Bildzeitungsstoff
Die ersten Berichte sind klassischer Bildzeitungsstoff.
„Riesenbabys in Ulmer Klinik geboren“
Eine Woche später häufen sich ähnliche Berichte auch in anderen Tageszeitungen.
Dann kommt die erste Welle der klagenden Mütter.
„Frauen wird Zugang zu ihren Babys verwehrt“
„Polizei sperrt Kreissaal“
Im Internet liest man von ähnlichen Fällen überall in der Welt.
Eine weitere Woche später ziehen tausende von verärgerten, ängstlichen, und verwirrten Eltern durch die Straßen der Welt.
Schilder, auf denen „Gebt uns unsere Kinder zurück“ steht, in Berlin, Madrid, New York, Vancouver.
Es kommt zu Ausschreitungen. Frauen, Mütter, die mit Steinen auf Polizisten werfen, Väter die mit langen Stangen Fensterscheiben durchbohren.
Weiße Gorillas
Seltsame Berichte aus Indien, teilen Afrikas und Asiens, über hunderte grausiger Morde, gehen im Aufschrei der Eltern unter.
Ein Youtube-Video zeigt einen weißen Riesen durch den Brasilianischen Wald huschen.
Natürlich Handykamera, das Bild verwackelt und zu dunkel.
So schnell wie er kommt ist, er auch wieder weg.
ARD Tagesthemen. Der Nachrichtensprecher warnt seine Zuschauer vor dem Folgenden.
Bilder aus einem Hubschrauber aufgenommen.
Naher Osten. Vermummte Menschen schießen wild um sich. Dutzende Leichen säumen die staubigen Straßen.
Aus einer Häuserschlucht springt etwas großes. Im ersten Moment erinnert es an einen weißen Gorilla ohne Fell. Ein zweiter taucht auf, ein dritter. Sie rennen auf die Menschen zu.
Schüsse fallen. Die Wesen erreichen die Menschen. Der Boden färbt sich rot.
Der Hubschrauber dreht ab.
Wenig später. Internationale Pressekonferenz.
Ein seltsames Bild. Die Führer unser Welt, vereint wie sonst nur bei Klimakonferenzen.
Ihre Minen sind ernst, Merkel sieht ängstlich aus.
Das Fernsehen Bild flackert, stabilisiert sich wieder.
Obama darf sprechen. Simultandolmetscher für alle Länder.
Er spricht von einer Prüfung.
Er spricht von einer nie dagewesenen Bedrohung.
Er spricht von Zusammenhalt, dem Glaube an Gott, und er spricht von Krieg.
Das Bild flackert, dann nur noch weißes Rauschen.
The Run
Der Ansturm beginnt. Das Bunkern von Lebensmittel.
Straßensperren, Panzer und Hubschrauber. Erste Tote durch friendly fire.
Ein Soldat erschießt eine junge Frau, die trotz mehrmaliger Aufforderung das Areal zu verlassen, in den Laden rennt, um Alete Hip für ihr Baby zu besorgen.
Das Fernsehen funktioniert wieder. Ein Stück Normalität kehrt zurück. Der Soldat wird angeklagt.
Pressekonferenz. Merkel verspricht für den Abend Aufklärung. Aufklärung über die Lage der Nation, Aufklärung über die Art der Bedrohung, Aufklärung über weitere Schritte.
Werbung. Das ZDF Mainzelmännchen wünscht guten Tag. Es folgt Sturm der Liebe, Folge 1088.
Kaum einer geht arbeiten. Gute Einschaltquoten für Folge 1088.
Handygeburt
Internationale Pressekonferenz. Nicht Obama, nicht Merkel, nicht Putin oder China, ein Wissenschaftler tritt hinter das Podest.
Kahlkopf, Brille, Oberlippenbart.
Er räuspert sich. Sein Name ist Dr. Matthew String. Angespannte Stille, nur unterbrochen von vereinzelten Blitzen der Pressefotographen.
Der Mann hat ein Konzept.
3, 4 Millionen Geburten im letzten Monat, sagt er.
Zwischenrufe von Presseleuten, Fragen über den verbleib der Kinder.
Der Wissenschaftler wartet einen Moment und fährt fort.
Verwirrte Blicke, als er die Anzahl der im All um die Erde kreisenden Funksatelliten aufzählt.
5,3 Milliarden Handynutzer Weltweit.
Zum ersten Mal wirkt er nervös, ja fast schon unsicher.
Er verspricht sich, fängt nochmal von vorne an.
Prof. Dr. Viktor Yurishek hat die Strahlung entdeckt, sagt er.
„Was für Strahlung?“, schreit ein allzu neugieriger Pressevertreter.
Der Wissenschaftler spricht von einer Art Gammastrahlung, die über die Satelliten auf die Handys transferiert wird.
„Woher kommt die Strahlung?“, erklingt es im Kollektiv.
„Das Sternensystem nennt sich Panteon“, sagt String.
Die Presseleute schweigen. Es ist ein beklemmendes Schweigen, ein Schweigen, dass mehr aussagt, als überhastete Fragen über Außerirdische.
String rückt sich die Brille zurecht, und wischt sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
Diese Gammastrahlung hat Auswirkungen auf das ungeborene Leben, führt er auf.
Die Presseleute haben sich erholt.Wildes durcheinander Rufen.
„Was sind die weißen Gorillas?“, ist immer wieder zu vernehmen.
Männer in Schwarz, CIA, FBI, bringen die größten Schreihälse mit einem Tipp auf die Schulter zum Schweigen.
Einer will nicht Schweigen. Er schreit immer wieder: „Pressfreiheit, Pressefreiheit.“
Er klingt verrückt. Die Männer in Schwarz begleiten ihn nach draußen.
Die Strahlung führt zu Mutationen wenige Stunden nach der Geburt.
Er hat es gesagt. String wirkt ein wenig erleichtert.
Die Männer in Schwarz können die Presseleute nicht mehr beruhigen.
Man hätte sie überhaupt nicht einladen sollen.
Guerillakrieg
Im Fernsehen wird dazu aufgerufen das Haus nicht zu verlassen. Schwangere müssen sich umgehend in eigens eingerichteten Lagern melden. Beamte klingeln an den Türen, begleiten Schwangere zu Kastenwägen.
Die Militärpräsenz nimmt zu. Weniger Plünderungen, mehr Vergewaltigungen, mehr Tote.
Das Zischen der Düsenjets wird zum Alltag.
ARD hat die besten Einschaltquoten ever. Alle anderen Anstalten haben aufgehört zu senden.
Offener Umgang mit dem Thema. Experten diskutieren, analysieren, mutmaßen.
Stündliche Nachrichten. Die USA hat begonnen ihre eigenen Satelliten vom Himmel zuschießen.
In der EU wird noch darüber diskutiert.
Einspieler von Häuserkämpfen in Bangkok, Mogadischu, Kapstadt.
Geschnittene Beiträge. Feuernde Soldaten und Polizisten. Straßensperren und zerschossene Häuserfassaden. Keine weißen Gorillas.
Weiße Gorillas gibt es im Internet zu sehen.
Ein Dorf voller verstümmelter Leichen. Dreieinhalb Stunden online, 578 Millionen Klicks.
Ein Gorilla im Hausflur, aufgenommen durch das Schlüsselloch. Portugiesisches Geflüster.
Zwölf Stunden online. 700 Millionen Klicks.
Ein Gorilla zieht einen toten Soldaten über die Straße. Neun Stunden online.
610 Millionen Klicks.
Eine Gruppe Halbstarker, ertränken feierlich ihre Smartphones in einem Aquarium.
Sieben Stunden online, fast eine Milliarde Klicks.
Rom brennt
Schockierende Bilder. Rom brennt. Ein Reporter filmt aus nächster Nähe. Chaotische Bilder.
Menschen laufen durcheinander, dichter Rauch überall. Dazwischen, weiße Monster.
Panzer die über Autos rollen. Die Verbindung bricht ab.
Schnitt auf den Nachrichtensprecher. Große Augen, halb offener Mund. Stille. Er räuspert sich.
Selbstbewaffnung.
Manche Häuser gleichen einer Festung. Vernagelte Fenster, Stacheldraht.
Derjenige der einen Brunnen besitzt, verteidigt ihn mit seinem Leben.
Keiner will mehr Spiele spielen.
Facebook wird zu einem Kriegstagebuch. Besonders Informierte, sprechen vom Vorstoß der weißen Gorillas. Viele Blogger werden gesperrt.
Eine Rockband aus den USA macht die Runde. Millionen Mal wird ihr Lied geteilt.
Patriotische Floskeln. Aufmunternd und kitschig. Im Refrain wird Bob Marley zitiert: Everything is gonna be allright. Der Soundtrack zum Untergang.
Jetzt geht alles ganz schnell
Die Internetverbindung ist unterbrochen. Im Fernsehen ist nur noch weißes Rauschen zu sehen.
Das Radio sendet noch.
In einigen Kilometern Entfernung kann man Schüsse hören. Dumpfes Grollen.
Die Straßen sind leer. Geisterstädte werden geboren.
Lastenwagen kommen. Sie holen die Menschen. Nicht jeder will mit. Viele bleiben zurück.
Große Auffanglager, umgeben von dicken Barrikaden. Kindergeschrei und Gestank.
Das Grollen kommt näher. Düsenjäger und große Bomber am Himmel.
Gerüchte über Atomwaffen machen die Runde. Klagen über zu wenig Information.
Selbstmorde. Massengräber außerhalb der Mauern.
Im Radio spricht ein Priester. Er sendet drei Mal am Tag. Viele beten mit ihm.
Religionen haben jetzt Hochkonjunktur.
Böses Erwachen/Die Festung fällt
In der Nacht fallen die ersten Schüsse von den Wachtürmen. Das Feuern dauert bis in den Morgengrauen. Hubschrauber landen und starten. Das Lager wird evakuiert.
Es dauert zu lange. Die Festung fällt. Unzählige weiße Gorillas erklimmen die Mauern.
Die Schüsse der Soldaten zeigen keine Wirkung.
Die letzte Bastion
Die wenigen die entkommen konnten, flüchten in das nächste Lager.
Ein hoher Militär spricht im Radio vom Recht des Stärkeren.
Eine „Wir waren zuerst da!“ Mentalität prägt seinen Vortrag.
Gegen Ende wird er zynisch: „Wenn nicht wir, dann keiner! Nach uns die Sintflut!“
Es gibt zu wenig Bunker. Zu viele sehen den Pilz am Horizont, als die Angriffe beginnen.
Everything is gonna be allright.