Biografien & Erinnerungen
Über Tote spricht man nicht!

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"Über Tote spricht man nicht!"
Veröffentlicht am 06. September 2012, 54 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über Tote spricht man nicht!

Über Tote spricht man nicht!

Beschreibung

Manche denken, sie wissen alles über einen. Doch was sie nicht wissen, dass sie in Wirklichkeit gar nichts wissen. Und möchte man ihnen das Wissen geben, dann wenden sie sich ab und wollen nichts davon wissen!

Böse Erinnerungen

Ich lag neben meinem Verlobten Paul im Bett als es passierte. Ich fühlte mich so schuldig, habe mich geschämt. Ich weinte so sehr, dass ich nicht fähig war zu reden. Verdutzt schaute er mich an und fragte was los sei.
Ich stotterte vor mich hin.

,,Verspreche mir, dass du mich nicht verlässt!
Es war als ich neun oder zehn Jahre alt war. Ich wollte doch nur bei meiner Cousine übernachten und habe mich auch so sehr darauf gefreut. Du weisst wie sehr ich sie leiden kann.
Wir spielten den ganzen Tag über, hatten Spaß und alles war wie ich es kannte.
Meine Cousine war für mich wie eine Heldin! Ich war immer Feuer und Flamme wenn es um sie ging und übernachtete zum ersten Mal bei ihr.
Sie hatte kein eigenes Zimmer und musste es sich daher mit ihren Eltern teilen... ,,

Ich konnte mich noch genau daran erinnern, wie es in ihrer Wohnung aussah. Jedes Detail jede Kleinigkeit.

,,Wenn man die Tür herein kam, stand gleich links das Ehebett. Ihr Bett stand an der gegenüber liegenden Wand des Raumes, in welchem ich auch über Nacht schlafen sollte.
Nach dem Abendessen durften wir noch ein wenig spielen und mussten anschließend zu Bett.
Sie lag im Bett ihrer Eltern und ich in ihrem. Wir erzählten von Gott um die Welt und uns gegenseitig gruselige Sachen.
Nach einer Weile kam auch ihr Vater ins Zimmer und legte sich zu ihr. Kurz darauf forderte er uns auf zu schlafen, doch ich war zu sehr aufgeregt und bekam kein Auge zu. Ich wälzte mich von der einen auf die anderen Seite, wollte immer nachfragen ob meine Cousine noch wach ist, hatte mich aber nicht getraut.
Ihr Vater war noch wach und bemerkte, dass ich noch nicht schlief. Er fing an mit mir zu reden und auch meine Cousine meldete sich und ich wusste nun, dass auch sie noch nicht ins Land der Träume übergegangen war.
Er sagte, dass ich zu ihm ins Bett kommen solle, dann könnte ich ja noch ein wenig mit ihnen erzählen.
Also legte ich mich dazu. Mein Onkel lag in der Mitte des Bettes, sodass meine Cousine und ich über ihn hinweg erzählen mussten.
Ich hatte mich sehr wohl gefühlt. Ich wurde schon ein wenig müde, doch ich wollte noch ein wenig erzählen aber irgendwann muss ich dann doch eingeschlafen sein.
Ich wurde wach, als ich merkte, dass eine große schwere Hand auf meinem Bauch lag. Noch war ich zu benebelt um zu kapieren von wem sie war, doch als sie anfing sich zu bewegen war ich blitzartig wach und ganz bei Sinnen.
Als mir klar wurde, was gerade passierte wurde mir schlecht und ich wäre am liebsten aufgesprungen.,,



ABER ICH KONNTE MICH EINFACH NICHT BEWEGEN.


Ich spürte, wie er seine Hand unter meine Schlafhose schob. Seine Hand war groß und schwer.
Er war zu tief, doch ich sagte nichts.

,,In meinem Kopf brüllte eine Stimme, ich soll sofort aufstehen oder schreien damit er endlich aufhört! Aber, ich war wie versteinert. Er roch nach Essig und seine Hände waren rau. Sie suchten sich ihren Weg bis sie am Ziel ankamen und er Anfing mich zu streicheln.

Er fragte mich ob ich es schön fände und dass er dies doch gerne mache wenn es mir so sehr gefällt.
Mir kam es so vor, als würde es schon Stunden her sein seit er seine Hand unter meine Hose geschoben hat und hoffte, dass er bald damit aufhören würde.

Als er dann endlich seine Hand heraus nahm sagte er zu mir, ich müsse das keinem erzählen und brauche mir auch keine Sorgen zu machen, das wäre etwas ganz normales und schickte mich zurück in mein Bett.

Am nächsten Tag wollte ich ohne Frühstück sofort nach Hause. Zum Glück wohnte ich nur eine Straße weiter, denn so entging ich der langen Diskussion ob man mich alleine nach Hause schicken könne oder nicht.

Und was mir bis heute noch nicht aufgefallen war ist, dass ich als ich nach Hause kam anfing zu essen obwohl ich keinen Hunger hatte und er mir schlecht ging. ,,

 Für mich war das, was in diesen guten fünfzehn Minuten passierte die Hölle auf Erden.

Ich krallte mich an Paul fest. Ich fühlte mich, als würde ich in ein dunkles tiefes Loch fallen doch er hielt mich fest.

Ich weinte, war so fertig. Mir war schlecht und am liebsten wäre ich im Erdboden versunken.
Was ich ihm gerade erzählte, war so eine typische ''Ich-habe-ein-dreckiges-Geheimnis'' Beichte, die man meistens am Sterbebett erzählen würde da man es nicht mit in den Tod nehmen möchte.

Paul setzte sich aufrecht ins Bett und sagte mir wie sehr er diesen Mann hasst und dass er ihn schon als Kind nicht leiden konnte.

Ich mochte ihn ja bevor das passierte...

Er nahm mich noch einmal in den Arm und sagte er hoffe, dass mein Onkel dafür in der Hölle schmort!
Dann stand er auf und verschwand im Bad. Als er zurück kam und sich wieder ins Bett legte, sagte er, dass er schon etwas geahnt hätte doch nicht zuordnen konnte wer es hätte sein können. Es gibt ein Lied von einer deutschen Band, welches ich mir immer anhörte. In diesem Lied ging es jedoch darum, dass der Vater seinem eigenen Kind etwas vergleichbares antut. Doch ich möchte hiermit klar stellen, dass mir mein Vater nie etwas getan hat und es auch nie machen würde!
Er fügte noch hinzu, dass ich es unbedingt in der Therapie erwähnen sollte, vorausgesetzt ich fühle mich dazu bereit,

Paul fragte mich was der Auslöser für diese ''Beichte'' war. Ich erklärte ihm, dass manchmal, wenn ich schon am eindösen bin und er mich berührt, ich diese Szene wieder vor meinen Augen habe und in diesem Moment dann solche Angst bekomme. Normalerweise flüchtete ich nach solchen Situationen immer ins Bad um zu weinen, doch diesmal musste ich es ihm einfach sagen.

Wir waren nun schon viereinhalb Jahre zusammen und waren schon auf der Ebene ''Ich-vertraue-dir-blind'' angekommen. Wenn ich es jetzt weiterhin geheim gehalten hätte, dann wäre das nicht fair ihm gegenüber gewesen.

Und dann waren da noch die vielen Medienberichte über sexuell misshandelte und genötigte Kinder und Täter die verklagt oder gesucht worden sind.

In einem dieser Berichte die zu der Zeit jeden Tag in den Nachrichten zu sehen waren, zeigte man eine Frau die über ihre Misshandlungsgeschichten erzählten. Und da sagte eine diesen einen Satz

 

,, … am Anfang waren die Erinnerungen wie verschwommen und ich fragte mich, ob ich das geträumt oder wirklich erlebt habe...''

 

So ging es mir nämlich auch. Es war doch schon sehr lange her und ich konnte es einige Zeit sehr gut verdrängen. Und dann kam es immer wieder, wie kleine Blitze schlugen die Erinnerungen in mein Kopf ein. Erst wollte ich es nicht wahr haben und dann aber nahmen sie mein Leben ein!
Und ich dachte mir, wenn andere Frauen ihre Lebensgeschichten erzählen, warum sollte ich das nicht auch machen. Denn es war nicht das erste Mal, dass ich darüber nach dachte meinem Verlobten dies zu erzählen, doch es ergab sich nie die Gelegenheit und ich hatte Angst er würde sich dann vor mir ekeln oder mich sogar verlassen. Einfach...alleine lassen...
Ein anderer Punkt war der, das die meisten aus meiner Familie schnell behaupten man hätte eine Lügengeschichte erfunden nur um auf sich Aufmerksam zu machen und sich in den Mittelpunkt zu stellen. 

In den darauf folgenden Tagen versuchte er es ein wenig mit Humor zu überspielen.

Ein Mal lagen wir Abends im Bett und er legte seine Hand auf meinen Bauch. Da kam dann so ein Satz wie : ,, Keine Angst das ist nicht dein Onkel das bin nur ich.''

Ich fand es zwar nicht so witzig aber es zeigte mir, dass er sich darüber Gedanken machte und dies wiederum zeigte mir, dass er mich ernst nahm und darüber war ich sehr glücklich.

Sich der Sache klar werden!

Der Tag bei meinem Therapeuten stand bevor, und ich überlegte mir ob ich den Termin verschieben sollte. Ich hatte Panikatacken und fühlte mich ziemlich unwohl!
Ich zwang mich dazu die Sitzung wahr zu nehmen und war innerlich total aufgewühlt und nervös, nahm mir aber trotzdem vor alles zu erzählen was ich noch weiss.

Wie jedes Mal nahmen wir auf der kleinen Couch platz. Meine Hände schwitzen. Ich suchte einen Anfang und als ich ihn fand war alles ganz einfach. Ich erzählte die ganze Geschichte noch einmal.
Mein Therapeut sagte gleich, dass dies eine sexuelle Nötigung sogar schon Missbrauch war und ich ihn dafür hätte anzeigen können. 

Wieder weinte ich. Paul nahm mich an der Hand und gab mir dieses Gefühl verstanden zu werden.

Für mich war das eine sehr große Leistung, denn ich hatte bisher nur Paul erzählt was damals passierte. Somit waren meine fünfundvierzig Minuten vorbei und für mich war diese Sitzung sehr erlösend aber trotzdem nicht beendet.
Trotzdem fühlte ich mich danach befreiter.

Das Thema war nun in unserer Beziehung kein Tabuthema mehr. Ich konnte mit Paul darüber reden als wäre es ein übliches Thema.

Bis zur nächsten Sitzung machte ich mir um diese Sache intensive Gedanken. Dabei ging es immer um meinen Onkel, wie er sich nach dieser Sache mir gegenüber verhalten hatte und nahm mir vor auch dies zu erwähnen. Auch stellte sich mir öfters die Frage 'Hatten meine Eltern nie etwas bemerkt?'.

Also erzählte ich drauf los:

,,Einmal, als ich Geburtstag hatte rief mich meine Cousine an. Sie wohnte nun nicht mehr in der gleichen Stadt und wir sahen uns daher kaum noch. Sie sagte ich solle mich fertig machen denn wir würden einkaufen gehen. Ich hatte mich riesig gefreut sie wieder zu sehen und dachte dabei gar nicht an meinen Onkel der auch dabei sein würde. Als sie vor meiner Tür standen und ich mich in das kleine Auto auf die Rückbank zwängte fuhren wir zu einem Laden der ausschließlich Jeansbekleidung verkaufte.

Ununterbrochen erzählte ich mit meiner Cousine und wir kamen zu diesem einen Thema, Übernachtung. Sie wollte unbedingt, dass ich mal zu ihr komme und bei ihr übernachte. Ein ganzes Wochenende nur für uns. Natürlich hätte ich auch eine ganze Woche dort bleiben können. Ich log und erzählte ihr, ich hätte Momentan sehr viel mit der Schule zu tun und daher keine Zeit. Damit war das Thema auch vorerst vom Tisch.

Im Laden angekommen, sagte mein Onkel ich dürfte mir zwei Jeanshosen und zwei Pullover aussuchen. Also durchstöberte ich die ganzen Ständer, stellte fest, dass die Klamotten nicht gerade billig waren und machte meine Cousine nebenbei darauf aufmerksam. Sie antwortete, dass dies kein Problem wäre und ihr Vater das schon bezahlen würde. So suchte ich mir zwei Hosen und zwei Pullover aus und verschwand in einer der Kabinen um die Sachen an zu probieren. Als ich meine erste Hose an hatte und den Vorhang öffnete, stand mein Onkel direkt vor mir. Mir kam das ein wenig komisch vor, so als hätte er in die Kabine schauen wollen. Er sagte, dass mir die Hose sehr gut stehen würde und ich noch eine weitere aussuchen sollte.
Nun hatte ich beim umziehen so ein unwohles Gefühl und war schon darauf gefasst, dass er eine Möglichkeit nutzen würde um in die Kabine zu schauen. Doch zu meiner Erleichterung musste er sich setzen denn er war zu diesem Zeitpunkt nicht gerade in körperlicher Bestform und kam schnell aus der Puste.

Ich packte meine Sachen, die mir passten und rechnete im Kopf schon einmal den zu zahlenden Betrag zusammen. Gute 100 Mark würden diese Artikel kosten. Nichtssagend liefen wir an die Kasse und ließen die Verkäuferin ihr Arbeit machen. Mein Onkel bezahlte ohne etwas zu sagen, drückte mir dann die volle Einkaufstüte in die Hand und lächelte mich an. Ich bedanke mich und lief mit meiner Cousine ans Auto.

Zu meinem Nachteil wollten sie noch ein wenig zu mir nach Hause kommen. Ich zeigte meiner Mutter die Geschenke und sie fragte mich ob ich mich denn auch richtig bei meinem Onkel bedankt habe. Denn 100 Mark waren sehr viel. Also zwang ich mich dazu meinen Onkel eine Umarmung zu geben und mich vor den Augen meiner Mutter noch einmal bei ihm zu bedanken. Dieser Augenblick in dem ich mich bloßgestellt fühlte, sollte nicht der letzte bleiben.

 

Ich erinnere mich an Situationen in denen mein Onkel einfach mal zu Hause anrief und mit mir sprechen wollte. Nur mal fragen wie es mir geht, als wäre das so selbstverständlich einfach mal so nach zu fragen.
Ein mal wollte er zu Besuch kommen. Einer meiner Onkel mit dem wir viel Kontakt hatten, hatte eine neue Freundin. Die beiden wollten am selben Tag vorbei schauen wie der andere es tat. Sofort sagte ich zu ihm: ,, Ich würde das deiner Freundin nicht an tun. Der Fette kommt morgen und den muss sie wirklich nicht kennen lernen!''
Diese Beleidigung rutschte mir so raus, auch wenn ich so über ihn dachte, hatte ich ihn nie so in der Öffentlichkeit betitelt. Leider bekam das auch mein Vater und der Sohn meines ach so tollen Onkels mit und beide waren sehr sauer auf mich.
Ich bekam natürlich den Ärger, und mein Vater sagte, dass er nie wieder so etwas hören möchte vorallem nicht wenn ein Kind oder ähnliches von jemanden dabei ist.
Ich war sauer, denn eigentlich hatte ich doch jedes Recht so über ihn zu reden. Und mein Vater verbot es mir... 

Ich hoffte eigentlich, nach der Scheidung von meiner Tante und dem Umzug, dass ich vor ihm Ruhe hätte, doch so war das nicht.

Er war zu jedem Geburtstag anwesend. Jedes mal musste ich mir seine komischen Sprüche, von denen ich damals noch nicht wirklich viel verstand anhören.

Meine Eltern fuhren ihn so oft besuchen oder luden ihn ein. Und jedes Mal wenn ich ihn sah hasste ich ihn mehr.
Wie er mich ansah, was er alles zu mir sagte und mich dabei angrinste.

 

Ich erinnere mich auch an dieses eine Mal, als ich mich doch dazu überwand bei meiner Cousine zu schlafen. Ich war stehts nur an ihrer Seite und wollte nie in einem Raum mit meinem Onkel alleine sein. Doch ich hatte immer die Befürchtung, dass es passieren würde, denn sie hatten nur eine zwei Zimmerwohnung.

Er lag da, auf seinem Bett, dass normalerweise in einem Krankenhaus steht, röchelte vor sich hin da er kaum Luft bekam. Er hatte nach dem Umzug so viel an Gewicht abgenommen und nun ist er dicker als vorher.
Ich gönnte ihm diese Umstände, denn so konnte er nicht auf dumme Ideen kommen, wie zum Beispiel Abends auf zu stehen und plötzlich vor der Toilettentür zu stehen wenn ich gerade darauf sitze.

Zum Abendessen konnte er sich nicht verkneifen mich darauf an zu sprechen wie sehr ICH doch zugenommen hätte und was ich an meiner Ernährung ändern könnte damit ich nicht noch dicker werde. Und das von ihm, jemand der nur noch durch die Gegend rollte wenn er überhaupt mal aus dem Bett kam zu hören machte mich so wütend, dass ich einfach weiter aß obwohl ich schon genug hatte und mir schon regelrecht schlecht wurde.

Gegen Abend gingen meine Cousine und ich ins Zimmer und spielten noch ein wenig. Als sie sagte, dass sie unbedingt auf die Toilette müsse nutzte ich die Gelegenheit gleich mit zu gehen. 

Danach legten wir uns wieder ins Bett und erzählten noch ein wenig. Sie schlief vor mir ein und ich bemerkte, dass ich schon wieder aufs Klos musste, doch ich wollte dieses Zimmer nicht alleine verlassen und so verkniff ich es mir bis zum Morgen als sie mit mir aufstand.

Am Mittag wollte ich dann doch nach Hause da ich diesen Druck, ihn ständig um mich herum zu haben einfach nicht mehr aushielt. Das war das letzte Mal, dass ich bei meiner Cousine zu Hause schlief.
Ich besuchte sie nur noch wenn sie bei ihrer Mutter übernachtete und das nutze ich dann auch um mit dort zu übernachten.,,

 

Meine Gedanken kreisten nur noch um diese eine Sache und mir vielen so viele Situationen auf in denen ich merkte, wie sehr mich das alles doch verfolgt hat. Auch wenn ich versuchte alles zu vergessen. Es war immer da, immer um mich herum. Und ich fing an vieles mit einander zu verknüpfen.
So fiel mir auf, dass ich das Verhalten aus Frust zu essen, sich bei mir so sehr fest gesetzt hatte, dass es nun ein Bestandteil meines Ichs war.
Schon damals, als das mit meinem Onkel passierte aß ich obwohl es mir total schlecht ging. Und jedes Mal als er mich während dem Essen darauf ansprach, dass ich dick bin. Auch dann aß ich weiter.

Doch ich bin ehrlich. Das Essen hat mich wieder glücklich gemacht, und diese Methode mit Stress oder Frust um zu gehen, hat sich bis heute bewährt!
Ich bin nicht stolz darauf, und denke oft darüber nach wie es ohne dieses Verhalten wäre. Oft bekomme ich gesagt, ich solle doch einfach damit aufhören. Doch das ist leichter gesagt als getan und viele die sich mit so etwas nicht auskennen, die werden mich auch nie verstehen.

Des Rätsel Lösung?

Bei einer anderen Sitzung erzählte ich über eine Sache, die mich bis heute verfolgt.

 

,,Es war an einem Geburtstag bei uns zu Hause. Mein Onkel war natürlich auch mit dabei. Den ganzen Tag über versuchte ich ihm aus dem Weg zu gehen. Was auch nicht wirklich schwierig war, da er sich nie von der Couch erhob außer um auf die Toilette zu gehen. Ich versteckelte mich auch den ganzen Tag in meinem Zimmer.

Gegen Abend habe ich mich doch noch aus Höflichkeit ein wenig ins Wohnzimmer zu den restlichen Besucher gesetzt.
Mein Onkel lag auf der Couch. Er fragte meinen Vater, ob er etwas zu Essen für ihn hätte. Mein Vater brachte im eine Packung Speck mit Brot.

Auf der Seite liegend und nach Luft ringend stopfte er das Zeug in sich rein. Dabei hielt er uns Vorträge, wie ungesund es sei so spät noch etwas zu essen und dass man es auf keinen Fall machen sollte.

Ich lachte innerlich und dachte mir, schaut ihn an und was für ein gutes Vorbild er ja ist.

Ich hoffte so sehr, dass er an einem dieser Stücken erstickt und ich endlich meine Ruhe vor ihm habe. Doch diesen Gefallen tat er mir nicht.

Dann sagte mein Vater etwas, was mich so richtig traurig und wüten machte. Er war leicht betrunken und er hatte es mit einen meiner Onkel über das Thema 'Vergewaltigung'.

Er sagte: … wenn irgendjemand meiner Tochter so etwas antun würde, ich würde ihn totschlagen!''

ich sah ihn an und dachte mir:

DA!!! DORT AUF DER COUCH! ER KANN SICH NICHT WÄHREN! SCHLAG IHN! SCHLAG ENDLICH ZU!!!

Aber ich konnte es nicht laut sagen, Und so hat er es auch nie erfahren.

 

Mein Psychologe fragte mich, was ich mir gewünscht hätte. Wie hätte in meinen Augen die ganze Situation ablaufen sollen.

Ich sagte ihm, dass ich mir wünschte, es meinem Vater gesagt zu haben und er meinem Onkel das
gibt was er auch verdient!

Schläge und Verachtung!

 

Nach dieser Sitzung nahm ich meinen Mut zusammen und erzählte zu Hause meiner Cousine väterlicher Seite die ganze Geschichte. Sie ist für mich so etwas wie eine Schwester, jemanden dem ich vertrauen konnte und jemand der mir auch glauben würde.

Am Anfang jedoch wusste ich nicht, ob ich es ihr überhaupt sagen sollte. Ihr Leben war so perfekt und ich wollte es ihr nicht mit einer Horrorgeschichte kaputt machen zumal sie auch noch nie einen festen Freund hatte und ich sie in sexueller Hinsicht nicht verängstigen wollte.

Sie hatte jedoch Verständnis für mich und meine Situation und sie sagte, sie hätte damals gespürt, dass Etwas passiert sein muss da ich mich von jetzt auf nachher sehr verändert hatte. Doch wollte sie mich nie darauf ansprechen.

Da stellte ich mir wieder die Frage, wenn meine Cousine UND mein Freund etwas geahnt hatten, taten es andere auch?

 

Die ganzen zwei Wochen bis zur nächsten Sitzung machte ich mir darüber Gedanken. Immer wieder die vielen Fragen.
Und immer wieder überlegte ich mir, ob ich alles meinem Vater oder sogar beiden erzählen sollte.
Das war das erste Mal in so vielen Jahren , dass ich mich ausschließlich mit mir selbst beschäftigte.

In der nächsten Sitzung erzählte ich über meine Gedanken und mir wurde die Frage gestellt, wie ich mich fühlte nachdem ich meiner Cousine davon erzählte.

 

Es war...befreiend! Es tat gut, dass mir jemand zu gehört und es auch geglaubt hat!

 

,,Wem habe ich noch davon erzählt?''

 

Niemandem sonst. Ich wollte es meinen Eltern erzählen doch ich habe mich nicht getraut. Ich hatte Angst, dass sie mir nicht glauben würden. Das sie mir ins Gesicht sagen, dass ich doch nur lügen würde.

Das wäre für mich das schlimmste. Und außerdem, ist er tot! Jetzt kann man doch eh nichts mehr daran ändern und ich weiss, dass man über Tote nicht spricht.

 

Ich sollte es mir doch nun endlich mal zu Herzen nehmen, wie ich es meinen Eltern oder auch Anderen erzählen möchte. Er legte mir nah, dass ich auch einen Brief oder eine Geschichte schreiben kann. Das hätten schon viele Patienten von ihm gemacht und das hat ihnen sehr geholfen.

 

Zu überlegte ich natürlich auch, wie ich so etwas aufschreiben könnte. Wie man am besten einen Brief oder eine Geschichte darüber anfangen könnte. Dabei viel mir auf, egal wo ich bin, überall wurde von meinem Onkel erzählt. Meine eigenen Eltern die so positiv über ihn erzählten als wäre er ein Heiliger. Meine Cousine die Fotos auf soziale Netzwerke hoch lud auf denen er mit mir zu sehen ist.

Was mich aber am meisten ärgerte, ist die Tatsache, dass ich wegen diesem Mann nie meinen Großvater auf dem Friedhof besuchen gegangen bin. Jedes mal wenn ich dort war hatte ich das Gefühl als würde mein Onkel hinter mir stehen und mich beobachten und sogar auslachen.

Seit dem Tod meines Opas vor drei Jahren war ich vielleicht zwei Mal dort! Öfters wurde ich von meinen Eltern gefragt ob ich mit gehen wolle, aber ich lehnte immer wieder ab. Ich weiss, dass sie das Grab meines Onkels auch in Ordnung hielten und mir passt das natürlich gar nicht. Er hat es nicht verdient! Er hat in meinen Augen nicht einmal eine Grabstätte verdient!

Doch da war dieses eine Mal und ich ging mit.

 

,,Dann stand ich mit meinem Sohn vor dem Grab meines Onkels. Wir wässerten es. Ich sah zu wie das Wasser auf sein Grab herab viel und dann in die Erde versickerte. Ich dachte, nein, ich stellte mir regelrecht vor wie er da unten in seinem Grab sitzt und ertrinkt. Die Vorstellung wie es wäre, dass er ertrinkt brachte mich zum lächeln.

JA! Es machte mir Spaß!,,

 

Ich erzählte es gleich Paul als ich zu Hause ankam. Auch, dass ich mich ein wenig dafür schämte solche Vorstellungen zu haben.

Aber er gab mir sein Verständnis und sagte es sei völlig normal wenn jemand so etwas erlebt hatte!

Natürlich brachte ich auch das in der nächsten Sitzung zur Sprache.

Und da stellte mir der Psychologe die Frage, was ich meinem Onkel gerne sagen würde wenn er noch leben würde?

 

Ich würde ihm sagen wie sehr ich ihn hasse! Dass er ein Arschloch ist! Und dass er es nicht verdient hat, dass jeder so gut über ihn denkt!

 

,,Wie sollte er denn nach meiner Meinung nach bestraft werden?''

 

Ich möchte, dass er von jedem gehasst wird. Keiner würde sich mehr mit ihm abgeben. Danach würde ich ihm die Folter gönnen. EGAL WELCHE ART DER FOLTER, Hauptsache qualvoll und sein ganzes Leben lang.

Ich würde ihm nicht den Tod wünschen.

 

,,Warum nicht?''

 

Weil es keine Befriedigung gibt!

Er ist tot und er wird nie dafür büßen für das was er getan hat!

 

,,Wie war es für dich als dein Onkel verstarb?''

 

Meine Mutter kam am Morgen in mein Zimmer und sagte sie müsse mit meinem Vater zu meinem Onkel fahren, denn er sei gestorben und meine Cousine und mein Cousin wissen nicht was sie machen sollen.

Sie verließ das Zimmer. Ich ließ ein paar Minuten verstreichen und ging dann auch nach draußen und schaute zu wie sie sich fertig machten und dann die Wohnung verließen.

Dann fing ich an zu weinen. Ich weinte, weil ich froh war. Froh darüber, dass er endlich tot ist und das nun alles vorbei sei!

Aber nach ein paar Minuten des froh sein bemerkte ich, dass ich NICHT glücklich bin! Er wird nie seine Strafe bekommen! Er ist als der Mann gestorben, der nie etwas getan hat und immer nett und freundlich war!
Dann wurde er auch noch auf dem Friedhof in unserer Stadt begraben obwohl er doch so weit weg wohnte.
Und in der Kirche, seine Lebensgeschicht die vom Pfarrer vorgelesen wurde. Nur Gutes! Und Jeder weinte. Nur ich weinte vor Glück und lächelte im tiefsten Inneren. 

Diesmal gab er mir die Aufgabe, auf jeden Fall einen Versuch zu unternehmen mich meinen Eltern und meiner Familie mit zu teilen. Ihnen meine Geschichte zu erzählen ob sie es nun glaubten oder nicht!

 

Doch ich schaffte es nicht. Immer wenn ich es mir vorgenommen hatte, hatte ich plötzlich wie einen großen Klos im Hals oder hatte einfach nur zu große Angst. Und als hätten sie etwas gerochen erzählten sie immer öfters über ihn.
Mein Gedanke war, wenn sie nun so gut über ihn redeten, dann hatten sie es also auch nicht verdient etwas davon zu erfahren.

Mich hat die ganze Sache immer mehr belastet. Ich habe angefangen mir Bücher zu kaufen in denen es um Menschen, speziell Frauen ging denen es genauso oder noch schlimmer ging. Und jedes Mal war der Vater der Schuldige. Manchmal fühlte ich mich alleine, da ich immer dachte, ich bin die einzige der so etwas mit ihrem Onkel passierte.
Dann redete ich mir ein, dass ich vollkommen übertreibe und die ganze Sache eigentlich doch gar nicht so schlimm war.

Im Internet gab es zu dem Zeitpunkt auch sehr viele Seiten und Foren die über die Bestrafung für Täter oder über die Opfer redeten und diskutierten.
Ich brachte mich in jedes Forum ein, schrieb aber nie einen Beitrag.
Ich hatte immer Angst jemand aus meiner Familie könnte es lesen und wüsste dann Bescheid.

 

 ,,Wie dieses eine Mal! Ich schrieb in mein Tagebuch, wie froh ich war dass mein Onkel nun tot ist und ich mir nie wieder seine dummen Sprüche anhören musste.

Und dann...dann riss ich die Seite wieder heraus und schmiss sie in den Mülleimer weil ich Angst hatte, dass Jemand mein Geschriebenes lesen könnte!'

 

 

Nachdem ich in den folgenden Sitzungen immer wieder das gleiche erzählte, sagte mir der Psychologe, dass es Momentan nichts bringen würde weitere Sitzungen zu machen, da ich mich im Kreis drehen würde. Immer wieder von dem gleichen zu erzählend und sehr abweisend gegen Vorschläge würde ich also nur meine Stunden verschwenden.
Ich sollte erst wieder kommen, wenn ich meinen Eltern davon erzählt habe und noch ein Mal wenn wir eine Wohnung gefunden hätten. Dabei machte er die Andeutung, dass es nicht falsch wäre aus der Stadt zu ziehen, da er damals schon wusste, dass ich niemals Ruhe in dieser Stadt finden würde.

Ich schaute ihn mit großen Augen an und fragte mich wie er so etwas sagen konnte. Ich war noch nie für eine längere Zeit weiter entfernt von der Stadt in der ich wohnte.

Ich sprach natürlich auch mit Paul darüber, denn es wäre natürlich eine Option. Aber der Gedanke machte mir doch Angst.
Doch dann sagte man mir, dass meine Großmutter auch wieder zurück in die Stadt zog. Und so sehr ich meine Großmütter liebe, aber ich wusste ich musste unbedingt fort von dort. So weit weg wie es nur ging. Und wenn mir jemand eine Wohnung und einen Job in Alaska angeboten hätte wäre ich sofort dort hingezogen. 

 

 

Die Erlösung?

Es brauchte auch nicht lange und wir fanden eine Wohnung in einem Dorf das eine dreiviertel Stunde von der jetzigen entfernt liegt. Schon bevor wir die Zusage hatten, fing ich an meine Geschichte auf zu schreiben.
Doch hörte ich wieder auf und konzentrierte mich auf den bevorstehenden Umzug und durch die Ablenkung die er mit sich brachte, dachte ich auch kaum noch an die ganze Sache. 

Meiner Cousine erzählte ich damals natürlich als erstes von unsere Wohnung und dem Umzug.

Was mich aufs Neue wunderten war als sie sagte, sie würde es verstehen warum wir so weit weg ziehen und nicht hier bleiben wollten.
Sie wusste genau, dass alles in dieser Stadt mich an diesen Mann erinnert. Es wäre nie gut gegangen und bräuchte Abstand von allem.. Ich erzählte ihr auch, dass ich angefangen habe eine Geschichte zu schreiben aber noch nicht weit gekommen bin.
Als ich sie fragte, ob sie die fertige Geschichte gerne lesen würde stimmte sie sofort zu. 
An diesem Tag erzählte ich mit ihr noch mal ganz offen über alles, was damals mit meinem Onkel passierte und was es alles an Auswirkungen auf mich hatte.

Ich gestand ihr,dass ich immer neidisch auf sie war, weil sie die perfekte Kindheit hatte in der nie etwas passiert war.
Sie ging aufs Gymnasium und darf nun Studieren. Warum ich mich damals so sehr von ihr distanzierte und erklärte ihr den Zusammenhang jeglicher Selbstverletzung die ich mir seither angeeignet hatte und Verhalten was ich automatisch mit übernahm.
Wir redeten lange und ich fühlte mich einfach verstanden. Und mein Geheimnis würde bei ihr auch gut aufgehoben sein. 

 

Nach dem Umzug, hatte ich noch nach vielen anderen Möglichkeiten gesucht meinen Eltern von meiner Geschichte zu erzählen.
Ich dachte sogar daran ein Video zu erstellen. Ich bin viele Situationen durchgegangen, vieles was hätte während meiner Erzählung hätte gesagt werden oder getan werden können.
Ich ging jedes Szenario durch. Das Szenario, dass sie in Tränen ausbrechen und mich um Verzeihung bitten weil sie nie etwas gemerkt hatten oder sogar mich hätten ausgelacht und mich als Lügnerin bezeichnet hätten. 

 Und jedes Mal, wenn sich eine Situation ergeben hätte können, fand ich eine Ausrede es meinen Eltern doch nicht zu sagen.
Ich fühlte mich immer schlechter. Es gab viele Vorfälle, die hätten verhindert werden können wenn ich einfach nur meinen Eltern davon erzählt hätte oder doch weiterhin zu meinen Sitzungen gegangen wäre.
Es gab viele die nicht wussten, dass ich nicht mehr zu den Sitzungen gehe, da ich Momentan nicht richtig mitarbeiten konnte und fragten mich daher auch immer, wie es denn so in den Sitzungen läuft.

Darauf Antwortete ich nur, dass ich Momentan nicht gehen müsse da sich durch den Umzug alles verbessert hat.

 

Doch das war alles eine Lüge. Ich habe mir erhofft, dass wir umziehen und mir geht es besser.
Doch dieses Gefühl der Besserung kam nicht und ich war deprimiert. Ich weinte, jeden Abend aufs Neue und das war auch für Paul nicht einfach. Ich war anstrengend und wusste nicht wie ich mit mir selbst umzugehen habe. Ich hatte nun viel Zeit für mich. Zu viel! Ich warf mir selbst vor, ein Feigling zu sein. Ein Angsthase der vor seinen Problemen davon läuft und ich war wütend, da ich es noch immer nicht geschafft habe meinen Eltern meine Geschichte zu erzählen.

Die Realität!

Auch jetzt sitze ich wieder an meiner Geschichte.

Frage mich was ich noch schreiben soll.

Frage mich, ob ich diese Geschichte jemals meinen Eltern zeigen werde oder ihnen überhaupt davon erzähle.

Ich weiss jetzt schon, dass es für diese Geschichte nie ein Ende geben wird. Kein gutes, kein schlechtes aber auch kein befriedigendes. Ich kann nur anfangen es zu akzeptieren und damit zu leben.

Meine größte Angst ist noch immer, das meine Eltern mir diese Geschichte nicht glauben werden. Dass sie denken, dass ich mich nur wichtig machen will.

Mein Wunsch wäre es, wenn keiner mehr über meinen Onkel erzählen würde.

Wenn man ihn einfach vergisst als wäre er nie da gewesen. Keiner mehr an seinem Grab steht und um ihn trauert.

 

Denn wie mein Paul schon sagte, er hat zwar nie die Strafe, die Verachtung oder die Rache von jenen bekommen die es auch sollten.
Aber, da wo er jetzt ist wird er bestimmt all das und noch viel mehr bekommen!

Nachruf

Es war Oktober und wir hatten uns schon vor langem für Helloween verabredet.
Ich war mir sicher, dass ich diesmal meinen Eltern von allem erzählen würde. Denn ich war der Meinung, dass Momentan alles so super lief, dass dies vielleicht der perfekte Zeitpunkt wäre. In der Woche vor Helloween telefonierte ich mit meiner Mutter.
Sie sagte mir, dass sie ein paar Probleme mit meinem Vater habe und er sich ein wenig komisch ihr gegenüber verhalten würde.


,,Das wird bestimmt wieder. Vielleicht hat er einfach ein wenig Stress und ist darum so komisch.''

Mit diesen Worten verabschiedete ich am Donnerstagabend von meiner Mutter.
Am nächsten Tag versuchte sie mich ein paar mal an zu rufen. Ich bekam, Nachrichten von meinem Bruder ich soll doch dringend bei meiner Mutter anrufen.
Ich rief also an und was meine Mutter mir zu sagen hatte, schmiss mich ziemlich aus der Bahn.

,,...Papa liegt im Krankenhaus. Die Ärztin meint, es sei ein Schlaganfall...''

Wir machten uns sofort fertig und fuhren zu meiner Mutter um sie ab zu holen und lieferten unseren Sohn bei meiner Großmutter ab, die auch noch nichts von der ganzen Sache wusste.
Mein Vater lag noch in der Notaufnahme als wir ins Krankehaus kamen. Ich durfte rein und als ich ihn ansah, hatte er eindeutige Anzeichen von einem Schlaganfall. Er war wach, sagte mir wie sehr er doch Hunger habe und machte auch schon wieder ein paar Witze.
Wir waren den ganzen Tag bei ihm. Der Arzt stellte eine große Gewebebildung in seinem Kopf fest die auf sein neurologisches Zentrum des Hirnes drückte. Er wurde für die Operation fertig gemacht dich lag noch bis Morgens um 3 Uhr auf der Station.
Ich war schon selbst nicht mehr dort als er zu OP abgeholt wurde, aber meine Mutter telefonierte mit mir und schrieb mir sofort Nachrichten wenn sich etwas getan hat oder sie etwas neues wusste.

Es stellte sich heraus, dass die Vermehrung im Kopf eine Metastase war. Das Bedeutete also, dass mein Vater Krebs hatte.
Geschockt war ich schon, aber hatte noch immer die Hoffnung, dass es ein Krebs war der noch zu behandeln oder sogar zu entfernen war.
Nach der ersten OP ging es ihm so gut. Er war zwar öfters schwach auf den Beinen aber er war wieder MEIN PAPA. Sein Humor war zurück und er verhielt sich nicht mehr wie ein kleines Kind, so wie er es tat bevor er die Metastase entfernt bekam.
Er hatte Probleme mit dem Sprechen und stotterte oft vor sich hin oder hörte einfach auf zu erzählen weil er nicht wusste wie er manche Dinge benennen sollte. Aber dies war in meinen Augen nur ein kleiner ''Schönheitsfehler'' den man später mit Sprachunterricht wieder hätte zu 99% wieder gut beheben können.
Wir sind vorübergehen zu meinen Eltern nach Hause ''gezogen''. Waren dort, besuchten jeden Tag meinen Vater im Krankehaus, kochten und kauften ein.
Ich war froh um jede Minute die ich mit meinem Vater  haben durfte und nahm mir vor vorerst nichts von meiner Geschichte zu erzählen. Ich wollte abwarten bis es meinem Vater wieder besser ging und hätte es ihm dann erzählt.
Er hatte schließlich andere Probleme als mein Problem mit diesem einen Onkel.

Ich habe viel erzählt und gelacht mit meinem Vater. Er war noch nie in seinem ganzen Leben so offen zu mir wie er es zu dem Zeitpunkt seiner Krankheit war. Er erzählte mir über seine Wünsche, Ängste und über einiges was ihn nervte. Oft hat er geweint, einfach so ohne etwas zu sagen. Und ich habe ihn einfach nur in den Arm genommen.
Wenn er nach Hause durfte, umarmte er mich zur Begrüßung so fest, dass mir fast der Atem weg geblieben wäre. Aber ich habe es genossen. Er zögerte nie für ein Küsschen oder eine Umarmung.

Die Wochen vergingen und ich sah wie er abbaute, wie es ihm immer schlechter ging. Oft hat er sich in sein Schlafzimmer zurück gezogen. Oft aggresiev und depremiert. Inzwischen wussten wir, dass er Lungenkrebs im Endstadium hatte. Mein Hausarzt sagte mir schon, die Vorstellung er könne noch 6 Monate oder mehr haben wäre eine Utopie!
Das zerbrach mir das Herz. Wie sollte ich mit allem umgehen. ICh wusste schon da, dass ich ihm nie die Sache mit meinem Onkel sagen könnte. Beruihgte mich aber damit, dass es vielleicht nichts ausmachen würde.


Das letzte Weihnachten...
Das Silvester ohne ihn...


Ich kam ihn Besuchen und er schaute mich an. Kein Hallo keine Umarmung. Ich fragte wie es ihm ginge und er antwortete:


,, SCHEISSE!!!''


Ich stellte mich direkt neben sein Bett und fragte ihn was er damit meint und er sagte:

,,Ich habe noch mehr Krebs!''


Er konnte mir nicht sagen wo sie noch Metastasen gefunden haben, aber das spielte keine Rolle mehr. Er weinte. Und was er dann sagte, werde ich nie vergessen!


,,...Ich habe keine Zeit mehr. Sie läuft ab! Es ist vorbei...''


Ich umarmte ihn, wusste nicht was ich sagen sollte außer, dass ich ihn lieb habe egal was passiert und ich immer für ihn da bin.


Das letzte mal als ich mit ihm geredet habe, hatte ich ihm gesagt, dass wir wieder nach Hause fuhren. Ich hatte ihm einen extra zusammen gestellten Tee mit gebracht. Ich hatte ihm Samstags schon davon erzählt und er wollte ihn am liebsten sofort trinken.


Meine Mutter sagte mir im Laufe der Woche, dass es meinem Vater nicht so gut ginge und er sehr schwach sei.


Das letzte Mal als ich ihn sah...wie soll ich es beschreiben?
Er schlief nur noch, wimmerte vor sich hin, hatte hohes Fieber. Seine Handgelenke so dünn wie die eines Mädchens. 
Ich war so sehr erschrocken. Immer wieder suchte er im Schlaf nach einer Hand zum fest halten. Und immer wenn ich sie ihm entgegen gestreckt habe, hat er fest zu gegriffen. Dann wurde er ruhig. Immer wieder streichelte er mit seinem Daumen meine Hand. Ich genoss es.


Er starb am Abend des 17. Januars. Nach qualvollen zwei Wochen.
Ich war erleichtert und traurig zugleich. Er hat einen kurzen Leidensweg gehabt doch ist er nun für immer fort.
Ich möchte nicht in dieser Geschichte preis geben wie oft ich mir dafür die Schuld gegeben habe und wie oft ich mich dafür selbst bestraft habe aber was gesagt werden sollte, ich hatte ein sehr schlechtes Gewissen meinem Vater gegenüber weil er die ganzen drei Monaten so ehrlich zu mir war, dass ich das Gefühl hatte ihn auch noch nach seinem Tod zu belügen oder zu hintergehen.


An dem Abend, an dem wir das Gespräch mit dem Pfarrer hatten, bat ich um ein privates Gespräch. Ich wusste nicht mit wem ich sonst darüber reden konnte und dachte er sei nun der einzige der mir noch helfen könnte, da er mit der Sache nach dem Tod zu tun hat.
Ich erzählte auch ihm meine Geschichte. Erst bedankte er sich bei mir, dass ich ein solches Vertrauen in ihn hatte um es ihm zu erzählen. Er sagte mir, er ist sicher, dass es besser ist wenn mein Onkel gestorben ist, denn man weiss nie ob er es mit noch mehr Kinder gemacht hätte oder sogar getan hat.
Er sagte mir, dass es eben nicht Gottes Wille war, dass mein Vater diese Sache vor seinem Tod erfuhr. Aber ich soll einen Brief schreiben und ihm alles darin erklären. Ich erzählte dem Pfarrer, dass ich denke, durch mein Geheimnis mache ich die Beziehung zu meinerm Vater kaputt. All das, wofür wir nun gearbeitet hatten auch jetzt nach dem Tod.
Ich hatte Angst, dass er nun sauer auf mich ist oder sogar enttäuscht weil ich ihm nie davon erzählt habe. 
Der Pfarrer erlaubte mir, dass ich an der Beerdigung den Brief mit zu meinem Vater ins Grab geben darf. 
Denn auch er glaubt daran, dass mein Vater ihn lesen wird und wenn er will wird er mir auch eine Antwort zukommen lassen.


Eine Antwort habe ich erhalten! Es wird schwer sein dies anderen zu erklären wie und woher ich die Antwort meines Vaters kenne.
Aber ich weiss eines, dass ich hätte nie so lange warten dürfen um es meinen Eltern zu erzählen und das es nun Zeit ist, mit der Wahrheit heraus zu rücken. 

 


Egal was andere danach über mich sagen oder denken. Es ist mein Leben, andere können daran teilhaben oder sollen es eben sein lassen.

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Gloeckchen

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Killerkeks Hallo :)
Ich habe mir deine Geschichte durchgelesen, und ich finde es sehr mutig von dir, das aufzuschreiben. Ich kann deine Gefühle verstehen, die du deinem Onkel gegenüber hegst, ich glaube ich würde in deiner Situation genau so denken.
Ich weiß nicht, was ich noch viel dazu sagen soll, weil ich dich nicht kenne und so, aber ich glaube du hast schon viel geschafft, immer weiter so :)
LG,Killerkeks
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