Fantasy & Horror
Klaue der tausend Geschichten - 7

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"Klaue der tausend Geschichten - 7"
Veröffentlicht am 12. September 2012, 26 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

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Klaue der tausend Geschichten - 7

Klaue der tausend Geschichten - 7

Beschreibung

Der siebte Teil der ersten Episode.

Hinter Gittern

Irgendwann spürte Joy wieder frische Luft auf ihrer brennenden Haut, was ihre Schmerzen leicht linderte. Trotz dieser Besserung waren sie noch wie vor so präsent, dass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. Sie konnte nur folgen. Es kam ihr vor wie eine Ewigkeit. Ihr Käufer sprach nicht, ignorierte ihre Versuche auf sich aufmerksam zu machen und zog sie mit ihrem Halsband durch die unbekannten Straßen. Doch dann, irgendwann, an irgendeinem Ort, stoppte er.

„Der Ort müsste reichen. Ich nehme dir jetzt die Augenbinde ab, also erschreck dich nicht“, erklärte die Stimme.

Schnell nickte Joy. Sie spürte seine Hände und bemerkte dabei das erste Mal bewusst seinen Geruch, der in ihr stumme Verwirrung auslöste. Er roch gut, wundersam wie seine Stimme. Zuerst hatte sie an Rosen gedacht, doch dann entdeckte sie den Duft von Lavendel, nur damit dieser im nächsten Moment zu einem Hauch von Jasmin verwandeln konnte. Und dieser Wechsel setzte sich fort. Immer, wenn sie meinte den Duft erkannt zu haben, entdeckte sie einen neuen Geruch, oder alles Vorhandene wandelte sich plötzlich in etwas völlig anderes.

Dann wurde ihr die Augenbinde abgenommen. Licht flutete ihre Wahrnehmung. Angestrengt kniff sie die Augen zusammen und versuchte ihren Käufer zu erkennen. Er verweilte mit dem Gesicht direkt vor ihr. Die Umrisse wurden klarer und sie erkannte einen goldenen Schwall von Haaren, die in einem lockeren Pferdeschwanz einen Großteil seiner linken Schulter bedeckten. Dann trafen sich ihre Blicke. Joy erstarrte. Seine bernsteinfarbenen Augen betäubten sie. Schweißperlen bildeten sich an ihrem Körper und ihr Atem beschleunigte sich. Er lächelte, offenbarte Zähne aus reinem Weiß und strich dann mit seinen Fingerkuppen über ihre Wangen, hinauf zu ihren Schläfen. Joy zitterte und errötete. Vorsichtig richtete sich die Spitzen ihrer Ohren wieder auf, ihre Schwanzspitze fing an leicht zu zucken. Doch als sie ihren Mund öffnete, legte ihr der Mann einen Finger auf die Lippen. Währenddessen war seine andere Hand weiter nach oben gewandert, hatte sich in ihren Haaren vergraben und fing an Joy hinter den Ohren zu kraulen. Sofort entspannte sie sich. Zusammen mit ihrem Mund schlossen sich auch ihre Augen und ihr Kopf bewegte sich zögerlich in die Richtung der kraulenden Hand.

Darauf entschlüpfte dem Mann ein leises Lachen. Joy öffnete die Augen wieder und gab ein paar fragende Laute von sich. Das Kraulen wurde stärker. Ihr Körper erzitterte, ihre Schultern sackten beinahe kraftlos nach unten.

„Lass mich raten. Du hast gefragt, wer ich bin?“, sinnierte der Mann amüsiert, während er Joy weiter wie eine Hauskatze kraulte.

„Jemand, der sich fragt, ob er sich seinen lang ersehnten Wunsch erfüllen soll, oder nicht.“

Joy wollte wieder etwas sagen, doch die Hand hinter ihren Ohren lenkte sie ab. Er hatte damit angefangen das flauschige Fell ihrer Ohren mit liebevollen Streicheleinheiten zu liebkosen. Für einen Moment vergaß sie ihre Situation und seufzte genüsslich. Doch dann wurde sie von einem Flüstern zurück in die Realität gerissen:

„Es ist wirklich ein Jammer. Er hat dich nicht verdient...“ Mit brennenden Wangen und Ohrläppchen begehrte sie auf, auch wenn ihr Knebel keinen verständlichen Laut passieren ließ.

Das Lächeln des Mannes wurde breiter und seine streichelnden Bewegungen stoppten. Er legte Joy seine Hand auf den Hinterkopf, drückte sie sanft nach vorne und beugte sich gleichzeitig zu ihr herab, sodass sie seinen Atem spüren konnte.

„Du bist ein kleines Hauskätzchen, das sich für einen Tiger hält“, langsam fuhr er mit seinen Fingern die Seiten ihres Gesichts nach,

„Nur leider siehst du das nicht ein... Bald werde es dir zeigen... Sehr bald...“

Während er sprach, wanderte seine Rechte von ihrem Hinterkopf über ihren Rücken und legte sich besitzergreifend auf ihre Hüfte. Danach zog er ihren zitternden Körper zu sich heran und flüsterte ihr ins Ohr:

„Dann bist du wahrlich mein und ich bin frei. Ohne Ketten und falschen Glauben.“

Doch Joy war zu verwirrt, um seine Worte wahrzunehmen. Ihr ganzer Körper rebellierte gegen ihren Verstand. Der unbeschreibliche Duft des Fremden umschmeichelte sie, legte ihren Geist in ein blühendes Feld roter Rosen. Sie spürte seine Wärme, sehnte und ekelte sich zur gleichen Zeit, genoss und verfluchte ihre Hilflosigkeit. Sie protestierte mit unverständlichen Lauten und versuchte irgendwie von dem Mann davonzukommen. Jedoch verhinderten ihre Fesseln jeglichen Erfolg ihres Widerstands. Plötzlich herrschte für einen Augenblick Stille. Doch dann gab ihr der Mann einen beherzten Klaps auf den Hintern. Sofort entschlüpfte ihr ein Laut der Überraschung, der trotz Knebel stark dem Miauen einer Katze ähnelte. Der Mann lachte erneut, streichelte die Stelle, die er geschlagen hatte sanft, worauf Joy flehend die Augen schloss. Schließlich entfernte der Fremde sich wieder von ihr, während er jeden Millimeter ihres Körpers aufs Genauste musterte.
„Aber bis es soweit ist, habe ich keine andere Wahl. Auch wenn ich dich jetzt gerne für mich behalten würde, muss ich meinen Job erledigen“, erklärte er, wobei das Lächeln von seinem Gesicht verschwand.

Mit diesen Worten zog er sanft an dem Seil, das an ihrem Halsband festgebunden war. Mit langsamen, gar bedächtigen Schritten, ging er zu einem Holzpfeiler, der das schäbige Vordach eines nahen Hauses stützte. Dabei wanderte Joys Blick zum Himmel, wo sie die Sterne und zwei Monde entdeckte. Verblüfft blinzelte Joy und sah sich suchend nach der Lichtquelle um, die es geschafft hatte sie mitten in der Nacht zu blenden und die dreckige kleine Seitenstraße auf der sie sich befand, zu erhellen. Ihr Kinn klappte herunter, als sie eine schwebende Lichtkugel entdeckte, die brav dem Fremden zu folgen schien. Erst als der Mann anfing ihre Leine an dem Pfeiler festzubinden, überwand sie ihre Überraschung. Es war ein Ausbruch ohne Vorwarnung. Mit all ihrer Kraft warf sie sich nach hinten, bevor er den Knoten vervollständigte. Doch sie hatte keine Chance. Es reichte ein einziger Ruck am Seil, der sie zurückholte. Sie verlor das Gleichgewicht und landete rückwärts auf dem Hosenboden. Tränen stiegen in ihre Augen und ihr schmerzender Kehlkopf zwang sie zu husten. Ungerührt nutzte der Mann seine Chance und vervollständigte seinen Knoten. Dann wandte er sich mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck wieder an Joy, streichelte ihren Kopf und meinte:

„Sein ein braves Kätzchen und bleib hier, bist du abgeholt wirst.“

Joys Augen weiteten sich ängstlich und wimmernde Laute entglitten ihr. Währenddessen drehte der Mann seine Hand um und ließ über seiner Handfläche eine goldene Kugel aus Licht entstehen.

„Ich meinte es wirklich ernst. Das fällt mir nicht leicht. Am liebsten würde ich mitnehmen. Aber das kann ich nicht. Es ist mein Job...“, erklärte er mit einem gequälten Lächeln. Dabei stieg die Lichtkugel wie von Geisterhand bewegt in die Luft. Zuerst langsam, doch dann immer schneller begann sie in Richtung Himmel zu rasen. Schweigend beobachtete Joy das unmögliche Schauspiel. Erst als die Kugel mehrere Meter über den Dächern der Häuser schwebte und urplötzlich in einer hellen Lichtfontäne explodierte, riss sie sich die Gegenwart des Mannes zurück. Sofort begehrte sie erneut auf. Riss an ihren Fesseln und schrie in ihren Knebel. Doch sie verstummte, als der Körper des Mannes begann sich aufzulösen. Kleine Lichtpartikel, die sich auch schon beim Tor der Wünsche gesehen hatte, wurden von ihm abgesondert. Sein Körper wurde transparent und bevor er völlig verschwand meinte er:

„Bedanke dich bei der Person, die du zu retten erwünscht.“

Verdattert starrte Joy auf die Stelle, wo er gestanden hatte.

Nur einen Wimpernschlag später fanden Tränen ihren Weg über ihr Gesicht, tropften herunter, nur um dann im erdigen Boden zu versickern.

Plötzlich richteten sich ihre Ohren ruckartig auf. Das Scheppern von Metall, Schreie und Rufe drangen zu ihr durch. Sofort versuchte sie wieder aus ihren Fesseln zu entkommen. Doch ihre Hände waren noch wie vor fest verschnürt und das Seil widerstand all ihren Bemühungen. Es dauerte nicht mehr lange, bis die Wachen die kleine Seitenstraße erreicht hatten. Joy fauchte, versuchte so bedrohlich wie nur möglich zu wirken, doch der Knebel erstickte all ihre Bemühungen. Die Wachen näherten sich immer weiter. Sie hatten nicht einmal ihre Waffen gezogen. Aufmerksam suchten sie die Gegen ab, bevor sie sich an Joy wandten. Ein Soldat trat hervor und streckte seinen Arm in Joys Richtung und zeigte ihr damit seine Handfläche, wo ein bläuliches, ellipsenförmiges Licht schwach zu scheinen anfing. Nach wenigen Momenten ballte der Soldat seine Hand zu einer Faust. Das Licht erstarb und er meinte zu dem Hauptmann der kleinen Truppe:

„Sie hat keinerlei magischen Fähigkeiten. Jemand anderes muss den Zauber gewirkt haben.“

Der Hauptmann trat vor und bedachte die wimmernde Joy mit einem langen Blick. Dann meinte er mit kalter Stimme:

„Schmeißt sie ins Gefängnis und informiert den König. Wer auch immer der Magier war, er wird bereits ein Versteck gefunden haben.“

Nach einer Pause, die Joy einen kalten Schauer über den Rücken jagte, fuhr er fort:

„Und falls der Neuankömmling nicht freiwillig reden will, werden sie zum Reden bringen. Unsere Spezialisten haben da ihre Methoden.“

Joy wimmerte, doch einer der Soldaten ergriff das Seil, zog einmal kräftig daran und zwang sie damit zum Folgen.

 

Da ihre Sicht diesmal nicht von einer Augenbinde blockiert war, konnte Joy wenigstens erkennen, wohin sie geführt wurde. Sehr schnell ließen sie die Seitengassen und dunklen Bereiche der Stadt hinter sich, um die Hauptstraße zu betreten, die einer geraden Linie direkt zum Palast führte. Joy fühlte sich, wie auf dem Präsentierteller. Überall erkannte Gesichter in den Fenstern der teils mehrstöckigen Steinbauten, die sich entlang der gepflasterten Straße aneinanderreihten. Beschämt wich sie den Blicken aus, indem sie den Boden fixierte.

 

Die Prozession dauerte noch einige Minuten, bis sie schließlich den Palast erreicht hatte. Doch Joy hatte keine Augen für die Pracht die sich ihr zeigte. Die hohen Türme drohten sie zu erdrücken, die goldenen Verzierungen, die sich über die gesamte Außenwand zogen, waren matt und käsig, die aufwendig bemalten Fenster zeigten Szenen von Tod und Verderben. Deswegen war sie auch nicht enttäuscht, als der Soldat sie nicht durch das Haupttor, sondern durch einen Seiteneingang in das riesige Gebäude führte.

 

Die schwere Holztür fiel hinter mit einem lauten Quietschen ins Schloss, was Joy zusammenzucken ließ. Ihre Ohren und damit ihr Kopf schmerzten, während sie von der Wendeltreppe tief unter die Erde geführt wurde.

Am Ende der Treppe angekommen fand sie sich schließlich in einem dunklen Gang wieder. Rechts und links von ihr erstreckten sich angerostete Zellengitter hinter denen eine schier undurchdringliche Finsternis lauerte. Der Soldat führte sie weiter, bis zum Ende des Gangs. Dort angekommen schloss er die Zelle links von Joy auf, schubste sie hinein und verriegelte das Tor. Sofort begehrte Joy auf und ließ gedämpfte Laute ertönen, die man gerade eben so als Fauchen identifizieren konnte. Doch der Soldat meinte nur höhnisch:

„Mach es dir bequem. Morgen im Laufe des Tages wird dich der König begutachten.“

Mit diesen Worten verschwand der Soldat und ließ die noch immer wild protestierende Joy allein zurück. Erst als er die Tür hinter sich wieder ins Schloss fallen ließ, verstummte sie. Zuerst starrte sie nur ins Leere, doch dann erfasste allmählich ein Beben ihren gesamten Körper. Tränen, zuerst nur wenige Tropfen, dann ein reißender Strom, bahnten sich ihren Weg über Gesicht und benetzten den kalten Steinboden. Ihr Brustkorb bebte, ihre Schultern zuckten unkontrolliert auf und ab. Und dann brach es aus ihr heraus. Sie fiel auf die Knie und kauerte sich zusammen, während sich durch den Knebel undefinierbar gemachte Laute mit ihrem wilden Schluchzen vermischten.

„Reiß dich zusammen! Hier versucht jemand zu schlafen...“, ertönte plötzlich eine Stimme. Noch immer schluchzend hob Joy ihren Kopf und starrte überrascht in die gegenüberliegende Zelle, wo sie eine verschwommene Bewegung ausmachte.

„Es ist ja nicht so, als ob du morgen geköpft werden würdest“, murrte die Stimme. Trotz nach wie vor hüpfendem Brustkorb und fließenden Tränen zwang sich Joy dazu ihr Schluchzen zu unterdrücken. Ihr Blick ruhte ganz auf der Person in der anderen Zelle, die soeben an die Gitterstäbe trat und verschlafen zu herüber spähte. Sofort erkannte sie die vertrauten, wenn auch sehr müden Gesichtszüge und schrie gegen den Stoff an:
„Hmm! Mhhh! Hmmhmmm mhhh!“

Kyrill blinzelte noch einmal und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Danach starrte er die aufgeregte und noch immer weinende Joy mehrere Minuten an, bis sich seine Augenbrauen langsam in die Höhe bewegten.

„Das darf doch nicht wahr sein... Joy?“

Sofort richtete sich ihre Ohren voller freudiger Erregung auf und ihr Schwanz reckte sich kerzengerade in die Höhe. Heftig nickte sie und versuchte ihn zu bestätigen:

„Mhh! Mhh! MhhhmmmHmmm!“

Darauf fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht und musterte Joy durch seine gespreizten Finger mit einem resignierenden Ausdruck.

„Warum hast du nicht auf mich gehört?“

„Hmm! Mhh hmmm mhhmhn hmmnnn!“

Kyrill seufzte und strich sich darauf durch die langen schwarzen Haare. Dann trat er einen Schritt zurück, stellte sich vor das Schloss seiner Zelle und murmelte:

„Eigentlich hätte ich gerne noch ein bisschen Zeit gehabt, um mich es ein bisschen besser kontrollieren zu können, aber du hast meine Planung grandios über den Haufen geschmissen.“

Joy verstummte. Gebannt folgten ihre Augen seiner Hand, die einen tellergroßen Kreis beschrieb. Sobald er die Form geschlossen hatte, glühte der Kreis einmal kurz in einem kräftigen Rot auf. Danach wurde das Licht durch einen in sich wirbelnden, aber der Form treu bleibenden, schwarzen Nebel ersetzt. Kyrill malte weitere Formen in den Kreis hinein, bis Joy ein Pentagramm erkennen konnte, dessen Spitze nach unten deutete. Die Innenräume des Pentagramms schmückte er noch mit Symbolen aus, die Joy an Runen erinnerten. Sobald er zufrieden mit seinem Werk war, machte er eine wischende Handbewegung und der Kreis mitsamt des Pentagramms fing an sich zu drehen und zu schrumpfen, bis es in das Schlüsselloch der Zellentür passte.

„Zerstöre“, flüsterte Kyrill mit kaum vernehmbarer Stimme. Sofort fing das Schloss an rot zu glühen. Ein leises Knirschen ertönte. Dann ein Zischen und Knarren. Kyrill lächelte und übte einen sanften Druck auf die Zellentür aus. Quietschend schwang sie auf und Kyrill betrachtete für einen Moment gedankenverloren das verbrannte Metall.

„Mmhhh Mhmmm!“, protestierte Joy und holte ihn damit wieder zurück in die Realität.

„Tschuldige, aber du willst doch nicht in die Luft gejagt werden, oder?“, meinte Kyrill lächelnd, während er die Prozedur an Joys Zellentür wiederholte. Hastig schüttelte diese den Kopf rutschte schnell von der Tür weg.

„Zerstöre!“

Diesmal war der Knall ein bisschen lauter, sodass Joy erschrocken zusammenzuckte. Rötlicher Rauch wallte aus dem Schloss und es roch streng nach Schießpulver. Dann zog Kyrill die Tür auf und setzte im Schneidersitz vor Joy auf den Boden. Schweigend suchte sie seinen Blick, der langsam über ihren Körper wanderte, wobei er an ihren Ohren, ihrem Schwanz und ihren neuen Haaren hängen blieb. Er kratzte sich am Kopf und schüttelte seufzend den Kopf.

„Du bist ein dummes Mädchen“, stellte er sachlich fest, während er ihren Knebel löste. Joy hustete und versuchte mit aufwendigen Bewegungen ihrer Zunge die Überreste des Stoffs aus ihrem Mund und aus den Zwischenräumen ihrer Zähne zu entfernen.

„Wirklich... Was hast du dir dabei gedacht?“

„Das... Dieses Tor... Ich...“, stammelte sie und wandte dabei ihren Blick von seinem Gesicht, um den Boden anzustarren. Währenddessen versuchte Kyrill ihre Handfesseln zu lösen.

„Ich wollt nicht, dass du dich veränderst“, flüsterte sie schließlich mit roten Backen. Da lösten sich ihre Fesseln und Kyrill seufzte. Sie rieb sich die schmerzenden Handgelenke und wagte es wieder zu ihm aufzuschauen, allerdings nicht ohne ihren Kopf einzuziehen, als würde sie eine Schelte erwarten.

„Du machst dir immer genau dann sorgen, wenn sie völlig unberechtigt sind“, meinte Kyrill sanft und streichelte ihr liebevoll über den Kopf. Sofort entspannte sich Joy. Doch das machte den Weg frei für einen weiteren Ausbruch. Der Strom der Tränen fing wieder an zu fließen und ihr Schluchzen erfüllte den Raum. Im nächsten Moment schmiegte sie sich eng an Kyrill, vergrub ihr Gesicht in seiner Brust, krallte sich in den schwarzen Stoff seines Shirts und erklärte mit verweinter Stimme:

„Ich wurde verwandelt, gejagt, betäubt, versklavt, gekauft, freigelassen, wieder eingefangen und eingesperrt. Und alles nur wegen dir. Und du sagst, es wäre nicht nötig gewesen? Das ist lustig... Idiot! Arsch! Voll...“

Kyrill ließ sie verstummen, indem er seinen Arm um sie legte und sie näher an sich heran zog. Dabei kraulte er sie weiter hinter den Ohren und flüsterte:

„Ich weiß, ich weiß... Aber ich habe mich doch noch nie von Geschichten und Gerüchten unterkriegen lassen, oder?“

Doch Joy klammerte sich nur fester an ihn. Ihr Seufzen wurde leiser und der Tränenstrom ebbte langsam ab.

„Du brauchst dir keine Sorgen mehr zu machen. Mir geht’s gut. Die Göttin der Schwelle hat sich von mir um die Nase führen lassen und mir die Magie gegeben, die ich beweisen wollte. Ich kann uns hier rausbringen.“

Aber auch dieses Mal verharrte Joy schweigend an Kyrill geschmiegt. Ihre Tränen waren versiegt, ihre Augen geschlossen und ihre Krallen bohrten sich weiter in Kyrills Kleidung.

„Joy?“

Plötzlich ging ein sanftes Vibrieren von ihrem Brustkorb aus und ein wohlgefälliges Schnurren ertönte. Verdattert blinzelte Kyrill und starrte das Mädchen fassungslos an. Joy vergrub ihr Gesicht weiter in seiner Brust. Erst nachdem Kyrill ein gedämpftes Lachen entschlüpfte, lugte sie schüchtern mit aufgeblasenen Backen zu ihm hoch.

„Du bist wieder am Puffeln“, meinte er lächelnd, während er ein Ohr besonders intensiv kraulte und sie damit zum Schließen ihres rechten Auges brachte.

„Mit Recht! Immerhin bist du es Schuld, dass ich dazu überhaupt in der Lage bin!“, beschwerte sie sich halbherzig und drückte sich noch enger an ihn, worauf dieser verstummte. Er runzelte die Stirn, als wolle er sich an etwas Wichtiges erinnern.

„Kyrill? Alles in Ordnung?“, fragt Joy mit einem Anflug von Panik. Ernst erwiderte er ihren Blick und fragte:

„Das... sind das deine Brüste die ich da spüre? Die... waren doch nicht immer so groß, oder?“

Jetzt war es Joy die verdattert blinzelte. Dann zuckte ihre Schwanzspitze einmal verräterisch und die Röte schoss ihr ins Gesicht. Ihre Krallen bohrten sich durch den Stoff in seine Haut und ein leises Fauchen übertönte seinen Ausruf der Überraschung.

„Ah, ich hab mich doch nur gewundert! Vorher hattest doch nichts... Aua, ganz ruhig Joy. Ich entschuldige mich ja schon. E-es tut mir leid!“

Kyrill löste die Umarmung und versuchte Joy an den Handgelenken zu packen, um ihre Krallen aus seiner Haut zu lösen, doch sie nutzte die Gelegenheit und biss ihm leicht in den Arm.

„Es tut mir leid! Es kommt nicht wieder vor, ich verspreche es!“, heulte Kyrill wie ein geschlagener Wolf, während er nach hinten auf den Rücken fiel und Joy damit auf sich zog. Noch einen Moment ließ Joy nicht locker, zeigte dann aber Erbarmen und löste sowohl ihre Krallen, als auch ihren Biss. Erleichtert seufzte Kyrill und hob den Kopf, um Joys Blick zu suchen. Nach wie vor lag sie auf ihm und sah ihn mit einem lauernden Ausdruck an, während ihre Pose ihm den ersten direkten Einblick auf ihr Dekolleté gestattete.

„Ich war nur überrascht...“, rechtfertigte sich Kyrill, ohne seine Augen von dem ungewohnten Anblick losreißen zu können.

„Die Göttin hat mich nur so verwandelt, weil du mal wieder auf deinen Willen bestanden hast. Du kannst froh sein, wenn ich dir nicht dein ganzes Gesicht zerkratze!“

„Schon gut, ich hab´s verstanden. Ich schulde dir etwas, sobald wir wieder zuhause sind, richtig?“, beschwichtigte Kyrill weiter und fing dabei wieder an ihre Ohren zu kraulen. Schnurrend erwiderte sie:

„Das will ich doch hoffen.“

„Gut... Dann würde ich sagen, dass wir aufhören zu kuscheln. Ich finde es zwar gerade auch furchtbar bequem, aber das bringt uns nicht zurück“, schlug Kyrill lächelnd vor, worauf Joy nickte und sich zögerlich von ihm löste. Sie standen auf und bevor sie die Wendeltreppe betraten, erklärte Kyrill:

„Unser Ziel ist der König. Soweit ich weiß ist er der einzige in diesem Königreich, der die Macht besitzt ein Portal in unsere Welt zu öffnen.“

„Du willst doch nicht etwa...“, flüsterte Joy entsetzt. Doch Kyrills gefährliches Lächeln ließ sie verstummen.

„Ganz Recht. Der Typ wollte, dass ich ihm meinen erfüllten Wunsch aushändige und dafür würde er mich zurückschicken. Oder ich könnte ihn behalten und ewig als sein Untertan leben.“

„Aber du hast natürlich nicht zugestimmt und bist im Kerker gelandet.“

„Genau. Wie gesagt Worte haben mich noch nie kleingekriegt. Als ob der Königstitel eine Ausnahme wäre.“

„Manchmal bin ich dann doch froh darüber, dass du ein Idiot bist.“

„Sonst säßest du jetzt hier fest. Aber lass uns die Einzelheiten später klären. Wir sollten erst einmal dafür sorgen, dass wir hier raus kommen.“

Joy nickte und folgte Kyrill die Wendeltreppe hinauf.

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