Einleitung
Antigone wurde von ihrem Onkel Kreon, dem jetzigen König Thebens, zum Tode verurteilt, weil sie sich seinem Verbot, ihren Bruder zu bestatten, wiedersetzt hat.
Hier ein Abschiedsbrief an ihren geliebten Verlobten, den Sohn Kreons. Kreon raubt somit seinem Sohn die Braut.
Hämon, o du mir so vertraute Seele, dessen Herz mir nie vertrauter sein wird, als aus der Ferne Glück herbei hoffend die Vereinigung durch den Götterspruch erwartend. Allein der Pythia mag das Wissen beschieden sein, welch Schicksal die Götter mir im Hades angedeihen zu gedenken. So hoffe denn, du mir vertraute Seele, das jenseits dort der Weltentore wenn der dunkle Gott sich meiner erbarmet ein Elysion unserer Liebe vergönnet sei. Doch noch verharret der Dunkle auf dem schwarzen Throne der Abscheu und des Hasses, denn dieser kennt keine Gnade für jene die seinem Reiche ausgeliefert, sondern schauet in Hochmut herab auf jene
Götter, denen des Schicksals Spruch den größeren Ruhme zugedacht. So denn er auch mir den schwarzen Schleier reichet und mohnbekränzt ich wandle vom Lichte fort in des Hades Tiefen, wo kein Brautlied, noch Eheglück, nur die Dunkelheit mich erwartet. Und dorthin will ich warten auf jene, die auf Charons Boote in die Schwärze zu mir getragen werden. In dieser Welt der Gottverächter kein Glück uns kann beschieden sein. Und da auf Erden kein Elysion, wollen wir, die Totgeweihten, dem Götterspruch uns anvertrauen und hoffen, dass jenseits der Nacht im Seelenstrom uns Frieden nun gewähret sei.
So wisse denn, du mein Hämon, meine
vertraute Seele, dass auch du nicht länger weilen solltest, wo der Schatten des dunklen Gottes Macht hat, der selbst den Toten keinen Frieden gönnt.