Fantasy & Horror
Die Gebrochene Welt I (Kapitel 6; Teil 4/4) - Der Fall Fiondrals

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"Die Gebrochene Welt I (Kapitel 6; Teil 4/4) - Der Fall Fiondrals"
Veröffentlicht am 26. August 2012, 24 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Wer wäre ich hier, wenn nicht jemand, der seinen Visionen ein Zuhause geben will? Tue ich das gerade nicht, studiere ich Rechtswissenschaften und bemühe mich, nicht gleich jedes damit verbundene Klischee zu erfüllen (letzteres womöglich nur mit mittelmäßigem Erfolg), oder fröne in irgendeinem Pub meinen Lastern.
Die Gebrochene Welt I (Kapitel 6; Teil 4/4) - Der Fall Fiondrals

Die Gebrochene Welt I (Kapitel 6; Teil 4/4) - Der Fall Fiondrals

Beschreibung

Die Stadt Galor ragt als letzte Festung aus dem Trümmerfeld auf, in das die Invasion der Orks den Kontinent Fiondral verwandelt hat. Flüchtlinge aus allen Ecken und Enden des Landes suchen Zuflucht hinter den dicken Mauern. Doch während sich die feindlichen Heerscharen unter den hohen Zinnen sammeln, zerfressen Zwietracht und Hass die Reihen der Verteidiger, bis es schließlich an wenigen wackeren Streitern liegt, das Schicksal aller zu bestimmen. (Weitere Kapitel folgen in Kürze) Titelbild: "Einsturzgefahr" by "Paulo Claro" Some rights reserved. Quelle: www.piqs.de

Kapitel 6: Von Helden und Verrätern (Teil IV)

Ferren, Olav und Janus schlichen langsam über die gefallenen Nadeln der Pinien, wobei sie ihre Waffen wachsam in Händen hielten.
Der Kampfeslärm aus dem Lager war bis zu ihrer Position gedrungen, was sie jedoch nicht dazu verleitet hatte, sofort zu ihren Kameraden zurückzukehren.
Während Ferren schlich, brannte ein jeder seiner Muskeln, die bei jedem langsamen Schritt wie ein Segeltuch gespannt waren.
Quälend war das Verlangen, einfach loszurennen. Gellend die Stimmen in seinem Kopf, die nach einer Antwort verlangten, die wissen wollten, was geschehen war. Schneidend ein jedes Bild, das seine Vorstellungkraft sich zusammen reimte.
„Ich muss etwas tun. Kann hier nicht länger warten. Kann keine Zeit verschwenden, keine kostbare Sekunde. Bei Gott, was werden die Orks ihr antun? Wird sie überleben?“, hallte es durch seinen Schädel.
„Verzeiht“, sprach Janus, „Aber die Sorge steht Euch ins Gesicht geschrieben.“
„Sorgt Ihr Euch nicht Mönch? Sorgt Ihr Euch nicht um unsere Kameraden?“, blaffe Ferren.
„Doch das tue ich...aber wenn wir in einen Hinterhalt laufen, sind wir ihnen auch keine Hilfe“, entgegnete Janus.
„Das stimmt“, pflichtet Olaf bei.
„Ja…Ihr habt wahrscheinlich Recht“, seufzte der Leutnant, „Aber jetzt…jetzt lasst uns weiter gehen.“
„Da kommt wer“, warnte Olaf, worauf alle ihren Blick geradeaus wandten, wo zwischen den Bäumen eine dunkle Gestalt hin und her huschte.
„Eine Falle möglicherweise“, flüsterte Janus, nachdem sie augenblicklich stehen geblieben waren.
„Möglich“, kommentierte Ferren, während die flüchtige Gestalt sie scheinbar ebenfalls entdeckt und eingehalten hatte.
Aus der Entfernung war nur zu erkennen, dass es sich um einen Mann handelte, der eine Robe trug.
Nachdem sie eine Zeit lang schweigend und starr wie steinerne Statuen verbracht hatten, hob der Leutnant erneut die Stimme:
„Gebt Euch zu erkennen!“
„Ferren, Ihr verdammter Bastard? Seid Ihr das?“, rief der Mann zurück.
„Ja, verdammt!“, blaffte dieser zurück, „Wer seid Ihr?“
„Beim stinkenden Atem des Erlösers, ich bin’s, Ilar!“, schrie sein Gegenüber und setzte sich in Bewegung.
„Ilar“, hauchte Janus, nachdem die beiden Parteien aufeinandergetroffen waren, „Sagt, was ist geschehen?“
Darauf begann der skatrische Magier mit einem wenig ausführlichen, dafür umso mehr fluchenden Bericht.
„Ihr seid also mitten in der Schlacht geflohen?“, erkundigte sich Ferren mit scharfem Unterton.
„Das ist feige“, fügte Olaf an.
„Halt deine verdammte Fresse!“, blaffte Ilar, „Ich bin abgehauen. Ja! Ich kämpfe doch nicht gegen hundert stinkende Orks.“
„Hundert?“, keuchte Janus.
„Ja, mindestens. Waren verdammt viele.“
„Das sind zu viele für einen einfachen Spähtrupp“, erklärte der Leutnant, „Das heißt, sie haben uns gestern schon entdeckt oder die ganze Sache war geplant.“
„Geplant, pah“, lachte der Skatrier höhnisch, „Diese ledrianischen Bastarde haben uns verraten. De Nord und der Fettsack. Die sind vor dem Angriff aus dem Lager verschwunden. Verdammte Hundesöhne!“
„Renault nicht?“, fragte der Mönch.
„Nein. Der hat gekämpft…und Dimitri erschossen, als er mit mir abhauen wollte. Dieser dämliche Penner! Wir wollten diese Novizin noch retten, aber er hat einfach auf uns geschossen.“
„Ariona!“, keuchte Ferren, „Was ist mit ihr passiert?“
„Keine Ahnung. Ich hab sie liegen lassen. Kann sie ja schlecht allein schleppen.“
„Du hast sie…“, zischte der Leutnant, bevor ausholte und Ilar einen schallenden Schlag ins Gesicht verpasste, der den Skatrier zu Boden schickte. Sofort sprang er hinterher, schlug noch einmal zu, wurde dann von einem Stoßzauber erwischt und zurückgeschleudert.
„Wahnsinniger Irrer!“, schrie Ilar.
„Feiger Bastard!“, rief Ferren, während Janus sich zwischen sie stellte.
„Bitte, das bringt doch nichts.“
„Dieser Hurensohn hat Ariona einfach den Orks überlassen!“, zischte Ferren.
„Das mag sein…aber wenn schon die eigenen Leute auf ihn schießen, kann man ihm das wohl kaum verdenken.“
„Ich kann es Renault nicht verdenken, dass er auf sie geschossen hat. Skatrische Schweine!“
„Sympathisierst du auch mit den Ledrianern? Verräter!“
„Bitte beruhigt euch“, wandte Janus ein.
„Genau“, stimmte Olaf zu.
„Es mag euch vielleicht nicht gefallen“, fuhr der Mönch fort, „Aber so, wie es aussieht, können wir in dieser Todesfalle jeden Verbündeten brauchen, und was wir auch noch brauchen, ist ein Plan.“
„Wir müssen sie finden“, sagte Ferren.
„Pah, die sind alle tot“, erwiderte Ilar.
„Nein!“, zischte der Leutnant, „Wir gehen zum Lager zurück und sehen nach.“
„Aber da sind doch überall Orks“, erwiderte Olaf.
„Und wenn uns Tymaleaux und de Nord verraten haben, dann wissen sie auch, dass wir ihnen entkommen sind, und werden nach uns suchen.“
„Wenn auch nur einer überlebt hat, dann müssen wir ihn retten. Ihr kennt den Kodex, Männer“, appellierte der Leutnant.
„Ach scheiß auf den stinkenden Kodex“, fluchte Ilar, „Ich sage, wir gehen nach Norden und suchen Dragans Trupp.“
„Und ich befehle als Leutnant, dass wir unsere Kameraden suchen!“, zischte Ferren, „Ihr könnt euch mir gerne widersetzen, aber ihr solltet wissen, dass ich eine Befehlsverweigerung nicht anders vergelten werde, als de Nord und Renault es getan hätten.“
„Ich stimme dem zu“, sprach Janus, „aber wir müssen vorsichtig sein.“
„Richtig“, pflichtet Olaf bei.
„Ach, alleine habe ich eh keine Chance nach Norden zu kommen. Geh ich halt mit euch…verdammte Scheiße…“, knurrte Ilar, worauf sich die kleine Gruppe wieder in Bewegung setzte.
So kehrten sie zum Lager zurück, das sie vollkommen leblos vorfanden.
Die Orks hatten weder die Leichen ihrer Kameraden noch die ihrer Feinde beseitigt, sodass der gesamte Posten einem überirdischen Friedhof glich, einem tristen Sumpf von Blut und Kadavern. Sie zählten die Gefallenen und stellten fest, dass ihre Kameraden beinahe fünfzig Orks ins Jenseits befördert hatten, während auf ihrer Seite Renault, Kalira, Dimitri und drei weitere Begleiter sowie Magda, die man einfach erschlagen hatte, den Tod gefunden hatten.
Nachdem Ilar auf Ferrens Befehl hin die Leichen der ihren verbrannt hatte, beschlossen sie recht uneinig, die Vermissten zu suchen, wobei sich Olaf als ein brauchbarer Fährtensucher erwies, indem er die Spur der Orks im Wald ausmachte.
Damit zogen sie zähneknirschend fort, obwohl die Erschöpfung eines harten Tages, der nun gänzlich von der finsteren Nacht verschluckt wurde,  auf ihnen lastete.

Auch über Galor ruhte ein Schleier von Dunkelheit und Stille, nachdem die herbstliche Kälte alle Menschen aus den Straßen gefegt hatte, bis auf jene, denen man nirgendwo anders Unterschlupf gewährte. Aus den Kaminen der sandsteinernen Bauten stiegen noch schwache Rauchschwaden auf, wenn auch die Glut in den Öfen langsam erlosch.
Herzog Jean Montierre stand alleine an den mächtigen Zinnen oberhalb des Haupttores, von wo aus er über die weite Ebene vor Galor hinausblickte, die ebenso schwarz und leblos war wie das Meer, welches sie umgab.
Dort war niemand zu sehen, kein Feind, kein Freund.
„So warte ich also hier“, seufzte Jean leise, „Ich warte darauf, dass irgendetwas geschieht. Ich erhoffe die Rückkehr meiner Verbündeten, doch was ich erwarte, ist das Heer, das hinter den Hügeln und Bäumen lauert. Ich weiß, dass es da ist. Graue Eminenz, worauf wartet Ihr?
Lasst Ihr uns zittern wie einen Verurteilten unter der Henkersaxt? Tanzt Ihr noch einen letzten makabren Tanz, bevor Ihr den Scheiterhaufen entzündet? Wir werden Euch einen guten Kampf bieten. Wir werden durchhalten, bis unsere Kameraden zurückkehren. Wir werden hier nicht fallen!“
Er lächelte, als er erneut in die Ferne blickte, denn er war sich sicher, dass sie Galor zumindest eine Zeit lang halten würden.
Nach der Zerstörung der Schiffe und der Abreise der Stoßtrupps, hatten sich etliche Menschen dazu bereit erklärt, die Verteidigung Galors zu unterstützen.
In den letzten Wochen hatte es nachts keine Feiern oder Auseinandersetzungen mehr gegeben, Alkohol und Dunkelkraut waren in großen Mengen freiwillig der Stadtverwaltung übergeben worden. Auch wenn das Schmiedefeuer nun erloschen war, so wusste Montierre, dass es morgen wieder brennen würde, er wusste, dass morgen die Menschen wieder vor ihren Häusern sitzen würden, um Speere, Pfeile, Bögen und Barrikaden zu fertigen, er wusste, dass auf den Übungsplätzen wieder junge und alte Rekruten für den finalen Kampf trainieren würden.
Er wusste: Sie würden nicht scheitern.
„Zweifel ist Gift“, lachte er, während er die Hand zu einem verächtlichen Winken hob, das zum entfernten Waldrand deutete, „Kommt nur her!“

Lucian de Nord streifte alleine durch die nördlichen Ausläufer des Pinienwaldes, wobei, in Anbetracht seiner körperlichen Unversehrtheit, ein fadenscheiniges Lächeln seinen Mund zierte. Die sechs Orks hatten ihm entgegen Tymaleaux’ Erwartungen nicht einmal einen Kratzer zufügen können, was er aber zu einem nicht unbeträchtlichen Teil seiner Rüstung zu verdanken hatte.
„Eine Legion dieser Bastarde würde mich nicht aufhalten“, spottete er, während er über den Waldboden schritt, „Mögen sie meinen Trupp auch vernichtet haben, sie werden bereuen, dass ich nicht meinen Atem aushauchte.
Zwar kann ich alleine kein Schiff zurück nach Galor führen, doch solange noch Blut durch diesen Venen fließt, und triebe es nur der Glaube hindurch, werde ich noch eine Klinge führen!
Ich habe schon Schlimmeres überstanden, ich bin dem Tod bereits einmal von der Schippe gesprungen. Vor der Gerechtigkeit gibt es kein Entkommen.“

Plötzlich sah er sich wieder durch die Hallen des skatrischen Königspalasts eilen, wobei seine königsblauen, prunkvollen Gewänder im Wind um ihn her flatterten.
Hinter ihm ertönte Kampfeslärm, seine Verbündeten schrien ihm Worte zu, die er nicht verstand.
Er hechtete um eine Ecke, sah sich direkt mit einer Horde skatrischer Rebellen konfrontiert, die von zwei ledrianischen Rittern mühsam aufgehalten wurden.
„Lauft, Majestät!“, drängte einer der beiden, doch er blieb wie angewurzelt stehen.
Einen Moment lang blickte er auf die wilden Gesichter der Angreifer hinab und auf die Leichen, die ihren Weg pflasterten.
Dann fuhr er mit seiner Hand an den Gürtel, zog sein juwelenbesetztes Schwert und stürzte ihnen entgegen.
„Eure Majestät, nein!“, schrie einer der Ritter, während er schon den ersten Skatrier niedergestreckt hatte.
„Wir sind Ledrianer!“, entgegnete er, „Es ist uns nicht vergönnt, zu fliehen!“
Wie vermessen es war, sich der Übermacht ihrer Feinde entgegenzustellen, sollte er nicht einmal bemerken, als er rücklings auf dem Boden lag und eine Armbrust direkt auf seine Herzseite gerichtet war.
„Was rechtschaffen ist, wird niemals…“, zischte er, bevor der Mechanismus gelöst wurde und der Bolzen in seinen Körper eindrang.
Die Schwärze überzog seine Augen.

Doch er stünde nicht in diesem Wald, wäre er nicht einige Tage später in einem Feldlazarett wieder erwacht.
„Was sollte schon jemanden aufhalten, den ein Schuss in die Brust nicht töten konnte“, hatte er sich stets gefragt und er wiederholte diese Frage, als er durch die Reihen der Bäume marschierte, eine weitere Böschung hinabging, an deren Ende er sich erneut mit einer wahren Wand aus Stämmen und Nadeln konfrontiert sah.
Er hielt kurz inne, um sie spöttisch, angewidert zu betrachten, und wollte gerade einen weiteren Schritt tun, als ihm die Totenstille auffiel, die über diesen Bäumen nistete.
Kein Vogel, der zwitscherte, kein Wind, der die Blätter rascheln ließ, kein Ast, der zu Boden fiel. Eine Wolke verdunkelte die Sonne und mit einem Mal war es, als würde die Gegend ihrem Betrachter entgegenschreien:
„Bis hier hin und nicht weiter! Dieser Pfad ist nicht für dich gemacht!“
„So mag es sein und dennoch muss ich weiter“, zischte er, bevor er die Rechte auf den kalten Griff seines Schwertes legte und weiter ging. Geäst barst unter seinen Stiefeln, als er sich dem Wall der Bäume näherte.
Er hatte ihn fast erreicht, als sie plötzlich auftauchten:
Acht schattenhafte Gestalten, die sich im Halbkreis um ihn positioniert hatten, neben den Bäumen vor ihm, der Böschung zu seiner Rechten, den Büschen zu seiner Linken. Sie alle trugen einfache Lederrüstungen, Armbrüste und jeweils irgendein auffällig blutrot gefärbtes Kleidungsstück, meistens Mundtücher oder Binden am Oberarm.
„Eure Feigheit ist beeindruckend“, spottete de Nord.
„Ebenso wie Eure Arroganz“, entgegnete eine Stimme, worauf sich eine letzte Person aus dem Schatten eines Baumes löste.
Bei dieser handelte es sich um eine hochgewachsene, junge Frau, die ihre langen, schwarzen Haare zu einem Zopf zusammengebunden hatte und einen durchaus wohlproportionierten Körper besaß, was jedoch von ihrer Kettenrüstung recht gut kaschiert wurde.
„Sollte es mir noch vergönnt sein, Euren Namen zu erfahren, bevor wir die Klingen kreuzen“, rief Lucian.
„Ihr könnt nicht wirklich gegen uns kämpfen wollen“, keuchte sie, worauf er einen Moment innehielt, um dann seinen Mund zu einem fadenscheinigen Lächeln zu verziehen:
„Nun, es verhält sich so, dass ich keine andere Wahl habe. Ihr seid Verräter, Abschaum, mit dem ich mitnichten verhandeln werde. Außerdem bin ich Ledrianer und als solcher von Geburt aus nicht fähig, mich zu ergeben.“  
„Wir könnten Euch einfach erschießen“, konterte sie, wobei sie ihre blutroten Lippen verzog.
„Wenn das Eure Intention wäre, so läge ich bereits tot am Boden“, erwiderte de Nord, „Demnach liegt es nahe, dass Ihr etwas von mir wollt.“
„Das ist korrekt“, bestätigte sie, „Mein Herr hat ein außerordentlich gutes Angebot für Euch.“
„Euer Herr ist eine jämmerliche Made, mit der ich ebenso wenig verhandeln werde wie mit Euch“, zischte der Marquis, wobei er auf den Boden spuckte.
„Ihr wollt also sterben?“
„Besser ein Tod in Ehre als ein Leben in Schande“, lachte er, während sein Blick auf die gespannten Armbrüste fiel und die Bolzen, die geradezu zitternd nach ihrem Abschuss verlangten.
„Das glaubt ihr nicht ernsthaft“, spottete sie.
„Oh, es verhält sich tatsächlich nicht so, dass ich es glaube. Ich weiß es!“
„Seid kein Narr! Ihr solltet Euch zumindest anhören, was mein Herr Euch zu sagen hat.“
„Damit ich, wie ich annehme, anschließend von noch mehr seiner Lakaien umgeben bin, als es jetzt schon der Fall ist?“, blaffte der Marquis augenblicklich.
„Ich gebe Euch mein Wort darauf, dass wir Euch gehen lassen werden, wenn Ihr nicht einwilligt“, gab sie langsam zurück.
„Ich hoffe, Ihr erwartet nicht, dass ich etwas auf das Wort eines Verräters gebe. In das Kläffen eines skatrischen Straßenköters läge ich mehr Vertrauen, Abschaum!“
„Ich bin Vanessa Firani, Offizier im Heer von Lord Navaras und als solcher an den Ehrenkodex gebunden“, rief sie, „Mein Wort zählt!“
„Euch ist doch bewusst, dass der König der Ratten trotzdem noch eine Ratte ist, oder?“, höhnte Lucian, wobei er sich in Gedanken bereits die Worte für sein letztes Gebet zurechtlegte.
Es herrschte Stille. De Nord konnte in Vanessas hübschem Kopf förmlich die Zahnräder rattern hören, wohingegen sie einfach durch ihn hindurch zu starren schien. Aus ihrem etwas grotesken Verhalten schloss er, dass man ihr aufgetragen hatte, ihn keinesfalls zu töten.
„Was ist die Intention dieser anmaßenden Hunde?“, fragte er sich, „Welche Drecksarbeit können sie nicht alleine erledigen, dass sie meine Hilfe brauchen? Es wäre wirklich amüsant, würde sie meinen Beistand im Kampf gegen Galor wollen. In diesem Fall endet die Sache gleich hier, entweder für mich oder für sie. Aber wie es auch ausgeht, ich werde dabei nicht verlieren.“
Doch während er ganz von seinen Gedankengängen erfüllt wurde, kam Vanessa eine Idee, worauf sie ihren Blick wieder hob, um ihn direkt anzusehen.
„Es stimmt doch, dass die Iurionisten den Dunklen Kult verachten?“, fragte sie hämisch.
„Jetzt wird es wahrlich absurd!“, de Nord war einem Lachanfall nahe und einige der umstehenden Soldaten räusperten sich ebenfalls, um nicht loszuprusten.
„Aber es stimmt doch?“, hakte sie nach.
„Natürlich stimmt es!“, blaffte Lucian, „Allerdings entzieht sich mir die Relevanz, was möglicherweise daran liegt, dass der Kult vor Hunderten von Jahren zerschlagen wurde.“
„Und dennoch existiert er“, ein Lächeln breitete sich auf Vanessas Mund aus, wohingegen die Miene des Marquis wie versteinert wirkte.
„Sagte ich zuvor, dieses Gespräch würde absurd? Ich lag augenscheinlich falsch, denn Eure Behauptungen grenzen bestenfalls an Irrsinn“, spottete er.
„Es ist schlicht die Wahrheit, die Ihr nicht anerkennen wollt“, konterte Firani.
„Warum erschießen wir ihn nicht einfach?“, warf einer der Soldaten ein.
„Klappe!“, harschte sie ihn an, bevor sie sich wieder an den Marquis wandte, „Ihr wollt doch sicherlich erfahren, was es mit der Invasion der Orks auf sich hat? Ein Gespräch mit meinem Meister könnte sehr aufschlussreich sein.“
De Nord musste sich wohl oder übel eingestehen, dass Vanessa ihn neugierig gemacht hatte, aber auf der anderen Seite waren die Gebote des Iurionismus streng.
Mit Abtrünnigen und Verrätern wurde gar nicht erst verhandelt.
„Was aber, wenn diese Verhandlung nur einem höheren, guten Ziel dient?“, fragte sich de Nord, „Wenn ich diese Soldaten töte, werde ich ihren Meister wahrscheinlich nie zu Gesicht bekommen. Wenn ich hier falle, ebenso wenig. Doch sollte ich sein Gesicht einmal sehen…“
Schließlich hob er wieder die Stimme:
„Ich muss gestehen, dieses Gespräch beginnt, mich zu langweilen. Gegen eine gute Flasche Wein und etwas serpendrianischen Kaviar wäre ich jedoch möglicherweise geneigt, Eurem Meister ein offenes Ohr zu schenken.“
„Das ist Euer Ernst?“, sie hob eine Augenbraue.
„Iurionisten lügen nicht“, bestätigte Lucian, worauf sie ihren Soldaten befahl, die Waffen zu senken.
Anschließend führten sie den Marquis aus dem Wald hinaus zu einer weiten Feldlandschaft, die sich bis an den Horizont erstreckte. Mit den Pferden, die sie am Waldrand an einigen Bäumen festgebunden hatten, ritten sie hinaus in die Ebene, wobei sie Lucian tatsächlich wie einen Begleiter, keinesfalls wie einen Gefangenen behandelten.
Dass er mit seinem Ross jederzeit aus der Gruppe hätte ausscheren und fliehen können, schien sie ebenso wenig zu interessieren, wie das Schwert, das er immer noch an seinem Gürtel trug.
Für einen Moment spielte er mit den Gedanken, einfach zu fliehen, oder das Überraschungsmoment zu nutzen, um gleich den ganzen Trupp niederzumetzeln.
Aber er verwarf den Gedanken wieder, während sein Schimmel durch das hohe Korn galoppierte.

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Wer wäre ich hier, wenn nicht jemand, der seinen Visionen ein Zuhause geben will?
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