Der achte Teil der ersten Episode.
Frische Luft kitzelte ihre Nase, als Joy Kyrill ins Freie folgte. Die Tür zum Kerker schloss sie möglichst leise hinter sich und wandte sich dann wieder an Kyrill.
„Du kennst nicht zufällig einen anderen Weg in den Palast, als den Haupteingang?“, fragte er.
Nervös schüttelte Joy den Kopf.
„Ich wurde direkt hier her geführt.“
„Schade. Das hätte uns geholfen... Aber egal. Ich wurde der Witzfigur von König bereits zwei Mal vorgeführt. Von daher habe ich eine Vorstellung, wie es innerhalb der Eingangshalle aussieht.“
Joy fasste sich ans Handgelenk und fragte mit einem ungläubigen Ausdruck in den Augen:
„Das ist nicht dein Ernst? Du willst durch den Haupteingang in den Palast einbrechen? Du bist verrückt! Das kann doch nur schief gehen!“
Amüsiert verzogen sich seine Mundwinkel zu einem gefährlichen Lächeln, als er erwiderte:
„Hast du einen besseren Vorschlag? Wir sind schon aus unseren Zellen ausgebrochen. Warten wir, werden die Wachen uns jagen und es wird schwer überhaupt an den König ran zu kommen. Aber jetzt haben wir den Überraschungsvorteil. Schaffen wir es unbemerkt zu ihm zu kommen, sind wir schon so gut wie zu hause.“
„Und wie willst du ihn bitte finden? Wir haben doch keine Ahnung, wo sein Zimmer ist!“
„Das ist das kleinste Problem.“
„Huh?“
„Wir folgen einfach dem Prunk. Glaub mir. Wahrscheinlich ist sein Gemach sogar das goldene Zentrum des Ganzen Palasts“, erklärte Kyrill selbstsicher. Doch Joys Blicke sprachen weiterhin von Unbehagen und Angst. Er musterte sie noch einen Augenblick, dann meinte er:
„Also ich gehe. Du kannst gerne irgendwo warten, bis ich dich wieder auflese. Es könnte nur ein bisschen dauern.“
Verdattert blinzelte Joy, senkte dann aber ihren Blick und meinte kleinlaut mit hängenden Ohren:
„Dummkopf... Ich will nicht alleine sein... Nicht in dieser Welt, nicht mit diesem Körper, nicht bei all den kranken Wünschen, die in dieser Stadt ihre Erfüllung gefunden haben...“
Dann warf sie ihm einen glühenden Blick zu und sagte:
„Außerdem bist du es überhaupt erst schuld, dass ich hier gelandet bin! Du hast die Pflicht auf mich aufzupassen! Du darfst mich nicht alleine lassen!“
Ihm entschlüpfte ein leises Lachen, während er sich umdrehte und den ersten Schritt in Richtung des Haupttors machte.
„Wie mein Kätzchen wünscht. Halt dich dicht hinter mir und versuch keine Geräusche zu machen. Wenn es zu einem Kampf kommen sollte, werden wir ein großes Problem haben.“
Wieder nickte Joy und heftete sich an seinen Rücken.
Schleichend erreichten sie das Haupttor und entdeckten einen einzigen Soldat, der breitbeinig den Eingang bewachte. Kyrill lugte noch um die Ecke der Mauer, als Joy bereits flüsterte angespannt:
„Und was machen wir jetzt, Herr Schlaumeier?“
Doch Kyrill drehte sich nur zu ihr um, bedeutete ihr leise zu sein und wandte sich dann wieder der Wache zu. Sein Finger beschrieb zuerst einen großen und dann einen etwas kleinere Kreis. Wieder bildete sich der schwarze Nebel, der sich jedoch diesmal immer weiter verdichtete, bis der Raum zwischen den beiden Kreisen von einem tiefen, schier undurchdringlichen und glatt wirkenden Schwarz erfüllt war. Joy schluckte und starrte gebannt auf das Gebilde, als Kyrill es mit einer Handbewegung in die Höhe schickte und über den Soldaten manövrierte.
„Du wirst doch nicht...“, stieß Joy entsetzt aus, doch da war es schon zu spät. Innerhalb eines Wimpernschlags hatte Kyrill die Schlinge über den Helm des Soldaten gleiten lassen und sie bis zu seinem Hals herunter gebracht. Der Soldat reagierte noch, indem er seine Hand hochschnellen ließ. Doch er stoppte mitten in der Bewegung. Die Schlinge hatte sich in einem einzigen Ruck zugezogen und den Kopf sauber vom Torso getrennt. Die Rüstung schwankte. Aber bevor sie mit lautem Geschepper zu Boden fiel, zog Kyrill einen weiteren Kreis und ließ ihn den Körper auffangen.
„Kyrill!“, spie Joy spitz, voller Entsetzen, aus und sah ihn fassungslos an.
„Keine Sorge“, meinte dieser unberührt, während er erleichtert ausatmete,
„Er ist...“
„Er ist tot verdammt! D-du hast ihn geköpft! D-u du...“, unterbrach sie ihn hysterisch. Doch er schüttelte nur den Kopf und deutete auf den Körper.
„Siehst du irgendwo Blut?“
Joy zwang sich seiner Geste mit den Blicken zu folgen. Sofort klappte ihr Kinn herunter. Innerhalb der Rüstung war nichts außer Luft. Kein Kopf, kein Hals, kein Zeichen von Leben.
„W... Was? Was sind die?“, stotterte sie nicht weniger hysterisch.
„Ich habe keine Ahnung. Ich tippe darauf, dass sie Wünsche sind, die sich der König angeeignet hat. Als die mich gefangen nehmen wollten, habe ich einige von denen ausgeschaltet. Deswegen wusste ich, dass ich niemanden umbringen würde.“
„Jag mir doch nicht so einen Schrecken ein! Idiot!“, fuhr Joy ihn an, wurde darauf aber direkt wieder kleinlaut und wandte ihren Blick zum Boden.
„Du hast mir versprochen es niemals wieder zu tun...“
„Hab ich doch nicht“, meinte Kyrill besänftigend,
„Aber so ganz stimmt es auch nicht. Du weißt, dass es eine Ausnahme gibt.“
Wieder sah Joy ihn an, puffelte sich auf und meinte:
„Wie auch immer... Lass uns lieber weitergehen! Wir sitzen hier wie auf dem Präsentierteller.“
„Recht hast du.“
Damit versteckte Kyrill den leeren Körper hinter kniehohen Blumenbeet, das in gelblichem Sandstein gefasst war.
„Glaubst du wirklich, dass ihn dort niemand finden wird?“, fragte Joy nervös und erntete damit einen skeptischen Blick.
„Natürlich wird er gefunden werden. Aber es ist das beste Versteck, was uns zur Verfügung steht. Ich hoffe nur, dass es uns die Zeit geben wird, die wir brauchen werden.“
„Du hättest das ruhig etwas beschönigen können!“, beschwerte sich Joy kleinlaut und rückte dichter an seinen Rücken. Kyrill seufzte nur und setzte seinen Weg fort.
Nachdem sie das Tor passiert hatten, zog er Joy direkt links hinter eine Säule, wo er sich an den kalten Stein drückte und vorsichtig in den Raum hinein lugte. Es war eine Halle von atemberaubenden Ausmaßen. Wahrscheinlich hätte ein Fußballfeld und ein Kirchenturm hineingepasst. Doch dem nicht genug, lag die ganze Halle in einem goldenen Schleier. Die Innenwände waren von einem glänzenden Gold, das die Gier und den Neid in den Augen der Besucher weckte. Auf silbernen Sockeln, die einen gewachsenen Mann um einen Kopf überragte, waren Glaskugeln angebracht, die alle ein hellblaues Licht enthielten. Es schwebte in den Gebilden, tauchte die Halle in ein lebhaftes Wechselspiel von Licht und Schatten und brach sich an den goldenen Wänden, nur um wieder zurückgeworfen zu werden.
Kyrill kniff die Augen zusammen, während er versuchte etwas in dem dämmrigen Licht zu erkennen.
„Es ist niemand hier“, flüsterte Joy nach einigen Augenblicken. Erstaunt sah er sie an, wobei sein Blick an den angespannt aufgerichteten Ohren Joys hängen blieb.
„Kannst du... Bist du dir sicher?“
„Ja... Schließlich wurden meine Sinne auch verwandelt“, erklärte sie beschämt.
„Dann wird das gleich um einiges angenehmer. Deine Form gefällt mir immer besser“, meinte Kyrill mit einem amüsierten Unterton und zog Joy weiter, die ihm einen empörten Blick in den Hinterkopf jagte. Doch sie schwieg und folgte ihm mit lautlosen Schritten quer durch die riesige Halle. Da entdeckte sie auch Kyrills Ziel. Gegenüber von dem Eingangstor, im hinteren Ende der Halle, stand eine Art Thron. Er war ebenfalls völlig aus Gold und mit Ornamenten verziert, die unwillkürlich Joys Aufmerksamkeit einfingen. Erst als sie ihn passiert hatten, entdeckte sie den Gang, der sich direkt hinter dem Thron befand und von zwei breiten Säulen begrenzt wurde. Zuerst wunderte sie sich. Im Verhältnis zum Rest der Halle gesehen, war er winzig. Sowohl von der Höhe, als auch von der Breite. Doch sobald ihr Blick auf die Ausschmückung fiel, weiteten sich ihre Augen vor Staunen. Die Wände waren förmlich gepflastert mit Kunstwerken aller Art. Staturen, Waffen, Gemälde, sogar Photographien, Vasen, faustgroße Juwelen und Vitrinen mit alten Büchern in kostbaren Einbänden zogen an ihnen vorbei, während sie weiter durch den Gang rannten. Nach ein paar Minuten, in denen Joy das Gefühl entwickelte, dass die Schätze immer wertvoller wurden je weiter sie in den Palast eindrangen, erreichten sie schließlich einen weiteren Raum.
Es war ein runder Raum, mit der Höhe der letzten Halle, der von vier Säulen, die in der Mitte, in einem Rechteck angeordnet, die Decke trugen. Hinter den Zwischenräumen von jeweils zwei Säulen, befand sich ein weiterer Flur. Kyrill verlangsamte seine Schritte und blieb in der Mitte des Raums stehen. Mit gerunzelter Stirn sah er sich um.
„Das gefällt mir nicht“, erklärte er schließlich.
„Warum? Wir haben doch Glück. Niemand ist hier!“
„Genau da liegt das Problem. Warum sind nirgends Wachen im Inneren des Palasts? Es kann doch nicht sein, dass der König nur eine einzige Wache am Eingang positioniert hat.“
„Vielleicht fühlt er sich hier so sicher, dass er nicht glaubt, dass es notwendig ist?“, murmelte Joy nervös, während sie ihren Blick über die verschiedenen Gänge gleiten ließ.
„Ich hoffe es...“, erwiderte Kyrill und setzte sich wieder in Bewegung. Er ging weiter geradeaus und betrat den Gang gegenüber jenem, durch den sie in den Kreisraum gekommen waren. Dieser war der einzige, der einen goldenen Torbogen besaß.
Nach wenigen ereignislosen Minuten standen kamen sie in einen weiteren Raum. Goldene Säule trugen die mit Edelsteinen verzierte Decke und lenkten ihre Blicke auf die gegenüberliegende Doppeltür, die die Ausmaße eines Elefanten hatte. Auf beiden Türen war in Gold das übergroße Ebenbild eines brüllenden Löwen mit edelsteinbesetzter Mähne eingraviert, wobei jedes Haar einzeln mit akribischer Genauigkeit dargestellt wurde.
„Ist es das?“, fragte Joy leise. Kyrill nickte langsam.
„Ich glaube schon... Kannst du zufällig irgendwas hören?“
Ruckartig richteten sich Joys Ohren zur Tür aus. Angestrengt runzelte sie die Stirn und meinte schließlich:
„Ich glaub da ist jemand drin. Zumindest glaub ich regelmäßige Atemgeräusche zu hören.“
„Dann ist es wahrscheinlich das Zimmer... Und noch immer keine Wache. Das mag mir nicht gefallen“, Kyrill schwieg einen Moment, atmete einmal tief ein und befahl:
„Bleib hinter mir. Ich glaub wir wurden bereits entdeckt.“
Sofort klemmte sich Joys Schwanz zwischen ihre Beine, während sie mit angelegten Ohren gehorchte und sich ein paar Schritte von Kyrill entfernte. Dieser schloss die Augen und murmelte:
„Schütze!“
Dabei wischte er mit seiner Hand von links nach rechts durch die Luft. Aus seiner Handfläche quoll währenddessen ein schwarzer Dampf, der sich zu einer wabernden Wand ausbreitete. Dann zog er mit einem Finger einen Kreis, schickte diesen zur Tür und befahl:
„Öffne!“
Beinahe geräuschlos glitt die Tür auf. Doch sobald sie den Blick auf den dahinter liegenden Raum freigab, ertönte ein ohrenbetäubendes Krachen. Ein Feuersturm brach aus der Tür hervor und hämmerte gegen die schwarze Wand. Joy schrie und drückte sich die Hände auf die Ohren. Die wilden Spitzen von Kyrills Haare fingen an zu glühen, ein verbrannter Geruch erfüllte die Luft. Doch der Schutz hielt. Das Feuer erlosch und gab den Blick frei. Kyrill atmete erleichtert aus, konzentrierte sich aber direkt auf die Quelle des Feuersturms.
Gegenüber der Tür saß ein Mann in goldener Rüstung auf der Kante eines Himmelsbetts. Den Rest des hell erleuchteten Raums blendete Kyrill aus.
„Wie ich es vermutete hatte. Wir wurden tatsächlich entdeckt“, meinte er ruhig. Darauf lachte der König schallend, wobei seine Rüstung laut schepperte.
„Erstaunlich, erstaunlich, mein Freund. Das sind erstaunliche Instinkte“, meinte er amüsiert,
„Wann meinst du, seid ihr aufgeflogen?“
„Wahrscheinlich, als ich den Soldaten am Tor ausgeschaltet habe.“
„Korrekt. Das Bewusstsein meiner Soldaten ist ein Teil von mir. Wenn eins davon ausgeschaltet wird, erfahre ich zwangsläufig davon.“
Kyrill schwieg und musterte den Mann genauer. Er hatte eine breite Statur, Haare, wie pures Gold und grell gelbe Augen, die ihn gierig fixierten. Währenddessen versteckte sich Joy wieder mit lautlosen Schritten hinter Kyrills Rücken. Sofort bemerkte der Mann sie, was ihn amüsiert lächeln ließ.
„Arrogant wie eh und je... Es war ein Fehler uns nicht die anderen Wachen auf den Hals zu hetzen“, erklärte Kyrill noch immer ruhig. Wieder lachte der Mann, stand auf und ging drei Schritte auf die Beiden zu.
„Mein Fehler, sagst du?“, er unterbrach sich mit schallendem Gelächter und fuhr dann fort:
„Ihr habt den Fehler begangen. Allein für meine Unterhaltung habe ich euch bis hierher vordringen lassen. Ich bin Samoran, König des Wunschreichs und Besitzer der wünschenswertesten Schätze! Ihr...“
Doch Kyrill seufzte nur leise und entspannte seine Muskeln. Seine Schultern sackten ab und sein Kopf neigte sich leicht nach vorne. Samorans Augen nahmen einen verachtenden Ausdruck an, während er in einem autoritären Ton sprach:
„Anscheinend verstehst du eure Situation nicht. Sobald ihr euren ersten Schritt in diese Welt getan habt, wurdet ihr zu meinem Besitz. Und nun werde ich meinen Besitz einfordern. Entweder ihr übergebt mir eure Wünsche freiwillig und werdet zu einem meiner Untertanen, bis ihr euch würdig erwiesen habt in eure Welt zurückzukehren, oder ich werde euch sie hier und jetzt entreißen.“
Kyrill schloss die Augen, ein dunkler Schatten legte sich über sein Gesicht, Joys Krallen gruben sich in sein Hemd. Dann öffnete er sie wieder und meinte tonlos:
„Du bist wirklich ein Trottel.“
Für einen Sekundenbruchteil legte sich eine knisternde Stille über den Raum. Dann trat eine Ader an Samorans Hals hervor. Er legte den Kopf einen Stück in den Nacken und sprach von oben herab:
„Dein Wunsch ist es also als eine meiner leblosen Wächterpuppen zu enden. Fühle dich geehrt, zu wissen, dass dein Leben vom König einer ganzen Welt beendet wurde!“ Mit diesen Worten streckte er seinen Arm aus. Auf Höhe seiner Hand stieß eine goldene Flamme in die Höhe, aus der ein überdimensionales Zweihandschwert erschien. Währenddessen murmelte Kyrill:
„Genau das meine ich.“
Dann wandte er sich durch eine leichte Kopfdrehung zu Joy und befahl:
„Bewege dich keinen Schritt von der Stelle.“
Joy nickte nur schwach und drückte sich an seinen Rücken. Dann ertönte das Gescheppere der Rüstung, worauf Kyrill seinen Blick wieder nach vorne richtete. Samoran hatte die Klinge mit beiden Händen gepackt, rannte auf ihn zu und verursachte bei jedem Schritt eine Stichflamme, an der Stelle, wo seine Stiefel den Boden berührten. Mit einer übermenschlichen Geschwindigkeit überbrückte er die Distanz zwischen sich und Kyrill, der wie angewurzelt stehen blieb. Lediglich seine Augen waren in Bewegung, die jede Bewegung seines Gegners registrierten. Dann hatte Samoran ihn erreicht. Aus seinem Sprint heraus ließ er einen Fuß nach vorne gleiten und nutzte den Schwung, um die gigantische Klinge auf Kyrills Oberkörper zu schnellen zu lassen. Im letzten Moment brachte Kyrill seine offene Handfläche in die Schwungbahn des Schwerts und murmelte:
„Stopp!“
Sofort umschloss schwarzer Dampf seine Hand und sobald die Klinge diesen berührte, verlor sie ihre komplette Geschwindigkeit. Samorans Augen weiteten sich. Er öffnete seinen Mund, doch da hatte Kyrill bereits reagiert. Seine andere Hand hüllte sich in eine schwarze Nebelwolke und schnellte hervor. Er packte Samorans Gesicht und sagte:
„Qual.“
Sofort schrie Samoran auf. Seine Knie gaben unter ihm nach und das Schwert fiel mit einem lauten Scheppern auf den Boden. Kalt beobachte Kyrill, wie Samorans Kraft unter den Schmerzen schwand und er vor ihm auf die Knie ging. Grob packte er Samorans Kinn und hob sein Gesicht, um ihn in die Augen sehen zu können.
„Deswegen bist du ein Trottel. Gegen eine Armee gefühlloser Rüstungen hätte mir diese Kraft nicht viel gebracht“, erklärte Kyrill tonlos.
„Bastard... Warum besitzt du diese Kraft? Ich sollte es sein, der alles in dieser Welt sein Eigenen nennen darf! Ich besitze die Macht dieser Welt!“
„Du solltest froh sein, lieber Herr König. Jener, der deine Macht überkommt, hat nur Interesse daran wieder zurück in seine alte Welt zu gelangen. Tot nützt du mir nicht. Also bring uns zurück und du darfst leben.“ Dann schwieg Kyrill und betrachtete ausdruckslos Samorans Gesicht.
„Ach und falls du auf die Idee kommen solltest, deine Truppen zu rufen, darfst du dich von deinem Leben verabschieden. Vom Prinzip der Geschichte her, muss es eine Möglichkeit geben aus dieser Welt zu fliehen. Das heißt, stirbst du, wird die Fähigkeit, die dazu nötig ist, wahrscheinlich an deinen Nachfolger weitergegeben. Irgendwie so etwas muss es geben. Also mach keine Faxen.“
„Du bist ein Monster!“, fluchte der König kraftlos.
„Und du bist hilflos. Willst du wirklich weiter leiden?“
Samoran starrte Kyrill wie ein in die Ecke gedrängtes Tier an.
„Du hast gewonnen...“, ächzte er schließlich. Kyrill nickte ausdruckslos und entfernte die Hand von seinem Gesicht. Sofort entspannte sich der Körper des Königs und er atmete erleichtert aus.
„Dann öffne das Portal. Meine Geduld ist begrenzt!“, befahl Kyrill, worauf er einen mörderischen Blick Samorans erntete. Dann stand dieser wacklig auf und formte mit seinen Handflächen eine Kugel. Eine silberne Flamme entzündete sich im Hohlraum. Zuerst war sie nur klein, wuchs dann aber und wanderte aus der Kugel seiner Handflächen heraus. Etwa einen Meter vor ihm blieb sie stehen und nahm dort innerhalb weniger Sekunden ähnliche Ausmaße an, wie die Doppeltür der Königsgemächer. Dann wuchs sie nicht mehr weiter und die Flammen schienen sich zu stabilisieren. Es bildete sich ein brennender Torbogen heraus, dessen Inneres eine glatte Oberfläche aus silbernem Licht war.
„Damit kommt ihr zurück zur Welt der Schwellengöttin. Sie wird euch dann den weiteren Weg weisen“, knurrte Samoran. Darauf formte Kyrill mit dem schwarzen Nebel ein abstraktes Symbol, das aus mehreren Kreisen und einem Pentagramm bestand. Dann deutete er auf den Hals von Samoran und das Symbol verschwand, nur um im nächsten Augenblick unter dessen Haut wieder aufzutauchen.
„Solltest du uns verarscht haben, wird dir dieser kleine Fluch den Kehlkopf und die Halswirbel zertrümmern. Also solltest du es dir lieber zweimal überlegen, ob du uns in irgendeine Falle locken willst“, erklärte Kyrill.
Zuerst starrte der König ihn nur wütend an. Doch dann fingen seine Kiefer an zu mahlen und die Flammen wechselten schlagartig ihre Farbe zu einem einheitlichen Gold. Dann wandte sich Kyrill an Joy und nahm ihre Hand. Zusammen traten sie vor das Flammentor.
„Ist das wirklich der richtige Weg?“, fragte Joy kleinlaut, während sie ängstlich zu Kyrill hoch sah.
„Sollte er es nicht sein, wird hier jemand sein Leben verlieren“, erklärte Kyrill ruhig und warf Samoran einen entschlossenen Blick zu. Dieser war mittlerweile aufgestanden und sah Kyrill mit mörderischer Wut an.
„Ich weiß nicht, wer du bist, aber glaub nicht, dass das letzte Wort gesprochen ist. In dieser Welt werden Wünsche wahr und ich bin derjenige, der sie alle besitzt. Mein Besitz ist größer, als sich ein einfacher Mensch vorstellen kann. Er macht mich zu einem Gott. Und du weißt es. Irgendwann wirst du wiederkommen, weil du einen dieser Wünsche besitzen willst. Und dann werde ich meinen Tribut einfordern. Deine Macht, woher auch immer sie kommen mag, wird mir gehören!“
Unbeeindruckt warf Kyrill ihm einen letzten Blick zu. Dann drückte er Joy an sich und ging mit ihr zusammen durch das Tor.