Rafail Coel, Veteran und ehemaliger Anführer einer Spezialeinheit dachte dem Krieg entronnen zu sein. Er hatte sich geirrt. Nach 10 Jahren holt ihn die Vergangenheit ein und droht zu seiner Zukunft zu werden. Um das zu verhindern bekommt er eine zweite Chance und ist bereit alles zu tun. Copyright by Eagle Writer Bildquelle Star burst red and yellow fire / Fotolia.com
10 Jahre zuvor…
Schwach glitzerte die Sonne durch den Vorhang aus Staub, der sich in einem Ring um den Planeten gelegt hatte. Die Oberfläche brannte. Wie geschmolzenes Glas flossen Kontinente auseinander, in die Becken, die einstmals Ozean gewesen waren. Sämtliches Leben war längst verdampft.
Über der brennenden Welt kreisten Trümmer und Gesteinsbrocken, die langsam wieder von der Schwerkraft zurück auf den Planeten gezogen wurden.
Und weiter dahinter schwebte ein Koloss aus Stahl bewegungslos in der Leere des Weltalls.
Finn Coel wartete ungeduldig darauf, dass sich die Fahrstuhltüren öffnen würden. Bis auf eine Holzvertäfelung über der Steuerung war auch hier alles aus blankem Metall. Militärschick. Denn an sich wäre dies gar nicht nötig gewesen. Die Inneneinrichtung des Schiffs hätte soweit auch größtenteils aus jedem anderen Material bestehen können. Das einzige, was wirklich stabil sein musste, war die eigentliche Schiffshülle. Eine spezielle Legierung war nötig gewesen, um das Schiff selbst bei Überlichtgeschwindigkeit noch zusammenzuhalten. Bedauerlicherweise war der Weltraum in Wirklichkeit alles andere als vollkommen leer.
Denn auch wenn auf einen Kubikzentimeter grad einmal ein Teilchen kam, reichte dies schon aus. Bei einer Geschwindigkeit von über Dreihunderttausend Kilometern pro Sekunde wirkte jedes dieser atomgroßen Teilchen wie ein Panzerbrechendes Projektil und ohne eine stabile Schutzhülle , eine Legierung aus Platin und Osmium und einem Mantel aus Spezia-Kohlefaser, wäre von der Horus bereits beim ersten ÜLG-Sprung nur Asche übrig geblieben.
Vor Railgunprojektilen bot diese Panzerung allerdings trotzdem kaum Schutz. Um diese Abzuwehren wurde ein magnetisches Feld um das Schiff gelegt, das sämtliche Geschosse ablenken sollte. Zumindest in der Theorie. In der Praxis kam etwa die Hälfte aller Projektile durch.
Diese trafen dann auf die letzte Verteidigungslinie der Horus.
Ein starkes Energieschild, an dem letztlich alles abprallte. Ein Schiff der Titan-Klasse war schon allein durch dieses Abwehrsystem beinahe unzerstörbar.
Die Schildtechnologie war jedoch nicht von den menschlichen Konstrukteuren entwickelt worden. Diese Technik stammte von der Unity. Die Funktionsweise verstanden selbst die besten Wissenschaftler nicht ganz, aber zumindest hatten sie schnell gelernt die Bauweise zu kopieren. Die Unity war schien wirklich froh darüber zu sein, ihr Wissen weiterzugeben. Zumindest, was Verteidigung anbelangte.
Ihre Botschafter weigerten ich allerdings irgendwelche Waffentechnologie preiszugeben, mit der Begründung, das sie niemanden etwas geben wollten, was sich gegen sie verwenden lies. Und das die Menschheit damit nicht würde umgehen können.
Wie Recht die Unity damit hatte überlegte er einen Moment. Auch wenn er ihnen normalerweise misstraute, wenn sie jetzt einen Planeten zerstören konnten…. Welche Waffen hatte dann dieses ihnen um schätzungsweise eintausend Jahre Entwicklung überlegene Volk ?
Ein erschreckender Gedanke.
Der Fahrstuhl kam mit einem kaum wahrnehmbaren Ruck zum Stehen.
Einen Moment tat sich nichts und Coel vermutete schon, dass man ihn entdeckt und die Kabine gestoppt hatte.
Dann jedoch glitten die Türen bei Seite, und er trat nach draußen.
Finn Coel befand sich in einem mondän ausgestatteten Büro. Ein großer Eichenholztisch, der wohl besser in ein Investmentbüro auf der Erde gepasst hätte, anstatt in den mit der gleichen metallenen Nüchternheit gestalteten Raum. Ein großes Fenster erlaubte einen Blick hinaus auf die Sterne und einen Teil des Schiffs. Artherium konnte er nicht sehen. Vermutlich wäre das Fenster sonst auch versiegelt worden. Wer wollte schon einen brennenden Planeten vor dem Fenster haben?
All dies jedoch bemerkte er nur am Rande.
Seine größte Aufmerksamkeit galt dem Mann,
Dieser war sobald Coel eintrat aus dem Stuhl aufgestanden , in dem er vorher gesessen und einen Stapel Papiere gelesen hatte. Vermutlich Berichte.
,, Coel ? Was zum…“ Er griff über den Tisch nach einer Pistole, die dort lag und richtete sie auf den Eindringling.
,, Das würde ich an ihrer Stelle nicht versuchen.“ , meinte Rafail und hoffte überzeugend zu klingen.
Tatsächlich zögerte der ihm gegenüber stehende Mann kurz.
,, Wieso ?“ , fragte er Vorsichtig, ließ Coel aber keinen Moment aus den Augen . ,, Ich hätte alles recht dazu. Sie haben sämtliche Befehle missachtet…“
,, Und sie daran gehindert ein ganzes Volk auszulöschen.“ , beendete Rafail den Satz.
,, Glauben sie, mir fiel die Entscheidung leicht… wir hatten vieles erwartet.. aber das hier übertraf alles.“ Cain schwieg einen Moment. ,, Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welten.“
,, Oppenheimer hatte keine Ahnung.“ , erwiderte Coel.
,, Also.. was hindert mich daran sie jetzt einfach zu erschießen?“ Seiner Stimme war anzumerken, dass er geradezu darauf hoffte, das Coel ihm einen Grund liefern würde, die Waffe bei Seite zu legen.
Er wollte ihn nicht töten, fühlte sich aber offenbar dazu verpflichtet.
,, Ich weiß sehr wohl, dass das Parlament diesen Einsatz nicht genehmigt hat. Zumindest nicht Offiziell. Die Entwicklung der Nova-Waffen fand ohne Wissen der Öffentlichkeit statt. Was glauben sie passiert, wenn auch nur ein Wort davon nach draußen dringt? Von ihrem Schreibtisch können sie sich dann verabschieden Steel.“
,, Sie sind der einzige der davon….“ Erkenntnis trat in das Gesicht Cains. ,, Sie haben Aufzeichnungen gemacht…Was haben sie damit gemacht ?“
,, Glauben sie das sage ich ihnen ? Die Sache ist die, passiert mir auch nur das Geringste… wird jeder da draußen erfahren, was hier vorgefallen ist. Ich vermute, sie haben dafür schon eine Erklärung vorbeireitet ja ? Die Artheraner haben ein Schiff gekapert? Und der Reaktor überlud was in der Richtung?“ Er sah Steel an, dass er ins Schwarze getroffen hatte. Bei seiner Rückkehr auf die Erde wäre sicher überall von einem tragischen Zwischenfall auf der Koloniewelt Artherium die Rede.
,, Natürlich…“ Coel sprach mehr zu sich selbst. ,, Ich verschwinde. Und vergessen sie nicht, halten sie sich von mir fern.“
Einen Moment hielt Steel noch die Waffe auf ihn gerichtet. Dann ließ er sie sinken.
,, Ich bin nicht ihrer Meinung Coel. Das hier war notwendig. Aber ich respektiere Leute die ihrem Gewissen folgen.“ Und fast beiläufig fügte er hinzu. ,, Im Hangar dürfte ein ungesicherter Jäger stehen, der gewartet werden sollte.“
,, Erwarten sie nicht, das ich ihnen dafür danke.“
Steel griff unter den Tisch und warf Coel ohne Vorwarnung einen Revolver zu. Er fing die Waffe auf. Natürlich erkannte er sie wieder.
,,Die gehört glaube ich ihnen.“
Coel drehte sich um, ohne etwas zu erwidern und stürmte zurück in den Fahrstuhl. Zurück zur Zellenebene. Er musste noch Martin finden.
Als die Türen zufielen schien eine große Anspannung von ihm abzufallen. Unter seiner ruhigen Fassade brodelte es.
Egal, wie die GTDF das alles Rechtfertigen wollte, heute hatten sie, hatte die Menschheit was das anging, bewiesen, das Krieg etwas war, das sich immer noch steigern lies.
Er schloss die Augen und hörte einfach nur dem leisen Summen der Maschinen zu . Der Versuch an nichts zu denken war vergebens.
Hitze… eine zweite immer näher kommende Sonne am Himmel. Wie die lumineszierenden Blätter in einem Sturm aus Licht hochgewirbelt worden waren, als wollten sie ein Schild um den Planeten bilden…
Und das schlimmste war diese Dankbarkeit… sie waren dankbar gewesen, das sie jemand retten kam… die paar für die sie Platz gehabt hatten…
Er verdiente dafür sicher keinen Dank.
Die Kabine kam erneut zu einem Halt. Die Türen glitten auf. Eine Frau in der Uniform der Wissenschaftsabteilung lief den Gang hinab, auf den Coel nun hinaustrat.
Offenbar bemerkte sie ihn nicht einmal.
Er ging den Gang hinab, bis er die ersten Zellen erreichte und durch die Plexiglasscheiben spähte.
Im Laufschritt lief er die Reihen ab und sah sich um, bis er schließlich die einzige belegte Zelle fand.
Der Deutsche sah auf, als er Schritte auf den Gang hörte und schien sichtlich erleichtert, aber auch verwirrt, dass es Coel war, der plötzlich vor der Tür seiner Zelle stand.
,, Ich frage besser erst gar nicht, wie sie hier rausgekommen sind.“
,, Sagen wir einfach, die GTDF hat an der falschen Stelle gespart.“ , antwortete Coel und besah sich die Scheibe. Diese Zellen waren an sich keine wirklichen Gefängnisse. Mit genug Anlauf und Kraft ließ sich die Scheibe zerschmettern. Das einzige Problem war, dass dies einen Alarm auslöste und die gesamte Ebene entlüftet werden würde. ,, Können sie mit dem Bein rennen ?“ , fragte Martin und deutete auf Coels Verletzung.
,, Ich hoffe es.“
Martin nahm so gut ihm das in der schmalen Zelle möglich war Anlauf. Wenn das Glas nicht beim ersten Versuch zersplitterte würde der Gang vermutlich gleich vor Soldaten wimmeln.
Das Glas brach. Coel drehte sich weg um zu vermeiden von Splittern getroffen zu werden, dann stand Martin auch schon auf dem Gang. Einige Splitter hatten sich ihm in die Haut gebohrt und von einem großen Kratzer an der Stirn rann Blut.
Aber in ein paar Minuten würde man davon schon nichts mehr sehen.
Die Standardmäßigen Implantate, die jeder GTDF Soldat bekam heilten kleinere Wunden innerhalb weniger Minuten und konnten selbst einen größeren Treffer provisorisch heilen, solange keine Organe verletzt waren.
Im Prinzip handelte es sich um kleine Kapseln, die ins Blut injiziert wurden und bei Bedarf, gesteuert über den Schmerzimpuls des Nervensystems, das Blut gerinnen ließen oder Schmerzmittel freisetzten. Eine Innovation, für die früher oder später jeder Soldat einmal dankbar war.
Coel selbst war währen der zwei Jahre, die er jetzt auf Artherium oder in dessen Orbit stationiert war oft genug selbst diese Erfahrung gemacht. Eine Narbe unterhalb seines Schulterblattes erinnerte ihn stetig daran. Durchschuss, direkt durch die Schlagader. Normalerweise wäre er verblutet, bevor Hilfe eingetroffen wäre.
Was ihn wieder zum Krieg mit en Artheranern… und essen letztlichen Ausgang zurückbrachte.
Als sie den Planeten zum ersten Mal besucht hatten, hatte sich deren Zivilisation etwa auf dem Stand der Industrialisierung auf der Erde befunden. An der Schwelle zu einer modernen eigenständigen Gesellschaft.
Normalerweise hätte sich die GTDF hier nicht eingemischt. Man hätte lediglich einen Boten der Unity geschickt, der das Verhandeln übernehmen sollte. Rohstoffe gegen Technologie. Das war meist das Angebot.
Die Artheraner waren jedoch nicht darauf eingegangen, selbst nachdem die erste Hysterie unter der Bevölkerung abgeklungen war. Es hatte Übergriffe auf einige menschliche Zivilisten auf dem Planeten gegeben. Und das war der Punkt gewesen, an dem der Krieg begann. Zumindest war das die offizielle Version.
Das Parlament war nicht gewillt gewesen, auf die Ressourcen des Planeten zu verzichten.
Und eine Zivilisation, die sich mit Flinten auf Basis des 18 Jahrhunderts Verteidigte schien kein großer Gegner.
Sie wussten ja noch nicht, mit wem sie sich angelegt hatten.
Das durchdringende Kreischen des Alarms riss ihn aus seinen Gedanken. Eine Tonbandstimmt erklang.
,,Achtung. Alle Häftlinge haben 30 Sekunden um sich wieder in ihre Zellen zurück zu begeben. Achtung 30 Sekunden bis…“
Er hörte nicht mehr zu sondern lief so schnell er konnte den Gang hinab. Wenn sie es aus dem Haftbereich heraus schafften, wären sie in Sicherheit.
Martin lief an ihm vorbei etwas voraus, kehrte dann aber wieder zurück. ,, Der Weg ist soweit frei.“
Coel nickte nur. Bei jedem Schritt mit dem verletzten Bein durchzuckten ihn Schmerzen, aber die Todesangst trieb ihn vorwärts. Vorwärts durch die Flure mit den Zellen und schließlich weiter durch eine offene Schleuse, die wenige Sekunden nachdem sie sie passiert hatten zufiel.
Er hörte das Zischen, als die Luft aus dem Raum dahinter entwich.
Coel blieb ein Moment stehen und wartete, bis der Schmerz in seinem Bein etwas nachließ.
,, Wir sollten besser verschwinden.“ , meinte Martin, der sich in alle Richtungen umsah, ob bereits jemand den Alarm gehört hatte.
,, Richtig.“ Coel ging den Gang weiter entlang. Wenn er richtig lag, gab es etwas weiter einen weiteren Fahrstuhl. Wenn sie diesen fanden und dann noch das Hangardeck mit den Depots erreichten hatten sie es fast geschafft.
Coel schreckte aus seinen Erinnerungen hoch. Es schien alles erst gestern gewesen zu sein.
Vieles war noch genau so deutlich wie damals. Er meinte immer noch, das Kreischen des Alarms in den Ohren zu haben.
Er sah auf. Vor ihm lag ein großer grauer Betonkomplex, der außen mit einem Zaun aus Stacheldraht umgeben war. Coel zog die Karte aus der Tasche und ging auf den Eingang zu, ein Tor im Zaun an dem ein einfacher Scanner angebracht war. Das war vermutlich nicht die einzige Kontrollvorrichtung. Die GTDF war fast schon fanatisch, was die Sicherheit ihrer Einrichtungen anbelangte.
Kein Wunder. Wann immer das Parlament eine neue Kolonie erschloss, wann immer neue Waffensysteme getestet wurden, die GTDF war immer mehr oder weniger daran beteiligt.
Auch wenn die Organisation als eine Abteilung des Militärs begonnen hatte, war sie mittlerweile genau so sehr militärisch, wie wirtschaftlich Bedeutend.
Einige der hellsten Köpfe und der besten Strategen arbeiteten für sie und soweit er wusste, bot die Abteilung jedem, den sie meinte zu brauchen ein stattliches Jahresgehalt. Für die meisten reichte das schon. Auch er war nach seiner Grundausbildung direkt zur GDTF gekommen und hatte, angesichts der Angebote, die er bekam, keine Sekunde gezögert.
Vielleicht hätte er es sollen. Das hätte ihm einiges erspart.
Hinter dem Zaun und über das Gelände verteilt gab es mehrere dutzend kleinere fensterlose Bauten, deren Zugänge er von seiner Position vor dem Zaun nicht sehen konnte.
Coel trat an den Scanner und hielt den Ausweis in das Auge der Kamera. Jetzt würde sich zeigen, ob seine Paranoia wegen der Selbstschussanlagen berechtigt war. Oder ob Steel ihm einen echten Ausweis gegeben hatte.
Einen Moment tat sich überhaupt nichts. Dann färbte sich eine kleine Lampe, die über dem Scanner angebracht war grün und die Gattertore sprangen auf.
Zumindest soweit war er gekommen. Aber er hatte keine Ahnung, wohin er jetzt sollte. Noch, überlegte er, hätte er die Möglichkeit umzukehren. Aber was dann ?
Coel würde zurück in seine kleine Wohnung gehen, sich betrinken und dann…. Vielleicht endlich Schluss machen.
In der Schublade eines der Wandschränke in seinem Badezimmer befand sich nach wie vor sein Revolver.
Eine Kugel, mehr brauchte es nicht.
Aber… hier hatte er vielleicht die Chance endlich alles hinter sich zu lassen. Oder ebenfalls erschossen zu werden.
Unschlüssig stand er eine Weile am Tor. Dann nahm ein näher kommendes Motorengeräusch seine Aufmerksamkeit in Anspruch.
Ein kleiner Jeep kam über das Gelände in Richtung Tor gefahren.