Neulich auf Arbeit hatten meine Kollegen und ich eine erstaunliche Entdeckung zu verzeichnen. Es gibt doch tatsächlich Menschen die sich ihre Schleifen an ihren Schnürschuhen nicht wagerecht binden können.
Besonders viel es uns an jenem Tag bei Caroline auf, sie trug kurze Hosen und ihre grellen orangen Schnürsenkel waren zu dem noch zu lang. Sie stachen aus dem Gesamtbild heraus und dieser Eindruck wurde noch verstärkt dadurch, dass die eine Schleifenschlaufe nach oben stand und die andere nach unten. Sabine, eine weitere Kollegin, sah dies und fragte Caroline ob dies so gewollt sei und warum ihre Schleifen nicht wagerecht auf dem Schuh lagen.
Caroline lachte lauthals auf und gab zu, dass sie das Schleifenbinden bei sich selbst nicht anders beherrsche. Verblüfft über diese Aussage schaute ich neugierig auf meine Turnschuhe.
Erleichtert atmete ich auf als ich feststellte, dass meine Schleifenschlaufen wagerecht auf dem Schuh lagen. Eigentlich hatte ich auch nichts anderes erwartet denn für mich war es irgendwie normal, dass alle Menschen ihre Schleifen wagerecht binden. Dennoch wollte ich der Sache nachgehen und sprang von meinem Stuhl auf um nach vorne ins erste Büro zu laufen.
Ohne Vorwarnung bat ich meine Kollegen dort einmal ihre Schuhe zu zeigen. Beide derzeit vorhandenen Kollegen schauten mich staunend an, meine manchmal etwas ungestüme und plötzliche Art war Ihnen in der langen Zeit der Zusammenarbeit nicht unbekannt geblieben und sie holten auf Grund dessen ihre Füße ohne zu murren unterm Schreibtisch hervor. Es war mir ein Rätsel wie man sich die Schuhe nicht vernünftig binden kann, ich wollte feststellen ob dies nur ein Defizit von Caroline war oder aber ob mehrere Leute davon betroffen sind und somit das wagerechte Schleifenbinden etwas besonders da stellte. Anne, eine Kollegin in meinem Alter, bewies mit einem stolzen Lächeln, dass sie der Fähigkeit mächtig war ihre Schleifen wagerecht zu binden. Anerkennend nickte ich und blickte zu Herrn Zangensaat. Doch was war das? Schockiert sah ich zwei senkrecht stehende Schleifenschlaufen. Fordernd sah ich meinen sonst sehr kompetenten Kollegen mittleren Alters an. Er lies es sich auch nicht nehmen lächelnd eine Erklärung ab zugeben in der er beteuerte das dies ein Doppelknoten sei, und es nicht möglich ist die Schuhe anders zu binden auf Grund der Beschaffenheit des Schnürsenkels ebenso wie der Länge. Kopfschüttelnd ging ich zu meinem Schreibtisch zurück. Bevor ich meine gegenübersitzende Kollegin Charlotte nach ihren Schuhen fragen konnte kam sie mir zu vor und sagte sie hätte heute Schlüpfschuhe an würde aber abends zu Hause einmal darauf achten.
Dieses Rätsel schrie danach von mir ergründet und gelöst zu werden.
Den ganzen Tag über beobachtete ich Menschenfüße, leider liefen mir weniger Schnürschuhe über den Weg als anfangs gedacht, da das Wetter einen rapiden Umschwung vornahm und es fast zu warm war um dicke Schnürschuhe zu tragen. Ich sah Sandalen und Latschen in den verschiedensten Varianten, manche lüfteten Zehe die eigentlich doch besser in einen Schnürschuh aufgehoben wären und wiederum andere zeigten stolz lackierte und gepflegte Zehe die eigentlich fast schon neugierig machten auf den Rest des Körpers der unter der Bekleidung schlummerte.
Zu erst entwarf ich die Theorie des Ost-, Westphänomens, da ich ein gebürtiger Ossi bin dachte ich mir, dass es daran liegen könnte. Denn im Laufe meiner Wohnzeit in Schleswig Holstein wäre dies nicht das erste Mal das etwas anders sei als in Mecklenburg.
Man betrachte einfach nur das Schulsystem oder die Uhrzeit, also warum sollte dann das Schnürschuhschleifenbinden nicht auch anders sein? Allerdings verwarf ich diese Idee schnell wieder da Herr Zangensaat auch aus Mecklenburg stammte, seine Ausrede nahm ich ihm übrigens nicht ab, ja und Anne ist auch in Schleswig Holstein geboren worden.
Die Lösung schien in greifbarer nähe als ich mir dachte es könnte eine Generationsfrage sein, ich überlegte von wem ich, dass Schnürschuhschleifenbinden gelernt hatte, im ersten Moment schoss es wie ein Blitz durch meinen Kopf, natürlich Mutti, wer auch sonst? Bei genauern überlegen war ich mir allerdings nicht mehr so sicher. Mutti hatte damals viel gearbeitet es könnte mir auch eine Kindergärtnerin gezeigt haben oder meine Großeltern. Und warum sollte es bei den vielen andern Menschen nicht auch mehrere Möglichkeiten geben? Und hundertprozentig erinnern konnte ich mich dann auch nicht mehr. Also war dieser Einfall auch nicht das nonplusultra und harkte ihn schnell unter unbrauchbar ab.
Nach mehreren hundertmaligen Schleifenbindens und mindestens genauso vielen Blasen an meinen geschundenen Fingern, viel es mir wie Schuppen von den Augen, ja es grenzte für mich an einen Geniestreich und ich fühlte mich so wie Einstein sich gefühlt haben musste nachdem er die Theorie der Relativität erstellte. Es war ganz einfach und einleuchten, die Lage der Schleifenschlaufen sind einfach abhängig davon aus welcher Richtung man sie bindet. Zum Beispiel binde ich meine Schleifen immer vorne übergebeugt egal ob im Stehen oder Sitzen somit habe ich immer eine wagerechte Sicht auf mein Unterfangen. Nun muss ich noch erwähnen, dass ich schlank bin und mir das vorne Überbeugen keinerlei Probleme bereitet. Wenn sich aber nun ein korpulent wenn nicht sogar dick gebauter Mensch oder ein Mensch mit Rücken oder Gelenkbeschwerden vor dem Problem gestellt sieht Schleifen zu binden dann ist es fast unmöglich die Füße auf dem kurzen und direkten Weg zu erreichen.
Somit hebt dieser den zu schnürenden Fuß an und legt ihn auf das Knie des anderen Beines, in dieser Position sieht er den Schuh seitwärts und bindet, logischer Weise die Schleifen senkrecht.
Nachdem ich eine für mich befriedigende Antwort gefunden hatte, habe ich sämtliche Turn-, und Schnürschuhe in die Altkleidersammlung verdammt und mich neu eingedeckt, mit jeglicher Art von Schuhen, die eigentlich nur ein Kriterium zu erfüllen brauchten. Sie mussten an meinen Füßen fest sitzen ohne das sie einen Schnürsenkel dafür benötigten.