Ich habe Sehnsucht nach mir. Nein, dies ist kein Schreibfehler. Es ist so gemeint, wie es da steht.
Ich habe so große Sehnsucht nach mir.
Melancholie erfüllt mich. Sie ist ständige Nahrung für die Sehnsucht. Es ist wohl so, dass sie sich gegenseitig nähren. Schwächelt die eine stärkt sie die andere. Ob die beiden Zwillinge sind? Das ist gut möglich.
Wohin treibt mich diese Sehnsucht?
Nirgendwohin. Sie ist keine Triebfeder. Eher ein tonnenschwerer Anker, der mich an dem Platz fest verankert, wo ich bin.
Wo bin ich?
Hier bin ich!
Ich bin hier!
Wieso sehne ich mich nach mir, wenn ich doch hier bin?
Diese Sehnsucht sehnt sich nach der, die ich war.
Sie sehnt sich nach dem Menschen, der mit vielen Ideen, großartigen Glaubensdingen,
märchenhaften Möglichkeiten, übersinnlichen Kräften beschäftigt war. Sie vermisst diesen Menschen, der immer neue Lebenskonzepte verfolgte. Je nachdem welches Konzept am hellsten leuchtete und am meisten Glückseligkeit versprach wurde es erwählt, als wahr genommen und als Wahrheit übernommen. Eine spannende, märchenhafte, leuchtende Erfahrungstour war das.
Warum nur habe ich dieses nicht einfach weitergelebt? Es war wirklich eine großartige Zeit. Aus dem gleichen Grund, aus dem Kinder aufhören an Weihnachtsmänner und an das Christkind zu glauben.
Es ging einfach nicht mehr. Die Täuschung war so offensichtlich, dass ich Traum als Traum erkennen musste. In meinem Fall war das Aufwachen nicht so interessant, wie die ganzen Träumereien. Es gab nichts größeres als den Augenblick, den Moment. Für die Schönheit des Augenblicks bin ich noch nicht reif genug. Der Schmetterling muss erst noch seine Flügel aufpumpen. Aber dann….
“Willst du wirklich wieder träumen”, höre ich die Stimme in mir.
“Ja, ja, ja, ja, ja”, schreit mein Kopf.
“Lass ihn ruhig schreien”, leise, ganz leise, sagt dies mein Herz.
Ja, ich höre auf mein Herz, denn ich weiß, dass es das einzige ist, das die Sehnsucht mildern kann. Denn mein Herz bringt mich näher zu meiner Seele und meine Seele näher zu dem was mich erfüllt.
Kann sein, dass auch dies ein Traum ist. Doch eines ist sicher, ist es ein Traum, werde ich es erkennen, wenn ich daraus erwache. Keinen Augenblick früher.
So hat alles seine Zeit.
Der Traum, das Erwachen.
Und dann gibt es noch das Erwachen innerhalb des Traumes, dann wird es ganz kompliziert. Egal, Hauptsache weiter.
Weiter, wohin?
Zum nächsten Traum?
Zum nächsten Erwachen?
Wollen Träume eine Chance haben, müssen sie schon sehr raffiniert sein.
Kann Erwachen endgültig sein?
Oh ja, das kann es. Doch selbst dann werde ich immer wieder einschlafen.
Wenn ich dann einschlafe, dann weiß ich dass ich träume. Ich weiß dann, dass Träume Teil dessen sind was Realität genannt wird.
Es spielt nicht die geringste Rolle mehr, ob ich Träume oder wach bin.
Die Unterscheidung gibt es nicht mehr. Denn auch der Traum ist ein Geschehen in einer Welt, die Traumwelt genannt wird.
Die andere Welt, die Realität genannt wird, ist jedoch der weit größere Traum.
Also ist alles ein großer Traum, eine Täuschung.
Das ist das Traurige. Es gibt kein Christkind. Es gibt keinen Weihnachtsmann!
Oder vielleicht doch?