Beschreibung
Der erste Akt einer Komödie, die unsere Protagonisten durch die Züge, Busse und Bahnhöfe unserer Republik führt.
Titelbild: www.pixelio.de/©Juergen Jotzo/PIXELIO
Akt 1, Szene 1
Studentenwohnung in Leipzig, Paul sitzt am PC
PAUL: (konzentriert) Und da haben wir die Karten, die Fahrtzeiten und…ausdrucken! Leon, kommst du mal?!
LEON: (monoton) Was gibt’s? Übrigens, du hast deinen Kalender noch nicht rumgedreht.
PAUL: Du erinnerst dich an meine Freundin Alessandra, die in Niedereckenförde-Wedelbach lebt?
LEON: (verwirrt) Nein?
PAUL: (unruhig) Die nette Spanierin, die Medizin in Köln studiert, die wir damals auf der Medizinstudentenparty in Köln kennen gelernt haben, als dein Cousin uns eingeladen hatte. Die, die mir Milch auf die Hose gegossen hat.
LEON: (schlägt sich an den Kopf) Ach ja! Das Standgebläse mit dem S-Fehler. (stark das S betonend) Ich bin Alessandra, oh ‘tschuldigung, dass ich dir, die Milch drüber gegossen habe. Wollen wir mal Essen gehen?
PAUL: (kalt) Ja, die nette junge Dame meine ich und zu deiner Information, sie ist vielleicht keine Riesin, dafür hat sie von ganz anderen Sachen sehr viel…
LEON: (abwehrend) Zu viele Informationen! Was ihr allein zusammen in einem Raum macht ist mir egal.
PAUL: Jedenfalls werde ich sie besuchen kommen.
LEON: Glückwunsch, aber was habe ich da zu schaffen?
PAUL: Du kommst mit.
LEON: (kurze Pause) Ich glaube, ich habe dich gerade nicht recht verstanden, muss wohl an den Flugzeugen liegen, die in letzter Zeit so niedrig über Leipzig fliegen. Ich dachte doch, dass du gesagt hättest ich soll mitkommen. (lacht)
PAUL: Das meinte ich auch ernst.
LEON: (Schnappatmend) Aber…aber…
PAUL: Das ist so. Die Bahn hat ein Sonderangebot, da fahren 2 Personen auf einem Ticket und das ist billiger als ein einzelnes Quer-Durch’s-Land-Ticket. Außerdem wird das bestimmt lustig!
LEON: (erregt) Lustig! Lustig sagt der Herr!! (fängt sich) Also, dass du deine Freundin besuchen willst und mal ein paar Tage allein mit ihr sein willst, dass sei dir gegönnt, du siehst sie ja so selten. Und Telefonsex ist auch nicht das Wahre…
PAUL: (erschrocken) Leon!
LEON: Ja was denn, die Wände sind dünn. Worauf ich hinaus will ist, dass du gerne fahren kannst, aber ich sehe nicht ein, dass du mich da mit reinziehst, was soll ich denn dort, oder mögt ihr es, wenn jemand zusieht?
PAUL: Nein, aber mit dir spare ich bares Geld, wir machen mal wieder was Lustiges zusammen und außerdem hast du dich doch beklagt, dass du mal Ruhe irgendwo außerhalb brauchst. Ich habe alles schon geplant. Es gibt dort einen Gasthof mit Hotel, da kannst du einchecken und wir fahren dann nach 14 Tagen wieder heim. (aufmunternd) Komm schon, sind doch sowieso Semesterferien!
LEON: (genervt) Warum? Warum lasse ich mich nur immer wieder von dir breitschlagen? Also gut, ich fahre mit nach Hintertupfingen. Warum konntest du dir denn kein
Mädchen nehmen, das hier in der Nähe wohnt. Was ist denn mit Jenny, die fand dich doch immer so süß, die mit dem kleinen Knackarsch?
PAUL: Jenny ist ein umoperierter Junge.
LEON: (erschrocken) Was?! Du machst Witze, oder?
PAUL: Nein, weiß ich aus erster Hand.
(Leon holt sein Handy hervor, beginnt es wild zu bearbeiten)
PAUL: Was machst du da?
LEON: (unruhig) Da sind ein paar Bilder auf meinem Handy, von letztem Sylvester, die müssen umgehend gelöscht werden…
PAUL: (singt) I met her in a club down in old Soho, well we drank champagne and it tastes
like cherry cola…
LEON: Hörst du damit auf!
PAUL: (singt) Lola, la la la la, Lola, la la la la Lola,…
LEON: (schnell) Wann fahren wir?
PAUL: Morgen früh, 8:25 ab Leipzig Hbf.
LEON: Ich geh‘ packen!
Akt 1, Szene 2
Hbf. Leipzig, beide stehen auf dem Bahnsteig zum Zug nach Halle, haben Zeit
PAUL: Sag mal, Leon. Was hast du denn in diesem gewaltigen Rollkoffer drin? Das sieht ja aus, als würdest du darin Menschen schmuggeln.
LEON: Quatsch! Ich habe nur ordentlich vorgesorgt. Die Reise wird lang, anstrengend. Da brauchen wir eine ordentliche Verpflegung. Du glaubst doch nicht etwa, dass ich mir irgendwelchen überteuerten Bordfraß kaufe?
Ein Mann setzt sich zu ihnen. Trägt Anzug, hat ein schleimiges Grinsen.
WINTER: (schleimig) Na, wollen die Herren verreisen?
PAUL: Ja.
WINTER: (Sieht auf die Uhr) Dauert aber noch ein Weilchen, bis der Zug kommt. Habt ihr schon einmal von Boelke, Haushaltswaren und Särge gehört?
LEON: Was?!
WINTER: Ja, Boelke Haushaltswaren und Särge, denn die meisten Unfälle passieren im Haushalt. Und viele enden tödlich. Hier meine Karte!
PAUL: Moment mal, von Särgen steht hier nichts.
LEON: Doch, aber nur ganz, ganz klein.
WINTER: Naja, die Kunden vertragen die Wahrheit natürlich nicht immer direkt. Aber wenn sie erst einmal die unendlichen Vorteile unseres Geschäftsmodelles durchschaut haben wollen sie dieses Wort nicht mehr missen.
LEON: Wie kommt man denn auf eine so beknackte Idee?
WINTER: Gut, dass du fragst. Statistiken beweisen, dass es sehr viele tödliche Haushaltsunfälle gibt. Und was dann? Oma ist in die Kühltruhe gefallen und erfroren, Mama hat sich beim Gardinenaufhängen stranguliert oder Sohnemann beim ersten Flambierversuch selbst pulverisiert. Ales unheimlich lästig, denn oft weiß man gar nicht, wie es weitergehen soll. Und wir denken weiter, denn wir bieten ein Kombinationsmodell an. Notorische Gefahrenquellen mit ihrer Lösung, denn den Sarg muss man sich nicht mehr kümmern. (fröhlich) Praktisch, oder?
PAUL: (vorsichtig) Ja, irgendwie schon.
WINTER: Aber das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Seit neuestem haben wir ein spezielles rundum sorglos Paket. Da kann man nicht nur den Sarg, sondern auch schon die Bestattung kaufen. Mit Ausfallversicherung, sollte der Bestatter insolvent werden. Ich sage euch, unser Geschäftsmodell ist die Zukunft! Die großen Elektromärkte werden in wenigen Jahren nicht mehr drum herum kommen uns zu kopieren, aber dann sind wir das einzig wahre Unternehmen! Habt ihr eigentlich schon einmal darüber nachgedacht wie gefährlich es ist eine Treppe zu schrubben?
DURCHSAGE: (verzerrt) Der Zug nach Halle fährt gerade ein, vorsicht an der Bahnsteigkante.
PAUL: Es geht los, komm, Leon. Hat uns sehr gefreut Sie kennen zu lernen, aber wir müssen einsteigen!
Beide steigen ein, verschnaufen erst einmal)
LEON: (keuchend) Ist der uns gefolgt?
PAUL: (keuchend) Nein, der sitzt immer noch auf der Bank. Zum Glück. Länger hätte ich
dieses ganze Gerede über Todesfälle im Haushalt nicht ausgehalten.
LEON: (nachdenklich) Wobei, die Idee ist eigentlich gar nicht so schlecht…
PAUL: (erregt) Komm jetzt, suchen wir unsere Plätze!
Akt 1, Szene 3
LEON und PAUL: (abwechselnd entschuldigend)
LEON: Sind wir schon da?
PAUL: (ächzend) Nein.
LEON: Sind wir jetzt da?
PAUL: (leicht gereizt) Nein.
LEON: (nörgelnd) Paul, dauert’s noch lange, ich lauf mir eine Blase am Fuß.
PAUL: (erregt) Jetzt hör verdammt nochmal auf mit nörgeln! Wir sind doch schon da, da an diesem Tisch sitzen wir!
LEON: Ruhig, Brauner, ruhig. Sei doch nicht immer gleich auf 180, das ist schlecht für deinen Blutdruck. Hilfst du mir mal bitte mit meinem Koffer? (stöhnend) Danke!
PAUL: (erleichtert) Endlich Ruhe!
LEON: Paul, he, Paul, guck doch mal, was da kommt.
PAUL: (genervt) Was denn?
LEON: Scharfe Schnitten auf 12 Uhr, Mensch, wenn die sich zu uns setzen würden, das wär doch was! Oh, oh, die wollen wirklich her, los, galant sein. (räuspern) Entschuldigung, aber sollen wir den Damen beim Verstauen des
Handgepäcks behilflich sein?
MÄDELS: (dümmliches Kichern) Gerne!
LEON: Hilfst du mir mal, Freund?
PAUL: Sagt mal, was habt ihr in diesen Koffern alles drin? Wackersteine?
CHANTAL: Nein, also ihr seid ja zwei! Da sind unsere Beautycases drin, die nötigsten Kleider und Schuhe, wir reisen immer nur mit dem Nötigsten.
PAUL: (leise) Wer hätte es gedacht?
JAQUELINE: Und wohin reist ihr zwei?
PAUL: Nach Niedereckenförde-Wedelbach, das liegt in der Nähe von Köln.
CHANTAL: Warum?
PAUL: (vorsichtig) Äh…weil sich der Gründer damals schon irgendetwas dabei gedacht
haben wird, es dort hin zu setzen?
CHANTAL: (dümmliches Lachen) Nein, ich meine, warum ihr dahin fahrt?
PAUL: Ich besuche meine Freundin, die ich jetzt schon seit Monaten nicht persönlich gesehen habe.
MÄDELS: Oh, wie süß!
LEON: (beleidigt) Na klar, der hat schon eine Freundin aber beeindruckt damit auch noch andere Frauen. (laut) Ich bin übrigens seine psychologische Unterstützung, sozusagen.
JAQUELINE: Äh, ist das gut?
CHANTAL: Denke schon.
MÄDELS: Süß! Wir machen auch immer alles gemeinsam, als wären wir so…so…Zwillinge, die total gleich sind.
LEON: Aha, wirklich alles? (unwirsch) Aua, Paul, was soll denn das, wieso trittst du mich?!
JAQUELINE: Und, was macht ihr sonst so?
PAUL: Wir studieren beide Germanistik.
JAQUELINE: Wow, dann seit ihr bestimmt irre schlau! Ich meine, dass alles von den alten Kriegern zu wissen, da haben wir in Geschichte nie so richtig aufgepasst. Wir sind eher an Bio interessiert gewesen, wenn ihr versteht (dümmliches Kichern).
LEON: Wir setzen uns mit der deutschen Sprache auseinander, welche alten Krieger meinst du?
CHANTAL: Ach wisst ihr, Jaqueline hat es nicht so mit Fachbegriffen. Wir hätten übrigens nicht studieren können. Unsere Abiturschnitte aus Bremen waren einfach nicht gut genug.
PAUL: Ha, verrückt!
JAQUELINE: Süße, meine Möpse sind verrutscht bei dem ganzen Gewackel hier. Ich muss mal raus.
CHANTAL: Ich muss auch mal raus, mein Näschen pudern. Ciaoi, wir kommen gleich wieder!
(kurze Pause)
PAUL: (zynisch) Leon, willst du den Damen nicht zur Hand gehen?
LEON: (singt) Lass mich der Knopf an deiner Bluse sein. Mein Gott, die beiden sind doch schärfer als texanisches Chili.
PAUL: Und so dämlich, wie die Nacht finster ist.
DURCHSAGE: (verzerrt) Sehr geehrte Fahrgäste. In Kürze erreichen wir Halle Hbf. Ausstieg in Fahrtrichtung…(aggressiv) rechts! Wir wünschen eine angenehme Reise.
PAUL: Los, Casanova, hilf mir mal mit dem Gepäck.
LEON: (träumerisch) Wenn es nach mir gehen würde, könnte diese Fahrt noch länger dauern.
PAUL: (lacht) Am liebsten wohl im Nachtexpress, stimmt’s?