauerte und genau auf ihr Gesicht gerichtet war.
„Was ist schief gelaufen?“, fragte sie sich, „Es muss der Anzug sein, er hat Schaden genommen. Er hat mich kommen sehen. Aber woher hätte er wissen sollen…“
„Wisst Ihr“, lachte Lemorgant, während er auf die Anomalie starrte, für die sich sein Blick geschärft hatte, „Euresgleichen kann man nicht trauen. Euer Meister besaß nicht einmal den Anstand, seine Falschheit zu verhehlen. Selbst wenn Ihr nicht den Befehl habt, mich umzubringen, ändert das nichts an dem Entschluss, den ich bereits bei unserer Abreise fasste: Ich kooperiere nicht mit dem Abschaum der Menschheit. Ihr müsst sterben!“
„Aber ich…“, schrie sie, doch es gab keine Gnade.
Der Prinz betätigte den Abzug, ein präzise gearbeiteter Mechanismus setzte sich in Gang, an dessen Ende der Bolzen aus der Waffe herausgeschleudert wurde, geschaffen, eine perfekte Gerade zu fliegen.  Ein Mechanismus, der allein ihren Tod bezwecken sollte.
Sie warf sich zu Boden, dann biss der Schmerz in ihre Schulter.
Obwohl sie der direkten Schussbahn des Pfeils entkommen war, hatte dieser doch ihren linken Oberarm aufgeschlitzt. Blut tropfte aus der Wunde, von wo aus es über den enganliegenden, schwarzen Anzug rann, der augenblicklich jede Tarnfähigkeit verlor. Während sie noch ächzend auf dem Boden lag, kam der Prinz langsam näher.
„Seht, ich werde die Gnade aufweisen, Euch den Tod durch eine schwarzmagische Waffe zu ersparen“, sprach er, worauf er damit begann, seine Armbrust nachzuladen. Ängstlich sah sie dabei zu, wie er einen Bolzen aus dem schmalen Köcher an seinem Gürtel nahm und in die Vorrichtung einspannte.
„Du musst aufstehen, du kannst es schaffen!“, harschte sie sich an, während Lemorgant über sie trat, um ihr den Gnadenschuss zu geben.
„Nein!“, schrie sie, sprang auf und schnellte nach vorne, wobei sie ihm die Waffe aus der Hand schlug, die klirrend zu Boden fiel. Ein weiterer Stoß warf ihn ein Stück zurück, brachte ein wenig Raum zwischen die beiden.
„Ich benutze diese Waffe wirklich nicht gerne“, zischte er, dessen Hand bereits auf dem Griff seines verfluchten Schwertes lag.
„Ihr hättet sie benutzen sollen, als Ihr es konntet. Ihr hättet mich töten sollen, als Ihr es konntet!“, fauchte sie, bevor sie sich blitzschnell umdrehte und losrannte. Sie sah nur noch nach vorne, hörte hinter ihr die schweren Stiefel auf den Stein schlagen, hörte das Zischen der züngelnden Flammen, als die Klinge gezogen wurde.
Doch sie wusste, dass der Prinz in seiner Rüstung nach all den Treffern, die er hatte einstecken müssen, nicht so schnell war wie sie. Sie lief an der Wand entlang, bis sie das Tor erreichte, stürmte in den Korridor, hastete hindurch bis zur Treppe und blickte noch einmal zurück. Der Prinz war am anderen Ende des Ganges stehen geblieben, viel zu weit entfernt, um Ihr noch gefährlich werden zu können.
„Ihr werdet nicht ewig davonlaufen können“, spottete er, während sie bereits weiter rannte.
Er jedoch wusste, dass es sinnlos war, ihr zu folgen, da sie schneller wieder im nahen Dorf und bei ihren Pferden sein würde als er.
„Schade um den Schimmel“, dachte er in der Gewissheit, dass sie sein Pferd entweder freilassen oder töten würde. Aber er war sich sicher, dass die Todesanbeter ihre eigenen Pferde hatten, und so begab er sich tiefer in die Eingeweide Narbenfels‘.
„Wer sollte schon fähig sein, mich aufzuhalten?“, höhnte er innerlich, während seine Rechte auf dem Griff seiner verfluchten Klinge ruhte.

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