gewidmet W. F.
“Hallo Willi!” sagte Lory und betätigte den Seitenständer ihres Fahrrades um es abzustellen.
“Hallo Lorena, ich habe Dich schon vermisst. Du warst über eine Woche nicht mehr hier im Park.”
“Ja, das stimmt.” Lory´s Antwort war knapp. Sie setzte sich neben Willi auf die Parkbank. Willi genügte ihre knappe Antwort. Wie immer rauchte er eine seiner selbstgedrehten Zigaretten. Er raucht viel, die Nikotinspuren an seiner rechten Hand sprachen Bände.
“Ich habe Sehnsucht nach einem Gespräch mit einem klaren Geist. Nach einem Gespräch mit Dir.” Sie schaute Willi mit einem freundlichen, offenen Lächeln an. Beide hatten den Blick geradeaus gerichtet. Sie rutschte etwas nach vorne, legte ihren Kopf auf die Rückenlehne der Bank und faltete ihre Hände locker auf dem Bauch. “Manche sprechen so weise, aber unverständlich. Ein reiner Geist versteckt sich nie hinter weisen Sprüchen. Er lebt sie vor, handelt danach” , bemerkte Willi. “Gespräche in denen Menschen sich hinter weisen Sprüchen verstecken enden irgendwann in gegenseitiger Ablehnung und Streitereien. So sind Unwissende, so begegnen sie sich. Sie glauben sich gefunden zu haben, den Gott in sich erkannt zu haben. Oh je, das wäre ein grausamer Gott. Sie sind sehr schlaue Leute, wissen so viel und doch nichts. Sie suchen und finden sich. Das entspricht einer Gesetzmäßigkeit. Sie sind so schlau, dass sie es übersehen, ignorieren. Das sind Menschen, die meinen ihre Entwicklung abgeschlossen zu haben.” Er drehte sich eine weitere Zigarette. “Willi, ich habe heute einem Menschen, der mich mit Antworten regelrecht übergoss, die Frage gestellt, welche Frage die Ursache für all die Antworten sei.” Willi fiel ihr ins Wort: “Du hättest nach den Umständen fragen sollen, die es verursachten.” Er lächelte. “Du meinst, ich hätte nach den Umständen fragen sollen, die die vielen Antworten verursachten?” “Ja, denn eine gut gestellte Frage bedingt viele Antworten.” “Mir ging es nicht um viele Antworten.” Lory sah etwas traurig aus. Willi sprach einfach weiter: “ Eine gut gestellte Frage verwirrt viele Köpfe.” “Die Antworten dieser Personen waren so schnell, so schnell, wie die Gedanken in den Köpfen. Ich wollte die Geschwindigkeit herausnehmen”, berichtete Lory. “Du hast den Bewegungsfluss unterbrochen durch dein Einschreiten”, fragte Willi nach. “Wenn ja, dann war es Energieverschwendung. Jeder Schwung verliert sich von alleine.” “Das werde ich mir merken.” “Es wird reichen es einmal zu beobachten.” Willi lächelte, sein sanftes liebevolles Lächeln und frage weiter. “Hast du eine Vorstellung davon, wenn ich etwas als Teufelskreis bezeichne?” “Ja.” “Nimm einen eckigen Stein und schmeiße ihn in eine sich drehende Trommel. Er wird seine Ecken und Kanten verlieren, sich von alleine in Form bringen. Der Stein ist gleich den Menschen, die sich in einem Teufelskreis befinden und die sich treffen. Treffen diese Menschen aufeinander, um so schneller bringen sie sich in Form. Lässt es sich so vorstellen und verstehen Lorena?” “Ja, verstehe ich.” Willi sprach weiter: “ Menschen, die Wissen in sich geöffnet haben, zeigen dir, dass sie viel an Wissen haben um nichts. Erinnere dich an den Text den ich dir gab über Wissende.” Lory nickte. “Was geht in dir vor Lorena, wenn du auf Menschen triffst die schnell sprechen und deren Denkprozesse sich erhöhen?” “Dann fühle ich mich nicht mehr wohl.” Willi fragte weiter: “ Sind es überhaupt Denkprozesse?” “Eher ein Entrümpeln, sie sprechen aus, was an Gedanken erscheint und wenn der Zuhörer dem zustimmt, dann ist alles in bester Ordnung”, antwortet Lory. Willi fragt erneut: “Unterliegst du einem unbewussten Kontrollzwang?” Zögernd antwortet Lory: “Weiß ich nicht.” “Nimmst du Emotionales dabei auf?” Noch zögerlicher antwortet sie: “Nein.” Nun fragt er: “ Was unterscheidet eine Meinung von Wissen?” “Eine Meinung ist etwas, das nicht belegt werden kann, nicht begründet ist. Wissen beinhaltet Antworten auf alle das Thema betreffende Fragen.” Willi spricht weiter: “ Eine Meinung ist gleichzusetzen mit einem Gerüst, oder Fundamentstandort, sowie Beschaffenheit des Grundes, auch Boden genannt. Wer Wissen hat kann sich auf keine Meinung berufen, sie nie kund tun, denn eine Meinung ist kaum notwendig. Ich freue mich über die Meinungen anderer Menschen, nehme sie an und hin, ohne mir eine eigene zu bilden. Eine Meinung ist immer einen Punkt aus einer Richtung zu sehen, zu betrachten. Sagen wir, so ist es in der Regel. Jede von anderen gemachte Äußerung von einer Meinung kann zu einer anderen Überzeugung führen, die sie zuvor fest vertreten hat. Das Wort kann ist Druck. Das Wort muss ist Druck. Meinungen sind so wandelbar und das von allen Seiten her. Meinungen werden zunehmend als eine zu verurteilende gemachte Aussage angesehen. Achte du mal darauf. Du wirst feststellen, dass es sich so verhält.” Lory saß nun ganz gerade auf der Bank, nickte: “Ich werde darauf achten.” Still saßen nun beide da. Er rauchte. Beide schauten sie den Enten auf dem Teich zu. Beide lächelten auf eine friedliche, zufriedene, liebevolle Weise.