Rafail Coel, Veteran und ehemaliger Anführer einer Spezialeinheit dachte dem Krieg entronnen zu sein. Er hatte sich geirrt. Nach 10 Jahren holt ihn die Vergangenheit ein und droht zu seiner Zukunft zu werden. Um das zu verhindern bekommt er eine zweite Chance und ist bereit alles zu tun. Copyright by Eagle Writer Bildquelle Star burst red and yellow fire / Fotolia.com
Coel war erneut im Konferenzraum. Nachdem er im Klinikflügel des Komplexes aufgewacht war und Martin ihm erzählt hatte, wie er hierher kam, hatte die Runde sich zerstreut und er war eingeschlafen.
Vermutlich wirkten einige der Betaübungsmittel, die man ihm bei der Operation verabreicht hatte noch immer etwas nach.
Gleichzeitig war die Müdigkeit wohl auch auf die Impfung zurück zu führen.
Ein großes Problem, das seit der Entdeckung er ersten bewohnbaren Planeten außerhalb des Sonnensystems bestand, waren Krankheitserreger. Schließlich wusste niemand, was sich alles an neuen Bakterien und Viren auf einem Planeten tummelte, bis sich jemand damit infizierte.
Meist war das harmlos, eine seltsame Grippe, ein paar Tage Übelkeit dann wurde es besser. Meistens.
Aber niemand wollte es riskieren, sich ein neues Supervirus oder ähnliches einzufangen und auf die stärker bevölkerten Welten einzuschleppen. Deshalb bekam jeder Reisender, bevor er seinen Planeten verlies eine Impfung für alle bisher bekannten und behandelbaren Viren und einen generellen Gesundheitscheck. Viel dieser zu schlecht aus, wurde keine Reisegenehmigung erteilt.
Coel hatte damit schon gerechnet. Für ihn war klar, dass die GTDF ihn und Martin nicht zurückgeholt hatte um Däumchen zu drehen. Für sie würde es früher oder später heißen: Raus da.
Und so wie es aussah eher früher.
Steel hatte ihn in den Konferenzraum bestellt, vermutlich würde er nun endlich die Details erfahren. Die GTDF war alles aber nur selten unvorbereitet. Vermutlich hatte Cain oder irgendjemand sonst bereits einen Plan oder ein Ziel für sie.
Und auch wenn er es zu verbergen suchte, was ihn jetzt vor allem erfüllte war Neugier.
Die letzten Zehn Jahre waren verschwendet gewesen. Er hatte sich verkrochen, versteckt. Nicht mehr. Als wäre ein Schatten zumindest teilweise von seiner Seele genommen worden, der sich dort seit seinem letzten Blick zurück auf Artherium eingenistet hatte.
Versuchsweise und um sich die Zeit zu vertreiben, bis die anderen eintrafen belastete er einmal das rechte, dann das linke Bein. Er konnte keinen Unterschied feststellen, lediglich ein schwacher Schmerz durchzuckte ihn, wenn er das verletzte, ehemals verletzte korrigierte er sich, Bein mehr belastete.
Was den linken Arm anging, so konnte er diesen fast ohne Einschränkungen Bewegen.
Silbrige Linien, die sich unter der Haut abzeichneten und sich von der Schulter bis in seine Fingerspitzen zogen zeigten ihm, wo die künstlichen Nerven verlegt worden waren. Erstaunlich war für ihn nur, dass er keinerlei Einschnitte oder Narben an seinem Arm entdeckte.
Minimal invasiven Eingriffe waren zwar, selbst bei größeren Operationen, mittlerweile Standard und
Wurden teilweise sogar automatisiert von Robotern ausgeführt, Seyonn oder der Chirurg mussten trotzdem gute Arbeit geleistet haben, dass überhaupt keine Spuren zu sehen waren.
Ihn beunruhigte nur der Gedanke, dass er nun ein Stück Unity-Technik im Körper trug. Für den Rest seines Lebens wie es aussah.
Er konnte dem drang nicht wiederstehen, seinen Puls zu überprüfen. Immer noch da. Sein Herz schlug noch. Keine Maschine, dachte er, nicht und niemals. Coel wusste nicht wieso ihn dieser Gedanke so beunruhigte.
Die Türen des Raumes verschwanden mit dem ihm so verhassten Zischen in der Wand und als hätten seine Gedanken ihn irgendwie herbeigerufen trat Seyonn in den Raum.
,, Wo bleiben die anderen ?“ , fragte Coel, als der Unity-Botschafter sich dem Tisch mit der Monitor-Oberfläche zuwendete, der das Zentrum des Raums bildete.
,, Die kommen gleich.“ , sagte er und begann verschiedene Daten abzurufen. Aktuelle Gesundheitsberichte , Evolutionsforschung, Technologische Fachartikel über die Auswirkungen von ÜLG-Reisen auf den Organismus.
Coel erschein es so, als würde Seyonn einfach willkürlich Artikel und Daten öffnen… oder nach etwas suchen.
Der Maschinen-Verstand der Unity verarbeitete Informationen normalerweise so schnell, das ein Mensch kaum gemerkt hätte, das Seyonn die Bereiche überhaut las. Dass der Unity-Abgesandte aber so lange brauchte, beinahe ungläubig zu sein schien, bedeutete entweder, dass ihn etwas erschreckte… oder er nicht fand, was er suchte.
,, Stimmt etwas nicht ?“ Coel trat an den Tisch heran und sah sich die darauf projizierten Seiten an. Artikel aus Wissenschaftlichen Fachzeitschriften, die Arbeit über ÜLG-Reisende, die er vorher schon gesehen hatte und ein Bericht eines Professor Ethan Adams über die Kompatibilität von bionischen Implantaten. Mit erschrecken wurde ihm klar, dass er den Namen kannte. Adams war der Leitende Wissenschaftler an Bord der Horus gewesen. Eine Koryphäe auf fast allen Gebieten der modernen Physik und Technologischen Forschung .
Ertappt so schien es, schloss Seyonn alle offenen Daten-Streams. ,, Wir sollten reden.“
Es klang mehr wie eine Frage, als eine Feststellung. Seyonns Gesicht zeigte zum ersten Mal einen Anflug von Emotion. Erstaunen… und... war das Angst?
,, Was ist los ? Sie wirken irgendwie… Unruhig ?“ Er wollte den Unity-Botschafter möglichst nicht vor den Kopf stoßen.
,, Ja.. ein wenig.“
Wenig ? , dachte Coel. Für einen von der Unity ist das nicht schon fast ein emotionaler Zusammenbruch.
Seyonn rief ein weiteres Datenpaket auf. Coels Krankenakte. Mit einer Handbewegung beförderte er das virtuelle Datenblatt über den Tisch zu Coel hinüber.
Er ging das ganze durch… und konnte nichts Besonderes entdecken.
Name Rafail Coel
Geburtsdatum 21.05.2423
ID 13452
Tätigkeit : Ehemals GTDF
Medizinsicher Zustand :
Infolge eines massiven Traumas Lähmungserscheinungen am rechten Bein und linkem Arm
Möglicherweise Psychologisch instabil
Erhöhten Mengen Strahlung bei Nova-Waffentests ausgesetzt
Sonstige Anmerkungen:
Implantate zur Behebung der Bewegungseinschränkung eingepflanzt.
Kompatibilität mit Implantat :100 %
Letzter Punkt ist näher zu untersuchen.
,, Wenn hier irgendetwas Besonderes drin steht.. dann finde ich es nicht. Wenn es um den Teil mit der Psyche geht so kann ich ihnen allerdings versichern das ich…“
Seyonn schüttelte den Kopf.
,, Das meine ich nicht.“ Er vergrößerte die Auflösung, bis nur noch ein Absatz zu lesen war.
Kompatibilität 100%. ,, Sondern das.“
,, Was ist damit ? Ich hielt es für recht normal, das alles glatt verlaufen ist. Oder hatten sie mit einem anderen Ausgang gerechnet?“ , fragte er misstrauisch. Seine Angst, dass dies alles lediglich ein geschickter Plan war. Um ihn loszuwerden, war wieder da. Aber nur kurz. Das war Schwachsinn.
,, Nein. Aber bei den meisten Menschen mit Implantaten, selbst denen die ursprünglich für Menschen gedacht und von ihrer Art entwickelt waren, gibt es Komplikationen. Immer. Abstoßungserscheinungen, Infektionen, Probleme mit der Energieversorgung über das Nervensystem… das übliche. Dafür werden normalerweise Medikamente gegeben oder das Gewebe um die Implantate ersetzt.“ Er schwieg einen Moment, als wollte er die Bedeutung dessen unterstreichen, was er als nächstes sagte, ,, Sie brauchen keine. Ihre Anpassung an die Implantate ist vollständig. Als wären sie damit geboren worden Coel. Das ist in gewisser Hinsicht faszinierend.“
,, Worauf genau wollen sie hinaus ? Ich meine schön, wenn ich nicht mit Problemen rechnen muss aber was genau möchten sie damit sagen?“
,, Ich bin sicher, bei einem DNA-Check würde es ebenfalls unterscheide zur normalen menschlichen Dann geben. Neben den zu erwartenden Variablen.“
,, Das soll heißen ?“
Seyonn zögerte scheinbar einen Moment.
,, Ich übernehme keine Garantie und ich müsste sicher gehen aber… sie sind möglicherweise der nächste Schritt in der menschlichen Evolution. Der Punkt an dem sich alles ändern könnte.“
Coel brauchte einen Moment, um zu realisieren, was ihn Seyonn grade eröffnet hatte. Es war nicht die Tatsache allein, das der Mann… das Wesen zu denken schien er sei irgendwie… anders als der Rest der Menschheit was immer das bedeute, es war der fast euphorische Ausdruck in den kalten, Augen Seyonns, der ihm zu schaffen machte.
,, Was soll sich ihrer Meinung nach… ändern?“
,,Das liegt an ihnen. Und was sie hieraus machen“ ohne Vorwarnung packte er Coels linkes Handgelenk. Er spürte geradezu die Energie die durch die künstlichen Gelenke Seyonns lief. Elektrizität statt Blut, Logik und Statistik in den Gedanken statt Emotion und Fantasie . Das war es, was dieses Wesen antrieb. Und in diesem, einen kurzen Moment glaubte er sie zu verstehen. Besser als sie sich vielleicht selbst.
Seyonn ließ los.
,, Wissen sie… wir waren einst wie die Menschen. Nicht im Aussehen natürlich, aber unser Verhalten war ähnlich. Mit jedem Jahr das verging breiteten sich die Grenzen unseres Reichs weiter über die Sterne aus. Wir waren so weit oben… Entsprechend tief musste wohl unser Sturz werden.“
,, Sturz ?“
Genau in diesem Moment glitten die Türen erneut auf und Cain trat gefolgt von seiner Adjutantin Grace, Martin und Ägir ein.
Dass der Kapitän der Handelsmarine immer noch hier war überraschte Coel. Normalerweise würde die GTDF keine Zivilisten in irgendetwas mit einbeziehen. Das Ägir, diesmal ohne Pfeife im Mund, den Raum betrat, ließ aber das Gegenteil annehmen.
Vermutlich hatte ihn jemand auf das Rauchverbot hingewiesen.
Steel nickte Seyonn kurz zu, der mittlerweile am Tisch stand und mit atemberaubender Geschwindigkeit weitere Artikel, Berichte und Archivdaten abrief und durchsah.
Diesmal zögerte der Unity-Abgesandte nicht. Seine Finger schienen fast zu verschwimmen, als er sie über die Oberfläche des Tisches wandern lies und während er die verschiedenen Berichte durchsah, konnte Coel wenn er Glück hatte vielleicht den Titel entziffern oder ein Foto erkennen.
,, Also Coel, sind sie bereit wieder da raus zu gehen ?“ , fragte Cain.
,, Sie haben also einen Plan nehme ich an ?“ , wollte Martin wissen.
,, Nun als aller erstes brauchen wir mehr Informationen. Wer könnte dahinter stecken, warum, war es wirklich, wie wir vermuten, ein für den Waffengebrauch modifizierter Nova-Generator …“
,, Was könnte es sonst gewesen sein ? Nichts könnte so eine Zerstörung erklären.“ , sagte Coel.
Tod und Vernichtung, genau für diese zwei Dinge waren Nova-Waffen gut.
,, Ich weiß es nicht.“ , antwortete Steel.
,, Aber wir wissen von jemand, der es wissen könnte.“ Ergänzte Grace, die einen Stapel Papiere herumreichte.
Coel nahm eine der Mappen entgegen. Eine Akte ähnlich derer, die Seyonn ihm von sich selbst gezeigt hatte.
Er musterte das Foto darauf.
Ein Mann, mit schütter werdenden grauen Haaren und unter einer Brille hervorfunkelnden braunen Augen. Die Brille war ungewöhnlich. Alle Fehlbildungen des Auges ließen sich mittlerweile medizinisch korrigieren. Wenn also jemand eine Brille trug, dann entweder lediglich als Accessoire oder es war eine persönliche Entscheidung.
,, Doktor Ethan Adams, einige von ihnen dürften den Namen kennen.“ , meinte Grace während die Anwesenden die Seiten durchgingen. Es war ungewöhnlich, dass man sich die Mühe gemacht hatte eine Akte aus Papier anzufertigen. Es hätte normalerweise gereicht, die Dokumente einfach auf den Konferenztisch zu projizieren.
Es sei denn natürlich, sie hatten vermeiden wollen, den Weg über das Intranet-System der GTDF zu nehmen. Was bedeuten würde, das Steel vermutete, dass es in der GTDF einen Maulwurf geben könnte. Aber einen Maulwurf von wem…
Coel schob dieses Problem erst einmal zur Seite.
,, Er war der führende Wissenschaftler, der am Nova-Projekt mitarbeitete. Von ihm stammen sämtliche theoretischen Grundlagen und Konzepte, wie man die von einem Nova-Generator freigesetzte Energie bündelt und als Waffe nutzen kann.“ , führte Grace weiter aus.
,, Wenn es jemanden gibt, der sich mit dieser Technik auskennt, dann er.“
Steel schien auf etwas zu warten. Und plötzlich fiel es Coel wie Schuppen von den Augen.
,, Lassen sie mich raten, es hat einen guten Grund das der Herr Doktor nicht mit an diesem Tisch sitzt ?“
,, Einen ziemlich guten. Er weilt momentan nicht wirklich unter den Lebenden.“
,, Was meinen sie mit Momentan ?“ , wollte Martin wissen.
,, Cryostasis . Nach dem Artherium-Einsatz hat sich Adams einfrieren lassen. Nach eigenen Anweisungen für immer…“
Die Technologie einen Menschen in Stase zu versetzen war einer der größten Meilensteine den die Forschung in den letzten 400 Jahren erreicht hatte. Das Problem damit, den Kreislauf eines Menschen einfach durch Kälte im wahrsten Sinne des Wortes ,, auf Eis“ zu legen waren die Eiskristalle, die sich bei einem solchen Prozess im Blut und in den Zellen bildeten und diese somit zerstörten. Eine Wiedererweckung war dadurch nicht mehr möglich. Der Körper zerstört.
Die Lösung war einfach, aber genial.
Es war seit langem Bekannt, das es Lebewesen, wie beispielsweise manche Froscharten gab, die sich einfrieren lassen konnten, ohne dabei Schaden zu nehmen .Dies bewerkstelligten diese Tiere mit einem erhöhen des Glukosegehalts im Blut und eines Enzyms, das als Frostschutzmittel diente.
In der Theorie wusste man also schon lange über die Methode Bescheid. Aber ein Mensch war nun mal kein Frosch. Erst mit dem erneut Einsetzenden technischen Fortschritt nach den Rohstoffkriegen Ende des 21 Jahrhunderts fand man die Lösung.
Was bei dem Frosch mit Glucose funktionierte, wurde beim Menschen mit Kochsalzlösung, wie man sie auch in jedem Krankenhaus verwendete, nur sehr viel höher Konzentriert, bewerkstelligt.
Dabei wurde das gesamte Blut mit einer klinischen Kochsalzlösung ersetzt. Die verhinderten Zellschäden und das Gefrieren. Während dieser Prozedur war der Körper klinisch bereits Tod, wurde aber künstlich am Leben erhalten. Das Gehirn durfte bei der Prozedur schließlich keinen Schaden nehmen.
Erst danach wurde der Körper möglichst innerhalb von wenigen Sekunden auf bis zu achtzig Grad unter null abgekühlt. Zu diesem Zeitpunkt hatten alle Körperfunktionen ausgesetzt und befand sich praktisch in einem Übergangszustand zwischen Tod und Leben.
Das ,, Erwecken“ war immer noch ein kritischer Punkt, aber immerhin überlebten mittlerweile über 90 Prozent diesen Schritt.
,, Also, wo ist er untergebracht ? Wird-Court ?“ , wollte Martin wissen.
Wird-Court war eine der größten Anbieter von Stasis-Technik auf der Erde und verfügte über dutzenden von kleineren und größeren Lagerhallen mit Stasekaspeln. Todkranke, Alte, Menschen, die es sich Finanziell leisten konnten auf bessere Zeiten zu warten wie immer diese aussehen mochten.
,, Das ist einer der Gründe, warum sie Beide hier sind. Er ist nicht auf der Erde eingefroren worden.“
,, Sondern ?“
Steel machte Anstalten, den Raum zu verlassen. ,, Das erzähle ich ihnen unterwegs. Jetzt erst einmal zum organisatorischen Teil. Das wird ihnen gefallen.“