Rafail Coel, Veteran und ehemaliger Anführer einer Spezialeinheit dachte dem Krieg entronnen zu sein. Er hatte sich geirrt. Nach 10 Jahren holt ihn die Vergangenheit ein und droht zu seiner Zukunft zu werden. Um das zu verhindern bekommt er eine zweite Chance und ist bereit alles zu tun. Copyright by Eagle Writer Bildquelle Star burst red and yellow fire / Fotolia.com
,, Alles klar. Auf drei.“
Sie hatten auch die nächsten beiden Stockwerke ohne irgendwelche Probleme erreicht. Auf der zweiten Ebene hatten sie nichts außer weiteren Toten gefunden. Dort hatte sich offenbar das Hauptlabor der Station befunden. In einem großen Kühlregal lagerten hunderte von Eisbohrkernen, manche davon mit Beschriftungen versehen und Katalogisiert, andere noch nicht Ausgewertet.
Neben den Laboren gab es dort allerdings nichts interessantes, Seyonn hatte es sich jedoch nicht nehmen lassen, die bisherigen Forschungsdaten an die Kronos zu schicken.
,, Damit sie wenigstens nicht völlig umsonst gestorben sind.“ , hatte er gesagt. Und danach die lokale Kopie der Daten gelöscht.
Auch wenn das vielleicht Grund genug für einen Menschen gewesen wäre, die Daten zu sichern… Coel wurde das Gefühl nicht los, das der Abgesandte der Unity auch ein persönliches Interesse an den Informationen hier hatte. Vor tausend Jahren.. war etwas mit Isaari geschehen…
Und wie hatte Seyonn gegenüber Martin betont? Er selbst war schon vor Jahrtausenden hier draußen gewesen.
Noch ein Punkt, um den er sich würd kümmern müssen, wenn sie zurück auf der Kronos waren.
Bis dahin blieb ihnen nur, sich weiter einen Weg durch die Ebenen der Station zu suchen.
Und jetzt stand Coel vor der Zugangstür zu Ebene 3, hinter der sich irgendwo die Stasis-Kammer mit Ethan Adams befand.
1… Er zählte langsam runter.
2… Wenn sich die Artheraner, die die Station angegriffen immer noch hier aufhielten und wenn sie wirklich aus demselben Grund hier waren… würden sie sich noch irgendwo hinter dieser Tür aufhalten müssen.
3…Er sprang durch die sich automatisch öffnende Luke, während ihm Martin und Seyonn Feuerschutz gaben. Die Panzerung aus Kohlenstofffaser ,die in die Thermokleidung eingelassen war, hielt zwar Kleinkalibrige Kugeln aus, aber einer Salve aus einem Sturmgewehr hätte das Kevlar nicht viel entgegen zu setzen.
Er bereitete sich darauf vor sofort in Deckung zu gehen, sollte sich irgendwo etwas bewegen.
Aber der Flur, der ähnlich dem auf der ersten Ebene Gestaltet war, war leer.
Leer bis auf ein paar Pflanzen, die hier und da in Kübeln verteilt standen.
Er machte einige weitere Schritte in den Flur, spähte in einen Warteraum, ähnlich dem, in dem sie auf der untersten Ebene den toten Sicherheitsoffizier gefunden hatten. Soweit er das sehen konnte, war hier alles genauso verlassen wie überall sonst.
Coel trat an eines der kleinen Fenster, deren Lichter sie bereits von draußen gesehen hatten und spähte hinaus. Aus den Wolken, die bei ihrer Ankunft hier die Sonne verdeckt hatten, war mittlerweile ein ausgewachsener Sturm geworden.
Schneeschleier fegten über die gefrorene Landschaft unter ihnen hinweg. Möglicherweise würden sie hier warten müssen, bis der Sturm vorbei war.
Die Glasscheibe des Fensters hatte eine integrierte Temperaturanzeige. Mit einer Handbewegung aktivierte Coel diese nun. Es dauerte einen Moment, dann erschienen die aktuellen Wetterdaten, zusammengestellt von den noch immer laufenden Computern der meteorologischen Station.
Er starrte auf die Anzeige. Aktuelle Windgeschwindigkeit : 50 Kilometer pro Stunde, Temperatur 78 Grad Celsius unter null. Besserungsaussichten : Gering. Warnung von einem verlassen der Station wird dringend abgeraten.
,, Seyonn, wie lange dauern Stürme auf Isaari durchschnittlich ?“
,, Nun, das kommt darauf an. Isaari ist gemessen mit der Erde fast doppelt so groß, dreht sich aber auch mit höherer Geschwindigkeit… Das bedeutet für den Wind natürlich…“
,, Eine einfache Antwort reicht.“ , meinte Martin.
,, Zwei bis drei Wochen.“
,, Toll… Soll das heißen wir hängen unter Umständen hier fest?“
,, Das denke ich nicht, die Kronos hat zwei Transporter. Wenn wir nicht zurück zu unserem Shuttle kommen, muss uns eben jemand abholen.“
,, Sicher. Darüber machen wir uns später Gedanken. Suchen sie lieber nach der Stase-Kammer. Gibt es hier eigentlich einen Plan für das Gebäude?“ , fragte Coel. Er hatte bisher zumindest keinen entdeckt.
,, Ich glaube nicht, aber hat HAL nicht die Pläne der Station runtergeladen ?“ , wollte Martin wissen.
,, Richtig.“ Coel aktivierte den Funksender. Diese hatten in etwa die Größe von Stecknadeln und wurden einfach in die Kleidung eingewebt oder manchmal auch direkt in die Haut implantiert.
In Coels fall, wie bei fast allen Angehörigen der GTDF war der Sender in die Ohrmuschel eingesetzt worden. Selbst bei einer Gefangennahme war so noch Kommunikation möglich.
Jetzt jedoch versagte das System. Er versuchte es nur nochmal, bekam aber nur Störungen rein die ihm schmerzhaft in den Ohren hallten.
,, Vierhundert Jahre technische Entwicklung… und wir kriegen es noch immer nicht hin eine stabile Funkverbindung aufzubauen, wenn man eine bräuchte.“ Coel gab auf.
,,Murphys erstes Gesetz was ?“
,, Wir werden wohl weiterhin einfach alles durchsuchen müssen.“
Die drei machten sich daran, genau das zu tun. Vom Flur aus zweigten mehrere Türen ab. Hinter einigen davon lagen Laborräume, die teilweise so aussahen, als wären sie grade erst verlassen worden.
In einem taute langsam ein Bohrkern auf und hinterließ eine größer werdende Wasserpfütze auf dem Boden, in einem anderen drehte sich eine Zentrifuge vermutlich seit Stunden im Kreis.
Im dritten Labor lag eine tote Wissenschaftlerin. An der Tür zum Laborraum war ein Schloss angebracht gewesen, das jetzt aber zertrümmert am Boden lag.
Sie hatte wohl versucht sich einzuschließen. Vergeblich. Wie alle anderen wies auch diese Leiche einen Kopfschuss auf.
,, Hassen die uns wirklich immer noch so sehr ?“ , fragte Martin betrübt.
,, Wir haben ihren Planeten und beinahe ihre Spezies vernichtet. Da wäre jeder wütend.“
,, Ja, aber das war vor Zehn Jahren… ich meine… „ Er zögerte, ,,Vielleicht war es im Nachhinein ein Fehler sie zu retten. Wenn das zu so etwas führt.“
,, Vielleicht, aber damals war es die Richtige Entscheidung. Und das ist es auch noch immer. Wir können nicht sagen, ob alle Artheraner so denken. Das hier ist tragisch. Aber wir Menschen haben auch unsere Kriegsverbrecher nicht?“
,, Fast 500 Jahre seit der Penner ins Gras gebissen hat… und ihr Amerikaner hackt immer noch auf uns armen Deutschen rum. Von Vietnam oder Irak und den späterem Wirtschaftskriegen brauch ich erst gar nicht anfangen oder?“
,, Einige wir uns auf Unentschieden ?“
,, Unentschieden.“
Die nächsten drei Räume waren Lager, in denen sich Kisten mit Fertigessen und Ausrüstung stapelten.
Und hinter der letzten Tür schließlich lag was sie gesucht hatten.
Eine kreisförmige Kammer, über deren Boden Kabel und Verbindungen gelegt waren, die alle im Zentrum in einem etwa zwei Meter hohen rechteckigen Kasten mündeten, dessen front aus einer abgedunkelten Glasscheibe bestand.
In dem sanften blauen Licht, das den Raum nur spärlich beleuchtete konnte Coel hinter dem beschlagenen Glas die Umrisse einer Person erkennen. Als er seien Hand auf das Material legte, zog er sie sofort zurück. Die Stasis-Kapsel war noch aktiv. Und das was er für Glas gehalten hatte, war Eis mit einer Temperatur von fast minus einhundert Grad. Die Außenseite der Handschuhe die er trug war innerhalb von Sekunden gefroren gewesen. Coel zog den schockgefrorenen Handschuh aus.
Bis auf ein paar Kisten, am anderen Ende war der Raum völlig leer.
Martin nahm eine kleine Schachtel von einer davon.
,, Seht euch das an.“ , meinte er und kam mit einer Brille in der Hand zurück.
,, In den Kisten ist wohl Adams Besitz gelagert.“ , vermutete Seyonn.
,, Den müssen wir aber nicht mitnehmen oder ?“ , meinte Martin mit einem besorgten Blick auf die Kisten.
,, Ich denke nicht. Und wenn kann das jemand anderes später erledigen. Wir sind nur wegen Professor Adams hier.“ , erwiderte Coel und sah sich um. ,, Irgendeine Idee, wie wir ihn auftauen ?“
,, Ich denke schon.“ Seyonn trat vor die Stasis-Kammer und besah sich das Ganze.
Ein kleines Bedienfeld war an einer Seite eingelassen.
,, Er wird vermutlich etwas verwirrt sein.“ , warnte der Unity-Abgesandte. ,, Das Kurzzeitgedächtnis leidet unter dem Kälteschlaf am meisten. Wenn er das überhaupt überlebt. Draußen auf dem Flur hing irgendwo ein erste Hilfe Kasten, holen sie den besser vorsorglich.“ Martin verließ den Raum und verschwand auf den Flur, das Gewehr im Anschlag.
Coel trat etwas von der Stase-Kammer zurück, während Seyonn sich an der Bedientafel zu schaffen machte. Ein summen erfüllte den ganzen Raum, und das bläuliche Licht, das durch das Eis drang färbte sich rot.
Die Wand aus Eis, die den Körper darin einschloss und erhielt begann zu verschwinden. Gleichzeitig sprang irgendwo eine Maschine an, die das Blut und damit das Leben in die Hülle im Eis zurückbrachte.
Im dem Augenblick, in dem das letzte Eis verschwand stürzte der Körper schwer nach vorne und wäre auf dem Bodenfliesen aufgeschlagen. Hätte Seyonn ihn nicht abgefangen.
In diesem Moment kam Martin mit dem Koffer zurück.
,, Lebt er ?“ , fragte er.
Seyonn drehte den Mann auf den Rücken. Coel erkannte das Gesicht von dem Foto aus der Akte wieder, die er vor wenigen Stunden an Bord der Kronos studiert hatte. Schüttere graubraune Haare, Falten, die mehr von endlosen schlaflosen Nächten als tatsächlichem Alter zu erzählen schienen. Nun, jetzt hatte er genug Schlaf gehabt.
,, Puls ist da, aber schwach. Atmung ebenfalls vorhanden. Bewusstsein…“
Die Augen flackerten, dann schlug Professor Adams sie auf. Zum ersten Mal seit Zehn Jahren fiel wieder Licht durch diese, sahen sie wieder Bilder.
Und das erste Wort, was die vor Kälte zitternde Stimme formte, war ,, Wieso ?“
Coel war sich nicht sicher, richtig hingehört zu haben.
,, Wieso was ?“ , fragte er.
Adams stieß Seyonn weg, der ihm aufhelfen wollte und setzte sich dann aus eigener Kraft auf.
Es schien ihm erstaunlich gut zu gehen und er sah sich mit wachen, klaren Augen in der Runde um.
,, Wieso wecken sie mich ? Mein Wille war…“ Der Mann stockte. Der blaue Overall den er trug war durchnässt und er zitterte, trotzdem schien er es nicht eilig zu haben. Im Gegenteil. Er blieb ganz ruhig. Dafür, dass er grade zehn Jahre verschlafen hatte, schien er in erstaunlich guter Verfassung zu sein. Zumindest körperlich. Mentale Schäden jedoch, waren das eigentliche Risiko.
,, Wie lange ?“ , wollte Adams wissen.
,, Wie lange was ?“
,, Wie lange war ich weg ?“
Coel zögerte. Ihm musste klar sein, das einige Zeit vergangen war. Nur nicht wie viel. Aber es gab nicht wirklich einen Weg Adams das schonend beizubringen.
,, Zehn Jahre.“ , antwortete er.
.. Um genau zu sein, Neun Jahre, drei Monate und 2 Wochen und 5 Tage.. Zumindest laut Kapselanzeige.“ , korrigierte ihn Seyonn.
Der Professor schien die Information genauso gelassen wie zuvor aufzunehmen.
,, Ich verstehe.“ Er stand auf und sah sich um. ,, Meine Brille müsste hier irgendwo sein ?“
Martin gab sie ihm und Adams setzte das Gestellt vorsichtig auf. Seien Hand zitterte dabei leicht.
,, Erheblich besser.“ , stellte er fest und sah sich die drei Bewaffneten im Raum zum ersten mal genauer an. ,, Ich weiß ja nicht, was sie von mir wollen, aber da die Unity involviert ist, scheint es etwas wichtigeres zu sein ?“ ,Bei der Frage warf Adams einen Blick in Richtung Seyonn.
,, Ja, ich denke schon. Detail klären wir besser, sobald wir hier weg sind.“
,, Ihre Namen dürfte ich aber schon erfahren ?“
,, Rafail Coel, GTDF, denke ich zumindest. Wir sind uns einmal auf der Horus begegnet?“
,, Coel…“ Ein Funke des Wiedererkennens glomm in den Augen des Professors auf. ,, Ja, ich erinnere mich. Sie hatte das Kommando über die Bodenoperationen?“
,, Nur über ein paar Einheiten.“ , erwiderte Coel.
,, Martin Richter.“ , stellte sich nun auch Martin vor.
,, Seyonn.“ ,schloss sich der Abgesandte der Unity an. ,, Und ich finde, wir sollten langsam zusehen, dass wir hier wegkommen. Bisher hatten wir Glück. Aber ich bezweifle, das sich das hält.“
,, Richtig. Können sie laufen?“ , fragte Coel den Professor.
,, Geht schon.“ , antwortete dieser.
,, Dann los. Martin, sie bilden die Nachhut, der Doktor bleibt hinter Seyonn, ich gehe zuerst.“
Während sie sich im Eiltempo einen Weg zurück durch die Station suchten fasste Coel das wichtigste für den Professor zusammen. Vor allem den Angriff auf die Station der möglicherweise Seinetwegen stattgefunden hatte.
,, Haben sie sonst noch… Überlebende gefunden ?“ , fragte Adams, als sie den Ausgang erreichten.
Der Flur lag da wie zuvor, nur das die Schneewehe am Eingang mittlerweile noch ein gutes Stück gewachsen war.
Der Sturm hatte zumindest etwas nachgelassen und sie sollten es schaffen, das Shuttle zu erreichen.
Seyonn nahm seine Jacke ab und reichte sie Adams, dann traten die vier ins Freie.
,, Ich fürchte nicht.“ , antwortete Coel , während die Kälte wieder eine Eiskruste auf seiner Kleidung bildete. ,, Die Artheraner haben alle getötet, die sie gefunden haben.“
,,Bastarde….“ In der Stimme schwang mehr als simple Ablehnung mit. Es war Hass. Nicht Wut wegen der getöteten Wissenschaftler. Coel Bericht hatte der Mann ohne eine Miene zu verziehen gelauscht.
Aber weshalb dann…
Coel blieb einen Moment stehen und musterte den Doktor.
,, Ich glaube nicht, das wir uns in dieser Hinsicht sehr von den Artheranern unterscheiden.“ , meinte er schließlich.
,, Ich frage mich sowieso schon die ganze Zeit, wo die Stecken.“ , sagte Martin ,,Sind die vielleicht längst wieder verschwunden? Wäre ja wünschenswert…“
,, Ich bezweifle es.“ , erwiderte Seyonn. ,, Wenn sie eins können, dann sich tarnen. Jede Wette, das die uns längst Beobach…“
In diesem Moment, brach aus einer Schneewehe etwas hervor und schüttelte den Schnee von sich herunter.
Eine weitere Gestalt erschien aus dem Schnee, noch eine…
Coel zählte fünf. Fünf Artheraner, die die Waffen auf die kleine Gruppe gerichtet hielten.
Als die ersten Kugeln durch die kalte Luft peitschten warf Coel sich hinter eine Wand aus Eis in Deckung. Martin folgte seinem Beispiel und riss den Doktor mit sich.
Und Seyonn… war verschwunden. Coel konnte den Unity-Botschafter nirgends mehr entdecken.
Allerdings konnte sich darüber allerdings auch keine Gedanken mehr machen.
,, Ja Tarnung ist genau das richtige Stichwort“ , knurrte Martin, der sich wieder halb geduckt aufrichtete und sich den Schnee abklopfte.
Sie waren in der Unterzahl… und hatte nicht viel Munition.
Coel überprüfte die beiden Pistolen die er bei sich trug. Den Revolver und die Waffe des Sicherheitsbeamten. 23 Kugeln… Das würde nicht reichen. Nicht auf die Entfernung.