Beschreibung
Ein Kommentar zu den jüngsten Vorfällen von sexuellen Übergriffen bei der Bundeswehr
Es wirkt wie ein äußerst zynisches Wortspiel, aber es ist traurige Realität. In Bückeburg (Niedersachsen) wurde eine Soldatin vergewaltigt. Und wir stellen säuerlich fest, dass wir von solchen Fällen immer häufiger erfahren.
Jahrzehntelang war die Bundewehr eine reine Salamiveranstaltung, in den letzten Jahren hat sich das geändert. Endlich dürfen männliche Gefreite nicht nur ihren gleichgeschlechtlichen Kammeraden die Rosette versilbern, endlich darf man auch Frauen rannehmen. Die Bundeswehr beginnt damit gesellschaftstauglich zu werden, denn auch wenn wir die eingetragene Lebenspartnerschaft haben sehen wir solche Übergriffe nicht gerne, da lieber bei den jungen Damen sein Ding durchziehen.
Einfache Gemüter werden sich über diesen Abschnitt aufregen, aber man kann schon beinahe keinen anderen Schluss daraus ziehen, wenn man die Worte des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus ernst nimmt. Sexualdelikte in der Truppe sind Einzelfälle, es komme nur zu 80 sexuellen Übergriffen im Schnitt pro Jahr[1]. Geiler Schnitt, bloß 80 Übergriffe, Freunde, also jetzt mal ehrlich, so etwas kommt doch in den besten Familien vor. das ist doch nicht weiter tragisch. Eine Vergewaltigung, mein Gott, viele Frauen würde sich freuen mal so viel potenzielle Auswahl an Sexualpartnern zu haben…
Man möchte sich fragen, ob die Herren von der Bundeswehr eigentlich noch ganz normale Menschen sind, oder vielleicht schon lange die Grenze des gesunden Menschenverstandes überschritten haben. Eine sexuelle Vergewaltigung ist für die Vergewaltigten kein Zuckerschlecken. Traumata, resultierende Verhaltensstörungen, äußerst langfristige Therapien. Und dann muss man jeden Tag in dieses verstörende Umfeld zurück. Man kann sich gar nicht vorstellen, außer wenn man selbst Opfer war, was den jungen Frauen hier angetan wird. Das sehen die Herren an der Spitze aber offensichtlich anders.
Aber woraus resultiert ein so perverses Verhältnis zu diesen Fällen?
Zuerst mag man es gar nicht glauben, aber in Bundeswehr, als Analogie zur Polizei, kann man eines feststellen. Es geht hier noch im schlimmsten Sinne wilhelminisch zu. Unbedingte Unterwerfung, Deckung der Kammeraden, wer will schon Verräter sein? Vertuschung, Verharmlosung, all dies finden wir auf der Tagesordnung. Das so etwas auch in unserem modernen Rechtsstaat noch fröhlich Praxis ist kann man in Thomas Wieczoreks Buch „Die Rebellische Republik“ im Abschnitt „Musterländle im Aufruhr:…alles außer demokratisch“ nachlesen, wo man das extreme Vorgehen unserer Freunde und Helfer gegen die friedlichen Stuttgart 21 Demonstranten erblicken kann. Dazu kommt erschwerend, dass es sich hier u Institutionen handelt, welche viele Jahrzehnte in männlicher Hand waren, also bitte liebe Frauen, männlich sein, nicht nörgeln, schluck, Schlampe!
Und noch mal so ganz am Rande, meine Herren Wehrbeauftragten und Vorgesetzten: Vergewaltigung ist ein Straftatbestand (§177 StGB), dessen Duldung allein schon für eine rechtskräftige Verurteilung von mindestens einem Jahr ausreicht – es handelt sich hier nicht um ein Kavaliersdelikt!
Aber wahrscheinlich wird sich die Sicht auf diese Dinge nur sehr langsam ändern, denn dazu müssen eingefahrene und verkrustete Bilder erst einmal beseitigt werden und es muss eine nicht nur harschere Informationspolitik, sondern auch Strafverfolgung stattfinden. Die Fälle der Gorch-Fock haben gezeigt, dass Männer schamlos ihre Stellung im Heer ausnutzen um weibliche Soldaten systematisch zu Objekten ihrer nicht befriedigten sexuellen Perversion zu machen. Erschreckend, dass ein scheinbar moderner Industriestaat wie Deutschland, der sich so gerne christlich-soziale Werte auf die Flaggen schreibt in einigen Bereichen so rückständig ist, dass man den alten Kaiser Wilhelm wieder anklopfen hört.
[1] Hunderte sexvergehen in der Truppe, Morgenpost, 23.08.2012.