Die Stadt Galor ragt als letzte Festung aus dem Trümmerfeld auf, in das die Invasion der Orks den Kontinent Fiondral verwandelt hat. Flüchtlinge aus allen Ecken und Enden des Landes suchen Zuflucht hinter den dicken Mauern. Doch während sich die feindlichen Heerscharen unter den hohen Zinnen sammeln, zerfressen Zwietracht und Hass die Reihen der Verteidiger, bis es schließlich an wenigen wackeren Streitern liegt, das Schicksal aller zu bestimmen. (Weitere Kapitel folgen in Kürze) Titelbild: "Einsturzgefahr" by "Paulo Claro" Some rights reserved. Quelle: www.piqs.de
14. Mondweihe. 52 n.V.
Die Gegend, in der die Festung der Todesanbeter lag, war ein dunkler und unwirtlicher Ort, über dem schwer die schwarzen, milchigen Wolken hingen, die sich an diesem Nachmittag aber keines Regentropfens erbarmten. Den Wegesrand säumten Siedlungen, die man errichtet und wieder abgebrochen hatte, Felder die bestellt und wieder verdorrt waren, steinerne Statuen, deren Gesichter der saure Regen zu entstellten Fratzen zerfressen hatte, verdorrte Bäume, nur noch Hüllen ohne Kern.
Am Ende der Straße, die dunkles Gestrüpp überwucherte, thronte ein gewaltiges Felsmassiv, aus dem sich die Ruinen eines alten, steinernen Turms erhoben, wie eine Hand, die sich ein letztes Mal aus dem Sumpf streckt, in dem sie versank:
Narbenfels, kein Name hätte jenes zerklüftete Massiv besser treffen können, ein von Schwefel und dem messerscharfen Wind zerfressener Berg, der eine tote Landschaft überschattete.
Vanessa und Lemorgant führten ihre Pferde bis an den Rand des Massivs, wo sich ein letztes verlassenes Dorf befand, in dem sie rasten wollten. Da das Licht selbst fahl war, wirkte alles seltsam blass, die alten Fassaden, die morschen Holzbalken, die zerbrochenen Pflastersteine, die matten Scheiben. Obwohl jedes Leben diesen Ort verlassen hatte, schien die Leere doch eine eigene Existenz zu besitzen, die aus jedem gähnenden Eingang und jedem verdunkelten Fenster starrte.
Nachdem sie ihre Pferde angebunden hatten, kehrten die beiden Gefährten in einen alten Gasthof ein, der unter den umstehenden Gebäuden noch den besten Eindruck machte. Hinter der Tür erwartete sie ein schäbig möblierter Schankraum, den etliche Staubfäden und Spinnenweben zierten, obwohl keine einzige Spinne zu sehen war.
Alle Regale hatte man säuberlich geleert, sodass es keine Flaschen oder Konserven verblieben waren. Lediglich aus einem großen, leicht angesengten Fass tropfte in langatmiger Frequenz ein wenig schales Wasser. Wer auch immer diesen Ort einst bewohnt und wieder verlassen hatte, war selbst dazu bereit gewesen, die Kerzen aus ihren Ständern zu entfernen und mitzunehmen.
Nachdem Lemorgant seinen Blick über die heruntergekommene Einrichtung hatte schweifen lassen, ging er zu einem Tisch hinüber und trat heftig gegen einen daneben stehenden Stuhl, der darauf um- aber nicht auseinanderfiel.
„Was soll das?“, zischte Vanessa.
„Ich habe mir lediglich Gewissheit darüber verschafft, dass ich nicht einbreche, wenn ich mich auf diesem Stuhl niederlasse“, erklärte der Prinz, während er den Stuhl wieder aufstellte, um sich anschließend darauf zu setzen.
„Ihr hättet damit jemanden auf uns aufmerksam machen können“, entgegnete sie.
„Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass die Todesanbeter diesen Landstrich überwachen“, höhnte er, während er eine Weinflasche entkorkte, die er zuvor aus einer Satteltasche seines Schimmels entnommen hatte.
„Sie wären dumm, wenn sie es nicht tun würden“, konterte Vanessa, deren Blicke weiterhin an den Wänden des Schankraum zirkelten.
„Ich nehme an, sie halten ihre Präsenz und diese Gegend für abschreckend genug. Außerdem haben sie hier keine Feinde, zumindest keine, von denen sie wüssten“, gab er gelassen bei einem Schluck roten Weins zurück.
„Denkt Ihr, Ihr könnt einfach in Narbenfels herein spazieren, ohne dass Euch jemand aufhält?“, sie hob spöttisch eine Augenbraue.
„Ich muss gestehen, eben das lag mir im Sinn“, lachte er.
„Das ist irrsinnig!“
„Habt Ihr einen anderen Vorschlag?“
„In der Tat…ich werde das Gebiet für Euch auskundschaften, damit wir nicht blind in das Maul des Löwen laufen“, antwortete sie.
„So? Solltet Ihr mich wirklich gerade davon abhalten wollen, weiter nach Narbenfels zu ziehen, nun aber planen, alleine dorthin zu gehen?“
„Im Gegensatz zu Euch besitze ich das hier“, sagte sie mit einem Grinsen, bevor sie mit der Linken in ihren Rucksack griff und erstaunlicherweise nichts herauszog.
„Euer Gehabe ist kindisch“, zischte Lemorgant, bevor er wahrnahm, dass sich unterhalb ihrer Hand kaum sichtbare Schlieren bewegten, wie sie vom Aufsteigen erwärmter Luft verursacht wurden.
Einen Moment lang stockte er, um anschließend wieder das Wort zu ergreifen:
„Ein Tarnanzug also.“
Sie nickte neckisch:
„Jetzt habt Ihr wohl nichts mehr gegen meinen Vorschlag?“
„So verhält es sich“, gestand der Prinz, worauf sie andeutete, dass sie sich nun zurück- und umziehen würde.
Als sie ging, kündigten dies nur ein schwacher Luftzug und ein hämisches „Bis später“ an.
Ferrens Trupp lagerte irgendwo mitten in der Wildnis, ohne dass jemand auch nur die leiseste Ahnung hatte, wo sich dieser Ort auf der Karte befand, aber zumindest hofften sie, dass es ihren Verfolgern genauso ging. Beim Verlassen der Stadt war ihre Maskerade aufgeflogen und sie hatten sich im Anschluss eine halsbrecherische Verfolgung mit einigen Reitern der Verräter liefern müssen, denen sie jedoch aufgrund ihrer beiden Magier entkommen waren.
In ihrem Lager, das auf einer Lichtung in Mitten eines weiten Laubwaldes lag, wurde bereits wieder über die Orks gescherzt, während Slemov und Ilar beiläufig Geschichten aus ihrer Heimat erzählten, die sogar Baraj ein Lächeln entlockten.
Ferren hingegen stand zusammen mit Janus am Rande der Lichtung, wo der Mönch ihm zuvor von den Geschehnissen im Hauptquartier der Verräter und somit auch von Olafs Tod berichtet hatte.
„Ja, er ist gefallen“, hatte Janus ihm mit bitterer Stimme eröffnet, „und es tut mir leid, aber ich hoffe, Ihr versteht mich, wenn ich darüber, nicht…noch nicht sprechen möchte. Ich kann Euch aber versichern, dass er sein Leben…sein Leben im Dienste Galors gab.“
Die Antwort des Mönches war mitnichten das gewesen, was der Leutnant sich erhofft hatte, doch trotz langen Nachhakens hatte sein Gegenüber ihm jede weitere Antwort verwehrt.
„Ich werde dann mal nach Slemovs Wunde sehen, wenn Ihr erlaubt“, sagte Janus.
„Natürlich, Bruder“, gab Ferren matt zurück, worauf sich der Mönch unter einer Verbeugung zu den anderen begab.
Der Leutnant hingegen ließ sich auf einen Buchenstumpf sinken, von dem aus er in das Lager zurückstarrte.
„Sieben gute Kämpfer hat diese Mission schon das Leben gekostet“, dachte er, „Und noch sind wir endlos weit von der Ostküste entfernt…wie kann ich noch glauben, dass jemals einer von uns diesen Strand erreichen wird?“
Resignierend senkte er den Blick zu Boden und starrte in das saftgrüne Gras, weshalb er nicht bemerkte, dass sich ihm jemand genähert hatte.
„Hey“, sagte eine sanfte Stimme, die ihm sehr wohl bekannt war. Er musste gar nicht hinsehen, um zu wissen, dass es Ariona war, die nun neben ihm stand.
Dennoch tat er es.
„Hey“, gab er gedehnt zurück, während er sich wieder von dem Buchenstumpf erhob und sie ansah.
Er starrte sie an, sie starrte zurück, und für einen Moment war es vollkommen belanglos, wie aussichtslos die Lage war. Bitterkeit, Verdruss, Zweifel, Angst, Trauer und Zorn flogen dahin, bevor sie sich nur einen Augenblick später in den Armen lagen.
„Du…du hast mir das Leben gerettet“, flüsterte sie in sein Ohr.
„Keine Ursache“, entgegnete er lächelnd, „Außerdem tat es verdammt gut, in Tymaleaux‘ Visage zu prügeln.“
Sie lachte ihn an, worauf sie sich wieder auf dem Stumpf niederließen, auf dem eng zusammenrücken mussten, um beide draufzupassen.
„Dieser Bastard hat es verdient“, seufzte Ariona zufrieden, „Schade, dass er entkommen konnte.“
„Tja“, murmelte Ferren, während er sie im Arm hielt und zum Himmel blickte, „Beim nächste Mal.“
Dann sprudelte es nur so aus ihm heraus. Sie unterhielten sich über alles Mögliche, über seine Zeit in Skatria und ihr Leben in Iskat, über die Flucht nach Galor, über die Religionen, die Ledrianer und die Invasion.
Irgendwann lenkte Ariona das Gespräch wieder auf die jüngsten Ereignisse zurück und erzählte Ferren, was ihr im Kerker mit dem Todesanbeter widerfahren war.
„Du hast gegen einen Todesanbeter gekämpft und hast ihn besiegt?“, ächzte Ferren, „Das ist unglaublich!“
„Ja, es ist…nein…es, das alles hätte eigentlich gar nicht, gar nicht so passieren dürfen“, stotterte sie, „Ich weiß nicht…ich bin nur eine Novizin, das ergibt alles keinen Sinn.“
„Du meinst die Sache mit dieser, dieser Seelen…Seelenklinge?“, erkundigte er sich.
„Ja, genau…ich kann mir da einfach keinen Reim darauf machen. Ich weiß nicht viel über Seelenmagie…damit beschäftigen sich ausgebildete Magier, aber doch keine Novizen“, erklärte sie.
„Dann frag doch Ilar oder Truzos“, schlug er nach kurzem Nachdenken vor, bei dem er sich eingestehen müsste, als normaler Soldat gar nichts über Schwarze Magie zu wissen. Auch der Name Algaz kam ihm mitnichten bekannt vor.
„Hm, Ilar ist selbst nur ein Novize und Truzos ist ein verdammter Idiot. Er würde mich auslachen, wenn ich ihn danach frage.“
„Einen Versuch ist es doch wert“, wandte er ein.
„Hm“, sie seufzte gedehnt, während sie sich stärker an seinen Arm lehnte, „Ja, du hast wahrscheinlich Recht…ich werde ihn fragen. Irgendwann.“
Die Nacht vermochte kaum, die Entstellungen zu kaschieren, welche die Natur und die schwarze Verderbnis Narbenfels zugefügt hatten, denn mit ihr war das fahle Licht des Vollmondes erschienen und hatte sich über den zerklüfteten Landstrich gelegt wie ein Leichentuch, sodass alles nun noch gespenstischer und lebloser wirkte als am Nachmittag.
Lemorgant stand unterhalb einer rauen, aschgrauen Felswand und starrte auf das gewaltige Abflussrohr, welches aus dem Stein hervorragte. Versperrt mit einem rostigen Eisengitter wirkte es wie ein augenloser Schlund, aus dem sich langsam ein Rinnsal stinkender, schlammiger Brühe in ein ausgetrocknetes Kiesbecken darunter ergoss.
Es war still, totenstill.
Offenkundig gab es an diesem Ort weder Nachtvögel noch Grillen oder sonst irgendein Tier, sodass das einzige, was der Prinz hören konnte, das Tropfen der schlammigen Brühe aus dem gewaltigen Abflussrohr war, gelegentlich unterbrochen von Vanessas leisen Atemzügen. Er konnte sie nicht sehen, vermutete aber, dass sie etwa einen Meter rechts von ihm am Kiesgraben stand.
Sie war vor etwa einer halben Stunde zum Gasthaus zurückgekehrt und hatte ihm berichtet, einen unbewachten Weg in den Narbenfels gefunden zu haben, worauf sie sich zu diesem Ort begeben hatten, einem Kanal, der laut Vanessa in die Tiefen des verklüfteten Massivs führte.
Der Prinz betrachtete das rostige Gitter, welches den Eingang versperrte, abwertend, wobei er feststellte, dass einige der Gitterstreben stark verbogen waren. Anscheinend hatte die schlammige Flüssigkeit sie so stark zerfressen, dass man sie einfach auseinanderschieben konnte. So, schätzte er, hatte Vanessa sich bei ihrer Erkundungstour Zutritt zu den Kanälen dahinter verschafft.
„Ich lasse Euch gerne den Vortritt“, sprach er einfach geraderaus, da er nicht genau wusste, wo sich seine Gefährtin momentan befand.
„Wie Ihr wünscht, Prinz“, zischte sie von seiner Rechten her, worauf die kaum sichtbare Luftanomalie, die einzig auf ihre Anwesenheit hindeutete, in Richtung der Röhre verschwand.
Lemorgant folgte dem Flimmern, zwängte sich durch die Gitterstäbe und fand sich in einem übel riechenden, modrigen Kanal wieder, dessen Wände aus kaltem, grauem Stein waren. Licht gab es keins, sodass der Gang schon nach wenigen Metern gänzlich von der Dunkelheit verschluckt wurde.
„Hattet Ihr einen Grund dafür, mir nicht zu sagen, dass wir eine Fackel brauchen würden?“, blaffte er.
„Nein“, schallte ihre neckische Stimme ein ganzen Stück vor ihm, „Kommt nach, ihr verliert mich noch.“
Ohne zu zögern begab sich der Prinz in das Universum von Dunkelheit und Gestank.
Das Fehlen des Lichtes schien den beißenden Verwesungsgeruch, der von der schlammigen Gülle ausging, nur noch zu verstärken, aber er würde ihn, so wusste er, nicht aufhalten. Schnellen Schrittes stapfte er in seinen schweren Drachenlederstiefeln durch den Stollen, während Vanessas gedämpfte Schritte wenige Meter vor ihm erklangen.
Der Kanal führte tief in den Fels hinein und Lemorgant schien es, als würde sich der Leichengestank mit jedem Meter, den sie weiter vordrangen, stärker in seine Atemwege beißen. Schließlich, als es fast unerträglich war, begann der Gang anzusteigen.
„Macht Euch auf was gefasst“, warnte Vanessa, während sie der Stiege folgten.
Tatsächlich stellte der Prinz sehr bald fest, dass sie mit ihrer Warnung keineswegs untertrieben hatte. Er trat über die Schwelle, womit er sich am Boden einer trichterförmigen Grotte wiederfand.
Der Verwesungsgeruch war hier sogar noch stärker als in der Röhre, denn schon auf dem fahlen Fels am Boden der Grotte klebte geronnenes Blut und einige kleinere Leichenteile zierten den Grund. Über ihren Köpfen hing auf halber Höhe der Höhle ein Netz aus groben, armdicken Tauen, das die grauenhafte Last etlicher Leichen trug. Mit leeren Augenhöhlen blickten sie aus ihren entstellten, leblosen Gesichtern zum Grund hinab, wo Vanessa und Lemorgant reglos wie Statuen standen.
Verstohlen sah sie in sein Gesicht, dessen blasse Haut und die finstere Augen keine Gemütsregung verrieten.
Der Prinz starrte mit demselben toten Ausdruck zu den Leichen hinauf wie sie auf ihn hinab. Dann entdeckte er eine fahle Gestalt, die langsam zwischen den Kadaverhaufen umherschlurfte. Nachdem er sie ein wenig beobachtet hatte, erkannte er, dass es sich um einen grotesken Ork mit ausgeblichener Haut handelte.
Darauf reagierte er prompt, indem er seine Pistolenarmbrust zog, anlegte und nur eine Sekunde später feuerte. Der Pfeil zerriss Luft und Fleisch, sodass den Leichenbergen bald ein weiterer Kadaver hinzugefügt wurde.
Während der Prinz noch seine Waffe nachlud, um sie anschließend wieder in die Halterung an seinem Gürtel zurück zu stecken, erklomm Vanessa bereits mit bloßen Händen die schartige Wand der Grotte, ohne dass er sie in ihrem Tarnanzug bemerkte.
„Ich gehe hoch“, gab sie zu verstehen.
Als sie das Netz schließlich von unten erreicht hatte, zögerte sie jedoch. Etwas in ihrem Inneren hielt sie davon ab, den letzten Griff zu tun und sich auf die Taue hinauf zu ziehen. Nicht wissend, ob es nun der pure Ekel, der beißende Verwesungsgeruch oder die schiere Angst vor dem, das dort oben noch warten konnte, war, hing sie reglos an der Felswand, bis sie schließlich langsam eine Hand um das armdicke Tau über ihr schloss. Geronnenes, schwärzliches Blut bedeckte dessen ganze Oberfläche.
Achtsam zog sie sich hinauf, worauf sie sich in einer Wolke des Verwesungsgeruchs wieder fand, die alles zu umgeben sich. Ihre Augen verdrehten sich, der Gestank schickte sie zu Boden und es gelang ihr gerade noch, sich mit letzter Kraft in eines der Taue zu krallen, um nicht in die Grube zurückzustürzen. Es dauerte eine Zeit, bis sie es schaffte, sich wieder aufzurappeln.
Die Hand schützend vor Mund und Nase haltend, stolperte sie zwischen den Kadaverhaufen hindurch, wobei sie nach jedem wackligen Schritt einen Blick über ihre Schulter warf.
„Hat sich da gerade etwas bewegt? Da hat mich doch jemand angesehen“, sie verharrte, während sie ihren Blick über die unzähligen Leichen schweifen ließ. Sie waren allesamt nackt, der Großteil von ihnen weiblich. Im fahlen Halbdunkel der Grotte wirkte ihre Haut farblos, ihre Extremitäten waren oftmals auf groteske Weise verdreht, mit weit aufgerissenen Lidern starrten sie aus pupillenlosen, milchig weißen Augen ins Leere.
Vanessa Firani hatte schon einiges gesehen, doch nun stockte ihr Atem. Unter dem enganliegenden Stoff des Tarnanzugs perlte kalter Schweiß auf ihrer Haut, aus der jede Farbe gewichen war. Keuchend nahm sie einen tiefen Atemzug, der Unmengen bestialisch stinkender Faulgase in ihre Lungen beförderte.
Sofort presste sich die Schwärze auf ihre Augen, bevor sie den Boden unter den Füßen verlor und zur Seite wegkippte. Sie sah und spürte nichts mehr, als ihr Körper der Länge nach auf die dicken Taue klatschte.
„Madam Firani?“, ertönte Lemorgants Stimme noch, „Ihr gedenkt doch nicht etwa, mich hier unten warten zu lassen?“
Entgegen seiner Erwartungen gab es keine höhnische Antwort, stattdessen herrschte weiterhin Stille.
„Nutzlos!“, kommentierte der Prinz, nachdem er eine Weile gewartet hatte, leise, bevor er selbst zu der rauen Felswand hinüber trat, seine behandschuhten Hände in den Rissen über ihm versenkte und sich langsam nach oben zog.
Obwohl Drachenhaut in Relation zu den meisten Rüstungsmaterialien extrem leicht war, hing sie doch zusammen mit Wappenrock, Umhang und Waffen schwer an Lemorgant, sodass sein Aufstieg eine recht unangenehme und langwierige Prozedur wurde, zumal er sich nicht sonderlich gut aufs Klettern verstand. Dennoch schaffte er es schließlich, das Netz zu erklimmen.
Gemächlich sog er die Faulgase durch seine Nüstern ein und blies sie wie den Qualm einer Zigarette wieder aus seinem Mund heraus, ohne dabei auch nur einen Hauch von Ekel zu zeigen.
„Dieser Gestank wird mich nicht aufhalten“, spottete er in Gedanken, während er die Grotte nach seiner Gefährtin absuchte.
Sekunden später entsann er sich jedoch, dass seine Augen ihm bei dieser Suche nichts nützen würden, trug Vanessa doch immer noch ihren Tarnanzug.
Missmutig setzte er vorsichtig einen Schritt nach vorne über das Netz und betrachtete beiläufig einen der Leichenhaufen, wobei ihm, neben den blinden Augen auch noch eine lange, pechschwarze Narbe auf der Herzseite auffiel, die einen jeden Kadaver brandmarkte. Langsam ging er weiter, bis er mit seinem schweren Drachenhautstiefel gegen einen unsichtbaren Widerstand trat.
Mit spöttisch verzogener Miene ging er in die Hocke, um anschließend mit der behandschuhten Linken über die Konturen des nicht sichtbaren Objektes zu streichen.
Vorsichtig ertastete er Vanessas Kopf, von dem er anschließend die hauchdünne Maske des Tarnanzugs löste. Nachdem er ihr hübsches Gesicht freigelegt hatte, griff er in die kleine, lederne Tasche, die seitlich an seinem Gürtel befestigt war und förderte eine Phiole mit Azurgeist zu Tage.
Anschließend klappte er den Mund des Leutnants auf und träufelte eine geringe Menge des Elixiers hinein.