Wie weit ein Mensch bereit ist zu gehen um sich von den Fesseln der Unterdrückung zu lösen.
Es ist hell. So hell, dass es schmerzt. Ein lautes Summen. Es ist unglaublich hell. Dabei sind meine Augen geschlossen. Ich versuche sie zu öffnen. Die Schmerzen lassen mich erschauern. Woher kommt dieses summen? Das Licht brennt auf meiner Haut. Ich kann es spüren, ich spüre wie es sich durch meine Gesichtshaut frisst. Dieses Summen macht mich krank. Ein kläglicher Versuch Aufzustöhnen. Ich fühle wie die Haut meiner Lippen aufreißt und sich im heißen Hauch auflöst der meiner Kehle entrinnt. Eine Flüssigkeit tropft auf meine verdorrte Zunge, so warm und doch so erfrischend, der salzige Geschmack ist eine Wohltat. Warum kann ich nichts sehen, warum ist es so hell und so brennend heiß? Und dieses Summen (was ist mit mir geschehen?), immerzu dieses Summen. Ich versuche meine Extremitäten zu bewegen. Meine Beine gehorchen mir nicht. Meinen linken Arm spüre ich nicht. Mein rechter Arm ist absolut taub… doch halt. Ich ahne mehr, als dass ich spüre wie ich meinen Arm hebe. Unter aller Mühe gelingt es mir mit meiner Hand zu manövrieren. Etwas Dunkles schiebt sich langsam (Und dieses Summen, oh dieses Summen, wenn ich es wenigstens fixieren könnte…) in mein Gesichtsfeld. Ich erkenne im Schatten meine Hand. Das Licht brennt auf meinem Gesicht, es quält meinen Blick, schließen kann ich meine Augen nicht, das Abwenden fällt auch aus. Meine Hand (Kommt das Summen von links?) bringe ich über meine Augen. Oh wohliges Dunkeln. Nun berühre ich mein Gesicht…
Mein ganzer Körper verkrampft sich in Agonie, Rasierklingen die über meine Haut streicheln. Röchelnd reiße ich meinen Arm nach oben, nur damit mich die grelle Gewalt des Lichtes niederschmettert. Was passiert mit mir, bin ich durch den Abyss gefallen und nun Treibstoff für die Hölle? Nein. Das kann ich nicht akzeptieren. Nie habe ich Verwerfliches, Schande über mich oder meine Familie gebracht. Dieser Gedanke spendet mir Trost, ich merke, wie neue Kraft mich durchströmt. Eine Unendlichkeit, so scheint es, brauche ich um meinen Körper in die Aufrechte zu bringen.
Das Feuer und die Schmerzen kann ich ertragen (Summen und Surren. Es kommt klar von links. Doch nur brennend weißes Licht erblicke ich.). Das habe ich mein ganzes Leben, ohne je zu Gott zu klagen.
Undefinierbare Konturen (Am Horizont?) mache ich aus. Die ersten Schritte sind zäh, doch es geht überraschend gut voran. Ich kann den Sand zwischen meinen Füßen spüren.
Ich bewege mich immer schneller, die rechte Hand über die Augen gespannt. Monströse Wespen die sich in meinem Gehörgang eingenistet haben, spielen ihr eintöniges Konzert. Ich möchte schreien, doch in meiner Mundhöhle liegt nur eine verwesende, aufgeblähte Schlange. Doch meine Sicht wird klarer. Es wird dunkler, die Sonne schließt gen Westen ab. Die Konturen (Am Horizont) werden klarer und ich kann eine mir bekannte Felsformation erkennen. Ich beschleunige meinen Schritt, wieso bin ich so weit weg von meinem Heim, von meiner Familie, meinem geliebten und verehrten Ehemann?
Scharfe Felsen reißen mir am Fußkleid, sie dringen durch meine Haut. Warmes Blut tränkt die toten Felsen, eine Spur, ein Zeuge meiner Qualen. Doch niemand wird sie je sehen, es ist finster und kalt. Mein klammes Gewand lässt den eisigen Hauch der Wüste direkt auf meinen geschundenen Leib. Eine kakophonische Symphonie die mich mit dem Peitschen des Windes vorantreibt, in die Arme meines liebenden (Warum lassen mich diese Worte erschaudern?) Mannes.
Wie der Saft meines Leibes verrinnt, so auch meine gewonnene Kraft. Nackt schleifen meine Füße über den nackten Stein. Ich bitte den Allmächtigen, dass niemand meine entblößte Haut erblickt. Wahrscheinlich kriegt er jedoch nur blutigen Matsch zu sehen. Ich schreite durch einen Felsspalt, und kann nichts mehr erkennen. Doch da, ein Leuchtturm in der Finsternis. Die alte Öllampe meines Gemahls (Erneut schaudert es mich.) Ich falle auf die Knie (Mein Gewand reißt um das Bein, doch ich beachte es nicht mehr), ich bin zuhause.
Von größter Dankbarkeit erfüllt, krieche ich durch unsere behelfsmäßige Tür. Der Eingang in die Damentoilette. In meinem Zustand kann ich meinem Mann nicht unter die Augen treten, er würde mich sofort bestrafen (Ich erstaune wie wenig mich das berührt.). Da, der Spiegel. Ich mobilisiere meine letzten Reserven um mich am Waschbecken hochzuziehen. Ich kann mich nur schemenhaft erkennen, meine Augen sind ganz verklebt. Und den albtraumhaften Durst hätte ich beinahe vergessen. Einer unmenschlichen Folter kommt es gleich als ich mir sanft mit glühenden Kohlen die Augen abtupfe. Ich presse mir die Hand auf den blutigen Mund, nachdem ich einige der Kohlen meine Kehle hinabrinnen lasse, um einen Schrei zu ersticken.
Und doch. Ein kläglicher Wimmer (Du elende Hure!) entweicht meinem Hals. Im Spiegel sehe ich nun (Du hast mit ihm gefickt, diesem verschissenen Köter!) was mir wiederfahren ist. Alles (Heute wirst du sterben und dein Hurenfreund gleich mit!) kommt wieder. Mein Wimmern der Unschuld (Ich würde dich und Gott niemals hintergehen, bitte, ich bin deine Frau!), der anklagende Zeigefinger meines Gemahls (Der Schöpfer wird dich für deine Lügen strafen und ich bringe dich vor ihn.) und das Plastikgefäß mit der gelblichen Flüssigkeit in seiner rechten Hand. Ich betrachte mein Spiegelbild. Meine einstmals demütige Burqu zerstört. Meine Gesichtshaut verbrannt. Meine Lippen und Lider ihrer Existenz beraubt. Mein linkes Ohr ist nichtmehr an seinem angedachten Platz. Oh wie qualvoll laut seine Abwesenheit sich bemerkbar zu machen versucht. Könnten meine geschändeten Augen noch weinen, würden jetzt Tränen des kalten Hasses meine verätzten Wangen herablaufen. Des Hasses, der mein gesamtes Sein zu undenkbaren Taten anspornt. Ungeahnte Reserven öffnen ihre Tore und meine Hände verkrampfen sich um das Becken, bis meine Nägel abbrechen.
Absolut klar und mit präzisen Bewegungen streife ich mein Gewand ab und kleide mich in das verzierte Festgewand, welches für den Hadsch gedacht war, ein. Ich schließe das Stoffgitter vor meinem Gesicht. Ein Schmunzeln würde jetzt meine Lippen schmücken. Oh, was glitzert denn da so, im Scheine meiner Flamme? Ich lasse es in meiner rechten Hand verschwinden. Dann trete ich geschmeidig in mein trautes Heim.
„Wer bist du und was machst du in meinem Haus? Hinfort, oder ich Prügel dich hier raus!“ Mein Mann hat sich erhoben und nähert sich mir, die Brust erhoben, die Fäuste geballt. Zum ersten Mal habe ich keine Angst. Vor einem Mann, vor meinem Mann. „Raus! Oder du wirst es bereuen, Weib!“ Ich hebe meine Hände zu meinem Schleier „Du kennst mich gewiss.“ und führe ihn elegant über meinen Kopf. Der Schmerz ist seinen entsetzten Blick allemal wert. „Ich bin gekommen, um das von dir gebrochene Versprechen einzulösen!“ Nun schnellt mein rechter Arm vor und ich ramme meinem Verflossenen die Spiegelscherbe in die Brust. Noch einmal. Und wieder. Oh wie ich sein Schreien genieße. Immer wieder. Mit jedem Stich entrinnt sein Leben. Ich sauge jeden Tropfen in mich auf, jeden Tropfen, (Der Becher schellt vor,) den er mir gestohlen hat. Ein Sprühnebel des Blutes bedeckt mein Gesicht, oh diese wunderbar (die Säure frisst sich in mein Gesicht.) warme Feuchte! Verspielte rote Fontänen erheben sich (Ein Tritt in meinen Magen, ich kann nicht schreien, Blut füllt meinen Mund.), wo die Arterien getroffen wurden. Die Scherbe erst erhoben, dann lasse ich sie (Mein lebloser Körper wird auf den Wagen geworfen, dann wird alles schwarz…) auf seinen Hals herabstürzen. Als ich sie herausziehe, spritzt sein letztes Blut in mein Gesicht. Ich halte die Scherbe über meinen Kopf und suhle mich im reinigenden Lebenssaft.
Zum ersten Mal fühle ich mich wirklich lebendig.