Welt der Schatten
"Lebt sie noch?", ´drang eine fremde Stimme durch die Finsternis zu mir und war so ziemlich das Einzige, das ich wahrnahm. Scheinbar war ich irgendwie verwundet worden wobei auch immer.
Eine zweite Stimme ertönte und meinte mit einem Mix aus Teilnahmslosigkeit und Belustigung: "Die ist tot. Ist zwar schade um das süße Gesicht, aber naja. Lassen wir sie liegen. Die Bullen kümmern sich schon um die."
"Ich lebe noch!", wollte ich den Beiden entgegen schreien, doch es drang kein Wort aus meiner Kehle, von der ich mir nicht mal sicher war, ob sie noch unversehrt war. Immerhin spürte ich sie nicht mehr.
"Wird wohl das Beste sein...", murmelte die erste Stimme und klang dabei seltsam routiniert, aber auch schwermütig, "Wie immer."
"Wie immer.", bestätigte die andere Stimme, "Und ich war mir so sicher, dass sie eine von uns ist. Dabei ist sie nur eine Hollow Soul."
Resigniertes Seufzen, dann einige Zeit völlige Stille. Keine Schritte, keine Stimmen. Nicht mal das Geräusch des Windes in den Blättern der dürren Bäume, die man an den Straßenrand gepflanzt hatte, um "die Stadt etwas zu verschönern", wie es von den Politikern genannt wurde. Aber ehrlich gesagt hilft bei diesem Drecksloch, das sich Großstadt nennt, nichts mehr. Schon gar nicht irgendwelches halb verwelkte Grünzeug, das beim nächsten Sturm nur zerstört werden würde und Unsummen an Geld kostete.
Als ich auch nach einer halben Ewigkeit keine sich entfernenden Schritte hörte, versuchte ich, die taubheit zu besiegen, die mich gefangen hielt. Zuerst spürte ich immer noch nichts, dann einen dumpfen Schmerz, der langsam immer klarer und stechender wurde. Wenig später nahm ich eine warme, zähflüssige Substanz war, die sich überall um mich herum ausbreitete.
Langsam schleichend übermannte mich blanke Panik und ich riss die Augen auf.
"Unfähige Hohlköpfe. Sie lebt noch.", murmelte ein junger Mann mit silbernen Haaren und strahlte mir das helle Licht einer Taschenlampe in die Augen, "Hm.. Reaktionszeit ist etwas verlangsamt, die Puppillen stark geweitet.."
"Und das heißt für uns, Besserwisser?!", knurrte ein weiterer Typ mit leuchtend roten Haaren gereizt und lehnte sich an die nächste Wand.
Der Silberhaarige sah seinen scheinbar cholerischen Kollegen kurz an: "Dass du versagt hast,. Scheinbar sinkt dein Niveau langsam, Laif."
Ein Seufzen erklang links neben mir und ein weiterer Kerl mit dunkelblauen Haaren kniete sich neben mich: "Haltet doch beide einfach die Klappe."
"Schau an! Der Moralapostel meldet sich auch mal wieder zu Wort!", feixte der Typ, der scheinbar Laif hieß und erntete einen vernichtenden Blick vom Blauhaarigen.
"Was meinst du, Hal? Ist sie eine von uns?", fragte der Silberhaarige.
Der Blauhaarige legte seine warme Hand auf meine Stirn und schloss die Augen: "Ich kann es sehen.... Der Löwe mit der Mähne aus Feuer.... und.... Der Adler mit den Schwingen aus Blitzen... Sie ist es... der Nachtkriecher..."
"Na dann packen wir die Kleine ein und nehmen sie mit. Ganz einfach.", schloss Laif die seiner Meinung nach scheinbar sinnlose Unterhaltung.
"Du hast sie fast umgebracht, falls es dir noch nicht aufgefallen ist, du Armleuchter.", gab der Silberhaarige zurück.
Laif gab einen furchtbar animalischen Laut von sich: "Dann gib ihr doch deinen Wundersaft, Phyrron! Das würde mal helfen, im Gegensatz zu deinen neunmalklugen Reden!"
Also hieß der Silberhaarige wohl Phyrron. Warum haben die alle so komische Namen? Und was hatte das vorhin mit dem Nachtkriecher zu bedeuten?
Phyrron kniete sich neben mich und träufelte mir eine bittere Flüssigkeit in den Mund.
Erst brannte mein ganzer Körper, dann wurde alles schwarz
