Das Flugzeug startete. Delilah wurde in den Sitz gedrückt. Die Nase des Fliegers glitt durch die Wolken wie durch Zuckerwatte. Bald war die Boing 737 über den Wolken. Ganz klein, wie eine Modellbauplatte, breitete sich unten die Landschaft aus. Eine Stewardess kam und brachte etwas zu trinken.
Einige Stunden später besagte die Durchsage, dass alle sich wieder anschnallen sollten; das Flugzeug begann seinen Landeanflug. Delilah blickte aus dem kleinen Guckloch. Jetzt wurden die Häuschen, Straßen, Wälder und Felder, Wiesen und Gewässer wieder größer. Das Flugzeug schnitt durch die Wolken. Bald setzte es auf der Landebahn auf. Die Passagiere stiegen aus und wurden mit einem Bus zum Flughafengebäude gefahren.
Delilah trat aus dem Gebäude. Sie war angekommen. Sie war in der Karibik. Es war warm. Der Himmel war dunkelblau. Ein einzelnes Wölkchen segelte langsam und gemächlich über den Himmel.
Delilah ging zum Strand. Dort war keine Menschenseele. Nicht einmal Sonnenschirme standen herum. Alles war naturbelassen. Delilah rannte ins flache, blau leuchtende Wasser. Ein Jubelschrei entrang sich ihr wie von einem kleinen Kind, das fasziniert mit dem Wasser spielt.
Es war später Nachmittag. Langsam, ganz langsam rutschte die Sonne immer tiefer, bis sie den Horizont berührte. Sie verfärbte sich rot, immer röter, bis sie glutrot versank. Der ganze Himmel war in den verschiedensten Farben; zartes Rosa, helles Blau, knalliges Orange und Rot. Es wurde langsam dunkel. Delilah saß im hellen, feinen Sand des Strandes. Sie blieb noch eine Weile sitzen, dann stand sie langsam auf und ging den Strand entlang in Richtung eines Hotels.
Zwei Stunden später lag sie in einem weichen Bett. Jetzt würde sie eine grandiose Zukunft haben! Sie würde sich einen Eiswagen kaufen und am Strand Eis verkaufen. Sie würde für immer in der Karibik leben, und ...
Bieb - bieb- bieb!
Sonja stöhnte auf. Wieder war ihr Traum vorbei. Wieder begann der Ernst des Alltags. Wieder musste sie in die Schule. Wieder würden ihre Klassenkameraden sie ausschließen. Delilah. Flugzeug. Karibik. Eisverkäufer ...
Sie schwang sich aus dem Bett. Es war nun mal vorbei. Selbst wenn sie jede Nacht davon träumte, irgendwohin weit weg zu reisen und dort ein neues Leben mit einem neuen Namen und neuen Freunden zu führen. Es würde nie Wahrheit werden. Sie würde hier bleiben müssen, ihr Abitur hinter sich bringen müssen, einen langweiligen Job ergreifen und alt werden. Sie würde nie das Geld haben, mit dem Flugzeug in die Karibik zu fliegen. Nie.